Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Das heißt also, wir haben im Jahr 2006 die Weichen dafür gestellt, dass die Förderkulisse in Oberfranken ausgeweitet worden ist,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): 10 %!)

dass die Fördersätze erhöht worden sind und – das ist das Entscheidende – dass in diesem Jahr deutlich mehr Geld zur Verfügung steht.

Wir haben für diesen Bereich aus den verschiedensten Ansätzen für Regionalförderung im Haushalt, wenn ich alles zusammennehme, 84 Millionen Euro. Von diesen 84 Millionen Euro setzen wir 30 Millionen in Oberfranken ein. 30 von 84 sind nach Adam Riese etwa 35 %. Oberfranken hat einen Bevölkerungsanteil von weniger als 10 %. Für diesen Raum mit weniger als 10 % der Bevölkerung werden also 35 % unserer Gelder für die Regionalförderung eingesetzt. Meine Damen und Herren, ist das nicht eine gewaltige Schwerpunktbildung?

(Beifall des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Wir haben nicht gewartet, bis die GRÜNEN oder die SPD einen Antrag stellen. Wir müssen dort helfen und haben es selbstverständlich getan, wo die größeren Probleme sind, und die sind in Oberfranken.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das heißt, Ihre Forderung nach einem Sonderprogramm ist damit erfüllt. Das hat der Herr Kollege Döhler zu Recht gesagt. Wenn Sie jetzt ein Programm konzipieren – das muss man wissen, aber von Fakten haben Sie von den GRÜNEN keine Ahnung –, muss es von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Anders ist es nicht zulässig. Dann stoßen wir sowohl an die Obergrenzen der Förderung wie natürlich auch an die regionalen Begrenzungen. Das heißt, es geht darum, aus den verfügbaren Mitteln das einzusetzen, was jetzt sofort getan werden kann und was sofort erlaubt ist. Da muss ich sagen: Mehr als 30 Millionen von 84 Millionen Euro nach Oberfranken zu geben kann man nicht vertreten. Deswegen sage ich: Es ist das Maximum an Hilfe angeboten.

Im Übrigen hat mich Oberbürgermeister Kreil, noch bevor es in der Zeitung stand, angerufen, und wir haben sofort alle Anträge, die für den Bereich Selb da sind, beschleunigt. Es waren sechs Anträge zur Förderung von Investitionen bei der Regierung von Oberfranken eingereicht worden. Wir haben in der Zwischenzeit bei fünf von sechs Anträgen den vorzeitigen Maßnahmenbeginn genehmigt. Das heißt also, an fünf anderen Unternehmen in Selb kann investiert werden und können Arbeitsplätze geschaffen werden. Gelder der Gemeinschaftsaufgabe gibt es ja nur, wenn Arbeitsplätze geschaffen werden. Beim sechsten Antrag sind die Unterlagen nicht ausreichend, um es heute beurteilen zu können.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren. Es ist bedauerlich, wenn es zu einem Abbau von Arbeitsplätzen bei Rosenthal kommt. Es ist wünschenswert, dass das Unternehmen und der Konzern durch die Investitionen die restlichen Arbeitsplätze sichern, und es ist zu hoffen, dass sie am Markt wieder eine Position erreichen, um die Sicherheit der Arbeitsplätze zu gewährleisten.

Die Staatsregierung hat mit schnellem Handeln und mit höchstmöglicher Förderung Oberfranken wirksame Hilfe

angeboten, und es ist zu hoffen, dass der insgesamt sehr vorteilhafte und positive Lauf der Wirtschaft in Oberfranken sich fortsetzt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hoderlein.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer meine Biografi e ein bisschen kennt, der weiß, dass ich etwa zwei Jahre Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Philip Rosenthal gewesen bin. In dieser Zeit – es war 1980, 1981, 1982 – war Philip Rosenthal auch noch Vorstandsvorsitzender der Rosenthal AG. Diese Kombination, dass jemand gleichzeitig Vorstandsvorsitzender einer AG und Politiker ist, würde der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sehr selten oder gar nicht!)

heute übrigens guttun.

Damals hat er mir – ich habe es im vertrauten Kreis schon öfter erzählt – in seiner unnachahmlichen Art gesagt: Wir werden noch Probleme bekommen mit unseren weißen Untertassen. Wahrscheinlich habe ich mir wegen des Begriffs „weiße Untertassen“ den Satz, der ansonsten so lapidar klingt, gemerkt. „Weiße Untertassen“ war natürlich wörtlich gemeint und zugleich eine Metapher. Er hat mit vielen Maßnahmen, die ich Ihnen aus Zeitgründen nicht näher erläutern kann, die von ihm damals schon gesehene, geradezu konversionsartige, Bedrohung für die Porzellanindustrie erkannt und versucht, dagegen vorzugehen.

Damit die Kolleginnen und Kollegen ungefähr eine Größenordnung wissen: Als ich 1990 in den Landtag kam, waren in der oberfränkischen Porzellanindustrie etwa 15 500 Menschen beschäftigt – nach der Wende, von 1960 bis 1970 will ich gar nicht reden. Heute sind es weniger als 4000. Nennen Sie mir eine Branche, die mehr als 2000, 3000 Leute hat, bei der in der Zeit nach der Wende 75 % aller Arbeitsplätze weggebrochen sind. Eine solche Branche gibt es nicht in Bayern. Das Einzige, was Sie damit vergleichen können, sind Kohle und Stahl in NRW.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Maxhütte!)

Für eine Region, meine ich: Maxhütte ist ein Einzelbereich.

Warum erzähle ich das hier? – Ich erzähle es nicht, weil ich kritisieren will, Herr Minister Huber, was Sie genannt haben. Was GA und die Regionalförderung betrifft, will ich das gar nicht bestreiten. Sie versuchen es jetzt.

(Christa Steiger (SPD): Jetzt!)

Sie versuchen es jetzt, weil Sie wissen, dass es nicht mehr reicht, das zu erzählen, was Sie über Jahre erzählt haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nämlich dass im Rahmen der Politik leider nichts anderes möglich ist, dass es gar nicht so schlimm ist, dass man nichts anderes machen könne und dass man das, was man machen könne, auch tatsächlich gemacht hat.

In Wahrheit verschleiern Sie, dass die Politik, die Regionalpolitik, die Wirtschaftspolitik kein Konzept hat – am Beispiel der Porzellanindustrie wird das am deutlichsten, es ist aber nicht das Einzige – für die Frage: Was machen wir mit Regionen, die geradezu dominiert, um nicht zu sagen monostrukturiert sind von einer überragenden Branche und in denen diese überragende Branche durch weltwirtschaftliches Geschehen geradezu unaufhaltsam heruntergezogen wurde – um ein anderes Wort zu vermeiden? Die Antwort darauf ist: Wir haben kein Instrument bzw. wir wollen kein Instrument in der bayerischen Politik auf den Weg bringen, um diese riesige Konversion, die sich über 20 Jahre hinwegzieht, aufzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Hört doch auf mit diesen Reden!)

Da sagen Sie, das können Sie nicht aufhalten. Ich kenne die Antwort, ich habe sie hundertmal gehört. Herr Kupka sagt es auch.

(Engelbert Kupka (CSU): Nein, ich sag’s nicht!)

Da sage ich: Wenn Philip Rosenthal recht hatte mit seinen weißen Untertassen,

(Engelbert Kupka (CSU): Weil er gewusst hat, wie sich die Welt entwickelt!)

dann muss die Frage noch lange nicht beantwortet sein, ob es denn überhaupt keine Alternative gibt zu der angeblich am Weltmarkt wegbrechenden Nachfrage nach weißen Untertassen. Die Frage muss doch dann lauten: Können wir mit der seit 150 Jahren vor Ort vorhandenen Kompetenz im Umgang mit dem Werkstoff Keramik und Porzellan durch entsprechende Innovationen, Forschung und Technologiearbeit etwas Neues generieren? Was kann man außer weißen Untertassen aus Porzellan und Keramik sonst noch machen, was Arbeit schafft und die Arbeitsplätze vor Ort lässt?

(Engelbert Kupka (CSU): Das ist eine Unternehmensfrage und keine Politikfrage!)

Das ist eben keine Unternehmensfrage. Das ist eine typische Frage, die die bayerische Politik sehr oft sehr erfolgreich beantwortet hat,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

nämlich: Am Anfang stehen Impulse in Richtung Innovation. Sie basieren auf Forschung, auf Entwicklung und auf Technologietransfer. Sie haben oft genug bewiesen,

dass Sie das können. Bei altindustriellen Standorten, bei Keramik und Textil, beides in Oberfranken, haben Sie Vorsorge auf das Sträfl ichste vernachlässigt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist der Grund, warum wir seit 20 Jahren diesen Niedergang dort haben; nicht nur, weil es einen Niedergang in dieser Branche gibt – den gibt es woanders auch –, sondern weil nicht gegengesteuert wurde, indem Innovationen dort in Gang gesetzt wurden.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich hab keine Zeit. Danke.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das geht nicht! Wir haben keine Zeit!)

Deshalb noch einmal meine Bitte. Der Hinweis auf GA und die jüngeren Instrumente der Förderung ist richtig; das will ich ausdrücklich anerkennen. Das Problem wird es aber nicht lösen, Herr Minister Huber. Das Problem ist nicht die aktuelle Lage – die haben wird schon hundertmal gehabt – und das Absinken der Zahl der Arbeitsplätze von 15 000 Arbeitsplätzen in 17 Jahren auf unter 4000.

Vielmehr müssen Sie sich die grundsätzliche Frage stellen: Was machen wir mit bayerischen Instrumenten der Politik für eine Region, die wie keine zweite höchst industrialisiert ist und die die größte Industriedichte Europas hatte, aber nur mit zwei, drei Branchen aus der Frühzeit der Industrialisierung besetzt ist, mit sonst nichts? Was machen wir mit den Instrumenten der Politik, um eine solche Region in eine neue Zukunft zu bringen? – Diese Frage müssen Sie beantworten, und sie geht weit über diese 300 Arbeitsplätze von heute hinaus. Antworten Sie darauf, dann tun Sie etwas Gutes für diese Region!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es wurde für beide Anträge namentliche Abstimmung beantragt.

Wir stimmen zunächst über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/7783 ab. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Die Wahlurnen stehen bereit. Ich bitte, Ihre Stimmkarten abzugeben. Dafür sind fünf Minuten angesetzt.

(Namentliche Abstimmung von 14.11 bis 14.16 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Damit beende ich den Wahlgang. Es wird außerhalb des Plenarsaals ausgezählt. Ich darf das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich lasse jetzt weiterhin in namentlicher Form über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/7795 abstimmen. Das ist der Antrag der CSU-Fraktion. Ich bitte wiederum, Ihre Karte abzugeben. Drei Minuten sind für diesen Wahlgang angesetzt.