Der ländliche Raum hat Probleme. Das war immer so. Wir können Sie jedoch lösen. Es ist eine Sache des Selbstverständnisses, dass jeder Bürgermeister seine einzügige fünfte und sechste Klasse behalten möchte.
Trotzdem ist unbestritten, dass die weiterführende Hauptschule als zwei- und dreizügige Schule im Interesse der Kinder sinnvoller ist. Niemand käme auf die Idee, die ersten beiden Klassen des Gymnasiums auf dem flachen Land zu belassen.
Jeder will an seiner Schule so geringe Klassenstärken wie möglich. Das Verantwortungsbewusstsein müsste jedem sagen, dass kleine Klassen an sozialen Brennpunkten wichtiger sind als auf dem Dorf, wo die Welt noch halbwegs in Ordnung ist und die Kreuze noch an der Wand hängen.
Bayern hat weniger Schulden, zahlt also weniger Zinsen und hat mehr Geld für Investitionen und mehr Geld für
Lehrerstellen. Die Politik, die sie und all Ihre sozialistischen Kollegen machen, wird sich rächen. Irgendwann werden diese Länder es nicht mehr schaffen.
Hätten wir Ihre Vorschläge immer berücksichtigt, könnten wir uns heute nur noch die Zinsen leisten, aber gewiss keine neuen Lehrerstellen. Herr Pfaffmann, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Zukunft der bayerischen Kinder genauso am Herzen liegt wie uns. Ich schätze Sie persönlich sehr – obwohl diese Meinung in meiner Fraktion wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig ist. Das Problem ist, dass Ihre Rezepte nicht helfen. Sie wollen den bayerischen Kindern das Bildungssystem aufzwingen, mit dem Ihre sozialistischen Kameraden zum Beispiel in Bremen an das Ende der Pisa-Rangliste gelangt sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen. Das war die letzte Wortmeldung in der Aktuellen Stunde. Sie ist damit beendet.
Gesetzentwurf der Staatsregierung Viertes Gesetz zur Aufhebung von Rechtsvorschriften (4. Aufhebungsgesetz – 4. AufhG) (Drs. 15/5477) – Zweite Lesung –
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Entbürokratisierung ist ein wichtiges Anliegen, aber auch ein kontinuierlicher, nicht immer ein einfacher Prozess, da letztlich jeder Regelung ein aktuelles Regelungsinteresse zugrunde lag. Lockerungen und Aufhebungen werden deshalb meistens von einer Seite massiv gefordert, aber von einer anderen Seite – meist nicht weniger engagiert – verteidigt. Wichtig ist es dabei, beide Seite gegeneinander abzuwägen und zu dem Ergebnis zu kommen, das letztlich zum einen die Regelungshäufigkeit zurückschraubt, andererseits aber keine
Regelungslücken zurücklässt, die dann wiederum zu Problemen führen, die man eventuell – das wäre die schlimmste Version – mit wieder neuen Regelungen ausgleichen muss. In diesem Spannungsfeld ist nun das Gesetz zur Aufhebung von Vorschriften zu sehen. Nach fast drei Jahren soll nun durch dieses Gesetz das Landesrecht bereinigt werden.
Ich will nicht verhehlen, dass Entbürokratisierung und Deregulierung ganz besonders gerne bezogen auf andere Ebenen diskutiert werden – Bundes-, Europa- und kommunale Ebene. Hier geht es um das Landesrecht, das bereinigt werden soll. Es soll überschaubarer und damit leichter lesbar werden. Rechtsvorschriften sollen abgeschafft werden, die sich seit langem überholt haben, sei es durch Zeitablauf weil das Regelungsinteresse weggefallen ist, oder weil höherrangige Regelungen zum Beispiel Bundesregelungen den Gesamtbereich umfasst haben.
Im Vorfeld des Gesetzentwurfs wurde vor allem das Augenmerk darauf gerichtet, welche der bestehenden Vorschriften nach wie vor unbedingt notwendig sind beziehungsweise auf welche verzichtet werden kann. Dabei ist man auf zahlreiche überholte Vorschriften gestoßen. Die Regelung schlägt vor, diese abzuschaffen. Ich betone aber auch, dass die Abschaffung ex nunc erfolgen soll, also zum jetzigen Zeitpunkt mit jetziger Wirkung, sodass die Rechtswirkungen, die aus diesen Regelungen erwachsen sind, und auch die subjektiven Rechtspositionen bestehen bleiben. Rechtsfreie Räume werden nicht entstehen. Wegen der Nummer 4 im Gesetzentwurf muss die Stadt Dachau zum Beispiel nicht fürchten, dass sie durch die Aufhebung der Regelung nicht mehr Große Kreisstadt ist. Die Rechtswirkung bleibt selbstverständlich bestehen. Gleiches gilt hinsichtlich der Apothekenbetriebsverordnung. Dazu ist inzwischen eine bundesrechtliche Regelung zum Tragen gekommen, die das Regelungsinteresse abdeckt. Ich verweise auf die Nummer 23, in der es um die Verordnung über das Haus des Deutschen Ostens geht. Hier ist offensichtlich, dass eine wesentlich geringere Regelung, nämlich ein Organisationserlass des zuständigen Ministeriums, den gleichen Regelungszweck erfüllt wie die bislang vorgesehene Verordnung.
Mit dem Gesetzentwurf sollen zeitgleich Verordnungen und Gesetze aufgehoben werden. Wir versprechen uns davon, dass sich aus diesem Aufhebungsgesetz ein wichtiger Impuls für das Gesetzgebungsverfahren ergibt, nämlich dahingehend, dass die Parlamentarier bei der Inanspruchnahme neuer Regelungen darüber nachdenken, ob die Regelungen unbedingt erforderlich sind, ob es keine andere Möglichkeit gibt, als im Wege der rechtlichen Regelung tätig zu werden.
Wir wollen auf diese Art und Weise kritisch den Fokus auf das eigene Verhalten richten und versprechen uns davon auch, dass andere Ebenen es uns gleichtun. Wir wollen erreichen, dass man sich auf Bundesebene bewusst fragt, ob eine bestimmte Regelung erforderlich ist. Gleiches gilt für die kommunale Ebene.
Vielleicht erinnern Sie sich, vor einiger Zeit wurde von einem Vertreter der Entbürokratisierungskommission
leicht augenzwinkernd der Satz geäußert: Wir sind ein regelungswütiges Volk. Das mag schon sein, aber das heißt nicht, dass wir nicht besser werden können. Bei aller Regelungswut sollten wir uns überlegen, dass unsere Regelungen irgendwann wieder zur Disposition stehen und im Wege eines Aufhebungsgesetzes beseitigt werden müssen. Dann ist es sicher sehr viel sinnvoller, sich gleich im Vorfeld zu überlegen, ob wir das unbedingt tun müssen oder ob eine Regelung nicht doch entbehrlich ist.
Wir wollen auch, dass von dem Aufhebungsgesetz ein Impuls für unser eigenes Verhalten ausgeht und dass wir auch einmal den inneren Ruf nach Erlass einer Regelung hintanstellen und ihm widerstehen. Das Bewusstsein, dass Deregulierung und Entbürokratisierung ein kontinuierlicher Vorgang sind, bei dem alle gesellschaftlichen Kräfte, also Parlament, Verbände und vor allem die Adressaten und Adressatinnen der Norm, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, zusammenwirken müssen, sollte uns immer eine innere Mahnung sein. Frei nach dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ sind wir der Ansicht, etwas Gutes zu tun, wenn wir hier gesetzliche Regelungen aufheben und diesem Gesetz zustimmen. Wir als CSU-Fraktion werden das tun und erachten das als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rupp. – Frau Kollegin Rupp ist offensichtlich nicht im Saal, deswegen verfällt ihre Wortmeldung nach § 105 Absatz 3 der Geschäftsordnung. Persönlich füge ich an: Es ist sehr selten, dass Frau Kollegin Rupp dann, wenn sie das Wort hat, dieses nicht ergreift.
(Thomas Kreuzer (CSU): Die hat einen ganzen Leitz-Ordner dabei; die Redezeit ist aber begrenzt, Frau Kollegin!)
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Es wundert mich, dass Sie von der CSU und der SPD im Vorfeld erst gar nicht reden wollten – von der SPD hat nun tatsächlich niemand gesprochen –, nachdem Sie im Mai dieses Jahres – ich kann mich gut an die Presseartikel erinnern – diesen Gesetzentwurf noch als Wunderwerk zur Mittelstandsförderung gepriesen haben. Sie wurden mit sehr viel Häme überzogen, als sich herausgestellt hat, was sich tatsächlich hinter dem Vierten Gesetz zur Aufhebung von Rechtsvorschriften verbirgt, nämlich eine Auflistung von Selbstverständlichkeiten. Frau Kollegin Guttenberger ist heute schon sehr viel sachlicher mit diesem Gesetzentwurf umgegangen.
Alte Gesetze werden in dem Gesetzentwurf, weil komplett überflüssig, aufgehoben, bestehende Gesetze durch aktuellere ersetzt. Viel Arbeit hätte man sich unseres Erachtens ersparen können, wenn man mit dem Erlass neuer Gesetze die Aufhebung der damit zusammenhängenden alten Gesetze verknüpft hätte. Ich ziehe überhaupt nicht in
Zweifel, dass in der Verwaltung sehr viel Fleiß investiert wurde, aber ein echter Bürokratieabbau ist das nicht.
Wo liegen die Probleme wirklich? – Gesetze und Verordnungen werden mehrmals in kürzester Zeit geändert. Wir haben einen ausgesprochenen Formularwahn. Ich habe meinen Ordner hier, den ich Ihnen nachher auch gern mitgebe, weil wir einiges gesammelt haben, was wir für verzichtbar halten. Es gibt zum Beispiel eine Richtlinie zur Zuwendung aus der Fischereiabgabe. Hier können Sie in epischer Breite nachlesen, was wie zu fördern ist, welche Zuwendungen an wen gehen und wie der Umfang sein soll. Das Ganze wird garniert mit einer Fülle von Anträgen. Die Fischer sind wirklich zu bedauern, weil sie sich mit diesem Papierkram herumschlagen müssen.
Wir haben auch extrem ausführliche Bestimmungen zu einfachen Sachverhalten. Auch das kann ich mit Beispielen belegen. Es gibt extrem komplizierte Ausführungen, zum Beispiel seitenlange Ausführungen zur Ermittlung der Durchschnittsnote für Hochschulbewerberinnen und -bewerber im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man sich hier in Seiten ergehen kann, nur um die Durchschnittsnote herauszufinden. Ich lege Ihnen das ans Herz für lange Winterabende, ob es erfreulich ist, weiß ich nicht, aber es ist zumindest sehr spannend.
Wir haben im Baurecht jährlich über 100 Seiten an neuen Einzelbestimmungen. Wir haben im Straßenbau detaillierte Einzelregelungen; wie ich meine, überdetaillierte Einzelregelungen. Wir haben eine überregulierte Verwaltung. Ich denke hier zum Beispiel – das sind alles nur einzelne Beispiele, die stellvertretend für viele stehen – an die Aktenordnung, die sehr apart zu lesen ist und aus der Sie erfahren, in welcher Form Sie die Akten abzulegen und zu behandeln haben. Das ist wirklich sehr interessant und spannend. Wir haben auch – das ist ein sehr schönes Beispiel, das ich Ihnen unbedingt vorstellen möchte – die Anträge für Geburtstage.
Ja, das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Da gibt es im Ministerialblatt Nummer 2 für 2001 die Ehrung von Ehe- und Altersjubilaren. Das ist die gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatskanzlei und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30. Januar 2001, Nummer BII2-0121-1-166 und Nummer I Z1-0137.2. Das ist wirklich apart. Da heißt es unter Nummer 1:
Vom Bundespräsidenten zum 65., 70. und 75. Hochzeitstag, zur Vollendung des 100., 105. und jedes weiteren Lebensjahrs.
Ich weiß nicht, ob wir eine 106-jährige hatten. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Vom Bayerischen Ministerpräsidenten werden die Leute zum 60., 65., 70. und 75. Hochzeitstag geehrt, zur Vollendung des 95., des 100. und jedes weiteren Lebensjahrs. Damit aber nicht genug. Ich will nicht bestreiten, dass man festlegen soll, wer zu welchem Zweck geehrt wird, aber jetzt kommt Nummer 2.
a) Der Bayerische Ministerpräsident übersendet zum 60. Hochzeitstag und zum 95. Geburtstag mit dem Glückwunschschreiben eine silberne Medaille. Bei den übrigen Jubiläen tritt an die Stelle der Silbermedaille ein anderes Sachgeschenk.