Herr Kollege Kupka, wenn derjenige, der die Zuständigkeit für das Heimgesetz haben will, in der Vergangenheit
dadurch in Erscheinung getreten ist, dass er die Bedingungen für die Heimbewohner um jeden Preis verschlechtern wollte, werden Sie keine Freunde gewinnen, wenn es darum geht, diese Zuständigkeit auf die Länder zu übertragen.
Lassen Sie uns in diesem Fall darüber reden, welche humanitären Standards wir in jedem Fall sicherstellen wollen.
Ich spare mir jetzt das Thema Kulturhoheit, bei dem Sie sich immer heftig gewehrt haben, wenn sich der Bund aus der fi nanziellen Förderung von Kulturinstitutionen in Bayern zurückziehen wollte. Ich erinnere nur an den Protest bei den Bamberger Symphonikern oder bei den Ansbacher Bach-Wochen oder bei der Bayerischen Braustiftung. Das fällt doch in die kulturelle Hoheit der Länder. Was hat der Bund bei der fi nanziellen Förderung solcher Projekte verloren? – Trotzdem, bei jedem Euro und bei jeder Mark, die damals gekürzt werden sollte, war das Geschrei groß – zu Recht –, weil wir die Institutionen sichern wollten. Wer sich jedoch auf der einen Seite wie der Föderalismusapostel bei der Kultur aufspielt, muss auf der anderen Seite hinnehmen, wenn der Bund sagt, dass solche Veranstaltungen in die Zuständigkeit der Länder fallen.
Last but not least Folgendes: Der bayerische Zentralismus spielt eine Rolle bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit, wenn man – wie ich fi nde zu Recht – föderale, regionale und dezentrale Strukturen einfordert. Subsidiarität ist ein wunderbarer Begriff und eine wunderbare, Erfolg versprechende Organisationsform. Subsidiarität, Föderalismus und Dezentralität sind jedoch nicht nur im Verhältnis Bayerns zum Bund wunderbar, sondern auch innerhalb des Freistaates Bayern.
Herr Dr. Stoiber, Sie sollten sich als Bayer nicht nach außen als großen Föderalisten aufspielen, wenn Sie sich im eigenen Land und in Ihrer eigenen Zuständigkeit wie der größte Zentralist verhalten.
Bayern in sich – das wird hoffentlich niemand bestreiten – ist besonders zentralistisch organisiert und strukturiert. Das haben wir von den Franzosen gelernt. Sie zitieren nicht umsonst so häufi g den Grafen Montgelas. Ich spreche Ihnen gar nicht ab, dass die bayerische Staatsverwaltung gut funktioniert. Sie arbeitet fl eißig und effi zient. Sie dürfen aber auch nicht bestreiten, dass die Organisationsform besonders zentralistisch ist,
und zwar nach dem Motto: „Wer Recht hat, das bestimmt die Staatskanzlei.“ Dies ist doch das Prinzip in diesem Land. Damit erleiden Sie aber in den eigenen Reihen
zunehmend Schiffbruch, und Sie erhalten Widerspruch, weil Sie nicht mehr unantastbar sind. In der CSU wird das endlich einmal kritisch angesprochen. Es täte diesem Land sehr gut, wenn man mehr Entscheidungsrechte nach unten delegieren und wenn das Kultusministerium nicht überall hineinregieren würde. Sie verbitten sich Ihrerseits das Hineinregieren Berlins in die bayerische Kulturhoheit.
Unterlassen Sie dann aber bitte auch das Hineinregieren der Staatsregierung zum Beispiel in die letzte Förderschule in Bayern.
Selbst in Ihren Reihen wird niemand bestreiten, dass wir in Bayern einen Nachholbedarf an Stärkung der Regionen und der föderativen Struktur haben. Eingangs erwähnte ich, die intensive Debatte um die Föderalismusreform sei notwendig und nicht verboten. Derjenige, der diese Debatte anmahnt, muss kein Gegner des Föderalismus sein, sondern kann jemand sein, der von Nutzen ist, weil er die Vorteile des föderalen Staatsaufbaues anspricht und offensiv vertritt. Ich glaube, für den Föderalismus und für den Sozialstaat ist es eine Überlebensfrage, diese Debatte zu führen, Die Zukunft des Föderalismus ist trotz rechtlicher Absicherung meiner Ansicht nach nicht gesichert. Die SPD in Bayern steht in der Tradition von Wilhelm Hoegner. Deswegen sage ich Ihnen: Für einen guten föderalen Staatsaufbau, der eine vernünftige Neuordnung zwischen Bund und Ländern vorsieht, können Sie die SPD jederzeit gebrauchen.
Vielen Dank. Für die CSU-Fraktion erteile ich Kollegen Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Vorsitzender.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach langem Ringen ist eine grundlegende Reform des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland zum Greifen nahe. Hier in Bayern dürfen wir uns auf diese Reform in der Tat mit Recht freuen. Das tun wir auch. Bundestag, Bundesrat, alle Landesregierungen und alle Landesparlamente haben jetzt eine gemeinsame Verantwortung, diese historische Chance nicht zu verspielen. Wir dürfen das alles jetzt nicht zerreden.
Wer wie Bundestagsvizepräsident Thierse den Föderalismus mit dem Vorwurf der Kleinstaaterei verächtlich machen will, beweist damit deutlich, dass er gerade von deutscher Geschichte wenig Ahnung hat. Das hat erfreulicherweise auch Herr Kollege Maget deutlich ausgeführt. Denn die föderale Gliederung ist sozusagen der historische Normalfall in Deutschland. Unsere Nation war im Grunde nie ein Zentralstaat. Die einzigen Ausnahmen sind die Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Der Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 und dann die SED-Diktatur in der DDR bis 1989. Die Länder waren und sind also seit
jeher die Grundlage jeder deutschen Staatsbildung. Nach 1949 hat der Föderalismus die deutsche Demokratie merklich stabilisiert. Deshalb wollten auch die westlichen Alliierten, besonders die USA, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer föderalen Ordnung wieder aufgebaut wird. Die USA hatten die Erfahrung, dass sich die föderale Struktur in ihrem Land bewährt hatte. In den USA gibt es keine Mitwirkung der Staaten in der Bundesebene. Es gab und gibt dort aber eine viel größere Zuständigkeit und Selbstständigkeit der einzelnen Staaten. In Deutschland hat die Stärkung der Länder in den letzten Jahrzehnten ganz wesentlich zum Erfolg der zweiten deutschen Demokratie beigetragen. Zentralismus schwächt die Freiheit, Föderalismus stärkt sie. Dies sollten wir auch im Hinblick auf den großen Umbruch bedenken, der in Europa in den Jahren 1989/ 1990 stattfand. Nicht der Kapitalismus hat über den Kommunismus gesiegt, sondern es haben vor allem die Freiheit und der Wettbewerb über Zentralismus und Unfreiheit gesiegt.
In Zeiten der Globalisierung ist Zentralismus zum Scheitern verurteilt. In der heutigen Ausgabe der „Welt“ habe ich den Artikel eines japanischen Regierungsberaters gelesen. Lassen Sie mich einiges daraus zitieren:
Die Global Economy hat den Regionen in der Welt neues Leben eingehaucht. Manche bestehenden Nationalstaaten haben das Glück, dass sie klein genug sind, um gleichzeitig in die Rolle des Regionalstaats zu schlüpfen; etwa Irland, Finnland, Dänemark, Schweden, Norwegen und Singapur. Die Vorstellung des Regionalstaats als Ort der Prosperität ist keineswegs neu. … Venedig zum Beispiel entstand aus einem Regionalstaat, welcher sich im späten Mittelalter zu einem Reich auswuchs.
Italien war von solchen Zentren übersät. Sie waren die Wiege der Renaissance und lieferten zum Beispiel die doppelte Buchführung als Beitrag zur Weltkultur. Im Norden Europas gab es die Hanse. Zentren wie Riga, Tallin oder Danzig bildeten die Regionalstaaten ihrer Zeit. Diese Staaten suchten ihr Glück in der Außenwelt und nicht an den Futtertrögen einer Zentralregierung.
Soviel zu den aktuellen Ausführungen eines japanischen Regierungsberaters. Ich meine, dass wir hier in Bayern, meine Damen und Herren, besonders starke Verfechter des Föderalismus’ sind. Dies hat sicher mit der herausragenden eigenstaatlichen Geschichte unseres Landes zu tun.
Der Herr Ministerpräsident hat auf das 200-jährige Jubiläum des modernen Bayerns hingewiesen. 200 Jahre Königreich, vor allem aber auch 200 Jahre Franken und Schwaben in Bayern. Bayern hat eine eigene Identität in
Bayern und ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Ob Altbayern, ob Franken, ob Schwaben oder auch die hinzugekommenen Vertriebenen: Wir alle identifi zieren uns sehr mit unserer bayerischen Heimat und wir sind stolz auf Bayern. Wir sind stolz auf eigene Dialekte, Traditionen und das kulturelle Erbe. Gerade aufgrund unserer eigenen Identität möchten wir in Bayern möglichst viel in Eigenregie entscheiden. Der Freistaat Bayern ist ein selbstbewusster Teil Deutschlands und Europas. Wenn Bayern heute ein eigener Mitgliedstaat der Europäischen Union wäre, dann wäre der Freistaat mit seinen 12 Millionen Einwohnern übrigens immerhin der achtgrößte unter den 25 Staaten der Europäischen Union. Nur Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Polen und die Niederlande wären größer. Alle anderen 17 Staaten der Europäischen Union sind kleiner als Bayern. Daran zeigt sich, wie absurd das Gerede von der Kleinstaaterei ist.
Ich weise auf diese Größenverhältnisse nicht nur abstrakt hin, ich meine vielmehr, wenn wir von Wettbewerbsföderalismus reden, wollen wir uns nicht nur mit dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern messen. Wir wollen Bayern vielmehr im Wettbewerb mit Tschechien, Ungarn, Dänemark, Finnland, Portugal und Griechenland vorne sehen. Der Freistaat Bayern spielt sozusagen in der politischen Champions League Europas. Die Herausforderung heißt – wie Alois Glück es einmal formuliert hat – Abstieg oder Aufbruch. Ich denke, wir in Bayern haben uns für den Aufbruch entschieden. Deshalb kommt diese Föderalismusreform gerade zum richtigen Zeitpunkt.
Föderalismus ist Subsidiarität im Staatsaufbau. Wir müssen in der Tat – ich stimme hierin dem Kollegen Maget völlig zu – für diese Vorstellung werben. Es ist so, dass zu viele Menschen in unserem Land, sobald ein Problem auftritt, leicht dazu zu verführen sind, in zentralistischen Dimensionen zu denken. Es hört sich auf den ersten Blick immer gut an, wenn jemand sagt, bei diesem oder jenem Problem müsse der Nationalstaat geschlossen handeln, ohne dass darüber nachgedacht wird, wo im Einzelfall die größere Kompetenz liegen soll. Ist da wirklich jemand, der das besser kann als die kleine Einheit vor Ort, in der betreffenden Kommune, in der Region oder in dem einzelnen Bundesland?
Ich sage auch: Wer dem Zentralismus in Deutschland das Wort redet, dem werden in Brüssel letztendlich nicht mehr viele Argumente gegen einen europäischen Zentralismus einfallen. Man muss das letztendlich im Zusammenhang und mit einer klaren Konzeption sehen.
Dass nunmehr die Chance zu dieser Föderalismusreform sozusagen zum Greifen nahe ist, ist in ganz besonderer Weise auf das jahrelange und nachdrückliche Engagement, die Hartnäckigkeit und die Durchsetzungskraft unseres Ministerpräsidenten zurückzuführen. Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen an dieser Stelle für Ihren Einsatz für den Föderalismus in Deutschland und für diese Reform ein ganz herzliches Dankeschön sagen.
In diesen Dank beziehe ich auch unseren Landtagspräsidenten Alois Glück ein, der im Konvent der Länder und dann auch in der Föderalismuskommission höchst verdienstvoll mitgewirkt hat. Vielen herzlichen Dank, Alois Glück.
Schließlich will ich an die Enquete-Kommission zur Föderalismusreform, die im Landtag von 1999 bis 2002 sehr kluge Vorarbeit geleistet hat, erinnern. Vielen Dank allen, die damals unter Vorsitz von Herrn Welnhofer Beachtliches erarbeitet haben, das durchaus – in manchen Teilen ganz konkret – in diese Reform Eingang gefunden hat. Vielen Dank.
Herr Kollege Maget muss refl exartig in jeder seiner Reden irgendwann einmal einen Seitenhieb Richtung Staatskanzlei austeilen. Ich sage ganz deutlich: Diese Föderalismusreform gäbe es ohne die ausgezeichnete Vorarbeit der Beamten in der Bayerischen Staatskanzlei und ganz besonders von Ministerialdirektor Dr. Schön nicht. Auch ihm ein ganz herzliches Dankeschön.
Der Ministerpräsident hat seine Regierungserklärung zu Recht betitelt: „Starke Länder für ein starkes Deutschland“. Ich füge dem entsprechend seinen Ausführungen gerne hinzu: Ein starkes Bayern braucht starke Kommunen. Deshalb begrüßen wir, dass durch diese Föderalismusreform die Kommunen künftig davor geschützt sind, vom Bund kostenträchtige Aufgaben übertragen zu bekommen. Das müssen zunächst Bund und Länder untereinander ausmachen. Wenn Bayern mit seinen Kommunen verhandelt, sind diese durch das bundesweit vorbildliche Konnexitätsprinzip geschützt. Wer anschafft, muss auch zahlen. Deshalb ist für unsere Kommunen diese Föderalismusreform ein wirklicher Gewinn, und zwar für jede Kommune in Bayern.
Wir müssen darüber hinaus überlegen, wie wir die Selbstverwaltung unserer Kommunen weiter stärken können, auch durch Deregulierung und Entbürokratisierung. Ich stimme bei dem einen oder anderen Gedanken – allerdings nicht in der Gesamtheit – durchaus dem zu, was Herr Kollege Maget vorhin gesagt hat. Ich freue mich immer wieder über die Begeisterung unseres Finanzministers für den Grafen Montgelas, fürchte aber, dass mit eine Ursache für die eine oder andere Form der Bürokratie in Bayern in dem Zentralismus angelegt ist, den Montgelas vor nunmehr 200 Jahren in der bayerischen Staatsverwaltung eingeführt hat.
Wir feiern diese großartigen Leistungen, und die Reformen von Montgelas sind vor dem Hintergrund der damaligen Zeit und im Hinblick auf den Mut zu bewundern. In der Situation von 1806 und in der Herausforderung, früher selbständige Fürstbistümer, freie Reichsstädte und viele andere Gebiete mit den wittelsbachischen Landen zu einem neuen Staat zusammenzufügen, lag sicherlich eine große Aufgabe und da mag das Kon
Heute jedoch, am Beginn des 21. Jahrhunderts ist manche Form des Zentralismus nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr effektiv. Ich begrüße es deshalb sehr, dass unser Herr Ministerpräsident für die Neuausrichtung und die Weiterentwicklung unserer Verwaltung deutliche Sätze in seiner Regierungserklärung gefunden hat. Wir sollten in der Tat überlegen, wie unsere Städte und Gemeinden in manchen Punkten mehr Entscheidungsfreiheit bekommen können. Gegenwärtig erleben wir – ich darf das etwas salopp sagen – manchmal die Situation, wenn das gleiche Problem dreimal in Bayern auftaucht, zum Beispiel einmal in Rosenheim, einmal in Augsburg und einmal in Würzburg, dass dann sehr schnell in der einen oder anderen Stube eines Münchner Ministeriums die Überlegung angestellt wird, ob ein Problem, das dreimal auftritt, nicht einheitlich in Bayern geregelt werden soll.
Wir müssen solche Entwicklungen überdenken und das hat überhaupt nichts, Herr Kollege Maget, mit einem Hineinregieren der Staatskanzlei zu tun. Das ist – darum stelle ich das in diesen Zusammenhang – ein Denken, das in 200 Jahren bayerischer Staatsverwaltung gewachsen ist. Das ist auch gut gemeint, aber wie so oft im Leben ist manchmal gut gemeint nicht gleich gut gemacht.