Protokoll der Sitzung vom 31.03.2006

Wir müssen solche Entwicklungen überdenken und das hat überhaupt nichts, Herr Kollege Maget, mit einem Hineinregieren der Staatskanzlei zu tun. Das ist – darum stelle ich das in diesen Zusammenhang – ein Denken, das in 200 Jahren bayerischer Staatsverwaltung gewachsen ist. Das ist auch gut gemeint, aber wie so oft im Leben ist manchmal gut gemeint nicht gleich gut gemacht.

Deshalb ist es richtig, wenn wir solche Entwicklungen in Bayern hinterfragen und überdenken.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Sehr erfreulich!)

Wenn wir künftig im Landtag neue Zuständigkeiten für die Gesetzgebung erhalten – ob in Teilen des Umweltrechts, beim Gaststättenrecht oder vieles andere mehr –, so sollten wir das als Chance zu Deregulierung und Entbürokratisierung sehen.

Um es klar zu sagen: Wenn das bayerische Gaststättengesetz am Schluss dicker wäre als das bisherige deutsche Gaststättengesetz, hätten wir etwas falsch gemacht.

(Beifall bei der CSU)

Unser Ehrgeiz in diesem Hause muss es sein, in Zukunft schlankere Gesetze zu schaffen. Das gilt auch für die Umsetzung des EU-Rechts. Wir wollen, dass der Bund künftig Vorgaben der Europäischen Union nur noch eins zu eins umsetzt und keine zusätzlichen Vorschriften draufsattelt. Das muss natürlich auch für uns in Bayern gelten. Auch wir sollten europäisches und deutsches Recht nicht noch durch bayerische Reglementierungen in manchen Einzelfällen zusätzlich krönen.

Meine Damen und Herren, unter allen Gesetzesmaterien, die nach der Föderalismusreform zur Zuständigkeit der Länder gehören, ist uns in der CSU-Landtagsfraktion zweifellos die Bildung am wichtigsten. Wir behalten die uneingeschränkte Zuständigkeit für die Schulen, und wir

bekommen die fast vollständige Zuständigkeit für die Hochschulen. Bayern hat in den letzten 40 Jahren bewiesen, dass wir mit der Zuständigkeit für Schulen und Hochschulen richtig umzugehen wissen, jedenfalls weit besser als viele andere Länder. Die Pisa-Studien 1 und 2 haben das belegt. Bayerns Schüler können besser lesen, schreiben und rechnen als viele Schüler in anderen Ländern. Aber auch hier ist der Blick über die nationalen Grenzen hinaus wichtig. Laut Pisa-Studie lesen, schreiben und rechnen zum Beispiel viele Schüler in Norddeutschland schlechter als ihre Altersgenossen in Tschechien. Deutschland hat sich einmal das Land der Dichter und Denker genannt. Wir sprachen vom „Rohstoff Geist“. Welche Zukunftschancen sollen aber junge Menschen in unserem Land haben, wenn wir schon beim Lesen, Schreiben und Rechnen mit manchen unserer Nachbarländer nicht mehr Schritt halten können? Deshalb sollten wir schon mit allem Nachdruck darauf hinweisen, dass wir wahrscheinlich Verhältnisse wie in Berlin hätten, wenn der Bund und Frau Bulmahn in den letzten sieben Jahren für unsere Schulen zuständig gewesen wären. Das wollen wir in Bayern eben in der Tat nicht, und deshalb sind Schulen und Hochschulen in unserer Zuständigkeit besser aufgehoben.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe Ihre Anträge gelesen. Wir stimmen mit SPD und GRÜNEN sicherlich darin überein, dass die Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse wichtig ist und dass wir die Mobilität der Schüler aller Länder nicht behindern wollen. Mobilität ist aber nicht wichtiger als Qualität. Wir werden an Bayerns Schulen nicht deshalb schlechter rechnen, damit sich ein Berliner Schüler in Bayern leichter integrieren kann, wenn er in unser Land kommt. Die Qualität muss natürlich weiterhin der Maßstab bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Vor dem Hintergrund der Pisa-Studie will ich noch eine weitere Anmerkung machen. Interessant oder in mancher Hinsicht noch interessanter als das Spitzenergebnis Bayerns ist für mich, dass bei den Gesamtergebnissen in den verschiedenen Fächern und Schulen Bayern, BadenWürttemberg, Sachsen und Thüringen die vier Spitzenländer in Deutschland sind. Andere ostdeutsche Länder sind ganz am Schluss der Tabelle. 1990 sind alle ostdeutschen Länder vom gleichen Niveau aus gestartet. Daran wird deutlich, dass es nicht egal ist, ob ein Land auch nur 10 oder 15 Jahre lang nach Unionsprogrammen oder SPD-Konzepten regiert wird. Das ist ein merklicher Unterschied.

(Beifall bei der CSU)

Das ist nicht nur ein Unterschied wegen der Studie, sondern es ist ein handfester Unterschied im Interesse der jungen Generation in diesen Ländern, ob ihnen bestmögliche Chancen mit auf den Weg gegeben werden oder ob sie in ihrer Entwicklung behindert werden.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Die sozialen Ausgangslagen erwähnen Sie nicht!)

In der Tat ist das auch eine ganz wichtige Erkenntnis für die Bedeutung der Landesparlamente, für unseren eigenen Stellenwert in diesem Hohen Haus. Mich hat der Minusrekord bei der Wahlbeteiligung am letzten Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und SachsenAnhalt schon ein wenig nachdenklich gemacht. Die Länder müssen ihre Kompetenzen und ihre Verantwortung auch wieder deutlicher machen. Deshalb ist es wichtig, dass das Zuständigkeitsgefl echt zwischen Bund und Ländern wieder etwas entfl ochten wird. Wir müssen den Wählerinnen und Wählern deutlich sagen können, für welche Themen wir im Land zuständig sind, für welche Themen wir Verantwortung tragen und für welche Themen wir auch vor die Wählerinnen und Wähler hintreten. Daran lassen wir uns messen. Das muss für unsere Bürgerinnen und Bürgern wieder leichter ersichtlich sein, und dazu trägt diese Föderalismusreform bei.

Deshalb nehmen wir auch gerne etwas mehr Zuständigkeiten im Hochschulrecht wahr. Gerade zu den Hochschulen ist in den letzten Wochen in Berlin wiederholt geäußert worden, es wäre doch besser, wenn der Bund hier mehr mitwirken und auch etwas bezahlen würde. Der Ministerpräsident hat es vorhin schon deutlich angesprochen: Der Bund schuldet Bayern immer noch über 500 Millionen Euro für Hochschulprojekte, die wir vorfi nanziert haben.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Und was schulden Sie den Städten und Gemeinden?)

Das ist die Praxis der Hochschulbaupolitik des Bundes. Das muss man auch den Studierenden in Bayern deutlich sagen. Man braucht niemandem Sand in die Augen zu streuen und so zu tun, als würde es den Studierenden besser gehen, wenn der Bund mehr Zuständigkeiten für die Hochschulen hätte.

(Beifall bei der CSU)

Die Bildung hat in Bayern Vorrang. Dafür werden wir in den nächsten Jahren sicherlich noch mehr Geld locker machen müssen. Dazu dürfen wir aber nicht noch mehr Schulden machen. Das kann nur durch Umschichten gehen. Deswegen sind wir ganz ehrlich: Wenn Bildung in Bayern Vorrang hat, müssen wir in den nächsten Jahren darüber diskutieren, was demgegenüber nachrangig ist. Es ist nicht ehrlich, den Menschen so wie bei ARD und ZDF zu sagen: Sie sitzen alle in der ersten Reihe. Wenn etwas Vorrang hat, muss etwas anderes Nachrang haben. So müssen wir auch den Vorrang der Bildungspolitik in den nächsten Jahren deutlich untermauern.

Meine Damen und Herren, ein letzter Themenbereich, den ich ansprechen will: Die Föderalismusreform bringt den Ländern künftig die volle eigene Zuständigkeit für die Beamten, für das Dienstrecht, für das Besoldungsrecht und für das Versorgungsrecht. Wenn wir hier wirklich neue Gesetze erarbeiten wollen, sollten wir uns dessen bewusst sein, dass die Spitzenstellung Bayerns auf vielen Gebieten nur dank eines überdurchschnittlich leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienstes erreicht wurde. Die Spitzenstellung bei Pisa, die ich gerade angesprochen habe, haben wir natürlich nur erreicht, weil wir

in Bayern Zehntausende von engagierten, leistungsfähigen und gut motivierten Lehrerinnen und Lehrern haben. Denen möchte ich am heutigen Tage auch einmal ein herzliches Wort des Dankes für ihren Einsatz sagen.

(Beifall bei der CSU)

Die Spitzenwerte im Hochschulranking, die vorhin angesprochen worden sind, erreichten wir natürlich auch nur, weil wir eine engagierte Professorenschaft an unseren Hochschulen haben. Deshalb sei auch unseren Professorinnen und Professoren an Universitäten und Fachhochschulen ein herzliches Dankeschön dafür gesagt, dass durch ihren Einsatz und ihren Beitrag die bayerischen Hochschulen überdurchschnittlich gut sind.

(Beifall bei der CSU)

Ein letztes Beispiel: Die niedrigste Kriminalität und die höchste Aufklärungsquote in Bayern haben wir natürlich nicht nur richtigen politischen Weichenstellungen, sondern auch dem großartigen Einsatz unserer Polizistinnen und Polizisten in Bayern zu verdanken. Deshalb auch ihnen ein herzliches Dankeschön für ihren Einsatz.

(Beifall bei der CSU)

Ich könnte viele weitere Beispiele nennen. Wichtig ist, dass wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen, wenn das Dienstrecht und das Besoldungsrecht in Bayern in Zukunft neu gestaltet werden soll. Mit Interesse verfolge ich die Berichte aus anderen Bundesländern, vor allem die aus fi nanzschwachen Bundesländern, in denen die Sorge geäußert wird, dass wir in Zukunft mit besonders attraktiven Lohn- und Gehaltsangeboten Spitzenkräfte nach Bayern holen. Das sind offensichtlich ganz andere Besorgnisse als die, die vorhin vonseiten der SPD geäußert worden sind. Wir können im Moment den bayerischen Beamtinnen und Beamten noch keine großen Einkommenszuwächse in Aussicht stellen. Es ist richtig, dass die bayerischen Beamten länger arbeiten als die meisten anderen Beamten in Deutschland. Wenn Beamte nicht nur länger arbeiten, sondern – wie an den Beispielen gerade ausgeführt – mehr und Besseres leisten, sollten sie jedenfalls keineswegs schlechter bezahlt werden als in anderen Ländern oder gar im Bund. Darauf werden wir mit Sicherheit achten, wenn wir das Dienstrecht und das Besoldungsrecht neu konstruieren.

(Margarete Bause (GRÜNE): Sieht das der Faltlhauser auch so?)

Wir wollen ein leistungsorientiertes Dienstrecht. Ich sage an dieser Stelle auch ganz klar: Aus unserer Sicht sind die Vorschläge, die der Deutsche Beamtenbund für die Reform des Beamtenrechts in den letzten zwei Jahren entwickelt hat, eine interessante, sehr vernünftige Diskussionsgrundlage, auf der wir unser bayerisches Dienstrecht in einer engen Zusammenarbeit und in einem guten Diskurs mit dem Beamtenbund tatsächlich entwickeln können.

(Franz Maget (SPD): Wie bei der Verwaltungsreform, der enge Diskurs!)

Herr Ministerpräsident, lassen Sie mich Ihnen zum Schluss nachdrücklich Dank für Ihren Einsatz sagen. Wir wünschen Ihnen bei der Durchsetzung der Föderalismusreform, sozusagen auf den letzten Metern der Zielgerade, im Interesse des Freistaats Bayern und seiner Bürgerinnen und Bürger vollen Erfolg. Alles Gute! Das tut unserem Land gut.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Dr. Runge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, in einer Feststellung sind wir uns hier wohl alle einig: Die Wahrnehmung, die Defi nition und vor allem die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Aufgabenkritik leiden in Deutschland unter Vermengungen und Überschneidungen bei den jeweiligen Zuständigkeiten. Wir halten die Entfl echtung von Zuständigkeiten in unserem Staatswesen für eine zwingende Notwendigkeit. Diese Entfl echtung ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass Entscheidungsfi ndung und -durchsetzung zügiger und zielführender möglich sind, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Gleichzeitig schafft eine klarere Aufgabenzuordnung Transparenz und Wahrnehmbarkeit von Verantwortung, was wiederum der Politik- und Politikerverdrossenheit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern entgegenwirken kann.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die im Oktober 2003 eingesetzte Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, auf deren Arbeit und Arbeitsergebnisse im vorletzten Jahr. Als Tiger oder Eisbär gestartet und dann, bedauerlicherweise, als Bettvorleger geendet – so lautet hier die traurige Bilanz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Aussage, meine Damen und Herren, diese Kritik ist nicht gemünzt auf das Scheitern des Reformvorhabens aufgrund damals differierender Vorstellungen bezüglich der Zuständigkeitsverteilungen in der Bildungspolitik. Nein, das, was die Kommission zuletzt als Kompromiss vorgelegt hatte, war überaus dürftig und konnte sich an den zuvor gemachten großen Ankündigungen nicht messen lassen: Wesentlich mehr Materien als vorher versprochen waren weiterhin zustimmungspfl ichtig, die Zahl der Gemeinschaftsaufgaben kaum verringert, und die Rahmengesetzgebung, deren Abschaffung immer propagiert wurde, war plötzlich doch wieder zu fi nden. So gesehen ist das, was jetzt vorgelegt wurde, schon eine Verbesserung.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern jetzt einen neuen Anlauf genommen hat, um zu einer Reformierung der bundesstaatlichen Ordnung zu gelangen. Der konkrete Reformvorschlag, so wie in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU/CSU skizziert und zuletzt in den Gesetzentwürfen der Regierungskoalition vorgestellt, krankt in unseren Augen allerdings zum einen

am Ausblenden der dringend notwendigen Reformierung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und zum anderen an der in unseren Augen nicht zielführenden Zuordnung mancher Politikfelder. Im Einzelnen begrüßen wir den geplanten Abbau von Zustimmungsrechten, die Verlagerung von Regelungsmaterien aus den Artikeln 74 und 75 des Grundgesetzes wie – das wurde heute schon genannt – das Ladenschlussrecht, das Gaststättenrecht oder die Flurbereinigung auf die Länder. Wir begrüßen auch die Verlagerung von Materien wie des Waffen- und Sprengstoffrechts oder der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken und der Errichtung und des Betriebs von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes. Erfreulich ist für uns zugegebenermaßen auch die Klarstellung, dass Gemeinden und Gemeindeverbänden durch Bundesgesetz keine Aufgaben übertragen werden dürfen.

Nun sind wir bei der Umweltgesetzgebung. Herr Ministerpräsident Stoiber, auch da sagen wir ganz klar: Wir begrüßen weiterhin die Bereitschaft der Länder, die Schaffung eines Umweltgesetzbuches auf Bundesebene durch den Wegfall der Rahmengesetzgebung und damit den Entfall der Regelung umweltrelevanter Materien aus eben dieser Gesetzgebung zu ermöglichen. Wir fordern allerdings einen eigenen Kompetenztitel Umwelt im Grundgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Bereiche Chemikaliensicherheit, Strahlenschutz, Klimaschutz, erneuerbare Energien und Bodenschutz, die wir in der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes verankert wissen wollen, sollten ebenfalls eigene Kompetenztitel geschaffen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, dass Bayern bei den erneuerbaren Energien so gut dasteht, ist eben kein Verdienst der Staatsregierung,

(Beifall bei den GRÜNEN – Margarete Bause (GRÜNE): Das ist so trotz der Staatsregierung!)

sondern das ist der Zwangsbeglückung Bayerns durch den Bund zu verdanken. Das ist also nicht so wegen der Staatsregierung, sondern trotz der Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die auch als Kompensation für den Wegfall der Rahmengesetzgebung ins Auge gefasste Abweichung der Gesetzgebung ist unserer Meinung nach von den Regelungsmaterien her dahin gehend zu begrenzen, dass es nicht zu einer Rechtszerklüftung in Deutschland infolge unterschiedlicher Standards oder gar zu einem Dumpingwettlauf mithilfe niedriger Standards kommen kann.