Sie fordern Argumente, Frau Kollegin? Dann darf ich Ihnen jetzt Fakten bieten. Herr Kollege Pfaffmann hat sich sehr weit nach vorn gewagt. Er hat unterstellt, die pädagogischen Freiheiten reichten nicht aus. Die Modusmaßnahmen hat er mit keinem Wort erwähnt. Wir sind auf dem Weg, die Modusmaßnahmen zu verlängern. Die Schulen, die diese Freiheit haben wollen, konnten das in der Vergangenheit haben und sie können das auch in Zukunft.
Zu den Fakten. Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben hoch gepokert und behauptet, draußen gebe es keine Befürworter des G 8, höchstens irgendwelche Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion. Ich geben Ihnen zwei Belege, in denen Sie das Gegenteil nachlesen können. Ich habe nur zwei herausgegriffen, sicher könnten Sie noch mehr fi nden: „Süddeutsche Zeitung“ vom 10.05.2007. Überschrift: „Die Schüler fi nden das G 8 toll“. Peinlich, Herr Kollege Pfaffmann, das ist doch genau die Schlagzeile, die Sie nicht wollen. Noch eine andere Schlagzeile: „Erlanger Nachrichten“ vom 23.05.2007: „Viele Kinder im G 8 bringen ohne Nachhilfe gute Leistung“.
Wie gesagt, die „gefühlte Belastung“ ist gesunken. Auch all die anderen Dinge, die wir hier sagen können, zeigen: Das G 8 ist die richtige Richtung.
Wir haben noch einiges in puncto Rahmenbedingungen im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu verbessern und zu gestalten. Aber auch im G 9 wären noch Dinge weiter zu optimieren gewesen. Hier muss man klar sagen, anstatt das G 8 in irgendeiner Weise zu diffamieren: Auch beim G 9 wäre vieles zu richten gewesen, und zwar Aufgaben, die wir jetzt auch beim G 8 haben. Diesen Aufgaben stellen wir uns mit klaren Aussagen für die Zukunft. Dafür brauchen wir keine Anträge der SPD-Fraktion, die das G 8 derart schlechtreden. Aus diesem Grund werden wir den Antrag der SPD ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Waschler! Ich weiß nicht, wo Sie die „gefühlte Belastung“ herhaben. Ich habe hier eine Grafi k des Landeselternverbandes, in der steht: „Hat das Lernpensum Auswirkungen auf den Familienalltag, die Sie als Belastung empfi nden?“ – Ja sagen 75 %. „Ergeben sich für Ihr Kind schulbedingte Stresssituationen?“ – Ja sagen 81,5 % in
den G-8-Klassen. Nur so viel. Wahrscheinlich haben Sie diese Dinge gefühlt. Das muss man wohl klarstellen.
Zu Ihrer Äußerung, der Nachtragshaushalt soll ein Bildungshaushalt sein. Hier wiederhole ich mich: Ich komme mir vor wie in der Sendung „Wir warten auf’s Christkind“. Die bayerischen Schülerinnen und Schüler und die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer können aber nicht mehr warten. Wir haben jetzt 1,3 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen, die sollten wir jetzt auch ausgeben. Wenn Ihnen Bildung wirklich etwas wert ist, dann müssen wir das jetzt tun.
Wenn Sie sagen, die Klassenstärken werden sich sukzessive senken, dann muss ich Ihnen sagen: Wenn man das, was Sie hier vorgetragen haben, hochrechnet, dann haben wir im Jahr 2019 an den Gymnasien eine Klassenstärke von 25.
Wenn Sie das gut fi nden, Herr Kollege Waschler, dann weiß ich nicht, warum Sie ein vehementer Streiter für die Bildungspolitik sind. Jedem vernünftigen Betrachter und jeder vernünftigen Betrachterin erschließt sich, dass in einer kleinen Klasse Bildung und individuelle Förderung leichter fällt.
Eigentlich müssten Sie den GRÜNEN und den Roten hier die Füße küssen, denn sonst müssten Sie sich noch viel mehr ausziehen und nackt hier stehen.
Ich nehme jetzt einmal den Begriff aus der Aktuellen Stunde: Stillstand. Stillstand verweigert allen Beteiligten im Bildungssystem ihre Zukunft. Seit Herr Stoiber angekündigt hat, dass er abtritt und derweil höchstpersönlich seine Leiche durch jedes kleine Dorf trägt, passiert hier, im Bayerischen Landtag, überhaupt nichts mehr.
Ich denke, wir müssen uns hier eines klar machen: Der Verursacher der ganzen Misere ist der Noch-Ministerpräsident, der einsam, selbstherrlich und von oben herab die Entscheidung für eine handstreichartige Einführung des G 8 getroffen hatte.
Sie haben nämlich Wahlbetrug begangen, denn in allen Wahlprüfsteinen haben Sie gesagt, an die Einführung eines achtjährigen Gymnasiums sei nicht gedacht. Als Herr Stoiber die Entscheidung getroffen hat, war überhaupt nichts klar. Die Modellversuche liefen ungefähr seit einem Jahr und waren noch gar nicht ausgewertet. Es gab keinen Lehrplan. Stattdessen gab es einen neuen Lehrplan für das G 9. Für die Intensivierungsstunden gab es keinen Personalplan, keinen Personalbedarfsplan, noch nicht einmal eine Prognose. Da war nichts hochgerechnet, bis alle Jahrgangsstufen durch sind. Es gab keinen Plan für die Mittagsbetreuung. Gott sei Dank gab es das Investitionsprogramm Zukunft, Bildung und Betreuung – IZBB –. Sie hatten keinen Finanzplan, im Gegenteil. Im Nachtragshaushalt 2004 wird unter „Personalausgaben“ eine Reduzierung von 6,2 Millionen Euro genannt. Deshalb gibt es nach meiner Meinung für das G 8 eine Überschrift, und die lautet: „Planlosigkeit“.
Sie haben sehr viel selbst gewusst oder sehr viel wissen können, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Sie haben sich aber einem Ziel untergeordnet, und das war damals der Traum des Ministerpräsidenten, nach Berlin als Kanzler oder als Minister ziehen zu können. Sie haben dann die Prügel einkassiert. Nachdem aber Herr Müntefering vom SPD-Vorsitz zurückgetreten ist, hat Herr Stoiber die Flucht nach München angetreten. Damit hat er weniger ausgehalten als Sie, Kolleginnen und Kollegen, haben aushalten müssen.
An Ihrer Stelle würde mich allein schon das ärgern. Eines muss ich Ihnen allen aber sagen, allen 124 Abgeordneten, die Sie hier auf der schwarzen Seite des Hauses sitzen:
Jeder Einzelne hat seine Hand gehoben, obwohl alle Argumente klar waren. Sie alle tragen die Verantwortung für die jetzige Lage. Sie können sich nicht damit herausreden, dass der eine oder andere vor Ort noch einräumt: Ich gebe euch recht. Das ist nicht genug.
Sie haben auch das Ziel „keine Nettoneuverschuldung“ verfolgt. Zusammen mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums führte dies dazu, dass die notwendige Versorgung mit Lehrkräften ausgesetzt wurde, was wiederum dazu führte, dass sich Studenten für das Lehramt für ein anderes Studium oder für ein Fachstudium entschieden; denn die Launen eines Finanzministers sind eine unsichere Variable in der Zukunftsplanung eines jungen Menschen.
Wir haben uns dem Zwangsdiktat des Ministerpräsidenten widersetzt, und wir haben Vorschläge gemacht – das ist die Aufgabe der Opposition –, das G 8 für eine Bildungsreform zu nutzen, seine Einführung mit Verstand vorzubereiten und die Beteiligten einzubeziehen. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, Herr Schneider: Wenn du schnell gehen willst, gehe allein. Wenn du weit kommen willst, gehe miteinander. Ich denke, das ist das Resultat, das der jetzige oberbayerische Bezirksvorsitzende aus der Katastrophe mit dem G 8 mitnimmt.
Sie sind dem Ministerpräsidenten blind gefolgt. Sie haben sich bei allen Schülerinnen und Schülern in Bayern verschuldet, und Herr Stoiber hat es Herrn Schneider nicht gedankt. Stattdessen wurde die Bildungspolitik das Spielfeld parteipolitischer Ränkespiele. Allerdings sollte es um unsere Kinder gehen und nicht darum, wer oberbayerischer Bezirksvorsitzender der CSU werden soll und wie man einen aussichtsreichen Aspiranten verhindern kann. Jetzt, Herr Schneider, da Sie Bezirksvorsitzender sind, müssen Sie kämpfen und die Schulden, die Sie bei den bayerischen Kindern – nicht nur bei den Gymnasiasten – gemacht haben, zurückzahlen. Wir fordern deshalb einen Nachtragshaushalt nicht nur für das Gymnasium, sondern für alle Schulen. Wir haben nämlich viele Dauerbaustellen. Herr Kollege Mütze wird unsere Forderung begründen. Die Schülerinnen und Schüler können nicht warten.
Auf unsere Initiative hin wird es morgen im Landtag eine Anhörung zum G 8 geben. Dieser will ich nicht vorgreifen. Wir können aber heute schon sagen: 55 Stellenäquivalente reichen nicht aus. Das Budget für die Schulen reicht auch nicht aus. Die Unterscheidung des Lehrplans in Pfl icht und Kür genügt auch nicht. Wir brauchen mehr Geld und ein Notprogramm für die bayerischen Gymnasien.
Detaillierte Gestaltungsvorschläge für das G 8 werden wir nach der Anhörung im Landtag einbringen. Bei 1,3 Milliarden Euro Steuereinnahmen in diesem Jahr brauchen wir in diesem oder im kommenden Schuljahr mehr Geld für alle Schulen. Das geht nur über den Nachtragshaushalt. Wie das aussehen soll, erklärt Kollege Hallitzky.
Danke, aber das ist zu spät. Manchmal ist alles so trocken, dass es einem fast die Stimme verschlägt. Ich höre aber erst auf, wenn es gar nicht mehr geht.
Für die Staatsregierung hat Staatsminister Schneider um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben allerhand Szenarien hören dürfen. Ich möchte ein paar Dinge zurechtrücken, um der Wahrheit ein bisschen näher zu kommen.
Herr Kollege Pfaffmann, man kann aus jeder Umfrage Teile herausziehen, sie nur teilweise vorstellen und mit einer eigenen Wertung versehen. Wir haben das ein paar Mal von Ihnen erlebt. Ich will dabei deutlich machen, dass die Umfrage der Landeselternvereinigung der Gymnasien in Bayern e. V. – LEV – zur Frage, ob Kinder an den Gymnasien belastet seien, ergibt, dass 72 % nicht oder kaum belastet seien. Man kann natürlich das „kaum belastet“ als „riesige Belastung“ darstellen und zu den Belastungen hinüberziehen. Ich will ganz offen sein. Jeder von uns war Schüler. Ich kann mich erinnern, dass auch ich mich manchmal belastet gefühlt habe. Wenn man die Schule besucht, kommt es vor, dass man sich auch mal belastet fühlt.
Welche Situation soll das sein, wenn Schule nur dann gut ist, wenn sich niemand belastet fühlt? Das ist doch völlig irreal und an den Haaren herbeigezogen.
Gleiches gilt für Sie, Frau Tolle. Sie haben bei der Belastung der Familien auch die Aussagen eingerechnet „Wir fühlen uns gelegentlich belastet.“ und „Wir fühlen uns selten belastet.“. Zählt man dies hinzu, kommt man auf einen anderen Prozentsatz als den tatsächlichen. Beim Vergleich aller Parameter des G 8 und des G 9 wird man feststellen, dass es Bereiche gibt, in denen die Belastung zurückgegangen ist, und andere, wo die Belastung gestiegen ist, denn es kommt immer auf den Einzelnen an.
Das Gymnasium, liebe Kolleginnen und Kollegen setzt auf begabungsgerechte Förderung. Deshalb ist es möglich, dass für manche nicht diese Schulart, sondern eine andere Schulart optimal ist. In Bayern gibt es viele Wege. Tatsache ist, dass 43 % aller Studienanfänger nicht vom Gymnasium kommen, sondern andere Wege gewählt haben. Das zeigt deutlich, dass es viele unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zum Hochschulstudium gibt. Deshalb ist es für einen Schüler nicht unbedingt ein Problem, wenn er das Gymnasium verlässt, zur Realschule und zur Fachoberschule geht und dort das Abitur ablegt. Er wählt lediglich einen anderen Weg.
Auch wegen der Nachhilfe ist es schwierig, den Wahrheitsgehalt nachzuvollziehen. Am 25.06.2007 war in einer großen Münchner Zeitung ein Interview mit dem Geschäftsführer eines Nachhilfeinstituts wortwörtlich zu lesen, dass die Einführung des G 8 in München fast spurlos an den Nachhilfeschulen vorübergegangen ist: „Wir unterrichten genauso viele Schüler wie vor fünf Jahren.“