Die Studierenden verstehen Sie eigentlich schon gar nicht mehr als Mitglieder der Hochschulen. Auch das haben Sie, Herr Kollege Stockinger, im Ausschuss sehr deutlich gesagt. Sie haben die Vorstellung, dass Studierende Kundinnen und Kunden sind, die sich nur eine Dienstleistung an ihrer Hochschule erkaufen, schon sehr weit verinnerlicht. Natürlich ist es dann auch konsequent, dass Sie die studentische Mitbestimmung praktisch komplett verweigern und die Einführung der verfassten Studierendenschaft immer noch ablehnen. Eine demokratische Hochschule ist das nicht, Kolleginnen und Kollegen.
Als dritte Voraussetzung der Freiheit habe ich die Öffentlichkeit genannt. Die Hochschulen sind ein Teil unserer Gesellschaft. Sie erfüllen einen öffentlichen Auftrag. Deshalb ist es notwendig, dass sie sich auch gegenüber der Gesellschaft öffnen, dass transparent wird, was an unseren Hochschulen geschieht und dass unsere Hochschulen in den öffentlichen Diskurs eingebunden sind. Die Hochschulen sind öffentliche, staatliche Einrichtungen. Darüber, dass dies so bleibt, muss dieser Landtag wachen; darüber müssen wir wachen.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vor allem aus dem Hochschulausschuss, Sie haben während der Beratungen an einigen Stellen selbst gespürt, dass die Rolle des Landtags in der Hochschulpolitik immer weiter zurückgedrängt wird. Deshalb haben wir auch gemeinsam an einigen Stellen in den Gesetzen bzw. durch Protokollerklärungen Ihrerseits Berichte und Rechenschaft gegenüber dem Landtag eingefordert.
Ich deute auch Ihren heutigen Entschließungsantrag als Ausdruck eines gewissen Unbehagens über eigenen Kompetenzverlust, der mit dieser Gesetzesnovelle verbunden ist.
Es kann nicht sein, dass unsere Hochschulen schleichend zu Aktiengesellschaften umfunktioniert werden, in die nur noch der Aufsichtsrat und die Shareholder Einblick haben. Kämpfen Sie für eine öffentlich verantwortete Hochschulpolitik und überlassen Sie das Feld nicht der Staatsregierung und einigen Hochschulmanagern!
Die vierte Voraussetzung der Freiheit ist die Offenheit. Mindestens unter zwei Aspekten werden Ihre Gesetzentwürfe dem Anspruch der Offenheit als Voraussetzung für freie Kunst, Wissenschaft und Lehre nicht gerecht. Unsere Hochschulen haben dann Zukunft, wenn sie zu weltoffenen Hochschulen werden.
Die Internationalisierung der bayerischen Hochschulen muss ein zentrales Anliegen der Hochschulpolitik sein. Es muss den Hochschulen möglich sein, verstärkt internationale Studien und Wissenschaftskooperationen zu organisieren, geeignete Betreuungsprogramme für ausländische Studierende und Dozentinnen und Dozenten zu organisieren, sich im Ausland zu präsentieren und internationale Partnerschaften zu pfl egen. Der Abbau bürokratischer Hürden und umfangreiche Betreuungs- und Begleitprogramme wären wichtig, um ausländische Studentinnen und Studenten für das Studium oder ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für eine Lehr- und Forschungstätigkeit an einer bayerischen Hochschule zu gewinnen. Gelebte Internationalität ist unverzichtbar im Wissenschaftsbetrieb. Ausländische Studierende und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bereichern den Wissenschaftsstandort Bayern.
Für all das schafft das neue Hochschulgesetz nicht den notwendigen Rahmen. Ausländische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fi nden an bayerischen Hochschulen noch nicht den Freiraum und die Entwicklungsperspektiven, die den Hochschulstandort Bayern für sie zu einem attraktiven Arbeitsfeld machen würden.
Die Einführung von Studiengebühren wird die Internationalisierung behindern; denn die Gebühren werden dazu führen, dass nicht mehr die kommen können, die etwas leisten können, sondern nur noch jene, die es sich leisten können.
Sie haben die Stimmen – und die gab es im Verlauf der Beratungen, gerade aus den kirchlichen Organisationen und der Entwicklungszusammenarbeit heraus – nicht gehört, die dringend davor warnen, auch im Wissenschaftsbereich die Tore nach Europa zu verschließen. Sie verschenken durch mangelnde Offenheit Potenzial der Zukunft.
Der zweite Aspekt geht hinein ins Land. Offenheit der Hochschulen sicherstellen heißt auch, den Hochschulzugang zu öffnen. Auch hier verlässt das neue Hochschulgesetz die engen Bahnen nicht. Es wäre sinnvoll gewesen, den Hochschulzugang noch weiter aufzumachen - für Menschen ohne Abitur und mit berufl icher Erfahrung. Hier könnten wir getrost den Hochschulen und den Studierwilligen mehr zutrauen. Auch die Grenzen zwischen den verschiedenen Hochschultypen sollten ganz aufgelöst werden.
Der von uns geforderten rechtlichen Gleichstellung von Fachhochschulen und Universitäten haben Sie sich verweigert. Mehr Offenheit für Kooperationen, vereinfachter Wechsel zwischen verschiedenen Hochschulen – das alle könnte mehr Bewegung und frischen Wind in unsere Hochschullandschaft bringen und würde die Freiheit von Wissenschaft und Lehre befl ügeln. Autonomie, Demokratie, Öffentlichkeit, Offenheit – an all diesen Voraussetzungen fehlt es in Ihren Gesetzentwürfen
Die nächsten vier Voraussetzungen sind mindestens genauso wichtig, und hier versagen Sie ebenfalls. Als erstes nenne ich Vertrauen. Ihnen fehlt es an Vertrauen in die Hochschulen.
Sie wollen immer alles kontrollieren. Sie haben nicht wirklich Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft der Hochschulen und ihrer Mitglieder.
- Ja, Sie trauen ihnen zu wenig zu, wahrscheinlich deswegen, weil Sie sich selbst auch zu wenig trauen. Sie trauen zum Beispiel den Fachhochschulen nicht wirklich zu, dass sie auf so hohem Niveau forschen können wie Universitäten.
- Ich nehme Herrn Weidenbusch ausdrücklich aus; er hat genug Selbstvertrauen. – Also Sie trauen den Fachhochschulen nicht genügend zu. Sie trauen Ihnen nicht zu, dass Sie genau so gut forschen können wie die Universitäten, dass sie Studierende promovieren können, dass sie Kooperationen mit Universitäten und anderen Hochschulen, mit Akademien und dem Handwerk selbst organisieren und gestalten können. Zusammengefasst: Sie trauen ihnen nicht zu, dass sie sich entwickeln können.
Sie wollen bei all diesen Punkten die Spielregeln bestimmen und alles kontrollieren. Noch nicht einmal ihren Namen dürfen sich die Hochschulen, insbesondere die Fachhochschulen, selbst geben.
Sie haben auch kein Vertrauen in den wissenschaftlichen Nachwuchs. Für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist die Chance eines Neubeginns nicht voll genutzt worden. Sie haben nicht die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Juniorprofessur, die Sie nun endlich eingeführt haben, zum Erfolg wird. Am Ende trauen Sie der Juniorprofessur noch nicht einmal den von Ihnen selbst bescheinigten Erfolg zu, dann nämlich, wenn die Juniorprofessoren und Juniorprofessorinnen ihren Professorentitel nach Ende der Dienstzeit und trotz positiver Bewertung wieder abgeben müssen.
Für den Mittelbau sind leistungshemmende Beschränkungen geblieben, nämlich bei der Drittmitteleinwerbung, bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse und bei der selbstständigen Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre.
Den größten Mangel aber hat Ihr Hochschulgesetz bei einem der wichtigsten Kriterien der Freiheit, bei der Gerechtigkeit. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich habe Ihnen von diesem Rednerpult aus schon einmal die Situation an unseren Hochschulen vor Augen geführt, für die Sie Verantwortung tragen. An unseren Hochschulen studieren die Kinder der Reichen und Privilegieren. Vier Fünftel von ihnen studieren. Von 100 Kindern aus der sozialen Herkunftsgruppe „hoch“ studieren 81 Kinder. Von 100 Kindern aus der sozialen Herkunftsgruppe „niedrig“ sind es nur 11.
Diese Situation – das wissen Sie hoffentlich mittlerweile alle – hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren verschärft und nicht etwa gebessert. Ich habe Sie damals – das war vor etwa einem halben Jahr – gefragt, ob Ihnen das egal ist. Es scheint Ihnen egal zu sein, es sind jedenfalls nur sehr wenige hier, die sich dafür interessieren. Ob Sie diese Situation so in Ordnung fi nden, habe ich gefragt; ob Sie etwas daran ändern wollen, habe ich gefragt. Es ist doch Ihre Aufgabe, aus Verantwortung für unsere ganze Gesellschaft und für die Menschen in Bayern, für die jungen begabten Menschen in Bayern, an diesem Punkt für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Das ist Ihre Aufgabe; dafür sitzen Sie hier.
Meinen Sie denn nicht auch, dass wir es uns gar nicht leisten können, die Ressourcen der Kinder aus ärmeren Familien weiterhin in dieser Weise zu verschwenden?
Ich habe Sie damals gefragt – und ich frage Sie heute wieder -: Glauben Sie, dass die Einführung von Studiengebühren ein geeignetes Mittel ist, um mehr begabten jungen Menschen aus sozial schwächeren Familien ein Studium zu ermöglichen? - Nein, sie werden die soziale Ungerechtigkeit weiter verschärfen. Sie verschlechtern die Situation derer, die es ohnehin schon schwer genug haben. Es gibt keine sozialverträglichen Studiengebühren.
Die von Ihnen immer wieder beschworene Sozialverträglichkeit ist eine Lüge. Mit den von Ihnen in Aussicht gestellten Krediten nehmen Sie die Last der Studiengebühren von den sozial Schwächeren gar nicht weg; Sie verlagern sie nur mit Zins und Zinseszinsen in deren Zukunft. Sie nutzen die Risikobereitschaft der jungen Menschen aus. Sie verlängern die soziale Ungerechtigkeit in die berufl iche Zukunft der Betroffenen hinein.
Das trifft Studierende aus sozial schwächeren Familien eben ungleich härter als jene mit fi nanzkräftigem Hintergrund; denn sie müssen die Schulden beim Start ins Berufsleben und häufi g auch in der Familiengründungsphase zurückzahlen, genau dann nämlich, wenn der Finanzbedarf junger Menschen und junger Familien am größten ist. In dieser Gruppe ist kein Familienvermögen, kein zu erbendes Eigenheim oder Ähnliches da, um mit den Schulden oder den neu hinzukommenden Belastungen leichter klarzukommen.
Das trifft übrigens besonders junge Frauen hart; denn, das zeigen die Erfahrungen aus Australien: Die jungen Frauen tragen sehr viel länger an diesen Schulden ab, weil sie beschämender Weise immer noch weniger verdienen als Männer bei gleicher Leistung, weil sie Familienpausen einlegen wollen oder müssen. Sie trifft dann auch eine ungleich höhere Zinslast. Nennen Sie das Geschlechtergerechtigkeit?
Sie schicken gerade die jungen Menschen mit Schulden ins Leben, denen sie gleichzeitig sagen, dass sie selbst für ihr Alter vorsorgen müssen, dass im Gesundheitswesen in Zukunft immer mehr Leistungen mitfi nanziert werden sollen. Die Generation, die Sie jetzt auch noch mit Studiengebühren belasten, wird von mehreren Seiten in die Zange genommen. Gute Perspektiven, gerade für sozial Schwächere? Nennen Sie das Generationengerechtigkeit?
Schauen wir jetzt einmal auf die Seite der Hochschulen. Die Hochschulen können das Geld der Studierenden gut gebrauchen. Sie sind mittlerweile in einer fi nanziellen Situation, in der sie jeden Euro und jeden Cent nehmen müssen, den sie bekommen können, um vernünftig zu arbeiten. Sie haben den Hochschulen frisches Geld versprochen, das ihnen vollständig zur Verfügung stehen sollte. Dieses Versprechen haben Sie mit Blick auf die Studiengebühren schon mehrfach gebrochen: Die Hochschulen müssen die entstehenden Verwaltungskosten tragen, und sie rechnen dabei – da können Sie fragen, wen Sie wollen – mit ungefähr 15 % der Einnahmen, die allein die Verwaltung schlucken wird. Sie haben einen hohen bürokratischen Aufwand. Die größte Frechheit ist, dass sie auch noch das Ausfallrisiko tragen müssen. 10 % der Einnahmen zusätzlich zu den 15 % müssen in einen Sicherungsfonds einbezahlt werden, aus dem die Ausfälle für nicht zurückgezahlte Kredite ausgeglichen werden.
Außerdem – das war auch das Thema der letzten Wochen – müssen sie für die von Ihnen geschaffenen Befreiungstatbestände aufkommen. Da kommen dauernd neue
Vorstellungen hinzu, die Ihre Unterstützung fi nden. Ich wollte jetzt eigentlich Herrn Sibler ansprechen, den neuen Helden der Jugendarbeit. Der ist aber gar nicht da.