Protokoll der Sitzung vom 08.03.2006

niedrigste Arbeitslosenquote für Frauen und die niedrigste Sozialhilfedichte für Frauen.

(Zuruf der Abgeordneten Adelheid Rupp (SPD))

Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, weil Ihnen das nicht passt. Sie sollten aber darauf stolz sein.

(Adelheid Rupp (SPD): Es geht nicht darum, was mir passt! Sie sollten sich die Jobs ansehen! – Unruhe)

Frau Staatsministerin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? Der hohe Geräuschpegel ist nicht gut und muss nicht sein.

Gleichwohl, liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz rechtlicher Gleichstellung und einer verhältnismäßig günstigen Lebenssituation in Bayern haben Frauen ganz eindeutig deutliche Nachteile. Das wird nicht in Frage gestellt. Frauen in Führungspositionen – auch das haben wir heute schon gehört – in der Arbeitswelt, der Wissenschaft, der Politik und der Gesellschaft sind erheblich unterrepräsentiert. Wir haben in Bayern mit dem Verband der Bayerischen Wirtschaft je eine Beratungsstelle für Nord- und Südbayern eingerichtet, um insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen zu beraten, wie sie mit den weiblichen Mitarbeitern umgehen, ihnen Familie und Erwerbstätigkeit ermöglichen und auf die spezifi schen Situationen der Frauen im Betrieb eingehen können. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme.

Wir wissen, dass wir in Bayern 10 % mehr frauen- und familienfreundliche Unternehmen haben als der Durchschnitt der anderen Länder.

Gerade nach der Familienphase – Kollegin Haderthauer hat dies bereits deutlich gemacht – beziehen Frauen durchschnittlich erheblich geringere Einkommen und Renten als Männer. Die Familienarbeit und die Kindererziehung werden meist den Frauen überlassen. Die Männer sind hier ebenso wenig präsent wie in den sozialen Berufen.

Frau Kollegin Steiger, Sie mahnten an, dass ich am Girls‘ Day dafür Reklame gemacht habe, dass Frauen keine Dienstleistungsberufe ergreifen sollen, weil diese gering bezahlt werden. Ich kann den jungen Mädchen ihre berufliche Entscheidung nicht abnehmen. Das ist nicht die Aufgabe der Politik.

(Christa Steiger (SPD): Aber Rahmenbedingungen schaffen!)

Mit solchen Aktionen kann ich nur darauf aufmerksam machen, dass die technischen Berufe für die jungen Mädchen sehr gut geeignet sind und wesentlich besser bezahlt werden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie sollten das nicht kritisieren. Sie sollten froh sein, dass wir auf die Situation der jungen Mädchen aufmerksam machen.

Wir haben politische Schwerpunkte für echte Gleichberechtigung gesetzt. Wir wollen die Rahmenbedingungen für Frauen und Männer verbessern, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Die Rahmenbedingungen werden verbessert. Hier ist der Staat in der Verantwortung. Denken Sie nur an den gewaltigen Ausbau der Kinderbetreuung. In den letzten drei Jahren haben wir mehr als 80 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert. Dass es, – Frau Kollegin Strohmayr, wir sind bei diesem Thema einander fast lieb gewordene Sparringspartner geworden – bei der Bedarfsplanung Sand im Getriebe gibt, will ich nicht leugnen. Dies betrifft insbesondere die Firmenkrippen. Ich sehe aber durchaus, dass viele Kommunen die gesamten Firmenkrippen – egal woher die Kinder kommen – in die Bedarfsplanung aufnehmen.

In manchen Teilen Bayerns funktioniert das hervorragend, aber in manchen Kommunen muss man tatsächlich noch intensiver mit den Verantwortlichen reden, was ich gerade in der nächsten Zeit tun werde. Ich habe die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände zu einem Gespräch eingeladen, damit wir gemeinsam prüfen, wie wir die kommunale Bedarfsplanung auf einen noch besseren Weg bringen können. Dass es hier Probleme gibt, räume ich durchaus ein, aber Sie müssen schon sehen, dass der Ausbau der Kinderbetreuung gerade bei den unter Dreijährigen und bei den Horten gewaltig vorangebracht worden ist. Es bewegt sich enorm viel, damit Familie und Erwerbstätigkeit in Einklang gebracht werden können und unseren jungen Familien fl exiblere Betreuungszeiten angeboten werden können.

Ich meine, auch in Bezug auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen hat sich in den letzten Jahrzehnten viel bewegt. Die Zahlen werde ich Ihnen nicht vorlesen; Sie kennen sie alle.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Langsam!)

Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, ich sage Ihnen eines: Mit Sicherheit geht es vielen zu langsam, aber Sie müssen schon sehen, dass viele Frauen sagen – ich weiß das aus Gesprächen mit vielen jungen Frauen –, ich möchte Familie und Erwerbstätigkeit in Einklang bringen, aber ich möchte nicht unbedingt Karriere machen. Das ist das Problem, das wir haben. Gleichzeitig muss ich Ihnen aber sagen, wenn Sie die Wahlfreiheit verwirklichen und unsere Frauen nicht einseitig in die Erwerbstätigkeit und die Karriere drängen wollen, dann müssen Sie auch diese Lebensentwürfe respektieren.

(Beifall des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Sie müssen den Frauen zugestehen, so zu leben, wie sie es sich selbst wünschen. Wenn wir es in Deutschland und in Bayern nicht schaffen, damit aufzuhören, die unterschiedlichsten Lebensentwürfe abzuqualifi zieren, dann

sind wir auf dem falschen Weg. Das ist gerade auch ein Problem der Frauen.

Ich weiß, dass wir in Sachen Gleichberechtigung noch viel erreichen müssen. Wir sind nicht am Ziel; das ist keine Frage. Es gibt noch viele Ungerechtigkeiten, gerade was die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit anbelangt. Das ist etwas, was unbedingt verwirklicht werden muss, wobei die Frauen selbstverständlich einen Rechtsanspruch haben, der in unserer Verfassung steht. Man muss die Frauen aber auch zu dem notwendigen Selbstbewusstsein ermuntern, damit sie hin und wieder auch gegen ihren Arbeitgeber vorgehen. Trotz aller Probleme sollten wir uns aber davon befreien, den Frauen, je nach Parteizugehörigkeit, aus einem unterschiedlichen Blickwinkel bestimmte Lebensentwürfe zu verordnen. Wenn wir die Wahlfreiheit nicht wirklich ernst nehmen und sagen, die Frauen können ihre Lebensentwürfe so verwirklichen, wie sie es wollen, und die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Familie und Erwerbstätigkeit auch im Rahmen von fl exiblen Arbeitszeiten in Einklang gebracht werden können, dann sind wir auf dem falschen Weg.

Ich weiß, dass es nicht einfach ist, ohne Scheuklappen die Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Lebensentwürfen herzustellen. Auch in Deutschland muss sich hier noch viel in den Köpfen bewegen. Für eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit brauchen wir auch die Männer. Wir brauchen sie auch in den sozialen Berufen. Mich bedrückt es, dass wir zu wenig Erzieher haben. Mich bedrückt es, dass wir in der Grundschule hauptsächlich Frauen haben, und das bei so vielen allein erziehenden Müttern, die es in Bayern und Deutschland gibt. Es fehlt schlicht und ergreifend das männliche Element in der Erziehung. Auf diese Tatsache sind zum Teil auch die Probleme zurückzuführen, die wir in der Kinder- und Jugendhilfe mit verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen haben. Wir müssen die Männer und jungen Väter dazu bringen, sich stärker auf eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit einzulassen. Hierauf kann die Politik aber nur aufmerksam machen. Letztlich geht es um eine persönliche Entscheidung jedes Einzelnen.

Wir müssen auch zusehen, dass wir eine verstärkte Präsenz der Frauen in der Politik bekommen; das ist keine Frage. Mein Fazit ist: Die Chancengleichheit von Frauen und Männern ist mühsam zu erreichen. Der Weg ist steinig, und es sind noch viele Anstrengungen nötig. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern in Bayern auf einem guten Weg ist.

(Beifall bei der CSU – Adelheid Rupp (SPD): Eine Rede noch!)

Frau Rupp, Ihre Fraktion kann das in Anspruch nehmen. Die Redezeit war über zehn Minuten; denn ich war bei einer ganzen Reihe von Rednerinnen ähnlich großzügig.

(Adelheid Rupp (SPD): Bei allen?)

Natürlich bei allen. Wenn Sie es ausreizen wollen, dann ist das Ihr gutes Recht. Ich kann aber genauso gut bei jedem Redner nach fünf Minuten mit Fallbeil sagen, die Redezeit ist zu Ende. Genau das wollte ich in der Debatte nicht tun. Wenn Sie aber auf der Geschäftsordnung bestehen, haben Sie die Möglichkeit.

(Engelbert Kupka (CSU): Jetzt muss aber etwas Bedeutendes kommen!)

Es kommt immer etwas Bedeutendes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz und knapp an die Adresse der Kolleginnen von der CSU gerichtet: Sie haben vieles beklagt, was bei uns nicht in Ordnung ist. Wir sind uns in einigen Punkten durchaus einig, es gibt eine Benachteiligung, die Zahlen belegen es. Kolleginnen von der CSU, Sie beklagen das wie wir, aber Ihnen muss man schon sagen: Ändern Sie es. Sie regieren; Sie können etwas tun. Das ist Ihre Aufgabe. Setzen Sie es in Ihrer Fraktion durch, dann haben wir hier im Landtag andere Möglichkeiten, dann haben wir andere Gesetze, und dann haben wir eine andere Situation.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

(Engelbert Kupka (CSU): Frau Tolle, was wollen Sie uns sagen?)

Ihnen nichts. Ich fange lieber bei der Frau Kollegin Sem an, die nicht mehr hier ist. Ich glaube, es ist ein frauenpolitisches Armutszeugnis, was wir da gehört haben. Wenn denn das Glas halb voll gewesen ist, dann ist es jetzt ausgeschüttet worden. Ich persönlich bedanke mich bei keinem Menschen der Welt und bei keiner Partei der Welt, dass ich darüber entscheiden darf, wen ich heirate und ob ich überhaupt heirate.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So eine Aussage im Parlament der CSU vor die Füße zu werfen, halte ich für äußerst problematisch.

Frau Stewens, wenn Sie Männer verstärkt in Berufe bringen wollen, in denen sie deutlich unterrepräsentiert sind, warum haben Sie dann beim Gleichstellungsgesetz, in das wir einen Passus einbauen wollten, der genau dies fordert, eine entsprechende Regelung abgelehnt? Da hätten Sie doch zustimmen können. In diesem Punkt sind wir uns einig, Frau Rupp: Die CSU regiert, aber sie tut nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum BayKiBiG möchte ich Ihnen sagen, bei uns gibt es Frauen, die müssen ihr Kind in einen Hort in einem Ort bringen, in dem sie nicht wohnen.

Frau Kollegin, nachdem Großzügigkeit eine dehnbare Angelegenheit ist, teile ich Ihnen mit, Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.

Bitte? – Die anderen haben auch viel überzogen.

Die Ministerin hat nach meiner Uhr um etwa eine Minute und zehn Sekunden überzogen. Sie haben exakt dieselbe Redezeit.

Bei mir ist eine Minute und 31 Sekunden angezeigt. Insofern haben wir einen Dissens.

Kommen Sie dann bitte zum Ende.

Frau Stewens, die Mütter müssen beim Bürgermeister darlegen, warum sie arbeiten gehen, damit der Bürgermeister ihnen vielleicht den Hortplatz bezahlt. Es gab auch einen Fall, in dem der Bürgermeister gesagt hat – und da brauchen Sie nicht mit dem Kopf zu schütteln –: Bleib’ doch zu Hause. So sieht es aus mit der Gleichberechtigung und dem neuen Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Leider ist meine Redezeit zu Ende, sonst hätte ich Ihnen noch sehr viel mehr sagen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf: