(Lachen bei der CSU – Dr. Markus Söder (CSU): So geht es regelmäßig! - Joachim Herrmann (CSU): Ihnen kann keiner das Wasser reichen, lieber Herr Dürr! – Weitere Zurufe – Allgemeine Heiterkeit)
Nun, mir könnten viele das Wasser reichen, aber das wollen nur wenige, denn das erfordert Anstrengungen. Herr Kollege, Sie müssten sich auch mal anstrengen.
Sie fordern, dass Studierende Darlehen aufnehmen. Das wollen Sie. Studierende sollen sich verschulden. Das wollen Sie schon. Aber der Staat, der sich das wirklich leisten könnte, der stark genug wäre, sich zu verschulden, der weiß, dass er in zwanzig Jahren noch Geld hat, der soll das nicht können. Was ist das für eine Logik, ha?
Der Haushalt, auf den Sie stolz sind, vermindert das Kapital unserer Kinder. Sie belasten unsere Kinder mit großen Hypotheken. Wenn wir die Chancen und Talente unserer Kinder heute nicht mehren, zahlen wir morgen alle drauf.
Kolleginnen und Kollegen, Sie erinnern sich sicherlich alle an das Gleichnis vom anvertrauten Geld; Matthäus, Kapitel 25.
Ein Mann ging auf Reisen und vertraute davor seinen Knechten sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente, dem anderen zwei und einem dritten eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Als er nach seiner Rückkehr Rechenschaft verlangte, hatte der eine mit den fünf Talenten gewirtschaftet und noch weitere fünf dazugewonnen. Der andere gewann zu den zwei ihm anvertrauten Talenten ebenfalls zwei hinzu. Da sagte der Herr zu jedem von ihnen: Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen; ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Nur
der, der das eine Talent erhalten hatte, hatte das Geld in der Erde vergraben. Er rechtfertigte sich: Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.
Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener. Werft den nichtsnutzigen Knecht hinaus in die äußerste Finsternis; dort wird er heulen und mit den Zähnen klappern.
Was glauben Sie, wird der bayerische Souverän zu Ihnen sagen, wenn er Rechenschaft verlangt? „Ich will dir eine große Aufgabe übertragen“ oder „hinaus in die Finsternis“?
(Beifall bei den GRÜNEN – Alexander König (CSU): Schade, dass keine Zuschauer da sind! – Weitere Zurufe von der CSU)
Meine Damen und Herren, das gegliederte Schulsystem wirkt sich nicht nur sozial, sondern auch regional verheerend aus. In Bayern haben die Menschen je nachdem, wo sie wohnen, höchst unterschiedliche Chancen. Diese Chancen driften immer weiter auseinander. Die Gefahr ist, dass die demografische Entwicklung das noch verstärkt. Statt aber diesen Trend zu mehr regionaler Chancenungerechtigkeit zu stoppen, verstärkt ihn die Staatsregierung. Sie haben 6 Milliarden Privatisierungserlöse für Boomregionen und Boombranchen beim Fenster rausgehauen und so diese Drift beschleunigt. Sie haben diese Drift nicht gestoppt, sondern beschleunigt.
Wir wollen diesen Trend umkehren. Weil die bisherige Politik der Staatsregierung wirkungslos blieb, schlagen wir Ihnen neue Konzepte vor. Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, wissen ja, dass Sie dringend etwas für die Menschen im ländlichen Raum tun müssen. Aber Sie machen weiter business as usual, und nichts mehr.
Im Programm der Staatsregierung mit dem hochtrabenden Titel „Investieren in Bayerns Zukunft“ findet sich nur das wieder, was schon bisher nichts geholfen hat. Man entdeckt dort ein Sammelsurium an Baumaßnahmen aller Art, eine Orgie in Hoch- und Tiefbau.
Das Absurdeste allerdings ist, dass Sie glauben, Sie könnten mit weniger Geld als bisher für die gleichen Maßnahmen, die schon bisher nichts geholfen haben, etwas verbessern. Wir fordern neue Konzepte: Investitionen in Köpfe statt in Beton. Wir wollen mit den Talenten
Wir fordern Investitionen, die den Menschen unmittelbar nützen, indem sie ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten steigern, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Also: Investitionen in Bildung, in den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, in Soziales, in Kultur und in alles, was die Eigeninitiative fördert, angefangen von der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen bis hin zum bürgerschaftlichen Engagement.
Diese Investitionen steigern auch die Chancen wirtschaftlicher Entwicklung. Entscheidend für Stärke und Selbstbewusstsein des ländlichen Raums aber ist die Bildungspolitik. Deswegen wollen wir die Schulen im Dorf lassen.
Sie sind dezentrale Kompetenzzentren für Wissen und Kultur, sie sind Produktionsstätten von Chancen. Das wichtigste Ziel muss sein, das regionale Bildungsgefälle einzuebnen.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir fordern Sie auf, mit uns zusammen diesen Trend umzukehren. Wir fordern Sie auf, auf die Kraft der Menschen im ländlichen Raum zu vertrauen, wie wir es tun, und mehr Freiheit und Selbstbestimmung zu wagen. Die demografische Entwicklung in den ländlichen Räumen müssen wir nutzen, um eine moderne Bildungsinfrastruktur für Bayern zu entwickeln. Angesichts sinkender Schülerzahlen kann das gegliederte Schulsystem – Sie merken es – nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Aber die demografischen wie die bildungspolitischen Herausforderungen, die vor uns stehen, können durch eine neunjährige gemeinsame Schulzeit und selbständige Schulen problemlos gemeistert werden.
Organisatorisch wie pädagogisch muss in Bayern künftig gelten: Nicht die Kinder müssen zu den Schulen, sondern die Schulen müssen zu den Kindern passen.
Deshalb wollen wir, dass Kommunen mit gefährdeten Schulstandorten die Möglichkeit erhalten, die Organisation der Bildungseinrichtungen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Wir fordern eine Experimentierklausel, eine Öffnungsklausel. Kommune und Schulgemeinschaft sollen gemeinsam beantragen können: eine neunjährige gemeinsame Schulzeit mit unterschiedlichen Abschlüssen vom Quali, der mittleren Reife bis zum
Übertritt in die Oberstufe, einen schulartübergreifenden gemeinsamen Unterricht bis zur sechsten Jahrgangsstufe und einen jahrgangsübergreifenden Unterricht.
Mittelfristig wollen wir die Verantwortung für die Bildung auf die Kommunen übertragen; sie sollen künftig die Bildungsangebote in eigener Verantwortung organisieren können, wie sie es heute bereits im Vorschulbereich tun.
Wir fordern selbständige Schulen mit eigener Budget- und Personalhoheit. Langfristig fordern wir offene, selbstverwaltete Bildungszentren; ähnlich wie die British Early Excellent Centers sollen sie allen Familienmitgliedern Antworten in allen sozialen und auch Bildungsfragen bieten, angefangen von der Familienberatung über konkrete Hilfen bis hin zur engen Kooperation beispielsweise mit den Sozialbehörden. Darüber hinaus arbeiten unsere kommunalen Bildungszentren auch mit allen anderen kommunalen Vereinen und Organisationen eng zusammen, angefangen von der Jugendhilfe über die Musikschulen bis zu den Sportvereinen.
Wir wollen das nicht nur in Brennpunkten, sondern überall im ländlichen Raum. Die Bildungseinrichtungen im ländlichen Raum sollen zu kulturellen und sozialen Begegnungs- und Dienstleistungszentren für den ganzen Ort werden.
Dass dies keine utopischen Forderungen sind, zeigen Beispiele aus aller Welt. In Kanada kann man sehen, dass ein föderales Bildungssystem mit eigenverantwortlichen Schulen eben nicht ins Chaos, sondern zu einem hohen Bildungsstandard führt.