Protokoll der Sitzung vom 17.10.2006

(Margarete Bause (GRÜNE): Er muss sich mit allem brüsten, er hat ja sonst nichts!)

Eben. Was wir hier haben, ist kein Investitionsprogramm für Bayerns Zukunft, sondern ein Programm: „Ich mache endlich meine Hausaufgaben“. Doch auch diese Hausaufgaben machen Sie nur zum Teil. Dafür würden Sie in der Schule eine schlechte Note bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Setzen, fünf!)

Beginnen wir von vorn. Sehen wir in den Haushalt. Es ist nur eine Petitesse, doch es ist immer wieder schön, wenn man erfährt, wofür die Haushaltsmittel ausgegeben werden, bevor irgendetwas Offizielles von Ihrem Ministerium auf dem Tisch liegt. So durfte ich kürzlich aus dem Magazin des Filmförderfonds Bayern erfahren, dass die Filmförderung um eine Million Euro aufgestockt wird. Dass diese Förderung noch zu beraten ist, darüber steht da kein Wort. Die Maßnahme an sich halte ich zwar für sinnvoll, kein Thema. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird aber exemplarisch deutlich, wer diesen Haushalt wirklich beschließt. Wer hat denn das Budgetrecht? Der Landtag, oder – –?

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Genau! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist Haushalt auf Gutsherrenart!)

Schauen wir uns doch einmal einen Schwerpunkt an, den Sie gebildet haben. Nach Ihrer Meinung ist die Bildung ein Schwerpunkt. Schauen wir uns das an. Am letzten Wochenende, auf Ihrem Parteitag in Augsburg, haben Sie es wieder einmal beschworen:

(Zuruf von der CSU)

Genau, die Stärkung der Hauptschule. Die Hauptschule braucht ein neues Profil. – Jawohl, das muss besser werden. Man muss sich auf die schwierige Klientel einlassen. – Auch das unterstreiche ich sofort. Die Delegierten kannten aber den Haushaltsentwurf nicht. Denn was steht dort? Was passiert an der Hauptschule? – Der Hauptschule werden 1650 Lehrerstellen entzogen. Das passiert mit der Hauptschule. Das ist die Realität, lieber Herr Finanzminister, nichts anderes!

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Sie müssen genau hinschauen, Sie haben an der Hauptschule die geringste Klassenfrequenz!)

Genau hinschauen? – Ich habe zehn Jahre lang genau hingeschaut, Herr Kollege Waschler.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist doch Themaverfehlung! – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Nein, das ist es nicht, tut mir leid. Eigentlich haben Sie, Herr Minister, das genau erfasst. Ich zitiere Sie aus der „Süddeutschen Zeitung“:

Wissen wird von Menschen vermittelt. In der Schule ist nicht die schwarze Tafel entscheidend,

sondern die Qualität und die Zahl der Lehrkräfte.

Warum nehmen Sie dann der Hauptschule die Lehrerinnen und Lehrer weg, wenn diese für den Bildungserfolg dieser Gruppe von Schülern entscheidend sind?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Schon wieder Themaverfehlung! Beachten Sie die Konstellation!)

Wenn Sie es mit der Stärkung der Hauptschule ernst meinen würden, dann beließen Sie zumindest die 1000 Lehrkräfte an der Hauptschule, die dort nötig sind. Von den 650, die Sie einziehen, rede ich schon gar nicht mehr. Wir brauchen kleinere Klassen, wir brauchen ein niedrigeres Lehrer-Schüler-Verhältnis, um wenigstens die Chance zu haben, diese Kinder besser zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wären einmal konkrete Taten, die auch von anderer Seite gefordert werden. Der Bayerische Städtetag in der Person von Herrn Schaidinger hat Ihnen beim nächsten Punkt, beim Ganztagsschulprogramm, die Leviten gelesen.

Man stelle sich vor: In den letzten vier Jahren flossen über das von Rot-Grün – man darf es noch erwähnen – im Bund verabschiedete IZBB-Programm 600 Millionen Euro für die Ganztagsbetreuung nach Bayern. Kollege Dupper hat darauf hingewiesen: Das war eigentlich gar nicht so gedacht. Man hat es aber ermöglicht. Bayern war froh, dass es das Geld einsetzen konnte. Wiederum war das G8 der Grund, dass Finanznot herrschte. Jetzt stellen Sie sich hin und sagen: „Wir wollen Ganztagsschulen weiter ausbauen.“ Mutig! Was bringen Sie dafür ein? Ein Plus von 5 Millionen Euro im Jahr. Wir reden dann von 35 Millionen Euro pro Jahr.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist lächerlich!)

Vergleichen Sie das miteinander, und dann sagen Sie mir, was daran mutig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Finanzminister, Sie haben vorhin aus der „Wirtschaftswoche“ zitiert. Ich könnte ganz andere Quellen zitieren: aus sozialen Zeitschriften, aus Zuschriften von sozialen Initiativen, wie die Ihre Politik kommentieren.

Sie haben die „Wirtschaftswoche“ hergenommen. Es ist Ihr gutes Recht, positive Nachrichten herzunehmen, um Ihre Politik in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Aber es ist auch unser Recht – das werden Sie verzeihen –, Zitate zu nehmen, die nicht so fein mit Ihrer Politik umgehen.

Kein Wunder, dass der schon angesprochene Herr Schaidinger meinte:

Die Verbesserung des Bildungssystems in Sonntagsreden zu fordern,

so wie Sie es in Augsburg getan haben –

reicht nicht. Wir brauchen dazu konkrete Taten, und die kosten nun einmal Geld.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Recht hat er.

Den Mut für echte Bildungsinitiativen haben Sie nicht. Wir fordern Sie auf: Belassen Sie die 1000 Lehrerstellen in der Hauptschule und schaffen Sie trotzdem die Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen an Realschule und Gymnasien. Das wäre mutige Bildungspolitik in diesen Zeiten.

Kommen wir zum Thema „Ländlicher Raum“. Sie haben in Ihrem Skript den ländlichen Raum extra noch einmal aufgeteilt. Ich nenne die Punkte. Unter „Ländlicher Raum“ subsumieren Sie: Hochwasserschutz, die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen und Staatsstraßen- und Brückenbau. Das ist bei Ihnen Stärkung des ländlichen Raums.

(Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser: Alles nicht in München!)

Das liegt alles nicht in München, kann ja sein. Aber das Einzige, was wirklich Stärkung des ländlichen Raums an sich, der Strukturen ist, wird mit 18 Millionen Euro verstärkt. Eine Ski-WM im ländlichen Raum ist zwar ganz schön. Aber Sie müssen uns schon erklären, wo da Schwerpunkte für den ländlichen Raum liegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die „Abendzeitung“ brachte heute einen Kommentar zum Thema „Arm und Reich“, der mir gut gefallen hat. Dort steht unter anderem:

Es reicht nicht, immer nur Werte und Bildung zu fordern, wie das Politiker

hier ergänze ich: vor allem Politiker der CSU –

gerne tun. Man muss die Vermittlung dieser Werte und dieser Bildung auch bezahlen wollen. Das wäre Aufgabe des Staates.

Das wäre also Aufgabe von uns allen als Vertreter dieses Staates. Sie verweigern sich hierbei, weil Sie falsche Prioritäten setzen, weil Sie nur die Eliten im Blick haben und die anderen Ihnen eigentlich recht egal sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit kommen wir zu Ihren schwachen Seiten. Kultur und Natur Bayerns interessieren Sie offensichtlich nicht mehr. Den landesweiten Denkmalschutz wollen Sie in Ihrem Reformwahn völlig aushebeln – der Gesetzentwurf liegt vor. Die Schlagzeile dazu heute war: „Denkmalschutz zum Abbruch freigegeben“. Kollege Spaenle – ist er noch da? – könnte das auch kommentieren. Der Verfall der kulturell wertvollen Bausubstanz in Bayern wird die Folge sein.

In der Landwirtschaft ist es dasselbe. Sie kürzen denen die Mittel, die die Kulturlandschaft pflegen, wogegen Wachstumsbetriebe gefördert werden sollen. Na, vielen Dank! Zum Glück ist der weiß-blaue Himmel über Bayern nicht von Ihnen und der Finanzierung abhängig, sonst würde er sich wahrscheinlich grau in grau präsentieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiß-blauen Himmel braucht man doch nicht – wofür denn?

Die nächste schwache Seite ist der Sozialhaushalt. Ich habe den Bildungshaushalt und den Sozialhaushalt extra ein bisschen deutlicher kommentiert; denn das sind unsere Schwerpunkte in diesen beiden Haushaltsjahren. Ich denke, wir sind uns einig, dass Sozialleistungen mit ihrem zumeist präventiven Charakter eine gesamtgesellschaftliche und auch volkswirtschaftliche Funktion erfüllen. Defizite werden frühzeitig erkannt und behoben. Damit werden Folgekosten für den Staatshaushalt reduziert. Der Entwurf des Doppelhaushalts zeugt dagegen an vielen Stellen nicht nur von sozialer Blindheit, sondern auch von volkswirtschaftlicher Kurzsichtigkeit.

Im Unterschied zu CSU und Staatsregierung erkennen wir den vielfachen wirtschaftlichen Wert der Sozialpolitik als Produktivfaktor für Bayern an und wollen deswegen Sozialpolitik entsprechend ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da ist zuerst die Jugendsozialarbeit an Schulen zu nennen. Wenn rund 10 % der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen und wir das so hinnehmen und ihnen damit ein prekärer Weg droht, ist das eine gefährliche Entwicklung für unser Gemeinwesen. Dies erfordert frühzeitige Investitionen nicht nur in Bildungspolitik im Allgemeinen, sondern insbesondere auch in die Schul- und Sozialarbeit für Haupt- und Berufsschüler.

(Beifall bei den GRÜNEN)