Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN)

Aber es wird hier ein kleines Stück nachverhandelt werden,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und da wird es um dieses Grundprinzip gehen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die SPD wirklich sagt, wir wollen bei dem Personenkreis sehr viel großzügiger sein als bei den anderen Personen, bei denen in den vergangenen Jahren Sozialleistungen gekürzt worden sind.

(Rainer Volkmann (SPD): Jetzt reden Sie nicht solchen Schmarrn, das ist ja unerträglich! – Weitere Zurufe des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Deswegen glaube ich, dass die Haltung, die nicht zuletzt von allen – –

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Herr Kollege Volkmann, das ist eine Haltung, die von allen Innenministern der Union und von der Mehrheit der Innenminister der SPD mitgetragen wird.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Reden Sie mit dem Kollegen Körting, der sagt, es wäre ein Fehler, jemandem ohne Chance auf Arbeit bis 2009 die Aufenthaltserlaubnis und damit die Möglichkeit zu geben, in jedem Fall aus dem Asylbewerberheim herauszugehen und zulasten der Sozialbehörden eine Wohnung zu nehmen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Noch einmal: Die Kosten, die Sie sich auf der Zunge zergehen lassen und die Sie Ihren Wählern erklären sollten,

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

betragen jährlich viele Hunderte von Millionen; der Gesamtbereich beträgt inzwischen 700 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Hausnummern!)

Noch einmal: nicht für humanitäre Härtefälle, nicht für Verfolgte, sondern für die Personen, für die es bisher eine gesetzliche Verpfl ichtung zur Abschiebung gegeben hat. Daher lasse ich nicht zu, dass uns hier irgendjemand vorwirft, wir hätten humanitäre Defi zite. Ich sage Ihnen – das lasse ich mir von keinem Menschen gefallen –,

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

wir haben in Bayern mehr Bosnier aufgenommen als die anderen Länder Europas zusammen. Wir, also nur Bayern, haben mehr Kosovaren aufgenommen als andere Länder in Europa. Wir haben das humanitär Notwendige getan. Aber wir wollen auch sagen, wer sich integriert, kann bleiben, aber die Integration muss er erst beweisen. Wir wollen nicht allein einen Stempel geben und danach hoffen, die Probleme werden gelöst.

(Anhaltender Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich mische jetzt die Folge der Redner neu durch, damit wir nicht geschlossene Fraktionsblöcke hintereinander haben und um der Lebendigkeit der Aussprache willen. Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Weikert, dann folgen Herr Kollege Weidenbusch, Herr Kollege Winter,

(Zuruf)

einen Moment, Frau Kollegin – dann Herr Werner, Herr Kollege Herold, als Nummer 6 Frau Kollegin Ackermann und dann Herr Kollege König. Außerdem darf ich darauf hinweisen, dass der Herr Staatsminister – ich weiß, die SPD hat schon aufmerksam danach geschaut – 22 Sekunden über den zehn Minuten liegt. Es wird dann möglicherweise eine weitere Runde beantragt, darauf können Sie sich alle einstellen. Ich hoffe, dass jetzt alle

eine zeitliche Orientierung über ihren Redebeitrag haben. Nun hat das Wort Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen Redebeiträgen wäre eine kürzere Redezeit angebrachter, auch hier in diesem Haus.

Herr Innenminister, Kolleginnen und Kollegen von der CSU!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich meine, wir waren in der Diskussion, wie wir mit Menschen umgehen, die nach Deutschland zuwandern und die aus irgendwelchen Gründen aus allen Teilen der Welt zu uns kommen, schon einmal etwas weiter. Wir haben ein gemeinsames Zuwanderungsgesetz beschlossen, das in dieser Republik alle großen Parteien demokratisch verabredet haben. Da waren viele Kompromisse dabei. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass dieses Zuwanderungsgesetz ein Gesetz war, das die Türe nach Deutschland eher geschlossen als aufgemacht hat. Das war der Grundkonsens. Wir dachten, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dass wir mit so einer Basis auch eine Basis der Diskussion haben, wie wir mit dieser Problematik in unserer Gesellschaft in Deutschland demokratisch verantwortlich umgehen.

Das ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer und des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD) – Der Rednerin wird das Ende der Redezeit signalisiert.)

Ich darf vielleicht noch zwei Minuten nachlegen, weil ich möchte, dass Herr Beckstein mir zuhört.

Dabei, wie wir damit umgehen, Herr Minister Beckstein, geht es ganz wesentlich um die Wortwahl, wie wir was und vor welchem Hintergrund in diesem Land diskutieren und welche Kompromisse wir an welcher Stelle suchen. Zur Bleiberechtsregelung, die ja viele Jahre umstritten war – das ist keine Diskussion, die erst in den letzten Wochen und Monaten aufgetaucht wäre –, sagen Sie, Herr Beckstein, als ersten Satz immer wieder und auch heute: Es darf keine weitere Zuwanderung in die Sozialversicherungssysteme geben. Herr Beckstein, da lügen Sie schon.

(Beifall des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Genau mit diesem Satz lügen Sie, weil es keine weitere Zuwanderung in die Sozialversicherungssysteme ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Menschen – und das ist der Hintergrund dieses Beschlusses – sind bereits seit sechs oder acht Jahren – das ist die Voraussetzung – in Deutschland und nehmen nach der Rechtsprechung und Sozialgesetzge

bung dieses Landes Leistungen in Anspruch, um etwas zu essen und zum Schlafen zu haben. Das ist der erste Punkt, wo Sie einfach mit den Gefühlen der Menschen spielen. Es geht nicht darum, die Türen aufzumachen und neue Menschen nach Deutschland zu locken, sondern es geht darum, eine Situation im Sinne der Sache vernünftig zu lösen, die bereits vorhanden ist.

Deshalb bitte ich Sie noch einmal, Herr Innenminister, in Ihrer Verantwortung als Politiker und gerade als Innenminister sich bewusst zu sein, welche Problematik das mit Rechtstendenzen usw. hervorrufen kann, und sehr sorgfältig auf Ihre Wortwahl zu achten. Das war mein erster Punkt.

(Alexander König (CSU): Da würden Sie selber gut daran tun!)

Herr König, Sie können sich später melden.

Und jetzt das Zweite. Herr Beckstein, es ist mitnichten so, dass sich die SPD gegen eine Arbeitsaufnahme dieser Menschen bundesweit wehrt. Lassen Sie mich dieses Argument aussprechen. Sofort nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz – meines Wissens, vielleicht wissen Sie es ja anders – wurde vom Arbeitsministerium Müntefering die Nachrangigkeit in der Arbeitsvermittlung, was die Agenturen betrifft, gelockert.

(Staatsminister Dr. Günther Beckstein schüttelt den Kopf.)

Nicht? Dann können Sie es vielleicht später berichtigen. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir innerparteilich auch unseren Teil dazu beitragen, dass so etwas diskutiert wird. Es geht natürlich darum, dass diese Menschen in der Lage sind, Arbeit aufzunehmen.

(Rainer Volkmann (SPD): Das ist ja der Sinn der Sache!)

Das ist für die Menschen das Beste und ist natürlich auch für unser System das Beste.

In einem zweiten Punkt, Herr Minister Beckstein, bringen Sie unverhältnismäßig Schärfe in die Diskussion, wenn Sie nämlich von Millionen von Kosten reden. Sie kennen die Kosten nicht, Sie können sie gar nicht kennen. Warten Sie meine Argumente ab. Es ist in der Diskussion um die betroffene Personengruppe einmal von 200 000 die Rede, einmal von 160 000, einmal von 180 000. Ich habe bei meiner Ausländerbehörde nachgefragt. Dort hat man mir gesagt: Frau Weikert, wir können zu diesem Zeitpunkt beim allerbesten Willen keine verlässlichen Zahlen nennen, und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen: weil diese Personengruppe nicht so einfach zu erfassen ist, weil man nicht weiß, wer Anträge stellt. Sie wissen auch nicht, Herr Minister Beckstein, wie viele aus der betroffenen Personengruppe bis zum Zeitpunkt Januar Arbeit aufnimmt und dadurch das Sozialsystem gegenüber den jetzigen Leistungen klar entlastet. Fakt ist – ich hatte es am Anfang gesagt –, dass es nicht um eine neue Gruppe geht, sondern es geht um eine vernünftige Lösung für die, die schon da sind.

Ein letztes Argument: Herr Innenminister, Sie enttäuschen mich sehr. Ich bin in der Flüchtlingsarbeit sehr aktiv und habe mich einmal sehr gefreut über Ihre vorläufi ge Auslegung des Beschlusses der Innenministerkonferenz. Sie haben das Motto ausgegeben: der betroffenen Personengruppe eine faire Chance geben. Das erkennen wir an. Es ist übrigens auch das Motto der Bundesbeauftragten für Migrations- und Flüchtlingsfragen, die bekanntlich von der CDU kommt.

Sie sind in Ihren Auslegungsbestimmungen, Herr Dr. Beckstein, gerade bei der Passbeschaffung und in vielen anderen schwierigen Fragen, die damit zusammenhängen – –

Frau Kollegin, Sie sind so erheblich über Ihrer Redezeit.

Ich komme zum Schluss. Sie sind mit diesen Problemen in einer Art und Weise umgegangen, dass ich gesagt habe: Gut, das Problem ist erkannt, und Sie geben dieser Gruppe wirklich eine faire Chance. Jetzt weichen Sie davon ab, bringen scharfe Töne in die Diskussion, die nicht sachlich sind, …

Frau Kollegin, Sie sollten meine Toleranz nicht unendlich strapazieren.

…. und heizen damit die Stimmung an.