Protokoll der Sitzung vom 26.04.2006

Vor diesem Hintergrund komme ich nun zu unserer Kritik an diesem Haushalt. Wir legen keinen großen Wert auf eine besondere Schlechtrederei. Das wissen Sie. Und auch die Sache mit der schwarzen Null will ich heute nicht überbewerten. Kollege Kaiser hat, wie ich meine, Ihnen zu diesem Thema bei der Einbringung des Nachtragshaushalts alles gesagt, um nicht zu sagen, Ihnen die Leviten gelesen. Er hat den angeblich ausgeglichenen Haushalt als das entlarvt, was er ist, nämlich ein guter Marketingauftritt.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind der Überzeugung, dass Bayern Impulse braucht und dass in ausgewählten Bereichen ganz gezielt Geld fl ießen muss, mehr Geld, als Sie einplanen. Nur dadurch lässt sich eine notwendige Wachstumsdynamik kurzfristig erhöhen. Die große Koalition macht es uns vor. Nur durch gezielte Anreize lässt sich Wirtschaftswachstum generieren und lassen sich die Einnahmen steigern.

Ich will die Genshagener Beschlüsse, die jetzt allmählich, wenn nötig, in Gesetzesform gegossen werden, nicht überbewerten, aber sie sind schon mehr als ein zarter Versuch, die Wirtschaft anzukurbeln. Gelder für Forschung und Entwicklung, Gelder für energetische Sanierung, Gelder für dies und das. Das hat eine andere Qualität als Ihr Prinzip Hoffnung. Der Freistaat Bayern als immer noch sehr potenter National Player sollte sich einklinken. Ich wiederhole mich. Die koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik des Bundes und der Länder ist der Nervus rerum des Föderalismus. Wer immer auf Eigenständigkeit und föderale Strukturen pocht, sollte auch die andere Seite der Bilanz mit Leben erfüllen und in gemeinsamer Verantwortung und Anstrengung die Weichen richtig stellen. Das gibt uns auch die Finanzverfassung vor.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sie aber sind dabei, Bayern in eine schwierige Lage zu manövrieren. Klipp und klar erklären Sie, dass die Aufstockungskapazitäten bei den investiven Mitteln der nächsten Jahre eigentlich schon gebunden sind durch die Großprojekte BOS-Digitalfunk und Ethylenpipeline. Nichts gegen diese Vorhaben. Aber damit ist nach Ihrer Aussage der Spielraum für zusätzliche Investitionen ausgeschöpft.

Es kommt noch bunter: Das Investitionsprogramm Zukunft Bayern fi ndet Ihren Planungen nach bisher keine Fortsetzung im nächsten Doppelhaushalt. Das hinterlässt uns sprachlos, aber nur fast. Seit ich hier im Hohen Hause mitberaten darf, höre ich immer wieder: So kann es mit der Investitionsquote nicht weitergehen und so kann es mit dem Unterhalt staatlicher Infrastruktur nicht weitergehen. Aber diese Ankündigungen fi nden keinen Niederschlag in Ihrer Finanzplanung. Dabei titelte die „SZ“ schon im Jahr 2004 „Bruchbude Bayern“ und legte die gröbsten Unterlassungssünden im Hoch- und Tiefbau

dar. Der Oberste Rechnungshof hat sich mehrfach eindeutig geäußert. Und selbst die Profi s von der Obersten Baubehörde haben dem bayerischen Staatsstraßennetz jetzt einen erbärmlichen Zustand bescheinigt, jedenfalls einen schlechteren als den Bundesstraßen. Kein Wunder! Der Bund gibt zwei Jahre nacheinander fast 1 Milliarde Euro für den Straßenbau nach Bayern.

Noch eines zu den Staatsstraßen. Da gibt es Straßenbauämter, die können mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gerade einmal 2,5 % der notwendigen Deckenerneuerungen bei den Staatsstraßen durchführen. Nach 40 Jahren wäre somit das Deckennetz der Staatsstraßen erneuert.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Jeder Profi sagt Ihnen, dass keine Straßendecke 40 Jahre hält. Das sind die Realitäten bei der staatlichen Infrastruktur in Bayern.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Deshalb noch einmal: Bayern benötigt Impulse, Investitionen und in ausgewählten Zukunftsfällen vermehrte staatliche Anstrengungen. Gerade bei der Bildung und den Hochschulen sowie bei den Familien und Kindern müssen wir die Zukunft erringen.

Der Verlauf des Jahres 2005 unterstreicht die Richtigkeit unserer Einschätzung. In Deutschland betrug die Zuwachsrate 1,1 %. Der Großteil fi el auf die Exporte; das ist allgemein bekannt. Ein kleinerer Teil fi el auf den Effekt der Arbeitstage und nur 0,2 % fl ossen der inländischen Verwendung zu. Genau da liegt das Problem. Alle ökonomischen Pragmatiker sagen: Ihr müsst die Binnennachfrage stimulieren, egal ob Ausrüstungsinvestitionen oder privater Konsum. Nur wenn wir hier Erfolge vorweisen, wird die Wirtschaft als solche fl orieren. Also nicht Prinzip Hoffnung, sondern aktives Gestalten!

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen ganz kleinen Ausfl ug machen zu einem Thema, das vorhin schon durch den Saal gegeistert ist: Triple A. Es wurde festgestellt, damit sei alles gesagt. Ich stimme Ihnen ja zu, dass das Rating für die Finanzmärkte ein sehr brauchbares Hilfsmittel ist. Den Gläubigern gibt es zuverlässig Auskunft und für die Schuldner liefert es zumindest vergleichbare Standards. Insofern ist die sehr solide und professionelle Tätigkeit der Moody´s und Standard & Poor´s anerkennenswert. Aber, liebe Kollegen, auch nur insofern, weil nämlich die Rating-Kriterien gar nicht den Anspruch erheben, Auskunft über die Nachhaltigkeit staatlicher Wirtschaftspolitik, die Zukunftsträchtigkeit bayerischer Bildungspolitik oder über die angemessene Sozialpolitik zu geben. All dies erfassen die Rating-Agenturen nicht. Es ist auch nicht deren Aufgabe. Sie sollen Auskunft darüber geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Land seine Schulden zurückzahlen kann und damit Aufschluss über die Konditionen an den Finanzmärkten. Da Sie ja keine Kredite mehr aufnehmen wollen, ist der Wert dieses Ratings ohnedies fraglich.

(Zurufe von der CSU)

Dennoch gönne ich uns allen das „AAA/Stable/A-1+“. Das ist doch auch etwas ganz Nettes.

Nun nur noch eines. Bei der Einbringungsrede erfreute sich der Finanzminister an diesem guten Rating als bayerischem Alleinstellungsmerkmal. Das ist zutreffend für die Reihe der Bundesländer. Allerdings muss er sich diese Freude in Deutschland mit Peer Steinbrück teilen. Denn ausgerechnet das Lieblingsfeindbild der letzten Jahre, die Bundesregierung, kann für Deutschland als solches das exakt gleiche Rating wie der Freistaat Bayern aufweisen: „AAA/Stablel/A-1+“.

Angesichts Ihrer jahrelangen eindeutigen und schmähenden Beurteilungen der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung muss Ihnen das in zweifacher Hinsicht, Ihrer eigenen Logik folgend, zu denken geben: Was war der Gehalt bayerischer Kritik angesichts dessen, dass Standard & Poor’s Bayern und Deutschland gleich ratet? Oder was ist die Aussagekraft des Triple A?

Ich sehe schon, Sie stimmen mir zu. Das ist ein komplexes Gebilde. Die Ökonomie eines Staates oder die komplette Politik eines Landes lässt sich nicht durch Schulnoten abbilden. Diesen Anspruch erhebt auch keine der Agenturen.

(Franz Maget (SPD): Langt es nicht zu eigenen Ideen?)

Ich darf Ihnen im Folgenden die für uns wesentlichen Aktionsfelder des Nachtragshaushalts darlegen.

Lieber Kollege Ach, zum Schwerpunkt der Bildungsausgaben nur so viel: Innerhalb der letzten zwölf Jahre haben sich die Bildungsausgaben anteilig am Volumen des Haushalts von 17,38 auf 17,46 % erhöht. Wenn die Differenz von 0,08 % Ausdruck von Schwerpunktbildungen ist, dann müssen wir uns im Zuge der Diskussionen noch einmal genauer unterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Dupper, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weidenbusch?

Ja, selbstverständlich.

Herr Kollege, würden Sie meinen Zwischenruf, den ich schon zweimal anzubringen versucht habe, beantworten, warum die Bundesrepublik Deutschland das Rating „AAA/Stabil/A-1+“ hat? Liegt das daran, dass der Bund im Gegensatz zu Bayern die Steuern beliebig erhöhen kann? Steht das in der Bewertung des Instituts? Ist das der Grund, warum der Bund dieses Rating kriegt, andere Bundesländer dagegen nicht?

Danke schön für den Elfmeter, den Sie mir aufgelegt haben. Ich habe eingangs gesagt, ich würde aus dieser Rating-Bewertung, die Standard & Poor’s für Bayern verteilt, nicht den großen Zores

machen. Sie ist eine schöne Note, aber nicht aussagekräftig für eine Landespolitik und auch nicht für eine Wirtschaftspolitik. Das gilt für den Bund genauso wie für Bayern.

Ich darf Ihnen zum Thema Bildung zugegebenermaßen einen ungewöhnlichen – –

(Ernst Weidenbusch (CSU): Auf welches Tor haben Sie denn jetzt mit Ihrem Elfer geschossen?)

Herr Kollege Weidenbusch, Zwischenrufe tragen zur Lebendigkeit bei. Aber Sie wollten wohl noch eine Zwischenfrage stellen.

Ich würde jetzt gern weiterreden.

Herr Kollege Weidenbusch, der Redner lässt keine Zwischenfrage mehr zu.

Herr Kollege, sprechen Sie den Minister darauf an.

Lassen Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Vogel zu?

Bitte schön, Herr Kollege Vogel.

Herr Kollege Dupper, stimmen Sie mir zu, dass es ein Ausdruck der Redefähigkeit, der Kompetenz und der Eloquenz der CSU-Fraktion ist, wenn der Finanzminister Kollegen extra auffordern muss, Zwischenfragen zu stellen?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich darf mit dem Thema Bildung fortfahren.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich darf einen zugegebenermaßen ungewöhnlichen Kronzeugen anrufen: den ifo-Chef Hans-Werner Sinn.

Herr Kollege Weidenbusch fragt noch einmal an, ob er eine Zwischenfrage stellen darf.

Bitte, Kollege Weidenbusch. –

Er will doch keine Zwischenfrage stellen. Ich dachte, wenn ein Kollege an einem Mikrofon steht, will er eine Zwischenfrage stellen, und dann muss ich den Redner fragen. Bitte, Herr Dupper, fahren Sie fort.

Jetzt will er wohl doch eine Frage stellen.

Ich möchte Sie noch einmal fragen: Beruht das Rating von Standard & Poor’s für die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich darauf, dass es das Recht zur Steuererhöhung gibt? Ich darf dem Kollegen Vogel sagen, dass es meinen Zwischenruf längst gab, bevor ich zum Mikrofon gegangen bin. Ich hatte den Zwischenruf von meinem Platz aus gemacht. Aber das ist da drüben wohl schwer zu hören.

Danke schön, Kollege Weidenbusch.

Ich darf jetzt mit dem Thema Bildung fortfahren. Um die Gemüter zu beruhigen, zitiere ich extra Ihretwegen den ifo-Chef, Hans-Werner Sinn. In der „Wirtschaftswoche“ äußerte er sich wörtlich:

Weil wir durch unser Schulsystem die Chancengleichheit mit den Füßen treten, brauchen wir einen exzessiven Sozialstaat, um das gewünschte Maß an Gleichheit wenigstens im Nachhinein herzustellen.

So Herr Sinn, der in aller Regel Ihr Zeuge ist.