Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Der Präsident der Technischen Universität München, einer der Ihren – Sie wollten ihn sogar mal zum Wissenschaftsminister machen –, mahnte kürzlich öffentlich: Falls die staatlichen Hochschuletats auf dem schon heute zu niedrigen Niveau eingefroren bleiben, wird sich auch das Bildungs- und Hightech-Land Bayern aus dem internationalen Wettbewerb verabschieden.

Das sagt der Präsident einer der beiden Eliteuniversitäten in Bayern. Die TU verzeichnet bereits seit 1991 ein jährliches Finanzierungsdefi zit von 70 Millionen Euro, das sich bis 2016 auf jährlich 185 Millionen Euro erhöhen wird. Der Hochschuletat wächst entgegen aller Sonntagsreden, die wir hier und in öffentlichen Erklärungen gehört haben, unterdurchschnittlich in dem Doppelhaushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Im Klartext heißt das: Sie setzen auch in diesem Doppelhaushalt den Rückzug aus der staatlichen Finanzierung fort. Das belegen die Kennziffern des Haushalts, auch wenn Sie nicht müde werden, öffentlich etwas anderes zu behaupten.

Noch einmal, damit Sie das eben Gesagte in Ruhe durchdenken können: Wir befi nden uns im Jahr zwei nach Mittelstraß, den Sie sonst gerne zum Kronzeugen machen. Welche fi nanziellen Konsequenzen haben Sie aus dem Bericht und der Analyse der Mittelstraß-Kommission gezogen? – Dort wurde nämlich mit Blick auf die fi nanzielle Misere der deutschen Hochschulen ein Vergleich zwischen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich – ETH Zürich – und der Technischen Universität München – TU München – gezogen. So ist das Verhältnis von Studierenden pro Professor an der ETH Zürich mit 35 deutlich günstiger als an der TU München mit 44 Studierenden pro Professorenstelle. Zudem stehen an der ETH Zürich mit 57 310 Euro pro Studierendem fast dreimal mehr Mittel zur Verfügung als an der TU München mit nur 20 540 Euro pro Studierendem. Pro Professorenstelle beträgt der Faktor im Vergleich rund 2,2. Wer behauptet, Bildung habe in Bayern oberste Priorität, ignoriert die Fakten des Haushalts – um es freundlich zu sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Engelbert Kupka (CSU))

Ja, Herr Kupka, das ist noch freundlich ausgedrückt. Ich könnte auch sagen: Der lügt.

Im „Chancenland“ Bayern schrumpfen die Chancen der Hochschulen.

(Engelbert Kupka (CSU): Erst habt Ihr die Hauptschulen niedergemacht, jetzt kommen die Hochschulen dran!)

Wir haben deshalb ein echtes Sonderprogramm für die Hochschulen gefordert, mit dem in den nächsten sechs Jahren 2 Milliarden Euro in die Hochschulen investiert würden, beginnend mit je 300 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren. Das würde näherungsweise dem tatsächlichen Finanzbedarf entsprechen, ohne dass damit große Sprünge gemacht werden könnten. Sie werfen uns vor, das wäre nicht deckungsfähig. Darüber kann ich nur lachen. Ich muss mir nur einige Großprojekte ansehen, für die Sie das Geld hinauswerfen, dann weiß ich, wo das Geld herkommen könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss nur im Haushalt die Prioritäten richtig setzen. Wir haben heute einige Einzelpläne durchexerziert. Sie haben von uns gehört, wo man kürzen könnte und welche anderen Prioritäten wir setzen würden.

(Engelbert Kupka (CSU): Sie haben bisher alles mit dem Forschungsreaktor fi nanziert, das ist jetzt vorbei!)

Herr Kollege Kupka, der Forschungsreaktor ist ein prima Beispiel. Auch dafür haben Sie viel Geld zum Fenster hinausgeworfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns nun die Perspektive wechseln und aus der Sicht der Betroffenen, der Studierenden und derer, die es werden wollen, auf die Hochschullandschaft in diesem angeblichen „Chancenland“ Bayern blicken.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Was heißt hier „angeblich“!)

Bayern ist nicht das Land, in dem sich Leistung lohnt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CSU)

Wir haben bereits gestern vom Kollegen Dürr gehört, wie schlecht es um die Chancengerechtigkeit, die Bildungsgerechtigkeit in diesem Land bestellt ist.

(Engelbert Kupka (CSU): Fernab der Realität!)

Wir haben es heute in der Diskussion um den Einzelplan 05 gehört. Das Prinzip der Bildungsungerechtigkeit setzt sich bei den akademischen Bildungschancen fort. An unseren Hochschulen – das werde ich Ihnen bei jeder Gelegenheit noch einmal sagen – –

(Engelbert Kupka (CSU): Durch Wiederholen wird das nicht richtiger!)

Die Aussagen sind richtig, Herr Kollege Kupka. Auch Ihr Dazwischenrufen kann die Statistiken des Deutschen Studentenwerks nicht verändern. Das sind harte Zahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An unseren Hochschulen studieren die Kinder der Reichen und Privilegierten. Vier Fünftel von ihnen studieren. Von hundert Kindern aus der sozialen Herkunftsgruppe „Hoch“ studieren 81 Kinder. Von hundert Kindern aus der Herkunftsgruppe „Niedrig“ sind es nur 11 Kinder. Diese Situation verschärft sich in Bayern. Dazu ist Ihr Stirnrunzeln angebracht, Herr Kollege Spaenle.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wann ziehen Sie endlich Konsequenzen aus dieser Tatsache? Wann erkennen Sie endlich, dass dies der Auftrag an Ihre Hochschulpolitik ist? – Das zu ändern, ist der Auftrag. Es ist Ihre Aufgabe, aus der Verantwortung für die gesamte Gesellschaft und die Menschen in Bayern für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Mittlerweile und aus der Reaktion heute muss ich erleben – und ich bin mittlerweile davon überzeugt –, dass Sie daran gar nichts ändern wollen. Akademische Bildungsangebote sind in Bayern ein knappes Gut. Sie tun alles

dazu, dieses wertvolle Gut noch weiter zu verknappen. Sie beteuern, dass wir mehr Akademiker und Akademikerinnen in diesem Land bräuchten, um der Herausforderung der Zukunft gewachsen zu sein. Sie wissen, dass jetzt und nicht erst in ferner Zukunft die geburtenstarken Jahrgänge an die Hochschulen und auf den Ausbildungsmarkt drängen. Sie haben völlig unüberlegt und in chaotischer Weise die Schulzeit verkürzt und das G 8 eingeführt. Damit haben Sie die Hochschulen mit einer Herausforderung konfrontiert, die Sie mit den Mitteln, die Sie ihnen zur Verfügung stellen, nicht bewältigen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben bis heute keine Idee, wie Sie die Folgen des G 8 an den Hochschulen auffangen wollen. Sie haben keine Idee, keinen Plan und erst recht kein Geld.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Herbert Ettengruber (CSU))

Das ist gut, Herr Ettengruber. Nicht wahr, das ist richtig gut. Ich habe mir das selbst aufgeschrieben.

Sie haben mit der Föderalismusreform die Politik für Hochschulen, Forschung und Wissenschaft in Deutschland und eben auch im „Chancenland“ Bayern geschwächt. Sie haben einen Hochschulpakt ausgehandelt, der völlig unzureichend ist und nicht ansatzweise die Mittel bereitstellt, die wir in den nächsten Jahren brauchen würden. Das alles trifft die jungen Menschen in Bayern unmittelbar. Die Chancen auf eine gute akademische Ausbildung in Bayern sinken. Die Zugangsmöglichkeiten zur Hochschulbildung verringern sich. In den nächsten Jahren werden wahrscheinlich alle Studienfächer mit Zugangsbeschränkungen belegt werden. Hinzu kommt, dass die Abiturientinnen und Abiturienten die Realschüler und Hauptschüler auf dem Ausbildungsmarkt verdrängen werden. Da wagen Sie, vom „Chancenland“ Bayern zu sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es kommt noch schlimmer.

(Engelbert Kupka (CSU): Schlimmer kann es nicht kommen!)

In dieser Situation wagen Sie es auch, ab dem kommenden Jahr die Studierenden mit Studiengebühren abzukassieren. Sie sollen zahlen, wozu sie nicht bereit sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Glauben Sie, dass Studiengebühren ein geeignetes Instrument sind, um die Chancen im „Chancenland“ Bayern zu erhöhen? – Nein, Sie werden die Bildungsungerechtigkeit, die Chancenungleichheit weiter verschärfen. Sie verschlechtern die Situation derer, die es schon schwer genug haben. Die Studiengebühren treffen Studierende

aus sozial schwächeren Familien ungleich härter als die mit fi nanzkräftigem Hintergrund.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie müssen die Schulden, die ihnen die Kredite aufbürden, die Sie als sozialen Ausgleich verkaufen, beim Start in das Berufsleben und wahrscheinlich häufi g in der Familiengründungsphase zurückzahlen, genau dann, wenn der Finanzbedarf der jungen Menschen am größten ist.

(Engelbert Kupka (CSU): Das stimmt doch nicht!)

Doch, das stimmt, Herr Kupka. Lesen Sie Ihre Regeln.

Das belastet besonders junge Frauen. Diese belastet das sogar noch stärker als junge Männer. Erfahrungen aus Australien zeigen zum Beispiel, dass Frauen viel länger an den Schulden abtragen, weil sie beschämenderweise bei gleicher Leistung immer noch weniger verdienen als die Männer. Die Studiengebühren machen für viele ausländische Studierende ein Studium in Bayern unmöglich. All dies zeigt: Sie bauen Chancen im „Chancenland“ Bayern ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Im Hochschulbereich machen Sie eine Politik gegen die Zukunft des Landes.

Lassen Sie mich abschließend noch wenige Worte zur Kulturpolitik sagen, die auch in diesem Haushalt stattfi ndet und die es verdient hätte, dass man länger darüber spricht.

(Thomas Kreuzer (CSU): 50 Sekunden!)