Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

Der Besserwisser hat Kollateralschäden verursacht, die kaum abzusehen sind. Er verzockte den letzten großen Trumpf der Union, die moralische Überlegenheit.

(Beifall bei der SPD)

Weiter schreibt „Die Welt“ – das muss man sich wirklich einmal anhören –, eine konservative Zeitung in Deutschland:

Das Getöse aus München wird für lange Zeit nur mehr als Folklore wahrgenommen werden. Die CSU als Trachtenverein und Stoiber als schwarzer Oskar: Auf einen Schlag hat ein Zocker Bayerns größtes Kapital verspielt, den Respekt.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen sagen: Wer zu schwach ist, um Verantwortung in Berlin zu übernehmen, für den ist Bayern zu schade, um von ihm regiert zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Nun denken Sie offenbar an das Ende Ihrer Karriere und wollen – so haben Sie sich ausgedrückt – nur noch ein Wurzelwerk suchen und pflegen – fürwahr eine merkwürdige Einlassung für einen starken Ministerpräsidenten. Die „Passauer Neue Presse“ bemerkt dazu – ich zitiere –: „Stoiber verbreitet Endzeitstimmung.“

(Zuruf von der CSU)

Ich habe das nicht verstanden. Wollen Sie es mir noch einmal sagen?

(Joachim Herrmann (CSU): Er hat gesagt, die haben auch nicht immer recht!)

Das stimmt allerdings. Da gebe ich Ihnen recht.

Jetzt haben Sie auch noch eine Kabinettsumbildung angekündigt. Die „Frankenpost“ sieht sogar ausgerechnet den

bayerischen Finanzminister Faltlhauser als ersten Kandidaten für ein Ausscheiden aus dem Kabinett.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): So was!)

So was. Herr Kollege Christ hat den Ausschnitt sogar dabei. Der erste Kandidat für ein Ausscheiden sind angeblich ausgerechnet Sie, Herr Prof. Dr. Faltlhauser. Dabei hat er Sie doch gerade noch so gelobt. Vielleicht haben Sie Glück, Herr Prof. Dr. Faltlhauser; denn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ konstatiert Folgendes – ich zitiere –: „Es ist ein geschwächter Stoiber, der taktieren muss und wenig handeln darf, um an der Spitze weiter geduldet zu werden.“

Meine Damen und Herren, dabei muss man fraglos anerkennen, dass Bayern nicht nur ein wunderschönes Land ist – ich meine, das schönste auf der Welt, wofür Sie wenig können –,

(Alexander König (CSU): Und gut regiert!)

sondern auch ein erfolgreiches Land war und ist. Viele Entscheidungen und Weichenstellungen in diesem Land hätten wir nicht anders getroffen als Sie.

(Zurufe von der CSU: Oh!)

Die wirtschaftliche Situation ist besser als die anderer Länder, aber dafür – und hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Dr. Stoiber – muss man kämpfen. Ich sage, Bayern ist gut, aber Bayern könnte noch viel mehr.

(Beifall bei der SPD)

Für Leistungen der Vergangenheit bekommt man wenig, wenn man die Chancen der Zukunft verspielt. Deswegen zum letzten Mal ein Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Da schreibt man über Edmund Stoiber am 26. November: „Der CSU-Chef rennt von Termin zu Termin, sagt irgendwas zu fast jedem Thema, gerät ständig in semantische Nöte und verliert den Überblick über sein Land und seine Partei.“ – So ist es. Es geht um den Überblick über unser Land.

Gegenwärtig hilft uns eine erfreuliche konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Wachstum, steigende Steuereinnahmen, die Entwicklung der Gewerbesteuer in den Kommunen, Exportstärke – die viel gescholtene Politik von Gerhard Schröder und die gezielten Wachstumsimpulse der Bundesregierung zeigen Wirkung. Wir haben keinen Anlass zur Euphorie, aber die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird besser, was sich natürlich auch in Bayern auswirkt. Die Einnahmen steigen deutlich an. Allein die Mehrwertsteuer spült in den bayerischen Haushalt in den nächsten Jahren jedes Jahr 900 Millionen Euro. Ich denke, das ist Anlass genug, endlich zu einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Haushaltspolitik zu kommen.

Die bayerische Haushaltspolitik – Sie haben sich mit Selbstlob geradezu überschüttet – lässt in Wahrheit Zuverlässigkeit und Stetigkeit vermissen. Sie ist ein

ständiges Auf und Ab. „Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“ ist die Devise. 1995 bis 2003 haben Sie atemlos Geld ausgegeben und Privatisierungserlöse in Milliardenhöhe verbraucht. 2004 bis 2006 haben Sie Kürzungsorgien veranstaltet, dargestellt als Sorge um die Zukunft. In Wahrheit war die schwarze Null lediglich als Wahlkampfschlager für 2006 geplant. Im Jahr 2008 – das ist auch schon ausgeplaudert worden und in den Zeitungen nachzulesen – soll wieder umfassend Geld ausgegeben werden. Sie haben Milliarden-Programme für alles Gute, Schöne und Nützliche angekündigt für 2008. – Komisch, so ein Zufall, ausgerechnet 2008. Wie gut, dass da in Bayern zufällig Landtagswahlen stattfinden. Ich sage Ihnen aber, Haushaltspolitik muss den Menschen dienen und darf sich nicht nach Ihrem Wahlkampfkalender richten, sehr geehrter Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Dabei hätten wir jetzt eine gute Gelegenheit, eine nachhaltige Haushaltspolitik zu betreiben. Sie haben 2,5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen. Doch diese Mehreinnahmen führen nicht zu höheren Investitionen für unsere Zukunft. Die Staatsausgaben steigen, aber die Investitionsquote bleibt niedrig. Sie haben in den Jahren, in denen Sie regieren, die Investitionsquote in Bayern halbiert. Das ist schlecht für die Zukunft dieses Landes; das ist ein Armutszeugnis und kein Reichtumsbericht.

(Beifall bei der SPD)

Mittlerweile sind die Folgen dieser Politik offenkundig. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, der Freistaat lässt seine Bauten verkommen. Hier geht es um den Bericht des Obersten Rechnungshofs. Sie haben nicht recht, wenn Sie sagen, unsere Politik ist für die kommenden Generationen gedacht. Weil Sie nichts investieren für die kommenden Generationen, schaden Sie der Zukunft dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keinen Zweifel: Bayern hat bessere Finanzdaten als andere Länder in Deutschland, aber wohlfeile und allseits beliebte Ländervergleiche nützen an dieser Stelle wenig. Besser als Vergleiche anzustellen, wäre es in der Tat, Herr Finanzminister, im Rahmen der Föderalismusreform II den Länderfinanzausgleich auf den Prüfstand zu stellen.

Es mag einmal gut und fair gewesen sein, was verabredet wurde, aber die Dinge haben sich geändert. Schauen Sie sich die anderen Länder einmal an, blicken wir zum Beispiel nach Sachsen: Das ist ein Nehmer-Land im Länderfinanzausgleich und bekommt ungefähr eine Milliarde Euro. Wissen Sie, was dieses Land in den von Ihnen soeben so viel gelobten Pensionsfonds in diesem Jahr einstellt? – 314 Millionen Euro stellt Sachsen in den Pensionsfonds ein. Wie viel stellt Bayern im nächsten Jahr ein?

(Susann Biedefeld (SPD): Null Euro!)

Null Euro! Sie loben den Pensionsfonds, zahlen aber nichts, und Sachsen bezieht Geld aus dem Länderfinanzausgleich und kann damit den Pensionsfonds speisen. Ist das noch gerecht? Ist das noch ein guter Länderfinanzausgleich? – Ich meine: Nein. Das muss korrigiert werden. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, andere Länder zahlen aus den Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich Ganztagsschulen. Sie nicht! Mir scheint, Ihnen ist es lieber, in anderen Ländern über Mittel aus dem Länderfinanzausgleich Ganztagsschulen zu errichten, anstatt im eigenen Land mit eigenem Geld das Gleiche zu tun.

(Joachim Herrmann (CSU): Das ist abenteuerlich!)

Das ist nicht abenteuerlich, sondern das ist eine Hausaufgabe, die Sie einmal zu erledigen haben. – Übrigens, manchmal helfen Vergleiche im eigenen Land weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren. Vergleichen Sie zum Beispiel die Haushaltsdaten Bayerns mit denen unserer Landeshauptstadt München. München hat auch einen ausgeglichenen Haushalt. München tritt sogar in diesem und im nächsten Jahr in die Schuldentilgung ein, was Sie nicht schaffen, Herr Faltlhauser.

(Susann Biedefeld (SPD): Hört, hört!)

Der bemerkenswerteste Unterschied liegt darin: München hat im Gegensatz zu Ihnen sämtliches öffentliche Eigentum behalten, nichts verscherbelt und nichts verkauft.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Überall dort, wo die CSU Verantwortung trägt, wird öffentliches Eigentum verhökert und werden damit Haushaltslöcher gestopft. Die Landeshauptstadt München hat alles behalten, jede Wohnung, die Stadtwerke, die Verkehrsbetriebe, die Krankenhäuser, und tritt noch in den Schuldendienst ein. Das ist eine bessere Haushaltspolitik.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Maget, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Prof. Faltlhauser?

Sofort. – Das zeigt ein noch stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Herr Abgeordneter Faltlhauser, bitte.

Herr Kollege, würden Sie angesichts Ihres abenteuerlichen Vergleichs zwischen dem Landeshaushalt und dem Stadthaushalt zur Kenntnis nehmen, dass die Landeshauptstadt München trotz extrem steigender Gewerbesteuer, trotz der Einführung

einer Zweitwohnungssteuer gegen Studenten und gegen arme Polizisten

(Zurufe von der SPD: Oh, oh! – Dr. Thomas Beyer (SPD): Danke schön, Herr Beckstein!)

seit 1994 eine Steigerung ihrer Pro-Kopf-Verschuldung um 146 % verzeichnete, während andere vergleichbare Großstädte in der Bundesrepublik Deutschland ihre ProKopf-Verschuldung um 33 % senkten?