Protokoll der Sitzung vom 06.07.2006

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Das ist wieder einmal ganz typisch, wie immer, wenn wir Reformen durchführen wollen. Sie wollen zwar eine Veränderung, aber wenn es ans Konkrete geht, sagen Sie: Bitte schön nicht dort. Sie fi nden ständig Hürden, warum es gerade dann nicht machbar ist.

Meine Fraktion, auch ich und die Bayerische Staatsregierung

(Joachim Wahnschaffe (SPD): In welcher Reihenfolge? – Allgemeine Heiterkeit)

stehen zu einem modernen öffentlichen Dienst. Wir wollen die Chance nützen, die uns die Föderalismusre

form bei der Beamtengesetzgebung eröffnet. Wir wollen ein modernes Dienstrecht. Wir werden diese Chance nutzen, auch wenn damit eine große Arbeit in diesem Hause auf uns zukommt. Ich fordere Sie dazu auf, dabei konstruktiv mitzumachen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Volkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst muss ich feststellen: Das ist heute eine ausgesprochen langweilige Debatte.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Aber das wird sich ändern!)

Jedenfalls geht es mir so. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich sage das ganz gern dem Herrn Ministerpräsidenten, weil er heute ausnahmsweise da ist und keinen derart negativen Eindruck mitnehmen sollte.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist völlig unrichtig!)

Wir haben ab und zu schon sehr viel lebhaftere Debatten.

(Beifall bei der SPD)

Sie sollten das wissen, weil Sie offenkundig zu wenig Zeit haben, an den Sitzungen des Landtags teilzunehmen. § 4 unserer Geschäftsordnung besagt, dass die Abgeordneten des Landtags die Pfl icht haben, an den Sitzungen des Landtags teilzunehmen. Das gilt auch für die Mitglieder der Staatsregierung.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Zur Sache! – Weitere Zurufe von der CSU)

Ich sage ja, heute ist er ausnahmsweise da, und ich gebe meiner Freude darüber Ausdruck. Freuen Sie sich darüber, und seien Sie nicht so kleinlich!

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): War das ein Fragezeichen?)

Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, dass wir die Föderalismusreform zunächst einmal rundweg begrüßen.

(Thomas Kreuzer (CSU): So?)

Wir sollten das auch nicht kleinreden. Wir sollten nicht der Neigung frönen, die in unserem Staat leider sehr ausgeprägt ist, immer nur das Negative zu sehen, sondern wir sollten erst einmal sagen: Das war ein Erfolg. Diesen Erfolg sollte man nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern ihn angemessen würdigen.

Damit komme ich gleich zu den GRÜNEN: Ich halte Herrn Runge ja für einen klugen Menschen, aber so wie Sie an dieses Problem jetzt herangehen, tun Sie sich, wie ich glaube, damit keinen Gefallen. Sie sagen, das sei nur ein Reförmchen statt einer Reform, und vieles sei nicht erreicht worden. Das ist natürlich nicht falsch. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, meine Damen und Herren, dass alles auf einmal sicher nicht zu erreichen ist. Es wird immer weitere Entwicklungen und immer neue Probleme geben. Wir sollten uns erst einmal über das freuen, was wir hier erreicht haben. Es wäre schade, wenn die GRÜNEN Dinge, die an sich positiv sind und die sie vor einem oder vor zwei Jahren auch noch als positiv betrachtet hätten, jetzt kleinreden würden.

Ich möchte noch ganz kurz auf das Bezug nehmen, was Herr Waschler gesagt hat. Sie haben in einem Ausmaß, wie wir das von den Mitgliedern der CSU schon kennen, den Freistaat Bayern, seine Regierung, die Mitglieder der CSU-Fraktion und die Politik, die da betrieben wird, in einer Einseitigkeit gelobt, die manchmal schon etwas peinlich ist. Sie übersehen dabei vollkommen die Probleme, die im Lande natürlich auch vorhanden sind. Ich will diese Probleme jetzt nicht zu sehr betonen. Es sei aber schon darauf hingewiesen, meine Damen und Herren: Nicht gerade zum Ruhm der Schulpolitik ist festzustellen, dass ein massives Problem darin besteht, dass viele Hauptschüler keinen Abschluss haben und viele Hauptschüler selbst mit Abschluss keine Lehrstelle bekommen.

Wir empfi nden es natürlich immer als ärgerlich, dass wir jahrelang eine Ganztagsschule gefordert haben, was von Ihnen ständig abgelehnt wurde. Nun können wir Gott sei Dank in der Zeitung lesen, dass Sie wenigstens an zehn Hauptschulen in Bayern – zwar nicht in den Brennpunkten wie München und Nürnberg – beginnen, so etwas zu machen. Das muss deutlich gelobt werden. Ein echtes Problem für die Gesellschaft in Bayern insgesamt ist die soziale Segregation von Schülerinnen und Schülern. Es gibt einen immer höher werdenden Anteil von Kindern, deren Chancen immer geringer werden, gemäß ihren Neigungen und Begabungen im Leben voranzukommen.

Eines sollte man sich bei dieser Debatte – ich will jetzt nicht Wasser in den Wein gießen -, die zumindest von zwei Parteien heute insgesamt als erfreuliche Debatte vom Ziel und vom Ergebnis her betrachtet wird, bewusst machen: Die Föderalismusreform wurde im Wesentlichen dadurch angestoßen, dass der Bundesrat immer wieder parteipolitisch instrumentalisiert worden ist. Das sage ich jetzt erst einmal ganz wertneutral. Wenn der Bundesrat Mehrheitsverhältnisse hatte, die den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nicht entsprachen, dann wurde er immer wieder instrumentalisiert. Mir ist es jetzt schon ein Anliegen, darauf hinzuweisen, wie es während der letzten Jahre der rot-grünen Bundesregierung gelaufen ist. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Bundesrat auch nur annäherungsweise in einer solch üblen Art und Weise instrumentalisiert wie in dieser Zeit. Vorhaben wurden durch den Bundesrat blockiert, die Sie heute gutheißen und ohne jede Frage weiterführen lassen. Ich will nur ein Beispiel nennen, weil meine Redezeit in 30 Sekunden zu Ende ist. Sie haben die Eigenheimzulage jahrelang verteufelt; jetzt wird sie akzeptiert.

Die Zahl der Baugenehmigungen geht jetzt trotzdem wieder nach oben.

Ich sage deshalb erneut: Von dem Prinzip der parteipolitischen Instrumentalisierung des Bundesrats wegzukommen, wäre genauso wünschenswert wie das insgesamt erfreuliche Ergebnis der Föderalismuskommission.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Prof. Ursula Männle.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn morgen der Bundesrat über die Föderalismusreform entscheidet, dann kommt eine jahrelange wichtige Diskussion über die Reform unseres Staatswesens zu einem positiven Ende. Das ist wirklich eine Chance, und wir haben nicht ohne guten Grund das Thema „Chance für Bayern“ für diese Aktuelle Stunde gewählt.

Lassen Sie mich zwei Punkte herausgreifen. Erstens. Das ist eine Chance für die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie und für eine verbesserte Entscheidungsfähigkeit der Politik sowie für eine transparentere Willensbildung in der Politik.

Sie ist zum Zweiten eine Chance für Subsidiarität. Wenn ich Subsidiarität sage, dann meine ich, dass vor allem unser bayerisches Parlament davon profi tiert, dass wir in Zukunft eine klarere Verteilung der Zuständigkeiten haben werden und dass Kompetenzen quasi zurückverlagert werden auf die Ebene, die von Anfang an im Grundgesetz vorgesehen war.

Der bisherige Beteiligungsföderalismus wird ersetzt durch einen Gestaltungsföderalismus. Wir haben eine klarere Verantwortlichkeit auf wichtigen Feldern der Politik. Meine Kolleginnen und Kollegen haben schon deutlich gemacht, welche Felder der Politik hier bedeutsam sein werden. Auch in der nachmittäglichen Diskussion wird ein Feld, das soziale, herausgegriffen werden. Hier wird deutlich gemacht werden, dass Kompetenzen in die Länder zurückverlagert werden. Der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze wird reduziert. Wenn die Prognosen stimmen, dass der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze von 60 % auf 30 % reduziert wird, dann kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass die Entscheidungsfähigkeit, die Schnelligkeit und die Transparenz entscheidend verbessert werden, was für uns eine Chance ist.

Wir bringen mehr Transparenz in unsere politischen Entscheidungsprozesse und damit mehr Klarheit und eine stärkere Betonung der Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ebenen. Es ist richtig, was vorhin gesagt worden ist, es wird in Zukunft kein Hin- und Herschieben der Verantwortung mehr geben, je nachdem, auf welcher Ebene man entscheidet.

Außerdem wird es eine Reduzierung der Macht – ich betone ausdrücklich: der Macht – des Vermittlungsausschusses geben. Herr Volkmann hat vorhin gesagt, dass

vieles blockiert werden konnte. Ich selbst saß von 1994 bis 1998 im Vermittlungsausschuss. Herr Volkmann, was in dieser Zeit verhindert worden ist – ich sage nur das Stichwort: Lafontaine – an wichtigen Reformgesetzen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das geht doch bis heute so! – Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Herr Volkmann, mir sind die Zahlen bekannt. Wir wissen genau, dass dann, wenn im Bundesrat und im Bundestag unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse herrschen, die Blockademechanismen auf allen Seiten stark sind. Ich wollte nur den Gegenakzent zu Ihnen setzen, Herr Volkmann, der Sie uns angegriffen haben. Deshalb gestatten Sie mir, dass ich Ihnen Herrn Lafontaine, der damals noch Ihrer Partei zugehörig und Ministerpräsident des Saarlandes war, quasi um die Ohren haue.

Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses wird sicher abnehmen. Ich halte das für sehr gut; denn dadurch werden Entscheidungsverfahren transparenter. Vorkommnisse wie Geschäfte auf Gegenseitigkeit – hier Rindfl eischetikettierung, dort Eisenbahnkreuzung; wenn ihr da zustimmt, stimmen wir dort zu – über Dinge, die inhaltlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben, werden in Zukunft nicht mehr auftreten. Ich sage nur: Hartz IV. Mitternächtliche Entscheidungsverfahren sind nicht immer sonderlich günstig und haben sich nicht immer positiv auf unsere Demokratie ausgewirkt.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt herausgreifen. Die Föderalismusreform ist ein wichtiger Schritt für die Kommunen. Es gibt zukünftig einen Schutz vor Kostenbelastungen durch den Bund. Keine neuen Aufgaben ohne fi nanzielle Mittel – so das Stichwort, das man hier in den Mittelpunkt stellen kann.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Zum Beispiel wäre das alte Jugendhilferecht, das in den Achtzigerjahren verabschiedet worden ist, aufgrund der Reform, die jetzt durchgeführt wird, in Zukunft nicht mehr möglich.

Durch mein Eingehen auf Herrn Volkmann läuft mir die Zeit davon. Deswegen lasse ich meine Ausführungen so stehen. Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir dürfen keine Angst haben vor Wettbewerb. Wir dürfen keine Angst haben vor Pluralität. Bisher hat sich gezeigt, dass Wettbewerb und Pluralität sich positiv ausgewirkt haben, wenn wir die Entwicklung in Bayern betrachten. Wenn wir die Anziehungskraft und die Attraktivität Bayerns sehen, dann wird uns deutlich, dass wir unsere Chancen genutzt haben, und zwar nicht in der negativen Form, die Sie angesprochen haben, Herr Volkmann. Es wird auch keinen Wettbewerb nach unten geben, Herr Dr. Förster. Wir Landesparlamente werden die Chancen wahrnehmen und nutzen. Wir brauchen auch keine Belehrungen vonseiten der GRÜNEN, wie wir unsere innerfraktionelle Willensbildung und unseren Einfl uss auf die Staatsregierung organisieren können. Das machen wir schon allein.

(Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich in der Rednerliste fortfahre, darf ich eine Delegation aus dem Ausland begrüßen. Im Ehrengastbereich hat der Vorsitzende des Ausschusses für Patentrecht des Parlaments der Republik Kasachstan, Herr Marat Aikenov, zusammen mit einer Delegation Platz genommen. Herr Vorsitzender, ich darf Sie und die Damen und Herren Ihrer Delegation bei uns im Bayerischen Landtag sehr herzlich begrüßen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und gute Gespräche hier in Bayern. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Kollege Maget.

(Unruhe)

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Föderalismusreform sind zu begrüßen. Natürlich sind sie zu begrüßen, weil die erhofften und angestrebten Ziele mit dieser Reform erreicht worden sind. Mehr Transparenz, klarere Zuordnung der Kompetenzen, weniger nächtliches Gerangel im Vermittlungsausschuss und die Stärkung der Länderparlamente – all das wollten wir, und all das ist erreicht, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)