Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Übertragung der Ergebnisse der Tarifverhandlung im öffentlichen Dienst; hier: Gleichklang bei der Arbeitszeit – Rücknahme der 42-Stunden-Woche (Drs. 15/6299)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gleichklang bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Drs. 15/6230)
Als Erstem darf ich Herrn Kollegen Schuster das Wort erteilen. Frau Kollegin Naaß ist heute zu sehr erkältet. Gute Besserung, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, was die 42Stunden-Woche betrifft, einen Rückblick machen. Noch vor der Wahl im Jahr 2003 hat Ministerpräsident Edmund Stoiber versprochen, dass es eine Verlängerung der Arbeitszeit mit ihm und der CSU nicht geben wird. Versprochen und gebrochen, kann ich nur sagen.
Fest steht, dass kurz nach der Wahl die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten mit den Stimmen der CSU von 40 Stunden auf 42 Stunden angehoben wurde. Sie haben die Beamtinnen und Beamten vor der Wahl getäuscht.
Aber nicht nur das, denn die Folge der Arbeitszeiterhöhung ist, dass die Arbeitszeitverlängerung die Chance auf mehr Beschäftigung vernichtet. Die Anhebung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 42 Stunden wird, und das hat sie bereits zweifelsohne, zu einem flächendeckenden Abbau an Planstellen führen. Circa 5000 Stellen sind ohne Rücksicht auf Notwendigkeit oder bisherige Aufgabenstellung gefährdet. Allein bei der Polizei werden circa 1300 Planstellen wegfallen. Der Arbeitsplatzabbau hat dort bereits begonnen.
Bisher wurden jedes Jahr circa 750 Polizeianwärterinnen und -anwärter eingestellt. Im letzten Jahr waren es nur circa 300 Anwärterinnen und Anwärter. Wenn diese 300 Anwärterinnen und Anwärter ihre Ausbildungszeit im Jahr 2009 beendet haben, dann gehen gleichzeitig 690 Beamte in den Ruhestand. Der Personalabbau hat also, aufgrund der Erhöhung der Arbeitszeit, bereits begonnen.
Hinzu kommt, dass aufgrund der Arbeitszeiterhöhung bei der Polizei, bei den Schichtdienstbeamten, elf Freischichten weggefallen sind. Das kann zur Folge haben, dass es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beamtinnen und Beamten kommt. Auch die zwei Schichtdiensttage, die Sie jetzt wieder großzügig gegeben haben, sind angesichts dessen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ich habe es bereits vorhin angesprochen, die Arbeitszeitverlängerung führt zu einem massiven Personalabbau und zur Vernichtung von Ausbildungsplätzen. Gab es im Jahr 2003 noch 4116 Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst des Freistaates Bayern, waren im Jahr 2005 nur noch 1470 Stellen zu besetzen. Das ist ein Rückgang von 65 %, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, und diesen Rückgang haben Sie zu verantworten.
Damit wird der Staat seiner Vorbildfunktion gegenüber der Wirtschaft wahrlich nicht gerecht. Hinzu kommt, dass die Besoldungseinbuße für Beamtinnen und Beamte durch die Arbeitszeiterhöhung circa 3 % beträgt. Bei Schichtdienstbeamtinnen und -beamten sogar circa 6 %. Nachdem nun die Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöht war, mit allen negativen Folgen, die ich vorhin angesprochen habe, kam es ganz tolldreist. Ich betone noch einmal, Sie und die Staatsregierung haben es zu verantworten, dass die Arbeitszeit erhöht wurde. Daran anschließend einen Gleichklang mit den Angestellten und Arbeitern zu fordern mit der Begründung, es sei eine Ungerechtigkeit, dass die Beamtinnen und Beamten mehr arbeiten müssten als die Arbeiter und Angestellten, das ist schon eine sehr große Heuchelei.
Gott sei Dank können Sie im Tarifrecht solche Fragen nicht alleine regeln, sondern das machen die Tarifvertragspartner. Dabei hat Ihnen ein Partner in die Suppe gespuckt: Die Arbeit der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst wurde nicht auf 42 Stunden erhöht. Wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, nun konsequent wären – das sind Sie aber nicht, das hat auch die heutige Abstimmung über den Ministerpräsidenten wieder gezeigt –, dann würden Sie jetzt mit uns einen Gleichklang bei der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst fordern. Seien Sie einmal konsequent, stimmen Sie unseren Anträgen zu.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! „Gleichklang“, mit diesem Schlagwort hat die Staatsregierung seit der Einführung der 42-StundenWoche für die Beamten mit aller Gewalt versucht, diese Arbeitszeitverlängerung auch für die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst durchzusetzen. Es ist ihr Gott sei Dank nicht gelungen. Plötzlich hören wir nichts mehr von Gleichklang. Nach dem Abschluss des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst hat Ministerpräsident Stoiber eine angemessene haushaltspolitisch vertretbare Kompensation zugesagt. Diese angemessene Kompensation macht bei einem etwa 40-jährigen Beamten der Besoldungsstufe A12 500 Euro im Jahr aus. Bei etwa 100 Stunden Mehrarbeit pro Jahr entspricht dies einem Stundenlohn von 5 Euro. Damit liegen die bayerischen Beamten immer noch über den Tariflöhnen des Bau- und Friseurhandwerks in den neuen Bundesländern. Wenn das ein angemessener Ausgleich sein soll, kann ich dazu nur Bravo sagen.
Meine Fraktion hat die Einführung der 42-Stunden-Woche mit dem Hauptargument abgelehnt, die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst vernichtet Arbeitsplätze. Sie vernichtet Arbeits- und Ausbildungsplätze für junge Menschen. Die Zahlen geben uns recht. Die Antworten auf Anfragen von Herrn Kollegen Hallitzky und mir zeigen ganz deutlich, dass seit der Einführung der 42-StundenWoche die Zahl der Auszubildenden im öffentlichen Dienst von 4116 auf 1470, also um nicht weniger als 65 % gesunken ist. In einer Zeit, in der von allen Seiten anerkannt die Schere zwischen Ausbildungsplatzangebot und Ausbildungsplatznachfrage immer weiter auseinander geht, kürzt die Staatsregierung die Zahl ihrer Ausbildungsplätze um zwei Drittel. Dazu fällt mir nur der Begriff „verantwortungslos“ ein.
Ein solches Verhalten ist gegenüber den jungen Menschen, die dringend einen Ausbildungsplatz suchen, in hohem Maße verantwortungslos, dreist und obendrein noch zynisch; denn im gleichen Atemzug, mit dem die Staatsregierung von der Wirtschaft verstärkte Ausbildungsbereitschaft fordert, stiehlt sie sich selbst aus der Verantwortung. Die Reduzierung der Arbeitszeit für die Beamtinnen und Beamten auf 40 Stunden würde nicht
nur einen Gleichklang bedeuten, sondern obendrein die Chance auf zusätzliche Ausbildungsplätze für junge Menschen eröffnen. Sie ist damit das politische und gesellschaftliche Gebot der Stunde.
Ich glaube, ich brauche hier nicht ausführlich zu erläutern, welche sozialpolitische Zeitbombe wir legen, wenn wir junge Menschen, Schulabgänger ohne Berufsausbildung, in die Arbeitslosigkeit entlassen. In der Beratung habe ich von der CSU-Fraktion gehört, es sei unverantwortlich, junge Menschen auszubilden und sie dann nicht zu übernehmen. Ich frage Sie: Wo leben wir eigentlich?
Erstens. Im öffentlichen Dienst gibt es eine Reihe von Dienststellen, bei denen Sie die Ausbildungskapazitäten erhöhen könnten, ohne über Bedarf auszubilden. Als Beispiel nenne ich die Polizei und die Finanzämter. Gerade heute haben Herr Kollege Prof. Dr. Eykmann und ich gehört, dass beim Finanzamt für Körperschaften in München 60 Vollzeitstellen fehlen. Hier könnten wir 60 Leute ausbilden, ohne damit den Bedarf zu übersteigen. Diese Stellen brächten überdies noch ein Mehrfaches des Betrages, der für sie aufgewendet werden müsste.
Zweitens. Sicherlich ist es keine Heldentat, einen jungen Menschen auszubilden und ihn anschließend nicht zu übernehmen. Es ist jedoch allemal besser, ihm eine Ausbildung zu geben als ihn gleich nach dem Schulabschluss auf die Straße oder in irgendwelche teuren Warteschleifen zu schicken.
Drittens. Wenn diese Regel auch für die Wirtschaft gelten würde, von der wir fordern, dass sie über Bedarf ausbildet, wäre die Zahl der jungen Menschen ohne Ausbildungsplatz drei- bis viermal so hoch wie heute.
Meine Damen und Herren, das Ganze passiert genau genommen nur, damit der Ministerpräsident sein Gesicht nicht verliert. Dr. Stoiber wollte sich zum Vorreiter, zur Speerspitze der 42-Stunden-Woche machen. Nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist er damit Gott sei Dank erbärmlich gescheitert. Die Beamtinnen und Beamten in Bayern müssen das wieder einmal ausbaden.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wird niemanden in diesem Hohen Hause überraschen, dass ich eine Ablehnung der vorliegenden Anträge empfehlen werde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heute vorgetragenen Argumente haben aus meiner Sicht und aus Ihrer Erinnerung einen langen Bart. Wir haben diese Diskussion bereits vor Jahren geführt.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich haben auch wir darauf gesetzt, dass in den Tarifverträgen der von uns angestrebte Gleichklang erreicht wird. Er ist nicht erreicht worden. Wir haben jedoch eine Reduzierung der Spanne von 3,5 Stunden auf 1,7 Stunden erreicht.
Ende des letzten Jahres hat der Betriebsrat einer mittelständischen Firma in Unterfranken der Firmenleitung angeboten, für das gleiche Geld künftig 40 statt 35 Stunden zu arbeiten. Dadurch konnten 230 Jobs bis zum Jahr 2012 gesichert werden. 98 % der Belegschaft haben dafür gestimmt. Dieses Argument der Arbeitsplatzsicherheit können wir bei den Beamten nicht ins Feld führen. Gleichwohl muss unseren Beamtinnen und Beamten auch daran gelegen sein, dass wir einen soliden Staatshaushalt haben. Vor allem für die anstehenden Verhandlungen zur Föderalismusreform werden wir eines soliden Staatshaushalts bedürfen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auch wir wissen, dass wir unseren Beamten mit der Arbeitszeitverlängerung ganz schön was abverlangt haben. Wir werden uns bei der Föderalismusreform sehr wohl daran erinnern, was die Beamten im Vorfeld eingebracht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Opposition verhält sich wie manche Patienten, wenn sie Medizin bekommen. Sobald die Besserung eintritt, soll die Medizin abgesetzt werden. Die Auswirkungen sehen wir derzeit in Berlin. Dort ist eine Arbeitszeiterhöhung angekündigt und später wieder einkassiert worden. Das Ergebnis, die finanzielle Lage der Stadt Berlin, können wir alle betrachten. Wo stehen wir? – Wir haben eine schwarze Null in unserer Haushaltsbilanz. Wir werden diese schwarze Null auch bei den Verhandlungen im Nachtragshaushalt und bei der Föderalismusreform zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzen.
Im Antrag der GRÜNEN ist die Ausbildungsplatzsituation angesprochen worden. Ich darf darauf verweisen, dass wir sehr wohl nicht, wie von Herrn Sprinkart kritisiert, über Bedarf ausbilden wollen. Das heißt aber nicht, dass sich der Staat aus der Ausbildung zurückzieht. Ich darf auf die Steigerung bei den vollschulischen Ausbildungsgängen hinweisen, ob das Berufsfachschulen sind, wo wir konjunkturell bedingt in Regionen für Berufe, die dort gebraucht werden, vollzeitschulisch ausbilden. Ich darf auf die hohen Steigerungszahlen bei den Schülerzahlen an Fachoberschulen hinweisen, an denen wir die jungen Leute, die leistungsbereit sind, dafür wappnen in Ausbildungsberufen, die deren Fähigkeiten entsprechen, eine Chance zu haben. Ich darf auch darauf hinweisen, dass wir etwas tun, was nicht alle Bundesländer leisten, nämlich sämtliche Juristen und Lehramtsanwärter in das Referendariat hineinzunehmen, unabhängig von der Bedarfssituation oder Einstellungssituation. Wir versetzen diese jungen Leute in die Lage, eine fertige Berufsausbildung zu haben, mit der sie sich in ganz Deutschland und euorpaweit bewerben können.
Nicht alle Bundesländer leisten sich auch das, was wir hinsichtlich Einmal- und Sonderzahlung beschlossen
haben. Wir gehen bei der Sonderzahlung sogar noch über das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst hinaus und setzen uns an die Spitze aller Bundesländer. Wenn von der Opposition im SPD-Antrag angeführt wird, das sei keine Kompensation für die Arbeitszeitverlängerung, möchte ich ganz deutlich betonen: Auch wir sehen darin keine Kompensation. Das ist von uns auch nie so dargestellt worden. Wir wollten aber unseren Beamten in finanzieller Hinsicht entgegen kommen. Lieber Herr Kollege Sprinkart, bei der Rechnung, was an Gehaltseinbußen durch die „Mehrarbeit“ entsteht, darf ich anmerken, dass es sich um eine Milchmädchenrechnung handelt. Ich darf auf die rechtliche Situation verweisen, wonach Beamte nicht entsprechend ihrer Arbeitsleistung nach Minuten, sondern entsprechend ihres Amtes bezahlt werden und damit einen Anspruch auf lebenslange Alimentation haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten unsere Wählerinnen und Wähler nicht unterschätzen. Diese wollen nicht, dass wir Politiker die Dinge schönreden, sondern sie wollen, dass wir die Probleme erkennen und anpacken. Wir haben das auf diesem Feld getan und wir werden in unseren Reformbemühungen nicht nachlassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei der Kollegin Heckner sehr herzlich für Ihre Darstellung und für die klare Aussage, die Mehrheitsfraktion werde die vorliegenden Anträge ablehnen, bedanken. Wir müssen Verantwortung für unser Land und unsere Zukunft übernehmen und das geht nicht mit den Anträgen, die Sie gestellt haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.
Ich möchte klarstellen, dass die Staatsregierung stets für die Einheitlichkeit der Arbeitszeit aller Beschäftigungsgruppen im öffentlichen Dienst eingetreten ist. Ich sage noch einmal: für die 42-Stunden-Woche. In den Tarifverhandlungen hat die einmalige Chance bestanden, dieses Ziel zu erreichen. Leider haben die Gewerkschaften die Zeichen der Zeit nicht erkannt, im Interesse der öffentlichen Haushalte zu handeln. Ich möchte auch betonen, dass mit dem in den Tarifverhandlungen erreichten Ergebnis ein wichtiger Schritt in die von uns angestrebte Richtung erreicht worden ist.
Der Abstand in der Arbeitszeit von Beamten und den übrigen Beschäftigten ist von bis zu 3,5 Stunden auf durchschnittlich 1,7 Stunden verkürzt worden. Darauf hat Frau Kollegin Heckner schon sehr deutlich hingewiesen: Beamte und Arbeitnehmer trennen im Durchschnitt nur noch 20 Minuten am Tag. Angesichts dieser Größenordnung haben sicher die vielen Arbeitslosen in unserem Land kein Verständnis für die hitzigen Debatten, die in diesem Zusammenhang gerade von der Opposition geführt werden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass Bayern nicht das einzige Land mit einer Arbeitszeit für Beamte von mehr als 40 Stunden in der Woche ist. Auch Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie der Bund haben Wochenarbeitszeiten für Beamte von mehr als 40 Stunden eingeführt. Die angespannte Haushaltslage wird die übrigen Länder mittelfristig auch dazu zwingen, entsprechende Schritte in Angriff zu nehmen.