Sie haben „Fördern“ und „Fordern“ in den Vordergrund gestellt. Das ist gut so. Sie stellen darauf ab, dass die Integrationskurse von 600 auf 900 Stunden erhöht werden. Das ist eine hübsche Forderung, das muss ich schon sagen. Diese Kurse kosten den Freistaat nämlich nichts, weil sie der Bund bezahlen muss. Das haben Sie bei der Ablehnung des Zuwanderungsgesetzes ausdrücklich durchgesetzt. Der Bund muss das alles bezahlen. Gleichzeitig geben Sie hier in Bayern damit an, wie gut Ihre Haushaltsführung ist. Der Bund aber soll ordentlich in die Taschen langen und Geld ausgeben. So ist es doch, Herr Beckstein. Hier sagen Sie sich: Das ist toll, das kostet nichts, da lassen wir uns überall dafür feiern.
Sie sprechen davon, dass die fehlende Integrationsbereitschaft zur Aufenthaltsbeendigung führen soll. Das sind alles Dinge, die im Zuwanderungsgesetz stehen, wenn auch vielleicht mit anderen Formulierungen. Ich sage Ihnen das jetzt schon zum x-ten Male: Wir lassen Ihnen nicht durchgehen, dass Grundsätze wie „Fördern und Fordern“, das Integrieren von Ausländern und vieles mehr, was im Zuwanderungsgesetz steht – welches Sie jahrelang verhindert und hinausgezögert haben, das mit größtem Aufwand durchgesetzt werden musste –, nun
von Ihnen übernommen werden und dass Sie so tun, als hätten Sie das alles erfunden. Das ist eine Sauerei!
Das ist Geschichtsklitterung! Das ist eine Schweinerei! Sie haben das nicht erfunden, Sie haben das bekämpft. Ich sage aber ausdrücklich dazu: Wenn Sie sich heute zu diesen Grundsätzen bekennen, obgleich Sie diese jahrelang bekämpft haben, dann ist das ein wirklicher gesellschaftlicher Fortschritt. Den billigen wir Ihnen auch zu, und darüber freuen wir uns. Das ist keine Frage.
Die Integrationspolitik braucht einen gesellschaftlichen Konsens. Das ist ganz wichtig, meine Damen und Herren. Die Integrationspolitik, die Zuwanderungspolitik, die Migrationspolitik brauchen einen gesellschaftlichen Konsens. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn Sie endlich einmal dazu kämen, auch zu sagen: Deutschland ist ein Zuwanderungsland geworden. Ob Ihnen das passt oder nicht, wir haben 7,2 Millionen Ausländer hier. Fahren Sie doch einmal in München mit der U-Bahn. Da hören Sie jedes Mal Menschen in einer Sprache sprechen, die Sie nicht verstehen. Doch diesen Menschen sagt die staatstragende Partei in Bayern: „Wir sind kein Zuwanderungsland“. Das führt zu einer totalen Desorientierung der Bevölkerung, und das ist es, was ich Ihnen wirklich vorwerfe. Es ist völlig logisch: Wenn die Regierung sagt, wir sind kein Zuwanderungsland, in der U-Bahn höre ich aber jedes Mal Menschen, die ich nicht verstehe, dann stimmt doch etwas nicht. Sie dürfen aber sicher sein, die Menschen, die in der U-Bahn fahren und das erleben, die sind viel weiter als die CSU. Diese Menschen wissen, dass eine Zuwanderung stattgefunden hat.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: In Anbetracht der 7,2 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik ist es nicht nur absoluter Unsinn, zu sagen „Deutschland ist kein Einwanderungsland“, sondern – entschuldigen Sie – das ist schizophren. Zu dieser Wahrheit muss man sich einfach einmal bekennen.
Meine Damen und Herren, besonders fatal ist es – damit habe ich angefangen und hierzu komme ich wieder am Schluss meiner Rede –, dass Sie die Zuwanderung immer als Problem darstellen. Es ist keine Frage, dass es auch Probleme gibt, davor verschließt auch niemand die Augen. Ich bitte Sie aber um alles in der Welt, meine Damen und Herren, die Frage nicht allein auf die Probleme zu reduzieren. Die Probleme betreffen nur eine kleine Minderheit der Zuwanderer. Wir haben Gewalt an den Schulen, das ist keine Frage. Die Bayerische Staatsregierung hat aber selbst einmal in einem Gutachten erklärt, entsprechend eines Antrags sei der Schwerpunkt auf die Prävention zu legen, weshalb sich eine Arbeitsgruppe auf das Problem Jugend und Gewalt konzentriert habe. Die Staatsregierung hat die Aufgabe darin gesehen, möglichst konkrete Vorschläge für Maßnahmen zur Ver
hinderung von Gewalt zu erarbeiten. Wissen Sie, von wann das ist? – Das ist vom September 1994. Das sagte damals die Bayerische Staatsregierung. Nun frage ich Sie: Was haben Sie seit September 1994 getan? Das ist fast zwölf Jahre her. Was haben sie gemacht, um diese Dinge, die Sie heute lauthals beklagen, zu verhindern? Gleichzeitig erheben Sie immer wieder Forderungen nach einer ausländerfeindlichen Politik. Das ist wirklich bedauerlich.
Meine Damen und Herren, zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer sind hier bestens integriert. Zum Abschluss habe ich deshalb die nachhaltige Bitte an Sie, wenigstens einmal anzufangen, Zuwanderung nicht nur als Gefahr und als etwas Schwieriges zu begreifen, sondern Zuwanderung auch als etwas zu begreifen, was die Gesellschaft heute, insgesamt gesehen, bereichert und in Zukunft bereichern kann. Gehen Sie doch optimistisch an die Dinge heran, Sie haben doch sonst auch sehr viel Selbstbewusstsein. Hier können Sie es beweisen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte meinen Wortbeitrag eigentlich mit den Worten beginnen: Es gibt eine gute Nachricht. Die CSU hat die Integration entdeckt. Aber nach dem Wortbeitrag des Herrn Abgeordneten Neumeyer muss ich sagen: Das war eine Hetze, und das war eine unglaubliche Beleidigung der ausländischen Mitbürger.
Das war eine einseitige Verzerrung dessen, was in diesem Land passiert. Sie haben absolut zur Polarisierung beigetragen. Sie haben immer noch überhaupt nichts begriffen, und Sie haben auch das Thema verfehlt.
Der Dringlichkeitsantrag – ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen – stammt von Ihrer Fraktion und lautet „Zukunftsorientierte Integrationspolitik durch Fördern und Fordern“. Dazu haben Sie kein Wort gesagt. Sie haben sich darauf beschränkt, ausländische Mitbürger auf übelste Weise zu beschimpfen. Mit diesem Wortbeitrag haben Sie sich weiß Gott ein Denkmal in diesem Haus gesetzt.
Ich nenne Ihnen jetzt gleich ein Beispiel: Er hat einseitig die Geschichte herausgegriffen, dass ein türkischer Mann seine Freundin so lange in den Bauch getreten hat, bis das Baby tot war.
Das hat er als Einzelbeispiel verallgemeinert auf alle Türken. Das gibt es in Deutschland ganz genauso. Sie können genauso von einem deutschen Massenmörder sprechen und dann sagen: Das sind die Deutschen.
Ich versuche, obwohl es mir wirklich schwer fällt, zu dem Antrag zu reden. Denn ich hoffe, dass dieser Antrag von Menschen verfasst wurde, die in der Lage sind, auch noch andere Gedankengänge zu hegen als Herr Neumeyer.
Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment zu dem Zweck unterbrechen, dass sich alle hier im Haus ein bisschen beruhigen. Ich darf bitten, dass auch die Gespräche an der Regierungsbank eingestellt werden. – Jetzt, Frau Kollegin Ackermann.
In dem Antrag steht, dass in Zukunft Integration ein Schwerpunkt deutscher Politik sein soll – deutscher Politik, hoffentlich auch bayerischer. Es steht allerdings nicht drin, wie Sie diesen Schwerpunkt umsetzen wollen.
Es steht auch drin, dass es nach Ihrem Wunsch zu einer Neuausrichtung der Ausländer- und Einbürgerungspolitik kommen soll. Nach diesem Wortbeitrag weiß ich nicht, in welche Richtung das gehen wird. Ich hoffe zugunsten der Ausländer, dass sich auch noch anders denkende Menschen in der CSU befi nden.
Der Herr Ministerpräsident hatte vor einigen Monaten einige radikalpolitische Ausfälle in Richtung Pädagogik.
Er hat sich in erster Linie mit Strafmaßnahmen und Sanktionen befasst. Mit Pädagogik – das können Ihnen die Pädagogen gern erklären – hat das im weitesten Sinne nichts zu tun.
Er musste dann etwas zurückrudern, und ich nehme an, dass dieser Antrag Ausfl uss dieses Zurückruderns sein soll. Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie versuchen, etwas zurückzurudern. Sie hatten das Maß bereits längst überschritten.
Sie haben jetzt den Spracherwerb als wichtige Voraussetzung für Integration erkannt. Aber was tun Sie dafür? Sie haben uns ein Bayerisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz beschert, das in den frühkindlichen Jahren alles andere tut als ausländische Kinder integrieren. Denn in diesem Gesetz ist festgeschrieben, dass die Kindergärtnerinnen bereits so überfordert sind und auch überhaupt nicht ausgebildet sind,
um die geforderten Sprachförderungsmaßnahmen im Kindergarten durchzuführen. Diese Förderung im Kindes- und Jugendalter wird nicht gelingen.
Sie haben bei Kinderkrippen einen Deckungsgrad von 2,8 %. Herzlichen Glückwunsch zur Integration kleiner Kinder! Sie vernachlässigen die Jugendarbeit, und Sie haben bei der Jugendsozialarbeit laufend gekürzt. Sind das Ihre Maßnahmen zur Integration ausländischer Jugendlicher?
Nun zu dem Antrag. Dort steht – und das Ganze nennt sich „Deutsch-Offensive“ –, dass bereits bei Schuleintritt die ausländischen Kinder deutsch sprechen können sollen. Sollten sie das nicht tun, werden sie zurückgestellt. Ja, mehr noch: Wenn die Eltern nicht entsprechend mitarbeiten, werden sie mit Bußgeldern belegt. Sie wollen nicht vorher fördern, sondern Sie wollen hinterher zurückstellen. Sie wollen Bußgelder verhängen, anstatt Angebote zu machen.
Sie haben in den letzten Jahren überhaupt keine Anstalten gemacht, sich in Richtung Integration zu bewegen, weder mental noch fi nanziell. Finanziell tun Sie das auch jetzt nicht. Sie reden nur, Sie schreiben vielleicht, aber Sie zahlen nicht.
Ein paar Zahlen zu Ihren Integrationsanstrengungen in den letzten zwei Jahren: Bei Maßnahmen für dauerhaft und rechtmäßig hier lebende ausländische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen haben Sie von 2 Millionen Euro auf 700 000 Euro gekürzt. Sie haben bei der Integration von Zuwanderern von 2 Millionen Euro auf 1,6 Millionen Euro gekürzt. Bei der Integration von Zuwanderern wird also gekürzt, gleichzeitig haben wir einen Dringlichkeitsantrag, der alle erdenklichen Anstrengungen verspricht, um die Integration der ausländischen Mitbürger zu fördern.
Aber Sie wollen nicht nur fördern – das schreiben Sie auch im Antrag –, Sie wollen auch fordern. Da kommt dann der Satz: „Parallelgesellschaften werden abgelehnt…“ Toll! Und welche Lösung bieten Sie an? Ich kann es Ihnen sagen. Sie bieten Strafen an, Sanktionen. Eine aufnehmende Gesellschaft muss Rahmenbedingungen und Voraussetzungen schaffen, damit integrationswillige Migranten auch Integration leben können. Das ist aber genau das, was hier nicht passiert.
Wer mit Sanktionen Integration schaffen will, wird und will Konfrontation und Polarisierung verschärfen.
Sie drohen damit, die Sozialleistungen zu kürzen. Sie drohen damit, den Aufenthaltstitel nicht mehr zu verlängern. Wer sich in einem Land wohl fühlen soll, den darf man nicht mit Strafen einladen und mit Abschiebung motivieren.
Zu Ihrem Ehegattennachzug: Deutsch vor Zuzug. Das ist wohl eine Spitzenformulierung. Ich würde doch vorschlagen, dass wir es den jungen Ausländern überlassen, wen sie heiraten wollen, und ihnen nicht vorschreiben, wie das zu geschehen hat.
(Sylvia Stierstorfer (CSU): Wie in der Vergangenheit! – Thomas Kreuzer (CSU): Zwangsheirat sagt man dazu!)