Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns allen ist klar: Bei der Energiewende wird es auf eine breite Palette von verschiedenen Energieformen ankommen. Das ist die Windkraft, ist Biomasse, ist der Solarstrom; die Tiefengeothermie wird auch dazugehören. Was ist aber, wenn man ein technologieoffenes Grünstrom-Zertifikat einführt? Es setzt sich nur noch die Technik durch, die zum jeweiligen Zeitpunkt die wirtschaftlichste ist. Sie wird sich durchsetzen. Aber das wird dann heißen: Wasserkraft und Windkraft. Aber nur mit Wasserkraft und Windkraft wird die Energiewende nicht zu meistern sein. Das muss jedem wirklich klar sein und jedem bewusst werden.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir brauchen einen breiten Mix, weil uns allen doch bewusst ist: Die erneuerbaren Energien stehen nicht immer zur Verfügung; die einen gleichen die anderen aus. Wir müssen in die Breite gehen und dürfen nicht nur der Technologie, die gerade am wirtschaftlichsten ist, dermaßen Vorschub leisten. Mit den Zertifikatregelungen aber würde das schlagartig kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In einem weiteren Bereich bin ich erstaunt über einen Vorschlag des Wirtschaftsministers. Was wird wirklich

passieren bei diesen ganzen technologischen Neuerungen? Der bisherige Fortschritt in den verschiedenen Techniken der erneuerbaren Energien wird so nicht mehr stattfinden. Niemand wird mehr bereit sein, in Techniken wie zum Beispiel die Tiefengeothermie bis jetzt immer so massiv unterstützt von FDP & Co, muss man offen sagen - mehr zu investieren. Sie ist zurzeit eine der teuersten Energien, aber uns allen ist bewusst: Wir brauchen auch die Tiefengeothermie, da sie sozusagen wirklich rund um die Uhr Strom zur Verfügung stellen kann.

(Tobias Thalhammer (FDP): Die Umlage wurde angepasst!)

- Die Umlage wurde angepasst, richtig. Aber der Minister spricht davon, den Vorrang der festen Vergütungssätze abzuschaffen. Dann bringt einem das gar nichts mehr, wenn man ein Grünstrom-Zertifikat hat und damit 10 % Ökostrom belegen muss. Dann nimmt der Versorger den Ökostrom, der am günstigsten ist.

Das ist doch selbstverständlich, wenn man eins und eins zusammenzählt; das wird so kommen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Der Minister steht für Innovationssicherheit in der Planung!)

Ein weiterer Bereich ist - das wird auch nicht mit so einem System kommen - die vorteilhafte Kostenregression im PV-Bereich der letzten Jahre. Damit wäre dieses Modell nie gekommen. Es ist gekommen dank fester Einspeisevergütungen, die auch immer wieder angepasst worden sind.

Zum Thema Kostenexplosion ist zu sagen: Seit 2008 sind die Einspeisevergütungssätze im PhotovoltaikBereich um 50 % gesenkt worden. Das heißt, das Instrument eines Marktanreizes und der schrittweise Abbau der Förderung haben richtig funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, liegt mir persönlich und sicherlich auch vielen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus sehr am Herzen: Draußen in den Stimmkreisen, werden Sie und andere nicht müde, davon zu sprechen, dass die Energiewende in der Bürgerhand stattfinden muss. Keiner wird müde, von Energiegenossenschaften zu sprechen und bei den Gründungsversammlungen dabei zu sein. Wenn der Vorrang und die festen Vergütungssätze wegfallen, dann wird kaum noch einer in die Genossenschaften investieren. Dann sind die regionalen Banken keine Geldgeber mehr, weil das Risiko viel größer wird. Das heißt: Die Energiewende muss davon weg und in die Hand der Bürger, aber

auch zu den großen Konzernen, die das Geld durch Refinanzierung leichter besorgen können.

Aber das alles wird nicht funktionieren. Für eine Windkraftanlage von 3,5 Millionen Euro wird eine Genossenschaft, die sich meistens die Hälfte bei einer Bank leihen müsste, ohne sichere, planbare Einspeisevergütung keine Bank finden, die ein Darlehen dafür gibt. Das bedeutet das Ende der Bürgerbeteiligung an der Energiewende. Das ist mit uns nicht zu machen. Deshalb haben wir den heutigen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Ich bitte, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CSU hat Herr Reiß das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hartmann, das EEG war, wie Sie es in Ihrem Antrag zeitlich richtig einordnen, sicherlich der Auslöser und die Basis für den bisherigen Erfolg im Ausbau der erneuerbaren Energien. Das bestreitet keiner. Dass ein Einspeisevorrang zu kostendeckenden Vergütungssätzen, die für einen langen Zeitraum garantiert sind, Investitionen auslöst, ist meines Erachtens selbstverständlich. Dass Sie diese Selbstverständlichkeit heute vom Landtag feststellen lassen wollen, wie Sie es in Ihrem Dringlichkeitsantrag sagen, ist meines Erachtens etwas dürftig.

Entscheidend ist nämlich vor allem für die Zukunft die weitere und nicht weniger wichtige Aufgabe des EEG, die erneuerbaren Energien weiter an den Markt heranzuführen. Das EEG ist ein Instrument zur Markteinführung. Wer sich wie die GRÜNEN für den Erfolg des EEG feiern lassen will und der Staatsregierung Versäumnisse vorwirft, muss sich auch fragen lassen, was er denn selbst für die Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien getan hat. Was haben denn die GRÜNEN in den letzten zehn Jahren für den Ausbau der Stromnetze und der Speicherkapazitäten getan, außer dagegen zu demonstrieren?

(Beifall bei der CSU)

Die erneuerbaren Energien sind dank des EEG längst keine Nische mehr. 10 oder 20 % erneuerbare Energien in ein System zu integrieren ist sicher etwas anderes, als wenn es 40, 50 % oder mehr wären.

Herr Kollege Hartmann, Sie schreiben in der Antragsbegründung selbst, dass der Einspeisevorrang und die garantierte Vergütung bei einer weiterhin erfolgreichen Entwicklung der erneuerbaren Energien zweifellos auf den Prüfstand gestellt werden müssen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Hartmann.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe zwei Fragen zu Ihren Ausführungen.

Erstens. Sie haben uns in der üblichen alten Rhetorik wieder vorgeworfen, wir wehrten uns gegen die Speicherkraftwerke und behinderten sie. Ist Ihnen bekannt, dass der Umweltminister in der Kabinettsitzung vom 17. April angekündigt hat, eine Art Pumpspeicherkataster auf den Weg zu bringen, um endlich bei der Standortfrage abwägen zu können und in dieser Frage voranzukommen? Ist Ihnen bekannt, dass der Antrag bereits vor zwei Jahren von uns gestellt und dann abgelehnt worden ist, und zwar mit der Kommentierung, das sei keine staatliche Aufgabe? Ich frage mich, wer hier den Ausbau der Pumpspeicherkraftwerke in Bayern behindert.

Zweitens. Sie haben zu der Begründung unseres Antrags gesprochen. Sie waren als Vorsitzender der Energiekommission selber dabei, als der Minister davon sprach, wir müssten bei den erneuerbaren Energien die Märkte ins Spiel bringen, und zwar so schnell wie möglich. Daraus ergibt sich die akute Gefahr, dass neben dem Absenken der Einspeisevergütungssätze, das gravierend ist, jetzt auch noch relativ zügig das EEG weiter untergraben werden soll, um eines Tages das endgültige Sterben des EEG als relativ klein darstellen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstverständlich kenne ich den Antrag der GRÜNEN zum Pumpspeicherkataster und weiß, dass im Kabinett beschlossen wurde, bayernweit nach geeigneten Standorten für Pumpspeicherkraftwerke zu suchen. Aber beides ist nicht zwingend das Gleiche. Wenn ich ein Kataster mit theoretisch denkbaren Standorten über Bayern ziehe und dadurch Unruhe in das Land bringe, ist es etwas anderes, als wenn ich konkret und gezielt auf Standorte zugehe, die nach bestimmten Kriterien geeignet sind.

Auf den Hinweis zu den Märkten, den der Minister in der Kommission zum Ausdruck gebracht hat und das Marktdesign, komme ich gern zurück.

Ich knüpfe jetzt aber daran an, dass auch Sie das aktuelle Design auf den Prüfstand stellen wollen. In Ihrer

Begründung wundert mich eines. Und das ist, Herr Kollege Hartmann, das möchte ich fast so sagen, der Hammer.

(Tobias Thalhammer (FDP): "Thalhammer" wäre ein Kompliment!)

- Ja, das wäre ein Kompliment. Aber, ich glaube, das würde Herr Hartmann für sich nicht in Anspruch nehmen wollen.

Sie schreiben in Ihrer Begründung, eine Abschaffung des Einspeisevorrangs und der Einspeisevergütung kämen

… erst dann in Frage, wenn die erneuerbaren Energien in wesentlichen Teilen des Jahres eine Vollversorgung gewährleisten können. Nur wenn dies der Fall ist, können die herkömmlichen Grundlastkraftwerke auf nuklearer und fossiler Basis abgeschaltet werden und damit der Markt für flexible Ersatzkraftwerke geöffnet werden.

Herr Kollege Hartmann, am Jahrestag von Tschernobyl wollen Sie also den Ausstieg aus der Kernenergie erst dann, "wenn die erneuerbaren Energien in wesentlichen Teilen des Jahres eine Vollversorgung gewährleisten". Aber wir wollen das nicht. Und Sie wollen auch erst dann, wenn diese wesentliche Vollversorgung mit erneuerbaren Energien gewährleistet ist, den Markt für flexible Ersatzkraftwerke öffnen. Auch das wollen wir nicht.

Genau das war die Intention in der Diskussion mit Staatsminister Zeil in der Energiekommission. Ein Marktdesign, das Systemintegration, Speichertechnik und den Ausbau flexibler Ersatzkraftwerke fördert, braucht man doch nicht erst, wenn die erneuerbaren Energien die wesentliche Vollversorgung übernommen haben. Dieses Marktdesign braucht man, damit man überhaupt so weit kommen kann. Das Design ist keine Folge der Vollversorgung mit erneuerbaren Energien, sondern die Voraussetzung.

Dass das Konzept zum jetzigen Zeitpunkt mit Grünstromzertifikaten funktionieren soll, sehe auch ich skeptisch. Jedenfalls hätte das kurz- oder mittelfristig negative Auswirkungen auf den Ausbau der Photovoltaik und auf Bürgerenergieanlagen und würde die Dynamik in diesem Bereich vor allem in Bayern ein Stück weit zum Erliegen bringen.

Diese Dynamik war gerade in den letzten zwei Jahren enorm. In den Jahren 2010 und 2011 wurden in Deutschland insgesamt 15.000 Megawatt Photovoltaik zugebaut. In Bayern waren zu Beginn des Jahres, wie der Staatsminister auch in der Energiekommission berichtet hat, 8.100 Megawatt Photovoltaikleis

tung installiert. Das ist weit mehr als unsere installierte Kernkraftwerksleistung. Das zeigt eindeutig, dass Investoren eine gute Rendite erwirtschaften und die Anlagenpreise offensichtlich stärker sinken als die Einspeisevergütung.

Eine Rückführung des Anlagenzubaus auf ein gesundes Maß liegt im Interesse einer kosteneffizienten Entwicklung und eines kosteneffizienten Ausbaus unserer Stromversorgung. Dieses Interesse liegt auch der aktuellen EEG-Fortschreibung zugrunde. Man kann an dieser Fortschreibung allerdings noch vieles kritisieren, beispielsweise die Begrenzung auf zehn Megawatt oder den Wegfall des Eigenverbrauchsbonus.

Wir haben gerade aus Bayern an dem Entwurf noch wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der Vertrauensschutz wurde deutlich verbessert. Der automatische Anpassungsmechanismus, also der "atmende Deckel", wurde wieder eingeführt. Die Rechte des Parlaments wurden gestärkt. Die Versorgungsermächtigungen wurden gestrichen.

Deshalb kann ich hier betonen: Wir wollen keine schleichende Abwicklung des EEG, sondern eine intelligente, volkswirtschaftlich sinnvolle Weiterentwicklung mit bezahlbaren und wettbewerbsfähigen Strompreisen für Verbraucher und Wirtschaft. Wir wollen an erster Stelle die Zuverlässigkeit unserer Stromversorgung sicherstellen. Wenn diese nicht gewährleistet ist, sinkt die Akzeptanz für neue Lösungen. Dies kann keiner wollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bevor ich Herrn Wörner für die SPD das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass zu diesem Dringlichkeitsantrag von diversen Stimmen der FDP namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

(Tobias Thalhammer (FDP): Ich habe sie nur einmal angemeldet!)

Herr Wörner, Sie haben das Wort.