Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in Bayern wissen: Wir leben in einer Zeit der Krisen, einer Zeit der Entscheidungen.
Was Sie heute nicht tun, das entscheidet über unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder. Am verheerendsten wirkt sich Ihr Versagen in der Bildungspolitik und bei der fehlenden Chancengerechtigkeit sowie bei der fehlenden Klimapolitik aus.
Sehen wir uns die bayerische Bildungspolitik etwas genauer an. Jeder sieht, dass das bayerische Bildungssystem sozial ungerecht, ineffizient, unterfinanziert und nicht genügend leistungsfähig ist. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wissen es auch selber, Sie gestehen es ein, aber Sie tun nichts. Ihr gegliedertes Bildungssystem ist sozial ungerecht. Nirgendwo hängen die Chancen so sehr von der Herkunft ab, von den Eltern und von der Region. Der bayerische Bildungsbericht 2006 stellt nüchtern fest – ich zitiere ihn, weil sich das der Kollege Maget gespart hat – :
Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Einkommenssituation und den schulischen Leistungen. Je höher das monatliche Haushaltseinkommen, desto bessere Noten erreichen die Grundschüler.
So sieht es aus, Herr Ministerpräsident. So sieht es aus im Chancenland Bayern. Lesen Sie Ihren eigenen Bildungsbericht.
Extrem ist nicht nur die Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern, sondern das regionale Bildungsgefälle in Bayern. Auch da ist Bayern das Land großer Chancenungerechtigkeit. Auch das wissen Sie selbst ganz genau. Die „Passauer Neue Presse“ berichtete im Januar:
Anlass der neuen Zielsetzung seien die sehr niedrigen Übertrittsquoten ans Gymnasium in einigen Regionen Bayerns.
So besucht in Starnberg zwar mehr als die Hälfte aller Kinder ein Gymnasium, im Bayerischen Wald sind es weniger als ein Fünftel.
Dann sagen Sie, Kollege Herrmann, dass die Kinder in Starnberg nicht dreimal klüger seien als die im Bayeri
Das ungerechte bayerische Bildungssystem ist unterfinanziert, aber Sie geben das Geld auch noch falsch aus. Sie wissen selber, dass es zu viele Schulabbrecher gibt und zu viele Wiederholer. Nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung findet ein Viertel der Schüler in Bayern keinen Platz in Berufsschule oder Ausbildung. Sie lassen sie in einem teuren Übergangssystem in der Luft hängen, in Lehrgängen oder Jungarbeiterklassen mit enormen Folgekosten für die Jugendlichen, aber auch für uns alle, für die Gesellschaft. Damit rauben Sie dieser Jugend ihre Zukunft.
Schuld daran ist auch, dass die vorschulische Bildung in Bayern in besonderem Maße unterfinanziert ist. Deswegen fordern wir und Bildungsexperten seit Jahren Reformen nach der Devise: früh investieren, statt später reparieren. Sie wissen selber nur allzu gut, dass es zu wenig vorschulische Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gibt.
Im Januar zitierte die „Main-Post“ Ministerin Stewens: „Bayern braucht mehr Bildung – landesweit Mangel an Krippenplätzen.“ – Viel geändert hat sich seitdem nicht. Vor allem aber haben Sie nicht verstanden, dass auch kleine Kinder Bildungsangebote brauchen. Es genügt nicht, wenn sie irgendwo aufgehoben sind. Sie müssen gefördert werden. Tagespflege ist kein Bildungsangebot.
Ändern Sie endlich das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz und sorgen Sie dafür, dass Krippen und Kindergärten für Bildungsarbeit belohnt werden.
Auch bei Ganztagsschulen ist Bayern immer noch auf dem letzten Platz aller Bundesländer. Das Sie immer noch auf Ganztagsbetreuung statt auf Ganztagsschulen setzen, zeigt, dass Sie von moderner Pädagogik wirklich keine Ahnung haben.
Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung 2003 Bildungsausgaben auf internationalem
Niveau versprochen. Das ist schon eine Zeit lang her. Dieses Versprechen haben Sie bis heute nicht eingelöst.
Fakt ist: Die Bildungsausgaben in Deutschland liegen weiter weit unter dem internationalen Niveau, und die Bildungsfinanzierung in Bayern liegt seit 20 Jahren noch weit darunter.
Wir GRÜNEN haben hier Anfang des Jahres ein Finanzierungskonzept vorgelegt über 1,75 Milliarden Euro zusätzliche Bildungsinvestitionen ohne Neuverschuldung. Aber statt unsere Vorschläge anzunehmen, ruinieren Sie, Herr Ministerpräsident, mit Ihrem unsozialen Sparkurs die Chancen und die Zukunft unserer Kinder.
Sie behaupten, Ihr Kurs des unsozialen Kaputtsparens sei eine Frage der Generationengerechtigkeit. Absurder lässt sich kaum argumentieren.
Denn zum einen haben wir Ihnen vorgerechnet, dass mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Bildungsinvestitionen ohne Neuverschuldung erreicht werden können. Zum anderen verlängern Sie mit Ihrem Kurs des unsozialen Kaputtsparens nur die heutige soziale Ungerechtigkeit in die Zukunft. Wer heute keine Chance hat, hat bei Ihnen auch in Zukunft keine, ebenso wenig wie dessen Kinder. Das ist absolut ungerecht.
Ihre Theorie der Chancengerechtigkeit, Herr Ministerpräsident, ist auch volkswirtschaftlich blanker Unsinn.
Es handelt sich um ein und dieselbe Generation, die gleiche Generation, die von uns die öffentlichen Schulden erbt, aber auch die privaten Guthaben und Zinsen. Es ist eine Frage einer Generation und nicht eine Frage zwischen den Generationen, wie diese Vermögen bzw. diese Lasten verteilt werden. Darauf kann man heute schon Einfluss nehmen. Und auch in Zukunft kann man darauf Einfluss nehmen. Es ist aber, wie gesagt, keine Generationenfrage.
Außerdem sind Schulden zwar langfristig Verpflichtungen, aber wenn wir nur mit fremdem Geld die Leistungsfähigkeit unserer Kinder verbessern könnten – wenn das der einzige Weg wäre –, wären sie immer noch Investitionen,