Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Renate Dodell, Franz Josef Pschierer u. a. u. Frakt. (CSU) Kapitalbeteiligung der Beschäftigten stärken (Drs. 15/8545)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Thomas Beyer, Dr. Hildegard Kronawitter u. a. u. Frakt. (SPD) Bayern, aber gerechter; Mitarbeiterbeteiligungsprogramm für Bayern (Drs. 15/8555)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Kapitalbeteiligungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Produktivvermögen hat es in den letzten Jahrzehnten die verschiedensten Ansätze gegeben. Wer in die Historie zurückgeht, wird feststellen, dass sich die christliche Sozi
alethik, die katholische Soziallehre und viele andere mit diesem Themenbereich beschäftigt haben: Wie kann es gelingen, aus abhängig Beschäftigten ein Stück weit Unternehmer bzw. Selbständige zu machen?
Ich warne zu Beginn der Debatte davor, die Begriffl ichkeiten zu vermengen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mit Investivlohn – das meinen wir – der eine oder andere schlichtweg den Gedanken verbindet, dieser könne ein zusätzliches Modell zur Stärkung der Altersvorsorge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein. Manche meinen, es sei eine andere Form der Direktversicherung. Das ist es nicht. Es handelt sich vielmehr um den Versuch, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu beteiligen. Wenn man sich die nüchternen Zahlen betrachtet, stellt man fest: In der Bundesrepublik sind es gerade einmal 8 % der abhängig Beschäftigten, in anderen Industrienationen in Europa sind es bis zu 20 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Produktivvermögen beteiligt sind.
Welches Kernanliegen verfolgt die CSU mit diesem Dringlichkeitsantrag? Wir wollen, dass Modelle gefunden werden, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker am Kapitaleinkommen beteiligt werden und aus Kapitaleinkommen Erträge beziehen. Wir wollen mit diesem Dringlichkeitsantrag – ich bin damit bei dem hochgezogenen Dringlichkeitsantrag der SPD – personenbezogenes privates Eigentum bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erreichen. Deshalb, Herr Kollege Maget, werden Sie von uns keine Zustimmung zu dem fi nden, was von Ihrer Seite im Modell des Deutschlandsfonds angedacht ist.
Entschuldigung. Nicht mit diesem Dringlichkeitsantrag. Aber das ist Ihr Modell hinsichtlich der Kapitalbeteiligungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir verfolgen das Fondsmodell nicht.
Wir wollen personenbezogenes privates Eigentum von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Produktivvermögen schaffen. Wir wollen mit diesem Ziel auch die Eigenkapitalbasis von Unternehmern stärken.
Warum wollen wir das? Wir wollen kein anonymes Modell. Wir wollen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich möglichst stark mit ihrem Unternehmen identifi zieren. Wir wollen das Ganze auch ein Stück weit als Anreizsystem zur Förderung der Leistungsbereitschaft und der Motivation in den Unternehmen umsetzen.
Deshalb der Versuch, eine Kapitalbeteiligung, einen Investivlohn zu fi nden. Die Kernaussage dieses Modells ist, dass es freiwillig sein soll. Wir wehren uns gegen alle Modelle einer Kapitalbeteiligung, die verpfl ichtend vom Gesetzgeber normiert werden. Betriebliche Bündnisse für soziale Kapitalpartnerschaften sind für uns vertrag
liche Grundlagen zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern. Ich betone nochmals: Es sind vertragliche Grundlagen zwischen zwei Partnern, zwischen den Partnern Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Diese beiden Partner haben die Möglichkeit, auf Vertragsebene verschiedene Elemente zu regeln. Sie können die Form der Zuteilung und des Erwerbs der Kapitalbeteiligung, die Bedingungen und die Höhe, die Verlustbeteiligung, Informations- und Beteiligungsrechte der Mitarbeiter und Bestimmungen über Verkauf, Mitnahme und Kündigung sowie vieles andere regeln.
Im ersten Absatz will dieser Dringlichkeitsantrag erreichen, dass Arbeitnehmer am Produktivvermögen des Unternehmens beteiligt und hierin vom Staat unterstützt werden.
Der zweite Absatz skizziert ganz klar: Es ist die freie Entscheidung von Arbeitnehmer und Betrieb. In diesem Absatz sind auch die einzelnen juristischen Details geregelt, nämlich eine Beteiligung von bis zu 500 Euro im Jahr, die von Steuer- und Sozialabgaben befreit wird, und zusätzlich von 500 Euro, die erst bei einem späteren Verkauf der Kapitalbeteiligung versteuert werden soll.
Darüber hinaus wird die Staatsregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass auch für die Beschäftigten, bei denen eine Beteiligung am Produktivvermögen des Arbeitgebers ausscheidet, ein praktikables Modell entwickelt wird. Die Einrichtung eines generellen und anonymen Deutschlandfonds für alle ist dagegen abzulehnen. Das ist eine der Kernaussagen dieses Dringlichkeitsantrags. Mit einem derart anonymen Fonds wird eine soziale Kapitalpartnerschaft nicht erreicht.
Für uns ist die Kapitalpartnerschaft eine faire Partnerschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, da wird es auch Felder geben, die nicht so leicht zu handhaben sind, weil sie im freien Ermessensspielraum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen liegen. Ich nenne beispielsweise die Bruttolohnumwandlung und das Thema Schutz und Sicherheit vor Insolvenz. Damit Sie mich richtig verstehen: Wir wünschen uns eine Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen. Eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen bedeutet aber auch die Übernahme vom Risiko. Das weiß der Betriebsinhaber; das weiß auch der Mitarbeiter.
Wir sind deshalb mit unserem Antrag, was die Beteiligungsformen angeht, sehr offen. Wir weisen aber darauf hin, dass es einen großen Beratungs- und Aufklärungsbedarf geben wird. Für uns gehört zu diesem Modell auch eine enge Zusammenarbeit mit den Körperschaften der Wirtschaft, mit den Industrie- und Handelskammern, mit den Handwerkskammern, mit der Vereinigung der Wirtschaft, mit den Arbeitgeberverbänden und auch den Gewerkschaften, um eine große Aufklärung zu erreichen. Wir wollen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeklärt sind, bevor sie sich für ein Modell entscheiden.
Diese Modelle können auch so weit gehen, dass Mitarbeiter gesellschaftsrechtlich an ihrem Unternehmen beteiligt werden. Dadurch würde die Eigenkapitalbasis dieses Unternehmens gesteigert und der Mitarbeiter hätte sich selbst etwas Gutes getan, wenn der Betrieb gut läuft.
Momentan ist es aber nicht möglich, diese 500 Euro von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu befreien. Die zweiten 500 Euro sollen erst besteuert werden, wenn das Kapital ausbezahlt wird.
Abschließend möchte ich um Zustimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU bitten. Das Thema ist sehr aktuell, deshalb haben wir dazu einen Dringlichkeitsantrag formuliert. Wir werden Ihren Dringlichkeitsantrag ablehnen, weil er in eine Richtung geht, die wir nicht für zielführend halten. Wir werden uns zu allen Fondsmodellen kritisch äußern. Den Deutschland-Fonds werden wir nicht befürworten. Wir werden im Rahmen der Koalition unseren Einfl uss geltend machen, damit ein solches Verfahren nicht eingeführt wird.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, etwas anderes ist es, wenn eine Branche oder eine Region einen solchen Fonds aufl egt. Man kann durchaus über Branchenfonds diskutieren. Ich persönlich bin gegen Fonds und sage Ihnen, dass diese Fonds nicht funktionieren werden. Der Fonds hat einen großen Nachteil: Er schließt nicht die direkte Identifi kation des Mitarbeiters mit seinem Unternehmen ein. Wenn ich eine soziale Kapitalpartnerschaft will, macht dies nur Sinn, wenn eine unmittelbare Anbindung an den Betrieb gegeben ist. Erst dann sind Leistungsbereitschaft und zusätzliche Motivation mit berücksichtigt. Das ist einer der Kernbestandteile.
Über die Mitnahme von Kapitalbeteiligungen wird es sicherlich noch Diskussionen geben. Das wird juristisch nicht ganz einfach werden. Ich warne aber vor anonymen Modellen, die nicht den direkten Bezug zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihrem Betrieb herstellen. Insofern plädiere ich für die Zustimmung zum CSU-Antrag und für die Ablehnung des SPD-Antrags.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitarbeiterbeteiligung ist kein Zauberwort und keine Zauberformel, aber mit Sicherheit eine gute Sache. Sie ist keine Alternative zu tarifl ichen Lohnsteigerungen oder zu Mitbestimmungsrechten des Arbeitnehmers im Betrieb. Mitarbeiterbeteiligung ist nach unserem Verständnis auch kein Investivlohn, in den Gehaltsbestandteile einbezogen und in Beteiligungsformen umgewandelt werden. Wir wollen, dass der Lohn zur Gänze beim Arbeitnehmer verbleibt. Dieser Lohn wird von uns nicht angetastet. Das will ich vorweg sagen.
Herr Kollege Pschierer, die Debatte beweist, dass Sie nicht gelesen haben, was wir tatsächlich beantragen. Wir haben bereits vor zwei Monaten den Vorschlag unterbreitet, ein direktes Beteiligungsmodell des einzelnen Arbeitnehmers bei seinem Unternehmen in Bayern zu realisieren. Kolleginnen und Kollegen, was ist der Vorteil dieses Vorschlags? – Der wichtigste Vorteil ist, dass wir ein solches Beteiligungsmodell in Bayern selbst einführen und umsetzen können. Hier könnte Bayern vorangehen, wie das bereits andere Bundesländer getan haben. Wir könnten damit unseren Mitarbeitern eine gute Zukunftsoption geben.
Ihr Vorschlag hat den Nachteil, dass Sie dazu den Bundesgesetzgeber brauchen. Das bedeutet: Sie stellen einen guten Vorschlag ins Schaufenster und sagen, dass dies irgendwie auf Bundesebene geregelt werden müsste. Damit wird sich für den Arbeitnehmer und an der gesellschaftlichen Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts verändern und verbessern.
Unser Vorschlag könnte in Bayern sofort mithilfe der LfA umgesetzt werden. In Rheinland-Pfalz wurde dieser Vorschlag mit der dortigen staatlichen Förderbank realisiert. Herr Kollege Pschierer, Sie sagten, dass Sie unseren Antrag ablehnen würden, weil Sie gegen Fonds-Lösungen seien. Wir haben keine Fonds-Lösung vorgeschlagen.
In der Begründung ist ausdrücklich von einer risikofreien Kapitalbeteiligung an mittelständischen Unternehmen die Rede, nicht von einem Fonds. Wir beziehen uns expressis verbis auf ein Modell aus Rheinland-Pfalz, das ebenfalls keine Fonds-Lösung ist, sondern eine unmittelbare Beteiligung. Deshalb geht die Kritik, mit der Sie Ihre Ablehnung begründen, vollständig ins Leere. Mit dieser Begründung können Sie unseren Antrag nicht ablehnen; denn das, was Sie kritisieren, haben wir nicht beantragt.
Unser Antrag geht in Richtung dessen, was Sie hier propagiert haben. Deshalb müssen Sie mir schon noch einmal erläutern, mit welcher Begründung Sie unseren Vorschlag ablehnen wollen.
Was sind die Vorteile unseres Vorschlags? – Der einzelne Arbeitnehmer kann in seinen Betrieb einen bestimmten Geldbetrag einlegen, der dort höher als bei einer Bank oder in einem anderen Kreditinstitut verzinst wird. Wir wollen diese Einlage über einen staatlichen Garantiefonds absichern. Das ist zwar ein Fonds, aber in ganz anderer Form. Diese Absicherung ist der entscheidende Vorteil für den Arbeitnehmer im Vergleich zu Ihrem Modell. Bei Ihrem Modell kann es dem Arbeitnehmer passieren, dass er aufgrund von Managementfehlern nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch noch das im Unternehmen eingelegte Kapital verliert.
Das wollen wir nicht. Sie müssen den Arbeitnehmern erklären, dass dies ein Teil Ihres Vorschlages ist. Wir sagen: Mit geringen staatlichen Mitteln kann eine Risikoabsicherung für Mitarbeitereinlagen garantiert werden. Im Falle der Insolvenz des Unternehmens soll die Einlage unbeschadet an den Arbeitnehmer zurückgezahlt werden. Das ist der entscheidende Vorteil. Ich bin der Meinung, das sind wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich am Erfolg des Unternehmens beteiligen wollen, schuldig.
Herr Kollege Pschierer, der zweite Vorteil unseres Vorschlages ist, dass wir es mit der direkten Beteiligung und der Einlage einem kleinen Unternehmen und damit dem Arbeitgeber ermöglichen, Eigenkapital zu günstigeren Konditionen zu generieren. Nach unserem Vorschlag wären in Bayern kurzfristig ungefähr 200 bis 300 Millionen Euro realisierbar. Ich halte unseren Vorschlag für sehr vernünftig.
Der Vorschlag der CSU ist deswegen schlechter, weil er die Risiken auf die Arbeitnehmer abwälzt und weil er in Bayern nicht realisierbar ist. Herr Kollege Pschierer, Ihr Vorschlag kann nicht von uns selbst realisiert werden. Wir müssten wieder auf Bundesregelungen warten. Wir sollten selbst tun, was den Menschen nützt. Parallel können wir schauen, was auf Bundesebene durchsetzbar und möglich ist. Wir sollten uns nicht mit der politischen Debatte über einen Deutschlandfonds beschäftigen. Wir sollten vielmehr unsere Hausaufgaben machen und etwas vorlegen, was Sinn macht.
Vielen Dank, Herr Kollege Maget. Ich darf zwischendurch bekannt geben, dass sowohl von der CSU-Fraktion als auch von der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt wurde. Wir haben das bereits durchgegeben. Ich bitte das Hohe Haus, davon Kenntnis zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zwei kurze Vorbemerkungen. Wir haben jetzt neun Monate Interregnum, neun Monate Stillstand in der Landespolitik: Nichts geht weiter in der bayerischen Umweltpolitik, nichts geht weiter in der bayerischen Bildungspolitik, der bayerische Staatshaushalt wird bis weit in das nächste Jahr hinein verschoben werden, weil Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der Staatsregierung, Ihre Thronfolgeregelungen und die Riten der Stabübergabe und Staatsübergabe wichtiger sind als eine Anpassung der Landespolitik an die dringenden Herausforderungen der Landespolitik und der fi nanzpolitischen Notwendigkeiten.