Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

(Manfred Ach (CSU) unterhält sich mit Jürgen Dupper (SPD))

Herr Vorsitzender Ach, ich wollte Herrn Dupper eigentlich etwas fragen. Lass ihn los. –

(Manfred Ach (CSU): Ich bin freier Abgeordneter! Ich kann machen, was ich will! – Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Herr Dupper, Sie müssen sich bei Ihrer Argumentation – das ist mir wieder einmal hier aufgefallen – selbst die Frage stellen, welche Grundrichtung in der Haushaltspolitik Sie eigentlich einnehmen wollen. Sie sagen auf der einen Seite – ich habe es mir notiert –: „Das Problem unseres Haushaltes ist, dass wir ein Ausgabendefi zit haben.“ Das heißt, wir geben zu wenig aus.

(Werner Schieder (SPD): Weil wir ein Einnahmendefi zit haben!)

Wir müssen mehr in Investitionen stecken, in Personal. Ihre Kollegen differenzieren das noch ein bisschen. In den Pressemitteilungen unterm Jahr liest man dann so markige Worte wie: „da 1000 mehr und da 1000 mehr an zusätzlichem Personal“.

Auf der anderen Seite haben Sie noch nie gesagt, Herr Kollege Dupper, dass Sie den ausgeglichenen Haushalt nicht wollen. Sie können aber einen ausgeglichenen Haushalt nicht erreichen und halten, wenn Sie relativ wahllos Investitionen und Personal fordern. Sie müssen sich entscheiden. Politik ist ein schwieriges Geschäft der Gewichtung, der Hierarchisierung der Ziele. Sie müssen sich entscheiden, was Sie eigentlich wollen, und das habe

ich aus Ihrer Rede nicht erkannt. Ich habe nicht erkannt, ob Sie wirklich eine sparsame und ordentliche, auf den ausgeglichenen Haushalt gerichtete Politik betreiben wollen oder ob Sie das machen wollen, was sich andere Länderparlamente und auch die Bundesregierung in früheren Zeiten zur Maxime gemacht haben: möglichst viel Geld rauszuschmeißen. Das sollten Sie einmal klar beantworten, zunächst für sich.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich habe also beim Sprecher der SPD und auch bei den anderen Kollegen keine klare Grundrichtung der Haushaltspolitik festgestellt. Es mag sein, dass man sich im Lauf der Debatte im Haushaltsausschuss oder auch hier einmal sagt: Da hat er eigentlich recht. Aber diese Frage ist meines Erachtens von entscheidender Bedeutung, und hier ist Ihre Linie nicht konsequent.

Lassen Sie mich etwas sagen, was hier immer eine Rolle spielt, nämlich die Privatisierung und die Privatisierungserlöse. Sie handeln das ab unter der Überschrift: Tafelsilber. Meine Damen und Herren, Tafelsilber hat man möglicherweise zu Hause in der Vitrine.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Domschatz! Bamberg zum Beispiel!)

Uns geht es darum, dass wir mit dem Vermögen, das wir haben, zukunftsorientierte Investitionen tätigen. Genau das ist die Politik von Edmund Stoiber seit 1993 gewesen. Wir haben mehr als 5 Milliarden Euro Privatisierungserlöse in Zukunftsprojekte gesteckt. Sie werden doch nicht glauben, dass das, was wir heute an positiven wirtschaftlichen Ergebnissen feststellen können, dass das, was den Vorsprung Bayerns gegenüber anderen Ländern ausmacht, was die Spitzenstellung Bayerns in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt ausmacht, so deutlich wäre, wenn wir nicht zusätzlich diese Privatisierungserlöse in dieses Land gesteckt hätten. Der wirtschaftliche Erfolg, der technologische Vorsprung, der innovative Vorsprung sind auch ein Ergebnis zielgerichteter Privatisierung und zielgerichteter Wiederanlage, meine Damen und Herren. Das ist nachweisbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ohne diese Maßnahmen hätten wir diesen Erfolg nicht.

Denken Sie zurück. Wir waren bis weit in die Achtzigerjahre noch ein Nehmerland, wenn auch in geringem Umfang. Wir sind in den Neunzigerjahren nicht zuletzt durch die Politik dieses Ministerpräsidenten zu einem Geberland geworden. Das hat als Grundvoraussetzung wirtschaftliche Prosperität, Dynamik und Innovationskraft, die wir zusätzlich mit Privatisierungserlösen angeschoben haben.

Dann muss ich Ihnen noch etwas zum Tafelsilber sagen, das man nicht verkauft. Es wird immer gesagt: Eigentlich verkauft man Tafelsilber nicht. Es gibt aber keinerlei Grund – das habe ich in den Einleitungen unseres Beteiligungsberichts immer ausführlich geschrieben –, dass der Staat ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen besitzt. Das

ist ordnungspolitisch nicht richtig. Wir müssen es aus ordnungspolitischen Gründen verkaufen, unabhängig von Haushalten. Und wenn wir das tun, müssen wir es sehr geschickt machen, damit wir möglichst viel dafür kriegen. Das ist der Anspruch, den die Bürger an uns haben können.

Da gibt es eine seltsame Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in München. Da sagt der dortige Oberbürgermeister Ude: Dieses Land Bayern verscherbelt sein Tafelsilber – er meint damit im Wesentlichen unsere Energieversorgungsunternehmen, die wir nun wirklich nicht in unseren Händen brauchen –, aber wir verscherbeln nichts. Was kann denn die Landeshauptstadt München verscherbeln? Ihre Verkehrsbetriebe, recht viel mehr eigentlich nicht. Da würde ich doch erwarten, dass die Verkehrsbetriebe in der Hand der Stadt bleiben. Das ist nichts anderes als eine Auslagerung städtischer Tätigkeit. Diesen Vergleich anzustellen ist also so abenteuerlich, dass ich nur sagen kann: Das ist des Präsidenten des Städtetags eigentlich nicht würdig.

Aber weil ich schon bei ihm bin, will ich seine weiteren Darlegungen, die er mit dem Fraktionsvorsitzenden Maget der Presse verkündet hat, noch einmal aufgreifen – ich habe das in einer Zwischenfrage schon am Dienstag gemacht. Die Stadt München sagt ja: Wir sind die eigentlichen Großen. Wir sparen und zahlen zurück usw. Ich will noch einmal die tatsächliche Statistik einer Landeshauptstadt darlegen in Kontrast zu dem, was wir in Bayern haben. Dabei muss ich hinzufügen: Einen kommunalen Haushalt zu vergleichen mit einem Verwaltungshaushalt auf Landesebene ist eigentlich nicht erlaubt. Insofern ist der Zwischenruf zur Investitionsquote, den ich von einem Kollegen der SPD gehört habe, wirklich entlarvend. Die Kommunen haben üblicherweise eine sehr hohe Investitionsquote, und wenn die Stadt München 17 % hat, dann ist das, verglichen mit den eigentlichen Standards für Kommunen, eine ziemlich erbärmliche Investitionsquote.

(Rainer Volkmann (SPD): So ein Schmarrn!)

Ich glaube nicht, dass diese Zahlen ein Schmarrn sind, sondern Fakten.

Meine Damen und Herren, die Schuldenentwicklung dieser großen Stadt unter diesem großen Präsidenten des Städtetags ist seit 1994 wie folgt verlaufen: Sie ist bis zum Jahr 2004 um 146 % gestiegen. Wir haben das nun verglichen – diese Arbeit haben wir uns gemacht – mit den anderen Großstädten, als da sind: Köln, Frankfurt, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, Duisburg, Hannover, Nürnberg, also alle anderen in der Bundesrepublik, die man damit wirklich vergleichen kann.

(Günter Gabsteiger (CSU): Hört, hört!)

Im Schnitt ist die Verschuldung in diesen Städten in der gleichen Zeit um 33 % zurückgegangen. Es besteht also eine fast 180 %ige Schere zwischen der Haushaltsverhaltenweise dieser Großstädte und der Stadt München, die hier so großartig gelobt wird.

Lassen Sie mich die Personalausgaben vergleichen. München hatte in der gleichen Zeit eine Steigerung der Personalausgaben um 21,2 %. Diese ganzen Referate sind völlig überbesetzt. Es gab in der Stadt in den letzten Jahren noch keine einzige Verwaltungsreform. Aber uns bezichtigt man, wir würden mit unserer Verwaltungsreform jeweils harte Einschnitte vornehmen. – Die übrigen Großstädte haben in der gleichen Zeit das Personal um acht Prozent abgebaut. Hier besteht also eine fast 30%ige Lücke zwischen dem, was die anderen Großstädte machen, und dem, was diese großartige Landeshauptstadt München macht.

Ich könnte diese Ausführungen noch weiterführen. Aber es ist mir allmählich zu blöd, liebe Kollegen, ständig zu hören: Da ist eine Landeshauptstadt, die ist großartig im Vergleich mit dem Freistaat Bayern. Dabei sage ich, dass diese Stadt einerseits unglaublich viel Geld hat durch Gewerbesteuern und unanständige zusätzliche Steuern – wenn ich an die Zweitwohnungssteuer denke, die in einer Großstadt nun wirklich nicht angebracht ist – und auf der anderen Seite trotzdem eine miserable Haushaltspolitik betreibt. Wenn man sich dann in einer Pressekonferenz lobt im Vergleich mit dem Freistaat Bayern, dann wird die Pressekonferenz lächerlich.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zu dem sagen, was wirklich langfristig problematisch ist.

Wir reden immer nur vom Abbau der Nettoneuverschuldung; wir haben dies nun mit diesem Doppelhaushalt im dritten Jahr erreicht. Ganz Deutschland schaut auf uns; übrigens auch das Ausland, das sagt: Donnerwetter, die haben das geschafft. Die Bürger draußen fragen uns, wann wir, jetzt, da die Neuverschuldung auf Null begrenzt ist, bestehende Schulden zurückzahlen. Ich meine, dass wir uns in einer Frist von etwa drei Jahren, also etwa ab 2009, 2010, mit dieser Frage zumindest beschäftigen müssen. Wenn wir dann das vierte, fünfte Jahr hintereinander einen ausgeglichenen Haushalt und gleichzeitig bei den Investitionen die notwendigen Nachholeffekte hinter uns haben, muss sich dieses Haus, muss sich die Bayerische Staatsregierung auch die Frage stellen, in welchem Ausmaß und mit welchem Plan man bestehende Schulden, die auch bei uns in Bayern über 20 Milliarden Euro betragen, zurückbezahlen kann. Diese Aufgabe steht zwar jetzt nicht an, wir müssen sie uns aber zukünftig stellen.

Am 1. Dezember dieses Jahres feierten wir auch in diesem Haus den 60. Geburtstag der Bayerischen Verfassung. Nun sagt Bundespräsident Köhler, eine Verfassung haben und in Verfassung sein, sei zweierlei. Damit hat er recht; denn das, was auf dem Papier steht, ist das eine, und das, was man lebt, ist das andere. Wir sind im Freistaat Bayern nach diesen 60 Jahren – wir haben bekanntlich noch drei Jahre mehr an Bayerischer Verfassung – in sehr guter Verfassung. Das zeigt nach einem Urteil, das uns alle nachdenklich machen sollte, insbesondere der Vergleich mit anderen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Klage Berlins auf Sonderergänzungszuweisungen wegen extremer Haushaltsnotlage vom 19.10.2006 zeigt:

Jedes Land trägt für seine Finanzpolitik vorrangig selbst die Verantwortung.

Wir haben die Verantwortung schon in den vergangenen Jahrzehnten ernst genommen. Wir waren in den Fünfzigerjahren ein starkes Nehmerland und sind nun das einzige Land, das vom Nehmerland dauerhaft zum Geberland wurde.

(Zuruf von der SPD)

Denn 3,4 Milliarden Euro haben wir bekommen und 20,5 Milliarden Euro haben wir mittlerweile zurückbezahlt; der Ministerpräsident hat die Zahlen genannt. Aber dass die Situation umgekehrt worden ist, ist das Entscheidende. In den Fünfzigerjahren war Niedersachsen ein Nehmerland in gleicher Größenordnung. Da ist nichts passiert. Niedersachsen ist immer noch ein Nehmerland. Das ist der eigentliche Punkt. Dieses Urteil unterstreicht von den Fakten her die besondere Verantwortung jedes Landes für seine Finanzpolitik. Wir müssen nach diesem Urteil das Verhältnis zwischen Solidarität und Eigenverantwortung auf Bundesebene und Länderebene neu justieren. Deshalb lehne ich einen nationalen Entschuldungsfonds radikal ab, mittels dessen einzelne Länder ihre Schulden einfach auf die Ländergemeinschaft abwälzen.

(Beifall bei der CSU)

Solches Gebaren entspricht weder der Eigenstaatlichkeit noch dieser vom Verfassungsgerichtshof besonders betonten Verantwortung der Länder. Wir haben für das Jahr 2004 ohne Umsatzsteuervorwegausgleich 2,3 Milliarden Euro und für das Jahr 2005 2,2 Milliarden Euro bezahlt, und es sieht nicht so aus, als würden wir deutlich weniger bezahlen, sondern es ist eher mehr.

Eines fi nde ich doch seltsam: Herr Ude – – Herr Maget, weil Sie beide eine Pressekonferenz gemacht haben, habe ich mir gerade diesen freudschen Versprecher geleistet. – Herr Maget schreibt in seiner Broschüre, „mit Menschen rechnen, nicht mit Zahlen“.

(Franz Maget (SPD): Es verbreitet sich erfreulich schnell!)

Ja, es ist immer gut, das zu lesen, was Sie fordern und schreiben. Damit kann man nachweisen, was das für ein Unsinn ist. Ich mache das gerade anhand eines Punktes.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Franz Maget (SPD))

Die SPD fordert in diesem Blatt, jährlich 500 Millionen Euro weniger in den Länderfi nanzausgleich zu zahlen. Erstens tun damit die SPD und ihr Fraktionsvorsitzender so, als wäre das eine freiwillige Leistung des Freistaats Bayern, man könnte mehr oder weniger einbezahlen. Wunderbar, das ist natürlich nicht der Fall.

(Franz Maget (SPD): Das ist Verhandlungssache!)

Zweitens. Da sitzt ein großer und starker Verhandler namens Maget; alle fürchten ihn, wenn er kommt.

(Franz Maget (SPD): Föderalismusreform II!)

Aber da sitzen auch die anderen, die Leichtgewichte, diese 15 Ministerpräsidenten, mit denen er verhandeln muss.

(Franz Maget (SPD): 16, Sie auch!)

Und die haben ihrerseits, Herr Maget, bis auf zwei Länder gegenwärtig nichts anderes vor, als aus dem Länderfi nanzausgleich mehr als bisher zu bekommen. Das ist die Realität.

(Franz Maget (SPD): Und Sie fi nden sich damit ab!)

Beruhigen Sie sich doch einmal, lassen Sie mich doch einmal meine Gedanken aussprechen. Sie kommen frisch herein und sind schon wieder voll geladen. Denken Sie doch einmal über das, was ich sage, nach.

(Franz Maget (SPD): Aber wenn Sie das ansprechen!)