Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Sie stellen einen Haushalt auf, in dem zur Vorbereitung der Wahlen 2008 kleine Ausgabenmehrungen enthalten sind. Die Steigerung der Sachausgaben um 42 Millionen Euro kann den Investitionsstau nicht auflösen, den insbesondere die fachlich unnötige Polizeireform ausgelöst und verschlimmert hat. Dieser Haushalt 3 A ist kein Haushalt im Interesse der bayerischen Polizei, das Gegenteil ist der Fall.

Ich will schließen mit einer Bewertung Ihrer Arbeit, Herr Minister Dr. Beckstein, durch die Deutsche Polizeigewerkschaft, der wir uns seitens der SPD nur anschließen können. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat Ihnen ein Zwischenzeugnis ausgestellt, in dem folgender Satz zu lesen ist:

Die Staatsregierung sollte sich mehr um eine gute Bewältigung der Herausforderungen bemühen als um eine geschönte Darstellung in der Öffentlichkeit. Mit den bisher gezeigten Leistungen der Staatsregierung ist das Klassenziel „sicherstes Bundesland“ nicht zu erreichen.

(Manfred Ach (CSU): Stammt das von Herrn Schneider?)

Ein Aufrücken zum Marktführer der inneren Sicherheit ist gefährdet.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse der Medienvertreter an diesem Tagesordnungspunkt ist offenbar nicht sehr groß. Das mag aber vielleicht auch daran liegen, dass die verschiedenen Möglichkeiten des Parlaments, auf die Innenpolitik gestaltend über den Haushaltsplan einzuwirken, nicht sehr groß ist. Ich bedauere außerordentlich, dass es wegen der vielfältigen gegenseitigen Deckungsvermerke kaum möglich ist, in einzelnen Bereichen zu steuern und zu sagen: Hier sollte mehr gemacht werden und dort sollte weniger gemacht werden. Ich würde mir wünschen, dass das Parlament hier mehr Möglichkeiten hätte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Verhältnis von vorbeugender Prävention und nachgelagerter polizeilicher Arbeit gerät immer mehr in Schieflage. Die Eingriffe in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger werden immer mehr ausgeweitet, ohne dass sich unsere Sicherheitssituation verbessert, im Gegenteil. Letztes Beispiel: Angesichts der schlimmen Amokläufe ehemaliger Schüler und einiger Trittbrettfahrer werden als Lösungsvorschläge aus dem Innenministerium Verbote von Killerspielen und mehr Internetrecherche der Polizei bis hin zum Ausspähen und Auslesen privater Computerinhalte durch eine spezielle Hacker-Software diskutiert. Mit solch dubiosen und keineswegs mit der Verfassung in Einklang stehenden Vorschlägen werden Sie dem Problem nicht gerecht. Wir kritisieren, dass auf Verbrechen stets mit Aktionismus und Schnellschüssen reagiert wird und damit bei der Bevölkerung eher weniger denn mehr Sicherheitsgefühl entsteht.

Sie fordern Verbote; mehr Kompetenz im Umgang mit Medien wäre jedoch wichtiger. Zudem, so auch die Vertreter des Berliner Instituts für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie in der Zeitung der Gewerkschaft der Polizei – GdP –, müsse jede einfache Antwort auf die komplexe Entstehung von Gewalt durch die Rolle der Medien als unseriös betrachtet werden.

Wichtig ist, insgesamt das soziale Umfeld des Spielers zu betrachten. Während ungeklärt ist, welche Rolle Computer und Medien spielen, ist es offensichtlich, dass das Gefühl eines Jugendlichen, in ein funktionsfähiges soziales Beziehungssystem eingebunden zu sein, in hohem Maße gewaltpräventiv ist. In allen Fällen schwerer Gewalttaten durch Jugendliche lag ein funktionsfähiges soziales Band nicht vor.

Welche Lösungen bietet uns dieser Doppelhaushalt? Die Mittel in der Jugendarbeit wurden 2004 empfindlich gekürzt und seither kaum wesentlich erhöht. Morgen werden wir die Zahl der Schulsozialarbeiter gerade mal um 39 in dem einen und um 32 in dem anderen Jahr erhöhen und damit letztendlich die absolute Mehrheit unserer Schulen nach wie vor ohne Schulsozialar

beit belassen, obwohl die Schulsozialarbeit Schülern in Konfliktsituationen helfen könnte und in höchstem Maße präventiv wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besonders eifrig ausgebaut werden soll die Videoüberwachung, obwohl Videoüberwachung gerade nicht, wie das Beispiel England zeigt, Terroranschläge verhindern kann und geradezu skurril wirkt in einem Land, in dem immer mehr Bahnhöfe ohne Aufsichtspersonal und Schalterbeamten sein werden und Züge ohne Schaffner verkehren sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Musterknabe will Bayern auch sein bei der Einstellung von Datensätzen in die bundesweite DNA-Bank. Als erstes Bundesland hat Bayern bereits die Schwelle von 100 000 dort eingestellten DNA-Sätzen übersprungen, obwohl mittlerweile dort insgesamt nur 443 000 Datensätze gelagert sind.

In diesem Jahr hat Bayern schon 17 000 neue Datensätze geliefert; jedes Jahr kommen weitere 90 hinzu. Da fragt man sich natürlich, was da alles geliefert wird. Wenn man die bayerische Kriminalstatistik liest, wundert man sich. 2005 gab es in Bayern 357 Tötungsdelikte, 1036 Vergewaltigungsdelikte und 3200 Raubüberfälle inklusive Handtaschenraub, Wohnungseinbrüche usw. Man fragt sich natürlich schon, welche DNA-Daten von welchen Tätern dort eingestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch beim Kampf gegen den Rechtsextremismus fließen nur spärliche Mittel in Vorsorgeprojekte und in die Kinder- und Jugendarbeit. Es ist eine sträfliche Vernachlässigung dieses wichtigen Themas unserer inneren Sicherheit. Wir fordern deshalb, dass endlich mehr Jugend- und Bildungsarbeit geleistet wird.

Wir haben in den Anträgen, die Ihnen vorliegen, auch Anträge zur Schließung der Rückführungsstellen gestellt. Mit den zentralen Rückführungsstellen werden nur überflüssige Parallelstrukturen geschaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Aufgaben werden bereits durch die Ausländerbehörden erfüllt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nicht nachvollziehen können wir auch die Tatsache, dass trotz gesunkener Asylbewerberzahlen die Mittel bei der Abschiebehaft erheblich aufgestockt werden. Viele Menschen, die wegen der schlimmen Situation in ihrem Heimatland überhaupt nicht abgeschoben werden können, werden trotzdem über Monate hinweg in Abschiebehaft genommen. Sie, meine Damen und Herren, ignorieren damit die Situation der betroffenen Menschen in ihren Heimatländern und verhöhnen sie auch noch, wenn

Sie im Haushaltsausschuss behaupten, die Menschen, die in Abschiebehaft sind, könnten ja auch ausreisen. Das ist inhuman und zynisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Beckstein, werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihr Sicherheitsbegriff ist zu eng. Sicherheit ist in erster Linie auch die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, und Sicherheit ist letztendlich auch die Klimaschutzpolitik sowie der Schutz vor Katastrophen, auch vor Naturkatastrophen. Sicherheitspolitik ist auch Friedenspolitik, denn in den Ländern, in denen die Staatsstrukturen verfallen, drohen nicht nur schlimmste Zustände für die Menschen, die dort leben müssen, sondern diese Länder sind auch Rückzugsräume für Terroristen. Friedenspolitik ist daher auch Sicherheitspolitik. Und Sicherheitspolitik ist nicht – wie Sie immer fordern – der Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Wir sind für die Beibehaltung der vorgesehenen Trennung; diese ist sinnvoll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sicherheitspolitik ist auch eine sachgerechte Ausstattung der Polizei. Es ist zu begrüßen, dass mit diesem Doppelhaushalt die Sachmittel für die IT- und Software deutlich aufgestockt werden, zumal derzeit über ein Viertel der Polizeicomputer älter als fünf Jahre ist.

Der größte Anstieg der Ausgaben dieses Haushalts ist aber zurückzuführen auf die Einführung des Digitalfunks. Wünschenswert wäre hier eine baldige Umstellung sowohl aus Sicherheits- als auch aus Kostengründen, weil es natürlich sinnvoll ist, gleich zu Beginn des Aufbaus neuer Leitstellen über den Digitalfunk zu verfügen.

Leider haben die Innenminister jahrelang die Einführung verzögert. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily hat bei den Entscheidungen zur Beschaffung des Digitalfunks die europäischen Ausschreibungsrichtlinien außer Kraft gesetzt. Schily hat zudem den Anschein erweckt, er habe einen Vertrag mit der Bahn geschlossen, aber es gab keinen Vertrag, sondern lediglich eine Zusage ohne Preisverhandlungen an die DB Telematik. Es drohen nun massive Folgen, und der Preis von 4,5 oder 5,1 oder 5,7 Milliarden Euro, der derzeit in der Diskussion steht, ist wirtschaftlich weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt. Es ist auch völlig unklar, ob der dort erarbeitete Mindeststandard ausreicht, und selbst dieser ist nicht sichergestellt. Zumindest wird auf Bundesebene diskutiert, ob man in bestimmten Bereichen auf eine entsprechende Erreichbarkeit beim Digitalfunk verzichten kann, wie beispielsweise in Naturschutzgebieten oder aber auch in Gebäuden.

Herr Beckstein, ich erwarte, dass Sie nicht lediglich sagen, Sie wollten sich auf die Rolle des bayerischen Innenministers zurückziehen und dieses Debakel letztendlich nach Berlin schieben, sondern ich erwarte, dass Sie, wie in anderen Fragen, mit Ihren Innenministerkollegen dafür sorgen, dass es bald zur funktionsfähigen Einführung des Digitalfunks kommt. Ich erwarte, dass auch in Bayern die Hausaufgaben gemacht werden. So

ist zum Beispiel noch nicht klar, ob die Kosten für die Digitalfunkeinführung bei den Rettungsorganisationen kommunalisiert werden sollen. Findige Juristen wollen die Umstellung des Funks der Rettungsorganisationen zur freiwilligen Aufgabe umdefinieren und das Konnexitätsprinzip außer Kraft setzen. Wenn, dann brauchen wir aber die Einführung des Digitalfunks generell.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Stellenplan. Hierzu hat meine Kollegin Schmitt-Bussinger schon einiges gesagt. Es sind im Wesentlichen die B-Stellen, also die hohen Stellen, ausgeweitet worden. Wir haben einen Antrag auf Anhebung auch der Stellen im unteren Bereich gestellt und auf Minderung des Beförderungsstaus gerade in diesem Bereich. Darüber hinaus haben wir einen Antrag zur deutlichen Steigerung der Einstellungsquoten für Polizeianwärter gestellt. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Winter, Sie haben sich vorhin für die Polizeireform stark gemacht. Ich glaube allerdings, dass Sie sich noch nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt haben, was diese Polizeireform tatsächlich in den Bereichen bedeuten würde, in denen beispielsweise – wie in Schwaben – die Polizeipräsidien getrennt werden sollen. Hier werden insbesondere die Stabsstellen gedoppelt und es werden auf dieser Ebene mehr Stellen geschaffen, statt Polizeistellen, die die Arbeit vor Ort leisten sollen, zu schaffen. Hier wird ein Präsidium mit der Folge geteilt, dass letzten Endes im Katastrophenfall eine Einsatzleitung ihre Arbeit beispielsweise für das Atomkraftwerk Gundremmingen im weit entfernten Kempten bewältigen müsste. Dies kann nicht in Ihrem Sicherheitsinteresse sein und ich bitte Sie deshalb: Kümmern Sie sich darum, dass diese Polizeireform so, wie sie angedacht ist, nicht umgesetzt wird, sondern dass die Weichen anders gestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Redezeit schreitet fort, aber ich komme trotzdem noch kurz zur Städtebauförderung und zur Wohnbauförderung. Es ist zu bedauern, dass die Städtebauförderung und die Wohnbauförderung eine stetige Kürzung der entsprechenden Mittel hinnehmen müssen. Vor zehn Jahren sind im Haushalt noch über 500 Millionen Euro für die Wohnungsbau- und die Städtebauförderung veranschlagt gewesen; jetzt geht die Förderung trotz einiger kleiner erfreulicher Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr auf etwa die Hälfte dieses Niveaus zurück. Die Städtebauförderung und die Wohnbauförderung sind aber wichtige Aufgaben. Wenn man sie vernachlässigt, wird man in wenigen Jahren vor allem in den Ballungsräumen erhebliche soziale Probleme haben.

Eine weitere wichtige Aufgabe, die hier zu bewältigen ist, ist der Klimaschutz. Beim Klimaschutz können wir überhaupt keine Schwerpunkte bei den in diesem Bereich zu leistenden Tätigkeiten erkennen. Sogar bei der Obersten Baubehörde sollen laut Haushaltsentwurf die Heiz- und Stromkosten von 2004 auf 2008 fast um das Doppelte

ansteigen. Ähnliches gilt für viele andere Bauobjekte im gesamten Bereich der Staatsregierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur auf Energieeinsparcontracting-Projekte zu setzen, ist zu wenig. Vielmehr bedarf es überall zur deutlichen Senkung des CO2Ausstoßes eines gemeinsamen Bemühens der Gebäudenutzer und der Fachleute.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Klimaschutz kann nicht auf einige Ingenieurbüros delegiert werden; Klimaschutz muss Chefsache werden und erfordert die Anstrengungen aller.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Im günstigsten Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen diese deutlich erhöhten Energieansätze den entsprechenden Stellen zur freien Verfügung, für andere Zwecke über entsprechende Deckungsvermerke, im schlechtesten Fall sind sie ein Zeichen dafür, dass nicht einmal im eigenen Bereich Energiesparmöglichkeiten genutzt werden.

Auch bei den erneuerbaren Energien gäbe es wesentlich mehr zu tun. Das Europäische Parlament hält es für realistisch, den Anteil regenerativer Energien an der Energieversorgung auf 25 % zu erhöhen. Hiervon sind wir im Bereich der staatlichen Gebäude noch weit davon entfernt. Hier besteht Handlungsbedarf.

(Beifall bei den GRÜNEN)