Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zwei kurze Vorbemerkungen. Wir haben jetzt neun Monate Interregnum, neun Monate Stillstand in der Landespolitik: Nichts geht weiter in der bayerischen Umweltpolitik, nichts geht weiter in der bayerischen Bildungspolitik, der bayerische Staatshaushalt wird bis weit in das nächste Jahr hinein verschoben werden, weil Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der Staatsregierung, Ihre Thronfolgeregelungen und die Riten der Stabübergabe und Staatsübergabe wichtiger sind als eine Anpassung der Landespolitik an die dringenden Herausforderungen der Landespolitik und der fi nanzpolitischen Notwendigkeiten.
Was machen Sie dann? – Sie bringen solche Ersatzanträge wie heute, die helfen sollen, diesen Stillstand in der Landespolitik zu kaschieren. Heute wird von Ihnen als wichtigstes bayerisches Thema die Frage von Mitarbeiterbeteiligung nach einer bundesgesetzlichen Regelung aufgerufen.
Da gibt es – das sei Ihnen konzediert – neben dem Stillstand in der Landespolitik noch einen weiteren Grund für die Auswahl derartiger Bundesthemen – dafür habe ich ein gewisses Verständnis –: Seit Ihr Einfl uss in der Bundespolitik marginalisiert ist, Sie also Ihre Stücke nicht mehr da aufspielen können, wo sie hingehören, nämlich in Berlin, suchen Sie eine Ersatzbühne. Die fi nden Sie hier im Landtag. Für meine Fraktion und für mich persönlich kann ich aber feststellen: Der Landtag ist der Ort für landespolitische Auseinandersetzungen, nicht aber für bundespolitische Ersatzdebatten.
Dass es hier dringendere Themen gäbe, können Sie bei einem Blick auf die nachfolgenden Dringlichkeitsanträge der Oppositionsfraktionen feststellen. Sie wollen aber gerade von diesen wichtigen landespolitischen Themen ablenken.
Ich will noch ein paar inhaltliche Bemerkungen zum Investivlohn machen, der regelmäßig durch die bundespolitische Diskussion geistert. Ich bin fast versucht, ihn als Fliegenden Holländer der deutschen Politik zu bezeichnen.
Erstens, und das ist der zentrale Punkt: Für den überwiegenden Teil der Beschäftigten ist die Absicherung von Verlustrisiken eine Conditio sine qua non für Mitarbeiterbeteiligungen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können es sich schlicht nicht leisten, im Konkursfall Arbeitseinkommen und Unternehmensbeteiligungen gleichzeitig zu verlieren. Deshalb sollten wir sie auch nicht durch eine staatliche Unterstützung diesem doppelten Risiko aussetzen.
Zweitens. Völlig unklar – und da hat Herr Pschierer andeutungsweise gemeint, das müsse man im Einzelfall sehen – ist bei Personengesellschaften, die einen großen Anteil der bayerischen Unternehmen und der Beschäftigten ausmachen, wie beispielsweise der Unternehmenswert bestimmt werden soll, auf dessen Grundlage Anteilsscheine oder ähnliche Beteiligungskonstruktionen gewährt werden sollen. Deshalb ist das CSU-Modell völlig untauglich.
Tauglich ist leider auch das nicht, was die SPD vorschlägt. Die SPD fordert einen Deutschlandsfonds. Ich bin etwas irritiert wegen des krassen „Njet“ der CSU; denn letztlich ist das, was die SPD mit dem Deutschlandfonds fordert, eine Wiedervorlage dessen, was Herr Koch von der CDU, der ebenso überbetriebliche Fonds einrichten will, schon gefordert hat. Deshalb bin ich überrascht, dass die CSU so dagegen ist. Der heute nachgezogene Dringlichkeitsantrag ist ebenso untauglich, weil er materiell
Ich habe ihn gelesen, Kollege Maget. Ich sehe Kollegen Dr. Beyer gerade nicht, ich zitiere mit seiner Genehmigung die Überschrift aus der Ursprungsfassung –, da hieß es: „Bayer, aber gerechter“. Bei Ihrem Antrag „Bayern, aber gerechter“ geht es unabhängig von der formalen Konstruktion, die Kollege Maget richtig beschrieben hat, faktisch insoweit um einen überbetrieblichen Fonds, weil die Arbeitnehmerinnen daraus eine 5-prozentige Verzinsung – das ist jedenfalls das in Rheinland-Pfalz praktizierte Modell, Kollege Pschierer, das Sie nicht kennen – ihrer Anteile plus eine Einmalzahlung von 10 % am Ende der zehnjährigen Laufzeit erhalten.
Mit diesem Modell ist zwar das Problem der Risikostreuung gelöst, es werden aber – und das ist das Problem – sämtliche materiellen Vorteile, die bei einem solchen Mitarbeiterfonds bestehen könnten, ausgehebelt.
Sie erreichen keine bessere Unternehmenskultur, weil es für den einzelnen Arbeitnehmer keine Notwendigkeit gibt oder es keinen Sinn hat, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Die Rendite, die der Arbeitnehmer bekommt, ist von seiner Leistung weitgehend unabhängig. Ich glaube, Sie haben irgendwo noch zwei Prozent eingebaut.
Sie erreichen also keine bessere Unternehmenskultur, Sie erreichen keine höhere Identifi kation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Betrieb, und Sie erreichen keine höhere Motivation oder höhere Produktivität. Die Erfolgsbeteiligung bleibt bei diesem Modell weitgehend aus.
Kollege Maget, Sie kennen doch die Riten bei der Behandlung von Dringlichkeitsanträgen; Sie können sich jederzeit noch einmal zu Wort melden.
Damit werden die Fonds aus Arbeitnehmersicht zu nichts anderem als einem steuerfi nanzierten Finanzanlageprodukt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es gibt bessere Möglichkeiten, sein Geld anzulegen.
(Beifall bei den GRÜNEN – Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Das kann jeder machen wie er mag! Er muss es nicht!)
Es stimmt, dass Deutschland bei der Mitarbeiterbeteiligung hinterherhinkt. Das liegt aber nicht an zu geringen staatlichen Subventionen in diesem Land, sondern an der hier vorherrschenden Beteiligungskultur der Menschen. Kultureller Wandel lässt sich nach unserer Auffassung nicht herbeisubventionieren. Vielmehr wäre es sinnvoll und notwendig, Beispiele für Mitarbeiterbeteiligungen, die es in Deutschland zahlreich gibt, auch wenn es in der Summe nur acht Prozent sind, zu veröffentlichen und über Unternehmer- und Arbeitnehmerverbände dafür zu werben. Deswegen sind auch die beiden Bausteine Ihres SPD-Antrags „Öffentlichkeitsarbeit“ und „Beratungsförderung“ richtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für beide Dringlichkeitsanträge gilt aber noch ein Weiteres: Warum eigentlich sollte der Staat Steuergelder für diejenigen Beschäftigten ausgeben – denn nur dann ist es letztlich konstruierbar –, die in einem langjährigen sozialversicherungspfl ichtigen Beschäftigungsverhältnis in einem fl orierenden Unternehmen stehen? – Was SPD und CSU hier mit Ihren Konzepten betreiben,
ist weitgehend reine Mittelschichtförderungspolitik. Damit helfen Sie genau jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht, die staatliche Unterstützung, die unsere Unterstützung dringend bräuchten, nämlich jenen, die von der Großen Koalition mit Mindestlohnkompromissformeln abgespeist werden, die an der Realität ihrer „Armutslöhne“ nichts ändern können. Diese Menschen haben keinen Cent ihres Einkommens übrig, um dieses Geld in Unternehmensbeteiligungen zu investieren. Das sind genau diese problematischen Gruppen, für die wir etwas tun. Für diese Menschen ist Ihr Ansatz untauglich. Diese Menschen haben kein Geld dafür übrig.
Fassen wir zusammen, meine Lieben: Die bundespolitische Debatte um die Kapitalbeteiligung der Beschäftigten ist ein quälender Schaukampf der offensichtlich phantasielosen Koalitionsparteien in Berlin, den Sie gegenüber der Öffentlichkeit inszenieren. Sie glauben, solche Rituale regelmäßig zu Ihrer Profi lierung zu benötigen. Kollege Pschierer hat darauf hingewiesen, dass dies ein immerwährendes Spiel ist.
Ich habe den Fliegenden Holländer erwähnt; anders als beim Fliegenden Holländer können wir in Sachen Investivlohn eine Erlösung von dieser Qual nur dann erreichen, wenn Sie mit uns beide Dringlichkeitsanträge ablehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Hallitzky. Um das Wort hat noch einmal Herr Kollege Pschierer gebeten. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Hallitzky, ich habe von Ihnen zu oft den Vorwurf des Stillstands in verschiedenen Politikbereichen gehört.
Hören Sie damit auf! Die Menschen in diesem Land glauben Ihnen das nicht. Das glauben nicht einmal die Journalisten vor der Türe, geschweige denn die Bevölkerung. In diesem Land gibt es keinen Stillstand.
Noch einmal zum Dringlichkeitsantrag der SPD: Herr Kollege Hallitzky, ich darf Ihnen in der Bewertung des Modells, das die SPD-Fraktion analog dem Modell in Rheinland-Pfalz vorgeschlagen hat, zustimmen:
Die SPD verwechselt hier etwas. Wir wollen keine Sparförderung für Arbeitnehmer. Bei diesem Modell hat der Arbeitnehmer eine ganz klar zugesagte Rendite von 4,5 %. 2,4 % gehen in den Fonds. Das wollen wir aber nicht, und das sagen wir den Leuten auch ehrlich. Wir wollen eine direkte Beteiligung des Mitarbeiters am Unternehmen. Bei dieser direkten Beteiligung haben die Mitarbeiter – das sagen wir ihnen auch – eine Wahlfreiheit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Beteiligung, angefangen bei Belegschaftsaktien über stille Beteiligungen bis hin zu Mitarbeiterdarlehen und Ähnliches.
Der entscheidende Unterschied bei uns besteht auch darin, dass wir bei der Absicherung der Beteiligung nach dem jeweiligen Charakter der Beteiligung unterscheiden müssen. Zum Beispiel gibt es für Mitarbeiterdarlehen Sicherungsformen. Klar ist aber auch – das habe ich Ihnen vorhin gesagt –, dass es bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung schwierig werden wird. Der Mitarbeiter weiß, dass eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung das Risiko des Insolvenzfalles in sich birgt.
Herr Kollege, Sie haben gesagt, wir bräuchten den Bund dazu nicht. Für das, was wir wollen, brauchen wir den Bund. Wenn Sie § 19 a des Einkommensteuergesetzes ändern wollen, brauchen Sie den Bundesgesetzgeber.
Entschuldigung, darum wird etwas daraus. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass 500 Euro pro Jahr von Steuern und Sozialabgaben befreit sind. Über die restlichen
Das Hälftigkeitsprinzip kann nicht der Freistaat Bayern abschaffen, dazu brauchen wir den Bund. Deshalb bleiben wir dabei: Ihr Modell sieht letztlich doch einen Fonds vor. Dazu darf ich auch Ihren Herrn Olaf Scholz, den 1. Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, zitieren.