Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Frau Kollegin Rupp hat ein Zitat aus dem Mittelstraß-Gutachten gebracht. Es war eines der wenigen präzisen Zitate. Es bezog sich auf die grundlegende Unterfi nanzierung der Hochschulen in Deutschland. Das ist zu unterstreichen.

Die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Landtag tragen dem mit dem Beschluss über den Innovationspakt in einer singulären Weise Rechnung. In keinem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland wird eine untere Finanzierungsgrenze mit Zuwachsoptionen garantiert.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage der entsprechenden Leistungsparameter, die an das akademische Personal anzulegen sind, um in den Genuss dieser Ressource zu kommen, zu betrachten. Leistung muss ange

spornt und belohnt werden. Wo diese Leistung nicht erbracht wird, müssen Konsequenzen gezogen werden. Das reicht von der neuen Professorenbesoldung über die Frage der entsprechend leistungs- und belastungsbezogenen Mittelvergabe bis zur zentralen Funktion der Zielvereinbarung. Der Staat lässt los, gewährt Planungssicherheit und entwickelt im Dialog mit den Hochschulen – woher soll es sonst kommen!; bottom up! – wissenschaftspolitische Defi nitionen von Zielen und Inhalten aus den Hochschulen heraus und über einen längerfristigen Zeitraum gemeinsame Profi le der einzelnen Hochschulen.

Dieses Zusammenwirken einer Gesetzgebung, die der Hochschule für den Kurs, den sie einschlägt, weitestgehende Selbstverantwortung überträgt, gekoppelt mit dem Instrument der Zielvereinbarung, wird die Hochschullandschaft in unserem Land in einem Ausmaß verändern, dass jeder weiß, wo er gemeinsam mit dem Staat zu seinem Standort geht. Diese Ziele werden vereinbart. Wir werden darauf achten müssen, dass diese Ziele gemeinsam entwickelt und eingehalten werden.

Wir müssen allerdings der speziellen Situation der Hochschule Rechnung tragen, was auch die Frage einer möglichen Nichterfüllung dieser Ziele angeht. Es muss eine angepasste Mechanik entwickelt werden. Dies ist und wird ein lernendes System sein. In unserem Entschließungsantrag sind dafür wichtige Anhaltspunkte gegeben.

In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode werden wir es zu einer unserer Kernaufgaben zu machen haben, dass wir für das Zusammenspiel zwischen der Hochschule neuer Gattung als einer hoch eigenverantwortlichen Körperschaft und dem Staat in der Entwicklung und Begleitung dieser Zielvorgaben den richtigen Kurs einschlagen. Mit diesem Instrumentarium sind wir in der Lage, die Spitzenanforderungen in Forschung und Lehre auch angesichts steigender Studierendenzahlen zu bewältigen.

Wir haben auch den Blick auf die Zeit danach zu richten. Ab etwa 2015/16 wird der demographische Wandel mit dem Abbruch der geburtenstarken Jahrgänge und den entsprechend geringeren Jahrgangsstärken unsere Hochschulen erreichen. Wenn wir dem Grundprinzip, dass wir im Flächenland Bayern mit einem ausdifferenzierten Hochschulsystem die Bildungsreserven in einem Höchstmaß entwickeln und heben wollen, gerecht werden, dann müssen wir auch auf diese Phase danach blicken. Wir werden auf Dauer, um dem hohen Niveau der Leistungsfähigkeit des Standortes Bayern gerade auch im Dienstleistungsbereich und im tertiären Sektor gerecht zu werden, auf einen prozentual und absolut wachsenden Anteil akademisch vorgebildeter Arbeitskräfte angewiesen sein. Das ist die strategische Kernaufgabe des vor uns liegenden Jahrzehnts im Bereich der Lehre.

Dass wir dazu einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel wagen müssen, ist eine der wichtigsten Veränderungen, die mit dieser Hochschulgesetzgebung in Verbindung stehen. Das ist die Einführung von Eigenbeiträgen der Studierenden zu den Kosten ihres Studiums.

Die Einführung von Studienbeiträgen ist wissenschaftspolitisch geboten und sozialpolitisch verantwortbar. Warum? Die strategische Aufstellung von Studienbeiträgen richtet sich auf die Verbesserung der persönlichen Ausbildungssituation des Studierenden in zweierlei Hinsicht. Zum Ersten garantiert nach wie vor ein akademisches Studium eine überdeutliche Erfolgsprognose im individuellen Berufsleben. Unter diesem Aspekt ist ein verantwortbarer Eigenbeitrag zumutbar.

Zum Zweiten ist mit der Zusage, dass die Eigenbeiträge der Studierenden in vollem Umfang dem Bereich der Lehre zur Verfügung gestellt bleiben und bleiben müssen und nicht kapazitätsbegründend sind – der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen –, die fi nanzielle Garantie des Staates bis 2008 und darüber hinaus verbunden, um der Forderung nach der strategischen Grundaufstellung der nachhaltigen Verbesserung der Situation der Lehre gerecht zu werden.

Sozialpolitisch verantwortbar ist das vor dem Hintergrund, dass wir mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen einer möglichen Abschreckung von Studiengebühren entgegenwirken. Der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen. Das betrifft auch die Frage der Höhe der Studiengebühren und der Eigenverantwortung, die den Hochschulen übertragen ist. Das will ich hier aber nur ansprechen.

Die Eigenbeiträge der Studierenden sind ein ganz wichtiges Mittel, um auch die Rolle der Lehre in der Tätigkeit des einzelnen akademischen Lehrers bzw. der einzelnen akademischen Lehrerin nachhaltig zu verankern, weil hier in den kommenden Jahren gewaltige Mittelströme in Bewegung gesetzt werden.

Eine weitere Frage betrifft den Umgang mit dem akademischen Personal. Das neue Hochschulpersonalgesetz gewährt ein Höchstmaß an Breite der Qualifi zierungswege. Der Herr Staatsminister hat es kurz angesprochen. Ich erinnere an die Habilitation und die Juniorprofessur, die gegenüber dem bundespolitischen Ansatz deutlich weiterentwickelt wird, wo es nach sechs Jahren einen guillotineartigen Schluss dieses Qualifi zierungsweges gibt. Bayern entwickelt hier eine qualitäts- und leistungsorientierte, am Tenure-track-Modell orientierte Aufstiegsoption in eine Lebenszeitprofessur.

Wir bilden weiterhin die arbeitsmarktpolitische Figur des wissenschaftlichen Mitarbeiters aus. Darauf sei nur kurz hingewiesen.

In summa ist der Weg, den wir mit dieser Hochschulgesetzgebung einschlagen, der richtige und zukunftsorientierte Versuch – der gelingen wird –, auf die Herausforderungen von Forschung und Lehre an der Schwelle des 21. Jahrhunderts an einem Standort, der in einem Höchstmaß auf akademisches Wissen und auf hervorragend qualifi zierte akademische Mitarbeiter angewiesen ist, die richtige Antwort zu geben.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Gote das Wort.

Herr Präsident, Herr Minister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“ So steht es in Artikel 108 der Bayerischen Verfassung. Das wissen Sie alle. Das und nichts weniger muss der Maßstab zur Bewertung der heute zur Verabschiedung stehenden Gesetzentwürfe der Staatsregierung zu den Hochschulen und den Universitätskliniken sein.

Damit Sie sich hier nicht langweilen und wir hier nicht alle Detaildebatten aus den Ausschussberatungen wiederholen müssen, werde ich Ihnen heute ganz eng an diesem Verfassungsartikel erläutern, warum wir GRÜNEN die von der Staatsregierung vorgelegten Gesetzentwürfe ablehnen.

„Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“ Welche sind aber die Voraussetzungen für diese Freiheit? Ich meine, es sind Autonomie, Demokratie, Öffentlichkeit, Offenheit, Vertrauen, Gerechtigkeit, Mut und Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da die Beratungen zu den Hochschulgesetzen und ihre Rezeption in der Öffentlichkeit und in der Welt der Hochschulen gezeigt haben, wie vielschichtig und missverständlich der Begriff der Autonomie gebraucht und missbraucht werden kann, lohnt es sich an dieser Stelle einmal, genauer und auch auf Deutsch zu sagen, was man darunter verstehen kann. Liebe Kollegen von der CSU, sonst haben Sie es nicht so mit den Autonomen. In der Hochschulpolitik verstecken Sie sich doch allzu gerne hinter diesem etwas nebulösen Begriff.

(Beifall bei den GRÜNEN – Engelbert Kupka (CSU): Zwischen Autonomie und Autonom besteht ein Unterschied!)

- Ich sage Ihnen jetzt, was ich darunter verstehe. Autonom bin ich, wenn ich selbstständig und unabhängig handeln kann, wenn ich mich selbst organisieren kann und in meinen Entscheidungen frei bin. Werden die bayerischen Hochschulen also in diesem Sinne in Zukunft autonomer sein? An die Grenzen der Autonomie werden die Hochschulen auch in Zukunft sehr schnell stoßen. Die Leine der Ministerialbürokratie mag etwas länger geworden sein, losgelassen haben Sie aber nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Noch immer müssen die Hochschulen ihre Grundordnungen genehmigen lassen. Die volle Organisationsautonomie haben sie nicht. Sie verfügen nicht über ihr Liegenschaftsvermögen. Dieses wird zentral verwaltet. Sie haben die Hochschulleitung zwar zum Dienstherrn gemacht, die volle Personalhoheit haben Sie ihr aber noch nicht gegeben. Noch immer redet der Minister bei Berufungen mit. Viele der 107 Artikel des Hochschulgesetzes

sind immer noch von einer sehr hohen Regelungsdichte geprägt. Freiheit atmet dieses Gesetz nicht, nirgends, an keiner Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielleicht wäre es auch gar nicht richtig, den Hochschulen in allen von mir genannten Punkten die volle Autonomie zu geben. Darüber kann man ernsthaft und lange streiten. Dann sollten Sie aber auch nicht den Anspruch für etwas erheben, das Sie mit diesem Gesetz nicht eingelöst haben.

Dort, wo Sie die Leine etwas losgelassen haben, haben Sie gleich einen Ausgleich geschaffen. Sie haben die Leine zwar gelockert, aber gleich einen Zaun um den Auslauf gezogen. So kann man die Zielvereinbarungen verstehen, von denen wir alle miteinander noch nicht sagen können, ob sie sich zu einem sinnvollen Steuerungsinstrument entwickeln werden, oder ob mit ihnen die ministerielle Gängelei nur unter neuem Namen fortgesetzt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben Kontrolle und Hineinregieren nicht reduziert. Sie haben es nur verlagert. Da gibt es den neuen Hochschulrat. Dieser nimmt nun stärker als bisher Kontrollfunktionen wahr, die sehr weit in hochschulinterne Details reichen. Wie ein Aufsichtsrat einer AG – Sie haben es heute sogar noch einmal wiederholt, Herr Minister – soll er funktionieren. Es gibt dabei aber einen entscheidenden Konstruktionsfehler. Die Aufgaben des neuen Hochschulrates sind eine Mischung aus Kontrolle und operativem Geschäft. Das fi nde ich sehr gefährlich. Das fi nden Sie so in keiner Aktiengesellschaft. Die Autonomie der Hochschule wird durch den neuen Hochschulrat jedenfalls nicht gestärkt.

Selbstständiger und mächtiger geht aus der Gesetzesnovelle sicher die Hochschulleitung hervor. Geschwächt und unselbstständiger werden nahezu alle anderen. Den Senat haben Sie zum Beispiel massiv geschwächt. Dem akademischen Mittelbau gestehen Sie nicht mehr Selbstständigkeit zu. Dem nichtwissenschaftlichen Personal trauen Sie mehr Autonomie erst gar nicht zu. Die Studierenden sind in Sachen Autonomie wohl die größten Verlierer.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Studium wird durch den Bologna-Prozess in einem Maße verschult und mit einer Prüfungsdichte versehen, die ein freies Studieren gar nicht mehr möglich machen. Den selbstständigen Studenten und die selbstständige Studentin hatten Sie beim Schreiben dieser Hochschulgesetzesnovelle sicher nicht vor Augen.

Haben Sie den Hochschulen mehr Unabhängigkeit gegeben? Unabhängigkeit würde etwas kosten. Autonome Hochschulen müssen fi nanziell auf sicherem Fundament stehen, um die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen zu können. Der Anteil der Bildungsausgaben am Staatshaushalt ist in Bayern aber seit Jahren rückläufi g. Bayern zieht sich wie alle anderen Länder seit Jahren

schleichend aus der Finanzierung der Hochschulen zurück. Daran ändern auch nichts Ihre Taschenspielertricks, die Sie zum Beispiel im Laufe der letzten Haushaltsdebatte angewandt haben. Von dem angeblichen Aufwuchs, den Sie während des laufenden Haushaltsjahres wie eine Monstranz vor sich hertragen, kommt bei den Hochschulen nicht viel an. Der größte Teil fl ießt aufgrund tarifl icher Regelungen in die Pensionskassen und Personalausgaben. Ein weiterer großer Teil ging zum Beispiel auch an den Forschungsreaktor München II. Die Haushalte der Hochschulen haben Sie nicht wirklich gestärkt. Da wäre noch sehr viel mehr notwendig gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Haushalte der Hochschulen sind seit Jahren unterfi nanziert. Die Hochschulen haben es in dieser Woche selbst vorgerechnet, wie hoch ihr Bedarf in den nächsten Jahren wäre, um die Herausforderungen steigender Studierendenzahlen zu bewältigen. Herr Goppel, wir erwarten daher auch ein Milliardenprogramm für die nächsten Jahre. Stattdessen schreiben Sie den Rückzug im Gesetz auch noch fest, indem Sie den Hochschulen nur noch Mittel und Stellen, aber nicht mehr die Mittel, die sie brauchen, zusagen. Die Drittmittelabhängigkeit wird immer größer. Sie verweisen die Hochschulen auf Spenden, Stiftungen und Privatvermögen.

(Engelbert Kupka (CSU): Das haben sie doch schon immer gehabt!)

- Ja, die gilt es jetzt aber sehr stark zu akquirieren. Führt dies zum Ziel einer größeren Autonomie?

(Engelbert Kupka (CSU): Ja, freilich!)

Trägt dies zu einem gesicherten Fundament bei, auf dem die Hochschulen unabhängig und eigenständig agieren und sich entwickeln können?

(Engelbert Kupka (CSU): Es trägt bei!)

Sie liefern die Hochschulen den Zwängen des Marktes aus und behaupten, Sie würden sie befreien.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, das Versprechen der Autonomie löst dieses Gesetz nicht ein.

Die zweite Voraussetzung der Freiheit ist Demokratie. Nur eine demokratische Hochschule kann eine freie Hochschule sein. Stärken Ihre Gesetzentwürfe die Demokratie an den Hochschulen? Sie haben den Senat deutlich geschwächt. Sie beschränken die Mitwirkungsrechte der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben in den Debatten im Ausschuss oft infrage gestellt – daran erinnere ich mich noch gut, Herr Stockinger -, ob das nichtwissenschaftliche Personal zur Gestaltung und Führung der Hochschulen überhaupt

etwas beizutragen habe. Sie geben der Frauenbeauftragten oder, Herr Kollege Weidenbusch, dem Frauenbeauftragten im Hochschulrat kein Stimmrecht. Die externen Mitglieder des Hochschulrates werden nicht gewählt, sondern auf Vorschlag der Hochschulleitung und des Ministeriums bestellt. Der Hochschulrat wiederum wählt dann den Präsidenten oder die Präsidentin. Demokratieverkürzung würde ich das nennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)