Protokoll der Sitzung vom 28.11.2006

Das Wort hat Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf über die kommunale Gliederung des Staatsgebiets. Mit der Gesetzesvorlage soll den Wünschen der Gemeinden Pähl und Raisting und mit dem Änderungsantrag auch den Wünschen der Gemeinden Emskirchen, Hagenbüchach und Wilhelmsdorf Rechnung getragen werden. Die anderen Wünsche konnten nicht erfüllt werden, weil derzeit noch nicht klar ist, ob alle materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Wir wollen, dass die Gemeinden, die derzeit die Voraussetzungen erfüllt haben, bereits zum Jahreswechsel umstellen können. Wir wollen aber auch den Gemeinden die Umstellung ermöglichen, die demnächst so weit sind, dies zu tun. Wir hoffen daher auf einen zweiten Gesetz

entwurf über Neugliederungen, der diesen Mangel heilt. Wir wollen, dass in diesem neuen Gesetzentwurf auch die Gemeinden behandelt werden, deren Anträge in den vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht aufgenommen worden sind. Daher halten wir den Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, für unvollständig und hoffen auf eine Heilung durch einen weiteren, zweiten Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe keine weitere Wortmeldung vorliegen. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/5628, der Änderungsantrag auf Drucksache 15/6324 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit auf Drucksache 15/6909 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfi ehlt die unveränderte Annahme. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung ebenfalls zu, allerdings mit der Maßgabe von Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 15/6909.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist es so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form vorzunehmen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Die Gegenprobe. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunale Gliederung des Staatsgebietes“.

Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung des endberatenden Ausschusses hat der Änderungsantrag auf Drucksache 15/6324 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des kommunalen Haushaltsrechts (Drs. 15/6303) – Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurden zehn Minuten Redezeit pro Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Ettengruber.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Eine der wichtigsten Ausprägungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ist die Gestaltung des Haushaltswesens und der kommunalen Finanzen. Die Kameralistik ist seit Jahrzehnten die klassische Form der Haushaltsführung in unseren Kommunen. Es zeigt sich aber, dass die Kameralistik nicht in vollem Umfang den Anforderungen entspricht, die an eine moderne Haushaltsführung gestellt werden müssen. Vor allem die Steuerung der Verwaltung und des Verwaltungshandelns erfordert neue Möglichkeiten, den Haushalt effektiver zu machen, ihn von einer reinen Ausgaben-/Einnahmenrechnung wegzubringen und das kommunale Rechnungswesen neu zu gestalten. In vielen unserer Kommunen ist eine nachhaltige und zukunftssichere Sicherung der Haushalte unumgänglich. Im kommunalen wie im staatlichen Bereich darf die Schuldenlast nicht an die kommenden Generationen weitergegeben werden. Wir müssen unseren Nachfolgern auf allen politischen Ebenen geordnete Finanzen hinterlassen. So wie wir es auf der Ebene des Staates machen, muss es auch in den einzelnen Kommunen geschehen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die meisten von uns, die ein kommunales Mandat ausüben, wissen um die Schwierigkeiten, die kommunalen Haushalte auszugleichen und die Neuverschuldung zurückzuführen.

(Anhaltende Unruhe)

Einen kleinen Moment, Herr Kollege. Wenn die Glocke nicht hilft, muss ich so unterbrechen. Wir haben zu viele Einzelverhandlungen hier im Saal.

Mit der herkömmlichen Kameralistik, also mit der herkömmlichen Einnahmen-/Ausgabenrechnung ist diese Haushaltssanierung in vielen Bereichen nur begrenzt möglich.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Warum?)

Weil sie häufi g nicht dazu führt, dass das Vermögen und die Ressourcen der Kommunen transparent werden. Wenn man nur Einnahmen und Ausgaben sieht, sieht man nicht das, was an Ressourcen und Vermögen vorhanden ist. Man sieht allenfalls noch die Rücklagen, aber man hat kein Bild vom vermögensrechtlichen Status der Kommune.

Moderne Systeme der Verwaltungssteuerung berücksichtigen den Ressourcenverbrauch als eine wesentliche Grundlage der Entscheidungsfi ndung. Sie haben in der Kameralistik keine Abschreibungen. Sie kennen den Wert eines Gebäudes nicht. Sie kennen den Wert sonstiger Einrichtungen nicht. Damit können Sie auch nicht die erforderlichen Rücklagen bilden.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Es ist vieles richtig, was Sie gesagt haben, das Letzte aber nicht!)

Es ist alles richtig, was ich sage.

Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, den Kommunen das Recht zu geben, anstelle der Kameralistik zukünftig den Ressourcenverbrauch und den Werteverzehr mithilfe des Rechnungswesens darzustellen. Die vorgeschlagene Doppik – das ist die Abkürzung für doppelte kommunale Buchführung – basiert auf der kaufmännischen Buchführung und bildet Ressourcenaufkommen und Ressourcenverzehr über Erträge und Aufwendungen vollständig ab. Sie ermöglicht auch eine Transparenz über das kommunale Vermögen.

In der Neufassung der entsprechenden Bestimmungen der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und der Bezirksordnung wird den Kommunen ausdrücklich ein Wahlrecht eingeräumt, es entweder bei der bisherigen Kameralistik zu belassen oder auf die Doppik umzustellen.

Natürlich stellt sich hier die Frage der Konnexität, die nach ihrer Einführung, wie wir sie in diesem Haus beschlossen haben, bei allen Entscheidungen für den Kommunalbereich im Raum steht, wenn es um Kosten geht. Man muss damit rechnen, dass die Umstellung auf die Doppik natürlich erhebliche Kosten verursacht. Das hängt von der Größe der Kommune ab. Diesen Kosten stehen aber Effi zienzgewinne gegenüber, die mit dem neuen Steuerungsmodell verbunden sind, sodass man diese gegenrechnen und eine Kosten-Nutzen-Analyse aufstellen muss, die natürlich jede Kommune für sich selber aufstellen muss, worüber auch jede Kommune für sich selber entscheiden wird.

Die Änderung des Haushaltswesens wird den Kommunen also nicht aufgezwungen, sondern jede Gemeinde, jede Stadt, jeder Landkreis kann selbst entscheiden, ob sie/er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder nicht. Ich halte das für richtig, weil jeweils nach der konkreten Situation entschieden werden muss. Allein damit entfällt die Bindung an die Konnexität. Im Übrigen ist es dabei ohnehin fraglich, ob organisatorische Änderungen und Änderungen in der Verwaltung überhaupt unter den Begriff der Konnexität fallen, weil das eine ureigene Aufgabe der Kommunen selber ist, die Teil ihrer Zuständigkeit und ihrer Selbstverwaltung darstellt.

Der Staat beabsichtigt nicht, sein Haushaltswesen auf die Doppik umzustellen. Auch aus diesem Grund kann man den Kommunen diese Umstellung nicht aufzwingen, sondern muss man sie ihnen freistellen. Man muss es damit in ihre Entscheidung stellen, ob sie das tun wollen oder nicht. Es ist zweifellos richtig: Damit begibt man sich auf Neuland, wo viele Fragen noch nicht abschließend geklärt sind, wie etwa Bewertungsfragen und Fragen der praktischen Abwicklung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Diesem Gesetz müssen die entsprechenden Bewertungs- und Umsetzungsrichtlinien zügig folgen. Hierüber fi nden bereits seit langer Zeit intensive Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden statt, sodass man hier be

reits auf einem guten Weg ist. Dieses Gesetz eröffnet den Kommunen neue Möglichkeiten der Selbstverwaltung und der Regelung ihres ureigensten Bereichs, nämlich des Haushaltswesens und des Rechnungswesens. Deswegen bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Ritter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn die Kommunalen Spitzenverbände in ihren Stellungnahmen einhellig darauf hinweisen, dass es eigentlich keines Optionsmodells bedürfte, sondern, wenn man schon zu Doppik wechselt, eines verbindlichen Gesetzentwurfs, der die Einführung der Doppik vorschreibt, sind wir nicht generell Gegner eines Optionsmodells. Man muss sich das allerdings genau anschauen und überlegen, ob die Kriterien, die für ein solches Optionsmodell notwendig sind, mit diesem Gesetzentwurf letztlich erfüllt werden.

Sozialdemokratisch regierte Städte wie Nürnberg oder München haben im Rahmen eines Modellprojekts schon seit Jahren mit der Doppik erfolgreich gearbeitet. Die Bundesinnenministerkonferenz hat nun für alle Kommunen die verbindliche Einführung der Doppik für das Jahr 2012 beschlossen. Allein durch diesen Beschluss der Bundesinnenministerkonferenz wird jede Regelung zur Einführung ein Fall für das Konnexitätsprinzip. Herr Kollege Ettengruber hat auch darauf hingewiesen, dass sich natürlich die Frage des Konnexitätsprinzips stelle. Seltsamerweise befi ndet er sich da in Widerspruch zur Staatsregierung, die diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Sie bestreitet nämlich von Anfang an, dass hier das Konnexitätsprinzip überhaupt zum Greifen kommt.

(Herbert Ettengruber (CSU): Ich habe gesagt, die Frage stellt sich!)

Für Sie schon, aber für die Staatsregierung stellt sich die Frage offensichtlich von Haus aus nicht.

Sie begründen die Frage, warum die Doppik für die Kommunen eingeführt werden soll, damit, dass wir unseren Nachkommen geordnete Finanzen hinterlassen müssten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dem tatsächlich so wäre, wie Sie sagen, frage ich Sie, warum wir hier einen Gesetzentwurf behandeln, der die Kommunen betrifft, und keinen Gesetzentwurf, der die verbindliche Einführung einer kaufmännischen Buchführung für den Haushalt des Freistaats Bayern vorsieht. Diese Frage muss man sich bei der Argumentation schon stellen.

(Beifall bei der SPD)

Letztlich versucht die Staatsregierung, sich mit diesem Optionsmodell aus der Konnexität und damit auch aus der Verantwortung für die Kommunen zu stehlen. Wer sich heute entscheidet, die Doppik auf freiwilliger Basis einzuführen, hat morgen keine Möglichkeit mehr, wenn es darum geht, den Beschluss der Bundesinnenministerkonferenz umzusetzen, sich auf dieses Konnexitätsprinzip zu berufen. Die Doppik wird 2012 für alle kommen. Es stellt sich nur die Frage: Sind dann die bayerischen Kommunen vorne dran, oder stehen sie dann hinten? Denn Sie werden zum Jahr 2012 einen verbindlichen Gesetzentwurf einbringen, wenn andere Bundesländer schon weitere Schritte unternommen haben. So sieht es sich im Augenblick aus.

Mit diesem Optionsmodell bleiben die Kommunen letztendlich auf den Kosten sitzen, die bei der Einführung der Doppik auf sie zukommen. Aber das ist nicht das einzige Problem. Bis zur generellen Einführung der Doppik muss nicht nur für den kommunalen Finanzausgleich eine Vergleichbarkeit der Haushalte der Kommunen einerseits, die die Doppik anwenden, und der Kommunen andererseits, die sie nicht anwenden, gegeben sein. Hierauf gibt der Gesetzentwurf keinerlei Antwort.

Kommunen, die bereits die Doppik im Rahmen eines Modellprojektes anwenden, brauchen einen Bestandsschutz. Das, was in München und Nürnberg mit der Doppik gemacht wird, ist durchaus ein Erfolgsmodell. Aber das mag nicht für alle Kommunen zutreffen; denn für kleine Gemeinden ergeben sich da ganz andere Probleme, die große Städte mit Sicherheit nicht haben. Die Kommunen, die im Rahmen des Modellprojekts arbeiten, brauchen für die örtlichen Einzelregelungen, die gegebenenfalls von diesem Gesetzentwurf abweichen, einen Bestandsschutz.

Dieses Gesetz ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Es geht in weiten Teilen an der Realität vorbei, und es ist so technokratisch, dass man sich tatsächlich fragt, ob der Ministerpräsident dieses Ding nicht selber geschrieben hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir fordern Sie auf, den Gesetzentwurf abzulehnen und die Staatsregierung dringendst anzuhalten, hier ihre Hausaufgaben zu machen und einen verbesserten Gesetzentwurf vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung des kommunalen Haushaltsrechts geben Sie vor, mehr Transparenz im Ressourcenverbrauch in den Kommunen erreichen zu wollen und ein effi zienteres, zielorientierteres Verwaltungshandeln erreichen zu können.

Herr Ettengruber, Sie haben sogar gemutmaßt, mit diesem Gesetzentwurf könnte man eine Sanierung der zum Teil desolaten kommunalen Haushalte erreichen. Diese Hoffnungen können mit diesem Gesetzentwurf keineswegs verbunden werden. Die Ziele, die Sie vorgeben, erreichen Sie nicht. Mit der Doppik, die mit diesem Gesetzentwurf eingeführt werden soll, wird auch nicht der Ressourcenverbrauch, sondern werden lediglich die Abschreibungen auf Anlagen erfasst.