Die auch als Kompensation für den Wegfall der Rahmengesetzgebung ins Auge gefasste Abweichung der Gesetzgebung ist unserer Meinung nach von den Regelungsmaterien her dahin gehend zu begrenzen, dass es nicht zu einer Rechtszerklüftung in Deutschland infolge unterschiedlicher Standards oder gar zu einem Dumpingwettlauf mithilfe niedriger Standards kommen kann.
Zu Kultur, Schule und Bildung, also zu einem weiteren Themenfeld, wo wir eine differenzierte und differenzierende Argumentation hinsichtlich der jetzigen Reformvorschläge und Reformanträge haben, wird anschließend meine Kollegin Margarete Bause sprechen.
Deshalb nehme ich an dieser Stelle jetzt zu einigen weiteren einzelnen Kritikpunkten Stellung. Die geplante Verlagerung des Versammlungsrechts auf die Länder lehnen wir ab, da hier Grundrechte tangiert werden. Auch sollte der Strafvollzug weiterhin einheitlich auf Bundesebene geregelt werden, um einheitliche Standards beim Vollzug hoheitlicher Entscheidungen zu wahren.
Da kommt schon einiges, Herr Kollege Maget. Genau die gleichen Punkte haben Sie übrigens auch in Ihrem Antrag; das sei mir erlaubt zu sagen. – Für nicht richtig halten wir die Zuständigkeit der Länder für die Laufbahnen und Besoldung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes der Länder, Gemeinden und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts; denn mit der Zuständigkeitsverlagerung würde zusätzlicher Verwaltungsaufwand geschaffen und ein Wechsel der Beschäftigten zwischen den einzelnen Bundesländern erschwert werden.
In der Aufgabe, die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Bundesländern zu entfl echten und transparenter zu gestalten, sehen wir, wie übrigens auch viele Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die gleiche Notwendigkeit und Bedeutung wie in der Rückführung von Vermengungen und Überschneidungen bei den Zuständigkeiten in unserem Staatswesen. Das heißt, es muss zügig an die Aufgabe der Reformierung der Finanzverfassung herangegangen werden. Da sehen wir in naher Zukunft nichts. Ich bin mir nicht sicher, ob in naher Zeit überhaupt etwas passieren wird.
Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiges Anliegen – Kollege Maget, da sind wir jetzt tatsächlich bei den Landtagen und Ländern – des Landtags muss die Stärkung der Länder sein, hier insbesondere der Landesparlamente durch Ausweitung und Aufwertung ihrer Zuständigkeiten.
Davon profi tieren zwar einerseits die Landesregierungen, andererseits müssen diese auch einen erheblichen Kompetenz- und Machtverlust hinnehmen durch die Begrenzung von Zahl und Gegenständen bei den zustimmungspfl ichtigen Gesetzen. Gerade die Abkehr vom Exekutivföderalismus, wesentliche Ursache für Langatmigkeit, Intransparenz und auch parteipolitisch motivierte Blockade bei der Entscheidungsfi ndung, muss Ergebnis der Reform zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ord
Schließlich müssen gerade wir als Landtagsabgeordnete einfordern, dass in einer unter Umständen künftig eingesetzten Kommission oder in einem sonstigen Gremium zur Vorbereitung weiterer Reformschritte – es zeichnet sich ja schon ab, dass es bei weitem nicht genügen wird, was jetzt reformiert wird – die Landtage nicht nur als Beobachter vertreten sein werden, wie dies bedauerlicherweise in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung der Fall gewesen ist.
Herr Ministerpräsident Stoiber, noch einmal ganz klar unsere Position, nachdem Sie es rekurrierend auf Frau Künast anders darstellen wollten: Dort, wo es um einheitliche Verhältnisse im Gesamtstaat geht, sind die Regelungen auf Bundesebene zu treffen. Umgekehrt sollten Sachverhalte mit überwiegend regionalem Bezug allein durch die Länder geregelt werden. Mischzuständigkeiten und unklare Regelungen sind soweit wie möglich zu vermeiden. Deshalb können und wollen wir beispielsweise nicht akzeptieren – in diesem Punkt gehen wir weiter als diejenigen, die die Gesetzentwürfe eingebracht haben –, dass es weiterhin die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geben soll. Entfl echtung so weit wie möglich ist dringend notwendig, um bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben für mehr Effi zienz und mehr Transparenz zu sorgen und um das bisher so beliebte Schwarzer-Peter-Spiel endlich begrenzen zu können.
Für die Regelung von Sachverhalten auf Landesebene oder gegebenenfalls sogar auch auf niedrigerer Ebene gibt es in unseren Augen gute Argumente. Dezentrale Steuerung ist regierungsökonomischer, sie ist gekennzeichnet durch größere Sach- und Problemnähe, sie kann fl exibler reagieren und agieren und ist in der Summe fehlerverzeihender.
Herr Ministerpräsident, ich komme zu Ihrer Behauptung, die GRÜNEN würden sich in den Landtagen überfl üssig machen. Herr Kollege Maget hat vorhin dankenswerterweise den Kollegen Kretschmann aus Baden-Württemberg zitiert. Von wegen überfl üssig machen, das wird ganz sicher nicht passieren. Überfl üssig hat sich in letzter Zeit eigentlich nur einer gemacht – und das waren Sie in Berlin.
Es ist schon angesprochen worden, dass die Debatten in den einzelnen Lagern sehr unterschiedlich geführt worden sind. Das ist überhaupt nicht verwerfl ich. Es muss sicherlich erlaubt sein, in der Debatte und Entscheidungsfi ndung hinsichtlich der „richtigen“ Aufgabenzuordnung neben theoretisch-idealtypischen beispielsweise auch politikpraktische oder politiktaktische Erwägungen und Begründungen zu berücksichtigen. Hier aber die These aufstellen zu wollen, der Bundestag treffe grund
sätzlich oder aber zumindest in der Regel die „besseren“ Entscheidungen als die Landtage, ist in unseren Augen schlicht und ergreifend Unfug.
Auch kann nicht per se davon ausgegangen werden, Bundesministerien seien lobbyresistenter als Landesministerien. Das hängt doch immer von der jeweiligen Regierung und auch von der jeweiligen Ressortspitze im Einzelfall ab.
Ein sehr wichtiges Anliegen muss uns die Stärkung der Parlamente, die Stärkung der Legislative gegenüber der Exekutive sein. Das gilt nicht nur für den Landtag. Es gilt auch für den Bund, wo es mit dem Aufkommen der „Paktitis“, des „paktierenden Staates“ und der Zunahme internationaler Vereinbarungen – im EU-Kontext werden beispielsweise Materien der Innenpolitik mit Instrumenten der Außenpolitik angegangen und geregelt –, immer mehr zu einer Behandlung des Parlaments nach dem Motto „friss, Vogel, oder stirb“ gekommen ist.
Das Aufkommen der „Paktitis“ begrenzt auch die Wirkungsmöglichkeiten, den Einfl uss der Landesparlamente. Das haben auch wir hier in Bayern schon erleben dürfen. Hinzu kommt, dass sich die Landesregierungen im Bundesrat nicht um die Landtage, nicht um die Voten der Landesparlamente scheren müssen. Auch das haben Sie schon eindrucksvoll dokumentiert, wenn es ausnahmsweise gelungen ist, zu einem anderen Votum im Landtag zu kommen, als es die Staatsregierung sich gewünscht hatte. Da haben Sie gesagt, ällabätsch, wir sind im Bundesrat nicht an das Votum des Landtags gebunden. Dann wurde eben im Bundesrat anders agiert und abgestimmt.
Damit sind wir wieder bei dem für uns ganz besonders wichtigen Anliegen der Stärkung der Landesparlamente. Die enormen Fortschritte, die hier der CSU-Fraktionsvorsitzende sieht und von denen er schreibt und spricht – Zitat : „Die Landtage werden gestärkt und mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten ausgestattet“ – können wir in den jetzigen Reformvorschlägen noch nicht erkennen. Hier allerdings einen Beginn zu machen, beispielsweise für mehr Transparenz und Mitwirkungsmöglichkeiten zu sorgen, sich beispielsweise um mehr Redlichkeit in Berichten und bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu bemühen, das können und könnten Staatsregierung und CSU auch ganz alleine.
Auf diese Art und Weise könnten Sie von sich aus das Parlament stärken, was meiner Ansicht nach dringend erforderlich wäre.
Herr Kollege, dass Sie hier schmunzeln, liegt nahe. Für Sie ist das eines: Staatsregierung und CSU-Fraktion und CSU-Fraktion und Staatsregierung. Wir meinen, Sie täuschen sich.
Wir sind beim Kern der Probleme im Freistaat angelangt, der verklärten und verklärenden Sicht- und Handlungsweise von Staatsregierung und CSU-Spitzen. Die Forderung nach Föderalismus und die Behauptung der Vorteile von Dezentralität enden stets vor der Haustür der Staatsregierung und der CSU-Spitzen. Für bürokratische Belastungen – das haben wir heute wieder hören und erleben dürfen – sorgen immer nur die anderen. In der Rede des Ministerpräsidenten ist diese Sichtweise gerade wieder überdeutlich geworden.
Herr Stoiber, Sie sollten einmal in sich gehen, nicht nur was Ihre Entscheidungen die eigene Person betreffend anbelangt, sondern auch, was Ihren Regierungsstil und Ihre Regierungsinhalte betrifft. Die sind nämlich gekennzeichnet zum einen durch Protzsucht und Aberglauben an sündteuere Großprojekte – auch heute wieder durch den Exkurs zum Transrapid dokumentiert.
Überhaupt, an dieser Stelle werfen wir die Frage auf: Was hat der Transrapid, den selbst Ihr neuer Verkehrsminister, der wackere Erwin Huber, in die Objekte der Parapsychologie einordnet, in der Regierungserklärung zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung verloren? Es sei denn, Sie sind so ehrlich und wollen diesen Ihren Stammelzug und Schwebetraum als Extrembeispiel für unsinnige, unmögliche und unbeherrschbare Verfl echtungen und Vermengungen präsentieren. Dies gilt zum einen für die Organisation und zum anderen für die Finanzierung, die aus Mitteln geleistet werden soll, die von Nahverkehrsgeldern bis hin zu TEN-Mitteln, also Mitteln für Transeuropäische Netze, reichen. So gesehen haben Sie ein wunderbares Beispiel gebracht für Vermengungen und Verfl echtungen, wie sie nicht vorhanden sein sollten.
Herr Ministerpräsident, das andere Kennzeichen Ihres Regierungshandelns neben Protzsucht und Aberglaube an sündteuere Großprojekte sind Bürokratie, Technokratie und Autokratie, und das ist mit Sicherheit nicht gut für Bayern und Bayerns Bürgerinnen und Bürger.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als jungen Abgeordneten anfangs Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, einen besonderen Dank für Ihre Verdienste aussprechen.
Wenn die Schlagzeilen der Gazetten zutreffen, haben Sie sich vor wenigen Tagen um die Verbesserung der Atmos
phäre und der Beziehungen zwischen Bayern und dem Bund mehr als verdient gemacht. Erstmals seit der Aufzeichnung der persönlichen Beziehungen zwischen Regenten hat ein bayerischer Ministerpräsident einem deutschen Bundeskanzler – in diesem Fall einer Bundeskanzlerin – das Du angeboten, gewissermaßen die gleiche Augenhöhe – und das ohne Not.
Ja! Ein nachhaltig praktiziertes „Du“ ist in der Verfassungswirklichkeit oft weitaus mehr wert als der Paragrafendschungel eines Verfassungstextes.
Selbst unter den Reiferen, unter den Älteren in diesem Haus dürfte sich wohl kaum jemand daran erinnern, dass beispielsweise Ludwig II. beispielsweise Otto von Bismarck das „Du“ angeboten hätte, oder Franz Josef Strauß den Bundeskanzlern Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt oder Schmidt.