Protokoll der Sitzung vom 30.01.2007

Fünfte Bemerkung: Wir Sozialdemokraten haben uns gegen die Änderung des EUG ausgesprochen, weil wir gerade nicht wollen, dass mittel- und langfristig religiöse Symbole, vom Kreuz über die Kipa bis zum Kopftuch, egal welcher Glaubensrichtung aus dem öffentlichen Leben verbannt werden. Das wollen wir gerade nicht. Genauso wie Böckenförde, wie Gauweiler, wie Hans Maier wollen wir nicht, dass dieses Gesetz und die Praxis, die daraus folgen kann, irgendwann dazu führt, dass nicht mehr nur über das Verbot eines Kopftuchs geredet wird, sondern auch über das Verbot der Ordenstracht, des Nonnenhabits oder welcher anderen religiösen Symbole auch immer. Das wollen wir nicht. Sie nehmen aber genau das in Kauf. Das unterscheidet uns.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sechste Bemerkung: Meine Damen und Herren, wir hätten den Gesetzentwurf, den die GRÜNEN jetzt eingebracht haben, so nicht eingebracht, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart das in der Tat nicht hergibt. In Baden-Württemberg ist das Verbotsgesetz ausdrücklich für verfassungsmäßig erklärt worden und nur die dortige Verwaltungspraxis kritisiert worden, mit dem im Übrigen erstaunlichen und für unsere Ohren etwas fremd klingenden Satz, dass auch das Habit einer katholischen Nonne den Schulfrieden abstrakt gefährden kann. Das sagt das Verwaltungsgericht Stuttgart, aber jedenfalls sagt es auch, dass das dortige Verbotsgesetz abstrakt gesehen in Ordnung ist.

Das Gleiche tut nun auch unser Bayerischer Verfassungsgerichtshof. Diejenigen, die sagen, der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe am 15. Januar entschieden, dass es in Ordnung sei, ein Kopftuch von Lehrerinnen zu verbieten, sagen die Unwahrheit. Das ist nicht der Fall. Wie jedermann, der lesen kann und will, zugeben muss, heißt es in der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ausdrücklich, dass es nicht seine Aufgabe sei, zu überprüfen, welche äußeren Symbole und Kleidungsstücke im Einzelnen von der angegriffenen Norm erfasst werden, und dies im Hinblick darauf rechtlich verbindlich

auszulegen. Ob beispielsweise, sagt der Verfassungsgerichtshof, das von der Antragstellerin in diesem Popularklageverfahren und in der Gesetzesbegründung genannte Kopftuch den Tatbestand des Artikels 59 Absatz 2 Satz 3 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes erfüllt, sei eine Frage der Praxis, des Vollzugs der Norm. Das haben die Fachgerichte zu entscheiden. Es spielt für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieses einen Satzes im EUG keine Rolle.

Mitnichten hat also der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass ein Kopftuch, wenn es denn je irgendjemand tragen wollte, aufgrund des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen letztlich abgenommen werden muss.

Noch eine letzte Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir stimmen dem Gesetzentwurf der GRÜNEN dennoch zu, und zwar aus den oben genannten Gründen, nicht weil der Entwurf uns überzeugen würde, sondern weil wir bei unserem Standpunkt bleiben, dass ein Verbotsgesetz nicht erforderlich ist und weil sich die Ultramontanen in Ihrer Fraktion durchgesetzt haben. Sie nehmen in Kauf, dass es im Ergebnis dann, wenn Fachgerichte entscheiden und es dann bis zum Bundesverfassungsgericht geht, nicht mehr nur um das Kopftuch geht, sondern auch um andere religiöse Symbole. Das nehmen Sie in Kauf. Wir wollen das nicht in Kauf nehmen und deshalb halten wir das von Ihnen beschlossene Kopftuchverbotsgesetz, das Gott sei Dank noch nie in der Praxis Realität geworden ist, nach wie vor für falsch. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zu, wie ich es bereits in der Ersten Lesung zum Ausdruck gebracht habe.

(Beifall des Abgeordneten Franz Maget (SPD))

Noch eine allerletzte Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Man hat bei Ihnen so den Eindruck, als gehe es Ihnen auch bei diesem Thema nur um Stimmungen.

(Manfred Ach (CSU): Wie bei Ihnen heute Nachmittag!)

Was kann ich im Bierzelt gut bringen, um Applaus zu bekommen. Da begeben Sie sich auf ausgesprochen dünnes Eis.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Jawohl!)

Sie nehmen nicht zur Kenntnis, wie komplex die Zusammenhänge sind und wie sehr Sie damit auch den inneren Frieden stören können. Ich sage nicht, dass Sie es wollen, aber Sie können damit den inneren Frieden stören. Dieses Gesetz trägt nicht dazu bei zu integrieren, was wir angeblich alle miteinander wollen, sondern es trägt so, wie Sie es in den Bierzelten und anderen Orts darstellen, dazu bei, dass diese Gesellschaft gespalten wird.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Das wollen wir nicht und auch deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der SPD)

Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Schneider das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen; denn die Argumente sind immer die gleichen und werden deshalb nicht richtiger. Jetzt wird auch noch auf die Fachgerichte verwiesen. In der Ersten Lesung wurde der Bayerische Verfassungsgerichtshof zitiert. Man kann festhalten, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist. Das Gericht hat festgestellt, dass es weder das Grundrecht der Religionsfreiheit einschränkt noch gegen das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verstößt. So die Aussage des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Natürlich ist das Kopftuch ein besonderes Symbol. Ich war in der Islamkonferenz in Berlin dabei. Da haben gerade die islamischen Frauen deutlich gemacht, dass das Tragen eines Kopftuchs nicht eine religiöse Äußerung ist, sondern ein klares politisches Symbol. Und Sie haben sich deshalb vehement dagegen gewehrt, dass dies in der Öffentlichkeit und vor allen Dingen auch in den Schulen gezeigt wird.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das muslimische Kopftuch ist mit der Politik durchwebt, hat einmal jemand in einem Kommentar geschrieben. Deshalb ist es unser Auftrag, neben dem Schulfrieden auch junge Mädchen vor Bedrängnis zu bewahren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hätte man anders machen können in einer Einzelentscheidung!)

Dass dem Tragen des Kopftuches in der Schule nicht stattgegeben werden soll, wurde durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt, und es gibt für uns überhaupt keinen Anlass, den Artikel 59 Absatz 2 EUG zu ändern. Deshalb werden wir auch Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Da sich die Verfassungskonformität erwiesen hat, werden wir bei unserer Haltung bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Stahl.

(Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

Wenn schon quälen, dann richtig!

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN – Karl Freller (CSU): Das kann man wohl sagen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Eisenreich hat eisenhart und wortreich mehrere Nebenkriegsschauplätze aufgemacht. Ich will darauf im Detail nicht eingehen, weil das vermutlich an Ihrer Gesinnung nichts ändern würde. Aber ich möchte eine Klarstellung bringen, die einfach ins Protokoll gehört. Das VG Stuttgart, auf das wir uns berufen haben – lesen Sie das Urteil doch nach –, muss ich nicht mehr in meinem Antrag im Wortlaut wiederkäuen. Ich denke, die Verweisung darauf genügt. Dieses Urteil zeigt auf, dass es Probleme bei der Interpretation von Kopftuchgesetzen und infolge im Vollzug gibt, weil diese Kopftuchgesetze wiederum auf einem sehr interpretationswürdigen Bundesverfassungsgerichtsurteil beruhen. Daran haben sich – das versichere ich Ihnen – sowohl Ihre Fachleute wie auch andere die Zähne ausgebissen. Ich weiß, wie viele Stunden Professor Jestaedt von der Universität Erlangen in Baden-Württemberg um die Formulierung zugebracht hat. Ich glaube, er war auch hier in Bayern zugange. Er hat um jeden einzelnen Begriff gerungen. Diese Diskussion habe ich intensiv mitverfolgt. Deshalb weiß ich schon, wovon ich spreche.

Das Islamforum in Bayern, das im Übrigen aus den Kirchen besteht sowie aus einer Reihe unterschiedlicher Organisationen, hat zur Kopftuchdebatte eine komplett andere Einstellung.

Im Übrigen ist für mich die Frage, was darf der Staat und was dürfen muslimische Frauen für sich selbst fordern? Ich finde es richtig, wenn muslimische Frauen ihre Glaubensschwestern aufrufen, das Kopftuch abzulegen. Das halte ich für richtig, weshalb wir unsere Kollegin Ekin Deligöz auch vehement in dieser Forderung unterstützen. Aber der Staat darf es nicht. Und ich, denke ich, habe als Nicht-Muslima hier in diesem Rahmen nicht das Recht, das von einer Glaubensgemeinschaft zu verlangen. Das ist der feine Unterschied.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das EUG richtet sich an Lehrerinnen. Es geht hier nur um Lehrerinnen und nicht um den Rest der muslimischen Frauenwelt.

Eines habe ich ganz sicher nicht nötig. Ausgerechnet ich soll mich für die Frauenrechte engagieren, fordern Sie, lieber Herr Eisenreich. Ich werde heuer 50. Sie dürfen versichert sein, dass 30 Jahre meines Lebens den Frauenrechten galten. Darüber brauche ich Ihnen überhaupt keine Rechenschaft abzugeben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das brauchen Sie wirklich nicht! – Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 15/6194 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt auf Drucksache 15/7067 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion und die Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Den Kolleginnen und Kollegen, die in dieser Sitzung anwesend waren, möchte ich sagen, dass unsere Handballmannschaft gewonnen hat. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie hiergeblieben sind.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Helga SchmittBussinger, Florian Ritter u. a. u. Frakt. (SPD) Gesetz zur Erprobung von Zweckverbänden zur Wahrnehmung der Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes und des technischen Hilfsdienstes (Feuer- wehrzweckverbandserprobungsgesetz – FwZVEG) (Drs. 15/6293) – Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 10 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als erstes darf ich Frau Kollegin Schmitt-Bussinger das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in Zweiter Lesung einen Gesetzentwurf unserer Fraktion, der auf konkrete praktische Bedürfnisse bayerischer Kommunen im Bereich des Feuerwehrwesens zurückgeht, das sogenannte Feuerwehrzweckverbandserprobungsgesetz, das Ihnen so gut gefällt, Herr Kollege Ettengruber.

(Heiterkeit)

Unser Feuerwehrwesen – das wissen wir alle – ist in seiner Struktur seit jeher durch Freiwillige Feuerwehren geprägt, die jeweils in ihrer Ortschaft die Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes und des technischen Hilfsdienstes wahrnehmen.

Die Mitglieder unserer Wehren – darin sind wir uns, glaube ich, einig – leisten einen großartigen Dienst und haben unseren Dank und unsere Anerkennung verdient. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle, dass sich das Leben auch in Bayern verändert hat. Viele Menschen arbeiten in der Mehrzahl nicht mehr an ihren Wohnorten, sondern gerade im ländlichen Raum gibt es viele Berufspendler, die jeden Tag in die Städte und Ballungsräume zur Arbeit fahren. Das heißt, sie sind tagsüber oftmals unerreichbar für den Feuerwehrdienst an ihren Wohnorten. Außerdem werden die Einsätze immer komplizierter. Denken Sie nur an die vielen gefährlichen Stoffe, die auf unseren Straßen transportiert werden. Vor diesem Hintergrund tun sich gerade kleinere Gemeinden teilweise sehr schwer, den Dienst in ihren Feuerwehren zu gewährleisten. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“ haben deshalb verschiedene Gemeinden bereits den Wunsch geäußert, sich mit anderen Gemeinden zusammentun und eine gemeinsame Feuerwehr bilden zu dürfen. Ich glaube, dass sich noch etliche Gemeinden

diesem Wunsch anschließen werden. Die Möglichkeiten, gemeinsam Geräte anzuschaffen und gemeinsam Feuerwehrhäuser zu nutzen, sind schon gegeben. Den Schritt zu gemeinsamen Feuerwehren hingegen verbietet bislang das Feuerwehrgesetz.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb schlagen wir vor, Gemeinden, die an solchen Zusammenschlüssen interessiert sind, die Möglichkeit zu geben, dass sie gemeinsame Feuerwehren betreiben, und zwar ab sofort. Lassen wir es dort zu, wo es die Menschen – sowohl die verantwortlichen Politiker als auch die Feuerwehren – für sinnvoll halten, die Kräfte zu bündeln. Das erleichtert die Arbeitsteilung, erhöht die Einsatzfähigkeit rund um die Uhr, und es erleichtert den Gemeinden die Finanzierung. Unser Vorschlag lautet deswegen: Nutzen wir die bewährte und den Gemeinden vertraute Struktur eines kommunalen Zweckverbands auch im Feuerwehrwesen.

Natürlich müssen hierzu gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Die Hilfsfristen müssen selbstverständlich eingehalten werden können. Außerdem setzen wir auf Freiwilligkeit. Gemeinden und Feuerwehren müssen an einem Strang ziehen, damit etwas Gutes bewirkt werden kann.

Ich habe es schon gesagt: Es gibt Gemeinden, die auf diese Möglichkeit warten und ein konkretes Interesse daran haben. Der Bayerische Gemeindetag hat unseren Vorstoß positiv bewertet. Ich bin mir ganz sicher, dass weitere Gemeinden von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen werden, wenn erst einmal die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind, weil sie alleine dauerhaft nicht überlebensfähig sind. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es schon etwas spät ist und wenn Sie dieses Thema zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sonderlich interessiert, meine ich, dass diese Neuregelung umgehend geschaffen werden muss.

Allerdings lässt das Verhalten der Fraktion der CSU zumindest bei der ersten Beratung im Innenausschuss darauf schließen, dass wir zu dieser Neuregelung jetzt offensichtlich noch nicht kommen können. Dabei sind Sie in der Sache offensichtlich gar nicht gegen diese Regelung. Das beweist zumindest ein Antrag des Kollegen Herold auf Drucksache 15/7035. Auch er fordert die Einführung von Feuerwehrzweckverbänden, aber erst – das ist anders als bei uns – im Zusammenhang mit der Novellierung des Feuerwehrgesetzes. Bemerkenswert ist aber, dass Herr Herold im zweiten Teil seines Antrags die Staatsregierung auffordert, den Kommunen bereits im Vorgriff Planungssicherheit zu verschaffen. Da frage ich mich schon, verehrte Kolleginnen und Kollegen, warum Sie dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion bisher nicht zugestimmt haben. Denn genau diese Planungssicherheit ist mit unserer Initiative gewährleistet.