Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Was wurde davon umgesetzt? In diesem Fall, so muss ich sagen, so gut wie nichts. Im Gesetzentwurf der Staatsregierung heißt es nur, dass das Studium in Modulen zu organisieren ist, denen Leistungspunkte zuzuordnen sind. Da frage ich mich: Wo steht denn hier etwas vom Bachelor- oder Masterabschluss? Darauf wird gesagt, das steht im Hochschulgesetz. Dort steht aber etwas anderes. Wo steht es denn, wann ein Lehrer einen Bachelorabschluss machen kann? Jetzt heißt es plötzlich, dass es Parallelabschlüsse geben soll. Wie soll das funktionieren – etwa mit Zusatzprüfungen?

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Leistungspunkte!)

Nichts ist im Gesetz festgelegt. Hat der, der für das Grundschullehramt oder für das Hauptschullehramt studiert und das verkürzte Studium absolviert, automatisch den Masterabschluss oder muss er noch was draufsetzen? Wo steht hier etwas? Wenn einer etwas Genaues erfahren will, muss er in unseren Änderungsantrag hineinschauen. Der wurde jedoch leider abgelehnt. Darin haben wir es genau formuliert. So ist es auch in anderen Ländern im Gesetz festgelegt. Warum ist es bei uns nicht so festgelegt? Sie haben Angst davor, sich irgendwie festzulegen. Sie haben Angst davor, die eigenen Beschlüsse umzusetzen.

Ein zweites Beispiel, das ich bringen möchte. Es gibt einen gemeinsamen Beschluss aller drei Fraktionen vom 21. April 2005. Das ist noch gar nicht so lange her. Dieser Beschluss ist auch von meinem Kollegen Wägemann

angesprochen worden. Darin heißt es, ich zitiere wörtlich:

Gleichwertigkeit aller Lehrämter: Leistung macht sich bezahlt

Berufl icher Aufstieg wird über Leistung ermöglicht.

Was wurde davon umgesetzt? Mein Vorredner meinte, dass die Wertschätzung aller Lehrer gleich ist. Die Grundschullehrer und die Hauptschullehrer können aber nichts damit anfangen, dass wir sagen, wir schätzen euch alle genauso. Wir können gleich sagen, wir haben euch alle lieb.

(Beifall bei der SPD)

Damit können die Lehrer sehr wenig anfangen. Das sind doch allgemeine Floskeln, die überhaupt nichts aussagen. Was haben denn die Lehrer von der gleichen Wertschätzung? Ich muss noch einmal etwas klarstellen, was vom Philologenverband bewusst falsch verstanden worden ist: Wir wollen keinen Einheitslehrer, wie es dargestellt worden ist. Das ist nie behauptet worden.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Ach doch! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dass Sie immer das wissen, was wir wollen, ist schon komisch!)

Wir wollen auch keine Einheitslehrerausbildung. Darauf werde ich noch eingehen. Das war nie unsere Absicht gewesen. Wir wollen nur klarstellen, dass ein Grundschullehrer nicht weniger wert ist als ein Gymnasiallehrer, weil ein Grundschulkind auch nicht weniger wert ist als ein Gymnasiast oder eine Gymnasiastin. Das ist für uns entscheidend.

(Beifall bei der SPD)

Andere Länder nehmen dagegen die Ausbildung der Grundschullehrer ernster. Das verstehen wir unter Gleichwertigkeit der Lehrämter. Wir waren hier auf einem guten gemeinsamen Weg, aber das ist leider zu wenig umgesetzt worden.

Ein drittes Beispiel – ich zitiere wieder aus dem gemeinsamen Beschluss:

Stärkung der Fachdidaktik: …

Die Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften werden aufgewertet und bekommen im Studium ein stärkeres Gewicht.

Didaktisches Wissen muss Grundlage des Studiums der Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten sein.

Ende des Zitats. Jetzt schauen wir, was hiervon konkret und nicht nur allgemein umgesetzt worden ist. Im Gesetzentwurf wurde diese wichtige Forderung nicht einmal

aufgegriffen. Mit keinem Satz wurde sie erwähnt. Es bleibt bei den bisher schon geltenden Ausführungen in Artikel 3. Diese vom Kollegen Wägemann angesprochenen Säulen hat es schon bisher gegeben. Das steht unter Allgemeinem. Natürlich sollen Fachdidaktikpraktika usw. umgesetzt werden. Ich sage noch einmal, das sind allgemeine Forderungen.

Jetzt kommt aber das Entscheidende. An den Artikeln 8 bis 13 ist wiederum nichts geändert worden. Bei den verschiedenen Lehrämtern ist hier vom Didaktikstudium für das Lehramt an den Grund- und Hauptschulen und für die Sonderpädagogik die Rede. In diesen Artikeln 8 bis 13 fi nden wir ausdrücklich das geforderte Didaktikstudium, einmal für die Grundschule, dann für die Hauptschule usw. Ich brauche es nicht näher auszuführen. Wo aber fi nden wir das Didaktikstudium für Gymnasiallehrer und Realschullehrer? Wo steht das? In diese Artikel hätte es hineingehört. Da hätten wir es hineinschreiben sollen. Das ist keine Kleinigkeit, Herr Wägemann, wie Sie es gesagt haben. Das können Sie nicht in Ausführungsbestimmungen festlegen, sondern das ist ein zentraler Punkt, der umgesetzt werden muss. Das ist leider unterblieben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist bei den allgemeinen Floskeln geblieben, und das ist eben traurig. Ich sage nicht, dass nichts drinsteht. Es ist eben nur so allgemein formuliert wie bisher. Wir haben gesehen, dass die Defi zite, die wir bisher gehabt haben, mit den allgemeinen Ausführungen nicht aufgehoben werden können.

Hier hätten wir Nägel mit Köpfen machen können. Das ist versäumt worden.

Ich komme zum Beispiel Nummer 4: Es ist ganz zentral. „Polyvalenz“ – ein schönes Fremdwort, mit dem viele nichts anfangen können. Es heißt nichts anderes als „Durchlässigkeit der Ausbildung“. Dazu heißt es im gemeinsamen Beschluss auf der Drucksache 15/3248 – ich zitiere wieder:

Mit den schulartübergreifenden Inhalten im Bachelor-Studium sind Vertiefungsstudieninhalte für verschiedene Schulformen zu verknüpfen.

Außerdem heißt es, dass Qualifi kationen für breite berufliche Einsatzmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Auch dieser Beschluss wurde nicht umgesetzt.

In unseren Änderungsanträgen wurde ein gemeinsames Basisstudium von vier Semestern konzipiert, das die Polyvalenz ermöglichen würde. Nach den Vorstellungen der Staatsregierung und der CSU-Fraktion ist jeder Studierende vom ersten Tag seines Studiums an festgelegt, welches Lehramt er in vier oder fünf Jahren ausüben wird. Das ist das Grundübel dieses Gesetzentwurfes.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist der falsche Weg!)

Nichts hat sich verändert, nichts hat sich verbessert. Fehlentscheidungen können wie bisher nur mit größtem Aufwand korrigiert werden. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ein berufsbildender Abschluss mit einem BachelorTitel ist kaum vorstellbar. Wie soll jemand, der vom ersten Tag an das Lehramt für die Grundschule studiert, nach sechs Semestern zur Erwachsenenbildung wechseln können? – Das geht nicht, weil er die nötigen Qualifi kationen nicht erwerben konnte. Erst mit einem gemeinsamen Basisstudium werden Qualifi kationen erworben, die breit angelegt sind und die die Spezialisierung im Hauptstudium erlauben. Die Spezialisierung im Hauptstudium regen wir an.

(Gerhard Wägemann (CSU): Alles besprochen!)

Wir wollen nicht den Einheitslehrer.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Doch, Ihr wollt ihn!)

Das Basisstudium ist keine Erfi ndung der SPD. So fordert der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände unabhängig von der einzelnen Schulart ein gemeinsames Bachelor-Studium für alle Lehrämter bis zum BachelorAbschluss. – Also insgesamt sechs Semester. So weit sind wir gar nicht gegangen. Der BLLV fordert übrigens auch ein zweisemestriges Eingangsstudium für alle Lehrämter. Im Beschluss auf der Drucksache 14/6115 zu einem CSU-Antrag vom März 2001 ist ebenfalls mehrfach von einem Grund- und einem Hauptstudium die Rede. Was ist hiervon im Gesetzentwurf zu fi nden? – Nichts, überhaupt nichts. Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, verrate ich ein großes Geheimnis – vielleicht hat es der eine oder andere schon bemerkt. Mich hätte es gefreut, wenn es in der CSU-Fraktion erkannt worden wäre.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Sie nehmen alles zurück, was Sie gesagt haben!)

Die Begründung zu dem von mir zitierten Änderungsantrag, in dem es um die Neukonzipierung des Studiums geht, trägt die Handschrift der CSU, weil viele Passagen wortwörtlich vom CSU-Antrag übernommen wurden.

(Gerhard Wägemann (CSU): Fälschen Sie die Handschrift?)

Wir fälschen die Handschrift nicht. Wir haben nur das, was in Ihrem Antrag richtig ist, umgesetzt. Das wurde von Ihnen versäumt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das bewusst so formuliert. Und siehe da, die CSU-Bildungspolitiker – von den anderen erwarte ich das gar nicht – kennen ihre eigenen Beschlüsse nicht

(Beifall bei der SPD)

und stimmen deshalb den daraus basierenden Anträgen nicht zu. Ich kann Ihnen das in allen Einzelheiten

beweisen, und ich werde mir den Spaß machen, das entsprechend klarzustellen und zu übergeben.

(Gerhard Wägemann (CSU): Das haben Sie schon mehrfach angekündigt!)

Ich mache das, obwohl Sie das wissen müssten. Ich kann Ihnen liefern, was aus dem CSU-Papier stammt, von uns übernommen, aber von Ihnen nicht in das Gesetz geschrieben wurde.

Wir Sozialdemokraten haben das umgesetzt, was SPD, CSU und GRÜNE seit Jahren zum großen Teil gemeinsam gefordert haben. Als es jetzt zum Schwur kam, wurde allerdings das Konzept der Staatsregierung – und ich gehe davon aus, dass es das des Ministers Schneider ist – abgenickt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bildungspolitiker der CSU haben den Mund gespitzt, gepfi ffen hat die Staatsregierung.

(Gerhard Wägemann (CSU): Wir pfeifen selbst!)

Der Ton war schwach, um nicht zu sagen, dass es ein verunglückter Pfi ff war. Ich könnte auch sagen: Herausgekommen ist heiße Luft.

(Beifall bei der SPD)

Die Antwort auf meine Eingangsfrage, was sich verändert hat, heißt: Nichts. Die CSU wollte alles so belassen, wie es die letzten Jahrzehnte mehr schlecht als recht – erinnern wir uns an die Aussage in der „Süddeutschen Zeitung“ – gelaufen ist, obwohl sich die Herausforderungen ganz entschieden gewandelt haben. Sie geht mit diesem Gesetzentwurf ins 20. Jahrhundert zurück. Mit der Bayern-SPD des 21. Jahrhunderts geht das nicht. Deswegen lehnen wir dieses Relikt aus der pädagogischen Steinzeit ab.