Protokoll der Sitzung vom 10.11.2006

Wieso kritisieren Sie dieses Bündnis? Viele hier im Hause wissen, dass ich in meinem Leben wahrscheinlich nicht mehr Ehrenmitglied beim Bund Naturschutz werde. Eines steht aber fest: Wenn sich der Bund Naturschutz mit dem Freistaat Bayern gemeinsam ein Klimaschutzbündnis ausdenkt und es unterschreibt, kann es so schlecht nicht sein. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich einmal hier stehe und Professor Weiger gegen GRÜNE und SPD in Schutz nehmen muss. Herrn Professor Weiger sei in diesem Fall Lob gezollt, weil er sich für eine faire Klimapolitik und für ein gutes Bündnis in Bayern stark macht.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Biedefeld? – Frau Kollegin, bitte.

Herr Kollege Meißner, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir nicht das Klimaschutzbündnis an sich kritisieren, also das Bündnis mit Staatsregierung und Bund Naturschutz, sondern die mangelnde Umsetzung, das Nur-Reden und Nicht-Handeln?

Ich bin gern bereit, es zur Kenntnis zu nehmen, halte aber fest, dass ich in jeder Sitzung des Umweltausschusses und auch im Plenum bei Ihnen immer ein gewisses Unwohlsein wegen dieser Situation verspüre.

Ich komme auf die bayerische Situation zurück. Tatsache ist, der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch liegt bei uns bei 7 % und ist damit mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Mehr als die Hälfte des Stroms aus der Wasserkraft in Deutschland kommt aus Bayern. Die Hälfte des in Deutschland erzeugten Solarstroms kommt aus Bayern. Ein Drittel der Sonnenkollektoren und Wärmepumpen Deutschlands ist

in Bayern installiert. Außerdem gibt es noch Dutzende Projekte zur Geothermie.

Hinsichtlich der staatlichen Liegenschaften kann man sich über die Zahlen streiten. Es wird jedoch sukzessive saniert. Ich bin sicher, dass dieser Weg konsequent fortgesetzt wird. Sie haben die Zahl der Liegenschaften genannt und dann eine Prozentrechnung aufgemacht. Dazu muss ich sagen: Nicht alles, was für den Klimaschutz wünschenswert wäre, ist auch fi nanzierbar.

Wir haben keinen eigenen Antrag eingebracht; deshalb möchte ich jetzt auf Ihre Überlegungen eingehen. Zunächst zum SPD-Antrag: Die SPD fordert in zwei Punkten eine jährliche Berichtspfl icht. Damit beschäftigen Sie den Umweltausschuss und die Beamten im Ministerium. Hier wäre eine gezielte Nachfrage sinnvoller. Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtiger wäre, auf diese ständigen Berichtspfl ichten zu verzichten, da sie in den Ministerien nur Kreativität abziehen. Sehen Sie sich einmal an, wie viele Berichtspfl ichten wir haben und wie stark unsere Spitzenbeamten damit beschäftigt sind. Sie würden mir dann vielleicht sogar recht geben.

(Beifall bei der CSU)

Dann ist wieder von dem Pakt, den wir geschlossen haben, die Rede. Wenn die Teilnehmer fest zu etwas verpfl ichtet werden, widerspricht dies dem Paktcharakter der Freiwilligkeit.

(Susann Biedefeld (SPD): Genau! Und dann passiert nichts!)

Wir weisen deswegen diese Forderung der SPD zurück. Für die SPD spielt Geld offensichtlich keine Rolle. Sie fordert die Verdoppelung der Blockheizkraftwerke; egal wie viel es kostet. Ein Geothermiefonds muss aufgelegt werden, egal wo das Geld herkommt.

(Susann Biedefeld (SPD): Das gilt doch auch für ein fi nnisches Atomkraftwerk!)

Sie fordern ein Programm für Energieagenturen und Energieprojektmanager, egal was es kostet. Außerdem brauchen Sie noch ein Feinstaubprogramm; Sie müssen es schließlich nicht bezahlen, sondern es nur fordern. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei. Wir werden das ablehnen.

Besonders interessant fi nde ich, dass Sie dann den Abbau bürokratischer Hemmnisse bei der Wind- und der Solarenergie fordern. Das fordert diese Opposition, die bei anderen ungeliebten Projekten die Verfahrensmöglichkeiten bis ins Letzte ausschöpft. Ich bitte Sie, bei Anträgen nicht einfach von bürokratischen Hemmnissen zu sprechen. Sie haben im Rahmen einer Gesetzesinitiative das Recht zu sagen, welches bürokratische Hemmnis Sie stört. Stellen Sie einen entsprechenden Änderungsantrag, dann werden wir darüber reden.

(Susann Biedefeld (SPD): Wir haben doch Anträge gestellt! Die sind gelaufen!)

Bei der Raumordnung und der Planfeststellung wird das eine oder andere erleichtert. Ich sage Ihnen heute schon: Meine Stimme haben Sie. Die Erleichterungen müssen aber für alle Energien gelten, nicht nur für die Windkraft.

(Beifall bei der CSU)

Noch ein Schmankerl für die Kollegen: Am Ende des SPD-Antrags sollen wir zustimmen, dass sich die Staatsregierung bei den Herstellern von Elektrogeräten dafür einsetzt, die ärgerliche Standby-Funktion abzuschaffen. Ich wünsche der Staatsregierung dabei viel Vergnügen.

Die GRÜNEN gehen in ihrem Dringlichkeitsantrag insgesamt noch einen Schritt weiter. Deren Antrag ist besonders interessant. Darin geht es um die Windkraft. Ich kann verstehen, dass Sie aus bestimmten Gründen mehr Windräder fordern. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass es neben dem klimafreundlichen Aspekt der Windenergie den Aspekt der Erhaltung des Heimat- und Landschaftsbildes gibt. Dieser Aspekt ist vielen Menschen wichtiger. Deshalb werden wir Ihnen in diesem Punkt nicht folgen.

(Beifall bei der CSU)

Sie wollen die Häuslebauer mit Einrichtungen wie Solarzellen „zwangsbeglücken“. Wir halten es in der heutigen Zeit, wo es für viele Menschen fi nanziell schwieriger wird, für problematisch, immer weitere Zusätze und Pfl ichten einzuführen, auch wenn damit der Klimaschutz verbessert würde.

Ich bitte die Kollegen, den Antrag einmal zu lesen und sich Folgendes vorzustellen: Sie wollen Einkaufszentren auf der grünen Wiese aus Klimaschutzaspekten verhindern. Hier lassen Sie sozusagen den Knüppel aus dem Sack. Sie fordern eine strenge Bedarfsprüfung bei der Ausweisung von Gewerbegebieten ganz allgemein und zum Schluss ein Tempolimit auf Autobahnen. Glauben Sie wirklich, dass diese Maßnahmen helfen, das globale Problem der Klimaänderung zu lösen?

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Ja! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Natürlich!)

Sie äußern in Ihrem Antrag – vorgeblich aus Gründen des Klimaschutzes –, dass es in Erding keine dritte Landebahn geben dürfe und – weil das nie fehlen darf – Sie erwähnen den Transrapid. Ich bin überzeugt, Sie setzen sich zusammen und überlegen, was in einem solchen Antrag noch nicht drinsteht. Ihr Antrag ist daher nicht hilfreich, weil Sie damit nur Ihr Klientel bedienen wollen. Sie fordern die Verwendung von Mitteln für den Straßenbau für Radwege. Natürlich sollten wir darüber nachdenken, Dienst- und Behördenfahrzeuge mittel- und langfristig auf neue Technologien umzurüsten, sobald diese ausgereift sind. Sie haben bis vor Kurzem den Bundesumweltminister gestellt, dem nachgewiesen wurde, dass sein eigener Dienstwagen nicht einmal über einen Rußpartikelfi lter verfügte. Fordern Sie nicht in Bayern, was Sie selber nicht umsetzen.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das stimmt ja gar nicht!)

Dann habe ich offenbar das falsche Fernsehen angeschaut. Vielleicht habe ich schon Wahnvorstellungen.

Zum Schluss noch der Höhepunkt: Frau Kollegin Paulig hat offenbar absichtlich nicht erwähnt, dass im Antrag der GRÜNEN als Beitrag zum Klimaschutz die Einführung von Dienstfahrrädern gefordert wird. Ich habe dazu folgende Überlegung: Das Problem besteht nicht darin, dass es in Bayern zu wenige Beamte gäbe, die mit dem Dienstfahrrad unterwegs wären. Das Problem besteht vielmehr darin, dass in China viele Leute vom Fahrrad auf das Auto umsteigen. Um den GRÜNEN entgegenzukommen, könnten wir die Staatsregierung auffordern, die in China überzähligen Fahrräder zu importieren und unseren Beamten zur Verfügung zu stellen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU)

Ein Vorschlag zur Güte: Die GRÜNEN sollten beim Klimaschutz wirklich ernst machen und mit uns gemeinsam einer Verlängerung der Laufzeiten für die Kernkraftwerke zustimmen. In diesem Fall werden wir mit Ihnen über Dienstfahrräder sprechen. Andernfalls werden wir beide Anträge ablehnen.

(Beifall bei der CSU – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist so neben der Kappe! Das ist unter Niveau!)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Paulig.

Herr Kollege Meißner, ich denke, dieses Thema eignet sich nicht für Faschingsscherze. Sie müssen eines begreifen: Den Klimaschutz können wir nur umsetzen, wenn wir auf eine Vielfalt von Handlungsmaßnahmen setzen. Sie wären gut beraten – wenn Sie einen Funken Kreativität hätten –, wenn Sie Maßnahmen für Klimaschutz und eine Verringerung der CO2-Emissionen einführen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich kurz vier Punkte ansprechen:

Erstens. Wir setzen auf das Handeln und nicht auf Bündnisse und Pakte. Deshalb bin ich auf das Klimabündnis, das das Papier nicht wert ist, auf dem es steht, nicht weiter eingegangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehen wir uns einmal Ihren Umweltpakt an: Eines der ersten umweltverschmutzenden Unternehmen war die SKW Münchsmünster, die PCB freigesetzt hat. Sehen wir uns jetzt einmal die Freisetzungen an perfl uorierten Tensiden – PFT - in der bayerischen Alz an. Dort gibt es Werte, die wir in ganz Deutschland nicht haben. Diese Werte in der Alz stammen aus den Chemiewerken in Gendorf. Diese Gifte wurden durch einen Betrieb des Umweltpaktes freigesetzt. So viel zu Ihren Pakten. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Handeln Sie in Ihrem Verantwortungsbereich. Das wäre notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Wenn das Umweltministerium oder das Wirtschaftsministerium dafür eintritt, die Verursacherbilanz bei den CO2-Emissionen aus den bundesweiten Bilanzen herauszunehmen, würde ich mir wünschen, dass Sie sich dagegen aussprächen. Wir brauchen die Bilanzen, weil wir wissen müssen, wie es in Bayern aussieht. Vor circa drei Wochen wurden die bayerischen Werte in dem Länderarbeitskreis aus der Energiebilanz herausgenommen. Setzen Sie sich endlich dafür ein, dass diese Zahlen wieder hineinkommen, und zwar die Entwicklung seit 1990, und legen Sie endlich die aktuellen Daten vor. Wir betreiben keinen Klimaschutz, wenn wir die Daten über die CO2-Emissionen unterdrücken.

Drittens. Sorgen Sie außerdem dafür, dass die Quellenbilanzen für die Jahre 2004 und 2005 endlich ins Netz kommen. Die Geschäftsberichte der Unternehmen liegen doch auch vor. Sie sollten deshalb auch die Primärbilanzen endlich ins Netz stellen.

Viertens. Jetzt noch zur Atomenergie: Ich darf Sie daran erinnern, dass die Evangelische Kirche in Deutschland- ihre Synode mit dem klaren und weitgreifenden Appell beendet hat, die Nutzung der Atomenergie nicht zu verlängern.

Sie hat beschlossen, am Ausstieg festzuhalten und sich auch nicht an der Finanzierung externer AKWs in Europa oder sonst wo zu beteiligen. Das ist ein ganz klares Wort der EKD-Synode.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bitte Sie: Halten Sie sich als christliche Partei endlich einmal daran.

Noch eines: Hier sei ein Hinweis auf die externe Finanzierung des fi nnischen AKWs erlaubt. Das fi nnische AKW wird gebaut – Frau Biedefeld hat es angesprochen –, der Bau verzögert sich seit über einem Jahr, weil man technisch nicht zu Rande kommt. Das AKW wird mit öffentlichen Geldern fi nanziert. Seit 50 Jahren haben wir AKWs und es gibt immer noch keine Markteinführung, sondern Sie müssen AKWs mit öffentlichen Geldern subventionieren. Bei der Solarenergie sagen Sie, die Umlage beim EEG müsse gestrichen werden; es handle sich um Steuerverschwendung. Atomkraftwerke aber werden weltweit mit öffentlichen Subventionen gebaut. Bei diesem fi nnischen AKW tritt das ganz eklatant zu Tage. Es werden mit bayerischen Geldern Kreditkonditionen eingeräumt, bei denen sich jeder Mittelständler nur die Finger abschlecken könnte, wenn er solche bekäme. Siemens aber und Areva wird der Kredit für das fi nnische AKW nachgeschmissen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bauverzögerung, Baumängel und Bauschlampereien – wir werden noch darauf kommen. Während dieses eine Atomkraftwerk gebaut wird – irgendwann wird es einmal fertig werden –, werden ungefähr 15 Atomkraftwerke in Europa stillgelegt. So schaut es mit ihrer Renaissance aus.

Noch ein Letztes – zur Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke oder dem Bau neuer –: Atomkraftwerke dürfen nach dem Atomausstiegsgesetz mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 32 Jahren in Betrieb sein. Würden Sie einem LKW oder einem Flugzeug, der oder das bereits 32 Jahre in Betrieb war, eine weitere Betriebszeit von 10 oder 20 Jahren zumuten wollen? Das ist unverantwortlich, und bei einem Atomreaktor besonders unverantwortlich. Das aber ist Ihre Position. Wenn Sie vor dem Hintergrund dieses Risikos Klimaschutz betreiben wollen, dann sollten Sie besser Ihre Verantwortung abgeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)