Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Zum Zweiten wird eine ganz reguläre Haushaltsrücklage gebildet, die wir begrüßen. In ihr werden sich zu Jahresbeginn 2008 knapp 400 Millionen Euro befi nden. Zu guter Letzt schlummern da noch Rücklagen der bekannten Art. Aus dem Haushaltjahr 2005 wurden 1,5 Milliarden Euro Kreditermächtigungen in das Jahr 2006 übertragen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da schau her!)

Mal sehen, ob diese Kredite den neuverschuldungsfreien Haushalt 2006 fi nanzieren oder sogar erst im Jahr 2007 zur Schaffung von Spielräumen eingesetzt werden. Alles

zusammen stehen damit für den Wahlkampf des Ministerpräsidenten mindestens rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Da wäre es doch gelacht, wenn damit keine mutige Politik möglich wäre.

(Lachen und Beifall bei der SPD)

Das Erstaunliche an dieser ehrlichen Politik ist, dass der negative Finanzierungssaldo, der sowohl 2006 als auch 2007 im Gesamtplan deutlich wird, offensichtlich die Verantwortlichen nicht interessiert. Überstiegen im Jahr 2006 die ordentlichen Einnahmen die ordentlichen Ausgaben noch um circa 1 Milliarde Euro, so sind es 2007 immerhin noch 500 Millionen Euro. Eine halbe Milliarde Euro wird nächstes Jahr mehr ausgegeben, als durch Einnahmen gedeckt ist. Natürlich ist mir bewusst, dass die vorgeschlagene Deckung – nämlich Entnahme aus Privatisierungserlösen – haushaltsordnungskonform ist. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Probleme, die angeblich zur ehrlichen und mutigen Haushaltspolitik führten, damit nicht gelöst sind. Sie sind vielleicht näher dran als andere Bundesländer, aber Sie haben es eben noch nicht geschafft.

Lassen Sie mich noch einige wichtige Einzelthemen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den heutigen Beratungsthemen stehen, ansprechen. Zunächst den Steuervollzug: Hierzu hat Kollege Schieder in treffender und unnachahmlicher Weise das Nötigste gesagt. Gleichwohl registriere ich mit wachsender Begeisterung, dass Sie, Herr Finanzminister, gewillt sind, an der Seite von Peer Steinbrück gegen die Blockierer in der EU-Kommission anzutreten und eine Änderung bei der Umsatzbesteuerung zu ermöglichen. Ich weiß ja nicht, was die Eurokraten reitet, aber der größten Wirtschaftsnation der EU, die mit ihren Steuergeldern einen Gutteil eben dieser EU fi nanziert, sollte doch wohl zugestanden werden, ihre Steuerbasis zu verbessern und dabei den Betrügern das Handwerk zu erschweren. Die Kommission muss aufpassen, dass sie nicht zum Büttel von Lobbyisten verkommt.

Zur Unternehmenssteuerreform: Ich vernehme sehr wohl die hehren Motive für diese Reform. Ich habe aufmerksam die Papiere und Vorlagen studiert. Es kann Sinn haben, dafür zu sorgen, bei der Gewerbesteuer die Bemessungsgrundlage durch Hinzurechnungen zu verbreitern. Es mag Sinn haben, sich nicht an der virtuellen Höhe virtueller Körperschaftsteuersätze zu erfreuen, sondern stattdessen mit niedrigeren Sätzen reale Steuereinnahmen zu generieren. Die Entlastungseffekte summieren sich aber vorderhand auf knapp 30 Milliarden Euro. Deswegen appelliere ich, wie im Ausschuss, an Sie: Die geplanten Gegenfi nanzierungen müssen kommen. Die angedachten 30 Milliarden Euro wären nicht zu verkraften. Es wäre fi skalischer Pfusch und politisch nicht vermittelbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun zum Thema Sparkassen und Landesbanken: Auch hier befi nden wir uns im Dauerabwehrkampf – zunächst die Gewährsträgerhaftung, dann das Namensrecht und jetzt wohl die freie Handelbarkeit von Anteilen. Die ver

steckten und ganz offenen Angriffe der Geschäftsbanken auf den Marktführer Sparkassen müssen uns noch mehr beschäftigen als bisher. Das dreigliedrige Bankensystem ist Teil der bundesrepublikanischen Erfolgsstory. Gerade wer es ernst nimmt mit der Förderung des ländlichen Raumes, darf hier nicht wackeln. Gerade im ländlichen Raum brauchen wir Sparkassen oder Raiffeisenbanken. Ihre Rolle ist nicht antiquiert, sondern hochmodern und unverzichtbar für die Privathaushalte und mittelständischen Unternehmen. Das sollten auch die Kommunen berücksichtigen, die jetzt über höhere Gewinnausschüttungen räsonieren. Nur eigenkapitalstarke Banken werden den Wettbewerb überstehen, und die Sparkassen mussten sich ihr Kapital schon immer selbst verdienen; das sei diesen Kommunen ins Stammbuch geschrieben.

Erfreulich ist, dass die Landesbank den Freistaat gut behandelt; formulieren wir das so. Wir hoffen, dass etwaige Aktivitäten jenseits der Landesgrenzen wohlüberlegt, kaufmännisch verantwortbar und eingedenk aller schlummernden Risiken erfolgen. Um uns herum ist mächtig Bewegung. Die West-LB fl irtet mit Sachsen. Die Landesbanken von Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg haben zueinandergefunden. Ich hoffe, dass die Beste aller Landesbanken hier nicht den Anschluss verpasst. Allerdings sehe ich mit Sorge, dass die Landesbank immer mehr ins Geschäft der Sparkassen geht. Hier sollten schleunigst die Claims abgesteckt werden.

Zum Thema Sportwetten und Lotto, zu einem GRÜNENSpezialthema:

(Lachen der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Wir sind hier einer Meinung mit der Staatsregierung. Ich habe oft genug betont, dass es einen Versuch wert ist, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit dem staatlichen Monopol in Einklang zu bringen. Zu viel steht ordnungspolitisch, ethisch, aber auch fi skalisch auf dem Spiel, als dass man voreilig dem freien Spiel Tür und Tor öffnen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Zu eindeutig sind hier die Interessen der privaten Anbieter. Mit dem Staatsvertrag wurde der erste richtige Schritt getan. Die Klientelpolitik Schleswig-Holsteins ist zwar nicht schön, aber verständlich, wenn man den Einsatz unseres Ministerpräsidenten für die privaten Versicherungskonzerne bedenkt.

Zum Finanzausgleichsgesetz wird Kollegin Schmitt-Bussinger ausführlich Stellung nehmen. Ich sage nur so viel: Der Freistaat ist ein sehr säumiger Zahler. Ich habe dies schon bei der Einbringung des Haushalts moniert, und es wird nicht besser. So klagt beispielsweise ein Sportverein im schönsten aller Wälder, nämlich im Bayerischen Wald, es sei problematisch, dass bewilligte Fördergelder seitens des Staates für die Sportplatzsanierung seit über fünf Jahren ausstünden und damit eine Doppelbelastung gegeben sei. Das ist nichts, worauf man stolz sein könnte. Es gibt einen weiteren, sehr aktuellen Fall; der Kollege Staatssekretär kennt ihn sehr gut. Der Caritas-Verband in

Passau muss jetzt an seinen Behindertenschulen Schulgeld einführen. Laut Verbandsdirektor Kuppler zwingt die schleppende Auszahlung der Fördermittel durch den Freistaat Bayern zu diesem Schritt.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt ehrlicher Politik.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Aber mutig!)

Ich habe bereits bei der Haushaltseinbringung umfangreich zum Thema Public Private Partnership – PPP – Stellung genommen. Ich möchte auch heute nicht schon den ganzen ORH-Bericht kommentieren. Wir sollten uns im neuen Jahr dafür Zeit nehmen.

Zum Haushaltsgesetz noch zwei kleine Anmerkungen: Den beiden Änderungen werden wir zustimmen. Im einen Fall ist es der richtige Schritt in die richtige Richtung. Zum Haushaltsgesetz wollte ich noch die unmögliche Verankerung der Änderung des Jagdgesetzes kritisieren. Es sollte kein gemeinsamer Weg von uns sein, via Haushaltsgesetz ausführliche Beratungen zu ersparen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Abschließend darf ich mich bei allen Bediensteten des Freistaats bedanken, bei den Mitarbeitern des Finanzministeriums für die objektive Beratung und insbesondere bei den Mitarbeitern des Landtags, vor allem beim Haushaltsausschussdienst – Perlen in der Landschaft!

Nicht zuletzt möchte ich mich beim Haushaltsausschuss selbst und dessen Vorsitzendem bedanken. Von „erbärmlicher Beratung“ kann nun wirklich überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der CSU)

Bisweilen waren die Beratungen hart, aber sie waren immer sachlich. Das ist auch richtig so. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Vielleicht können wir noch ein paar Haushaltsberatungen zusammen führen.

Dem Finanzplan 13 und dem Haushaltsgesetz werden wir natürlich aus guten Gründen nicht zustimmen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dupper. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Mütze. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine konzentrierte Beratung des Haushalts 2007/2008 liegt hinter uns. Nicht alles an diesem Verfahren, das für alle Kolleginnen und Kollegen neu war, kann uns gefallen. Gerade für die kleinste Oppositionspartei sind die Beratungszeiten, die zusammengestrichen wurden, doch relativ kurz.

Unter dem Eindruck, dass die Haushalte für Landwirtschaft und Forsten zusammengelegt wurden, mussten sich Kollegen die Redezeit teilen. Das hat mehr oder weniger geklappt; Herr Kollege Magerl weiß davon ein Lied zu singen.

Was die mediale Aufmerksamkeit angeht, wird sich zeigen, ob das neue Verfahren zu höherer Aufmerksamkeit führen wird. Ich habe eher, wenn man die mediale Aufmerksamkeit am ersten Tag und heute, am letzten Tag, betrachtet, den Eindruck gewonnen,

(Manfred Ach (CSU): Denken Sie an die Ausschussberatung!)

auch die Ausschussberatung, vielen Dank, Herr Vorsitzender –, dass die Medien eher an den Großkopferten als an der Kärrnerarbeit, die wir in diesem Haus tagtäglich zu leisten haben, interessiert sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotz der Kürze der Beratungen hat sich seit der Einbringung des Haushalts im Oktober einiges getan. Die November-Steuerschätzung hat alle Erwartungen übertroffen. Neben den Maßnahmen, die die neue Bundesregierung getroffen hat, zeigt sich, dass auch Vorhaben, die zum Schluss der rot-grünen Regierung durchgeführt worden sind, jetzt ihre volle Wirksamkeit entfalten. Ich erwähne nur – ich weiß, Sie wollen das nicht hören – die Streichung der Mehrmütterorganschaft oder die Abschaffung der Vereinfachungsregelung bei der Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter; diese wirken jetzt und führen auch zu höheren Steuereinnahmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Einnahmensituation hat sich verbessert. Das heißt aber nicht, dass sie nicht besser sein könnte. Die Schwierigkeiten, die wir gerade bei der Steuereintreibung haben, wurden von den Kollegen Schieder und Hallitzky heute Morgen zur Genüge kommentiert. Sich auf die Fehler und Versäumnisse von anderen zurückzuziehen, Herr Finanzminister, halte ich für zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings möchte ich auch Herrn Kollegen Dupper recht geben, wenn er sagt, dass Sie hinsichtlich der Umsatzsteuern tätig geworden sind. Neben dem Verzicht auf den Einsatz von Privatisierungserlösen schon in diesem Jahr in Höhe von 700 Millionen Euro können Sie im nächsten Jahr auf die Entnahme aus dem Grundstock im Umfang von 300 Millionen Euro durch die höheren Steuermehreinnahmen verzichten. Das ist eine Milliarde, auf die ich später noch einmal zurückkommen möchte.

Übertüncht werden damit die strukturellen Defi zite unseres Haushalts nicht; diese gibt es immer noch. Es gelingt Ihnen nicht – auch in diesem Doppelhaushalt –, Herr Minister, die Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu bringen. Die „Süddeutsche“ titelte zu Recht „Die verdrängten Risiken“. Diese gibt es. Ich möchte sie nennen – Sie selbst haben auf einige Risiken im Doppelhaushalt hingewiesen –: Unternehmenssteuerreform –

wie geht diese aus; Kollege Dupper hat es schon gesagt – oder Erbschaftssteuerreform, ich möchte das Lottomonopol hinzusetzen. Welche Auswirkungen das haben wird, wissen wir noch nicht. Ob die Mehrwertsteuererhöhung positive Auswirkungen haben wird, muss noch offen bleiben. Auch das wird das nächste Jahr zeigen.

Kommen wir zu den anderen Risiken. Da sind zum einen die Pensionslasten zu nennen. Jedes Jahr wachsen diese um 150 Millionen Euro. Sie haben sich dazu durchgerungen, nach Ihrer Amtszeit einen Pensionsfonds ins Leben zu rufen, Herr Minister. Der Ministerpräsident meinte dazu, Bayern ginge neue Wege. Dass dem nicht so ist, können wir bestätigen, denn andere Bundesländer machen das schon längere Zeit so. Es ist also nichts neu daran. Zudem gehen Sie diesen Weg inkonsequent, denn mit dem offenen Teildeckungsmodell werden Sie, wie der Name schon sagt, nur eine Teildeckung erreichen. Sie werden die Pensionslasten gerade einmal auf 13 % des Gesamtetats begrenzen können. Es muss gefragt werden, ob nicht mehr möglich wäre, und zwar um auch – auch darüber wurde schon geredet – mehr Investitionsspielräume zu erhalten.

Wir kommen damit zur Investitionsquote. Lieber Herr Vorsitzender Ach, so gern ich Sie mag, aber ich muss Ihnen sagen: 15 % sind ein Traum, den Sie träumen. Die Realität ist doch anders. Ich gebe zu: Die Investitionsquote ist immer noch so hoch wie nirgendwo in den alten Bundesländern. Aber noch vor fünf Jahren, Herr Minister, Herr Ach, waren wir meilenweit von den anderen Ländern entfernt. Inzwischen trennt uns bei der Investitionsquote noch ein mageres Prozent vom Durchschnitt der anderen Bundesländer im Westen, und das trotz Ihrer so angeblichen fantastischen Finanzpolitik. Zudem haben Sie seit 1994 sieben Milliarden Euro zusätzlich an Privatisierungserlösen investiert, und zwar gerade auch, um diese Quote zu erhöhen. Davon ist nichts zu sehen; diese Gelder sind weg und die Investitionsquote sinkt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entweder läuft bei uns etwas schief oder die anderen machen inzwischen etwas richtig. Diese Frage wäre zu klären.

Zur Null-Nettoneuverschuldung ist in den letzten Monaten schon genug gesagt worden. Schulden haben wir trotzdem. Davon, auch diese einmal tilgen zu wollen, ist bislang nicht die Rede. Dass man so auch Zinszahlungen reduzieren würde, ist offensichtlich, aber anscheinend nicht gewollt.