Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 105. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einige Geburtstagsglückwünsche aussprechen.
Am 26. Juni feierte Frau Kollegin Dr. Gabriele Pauli einen halbrunden Geburtstag. Ebenso einen halbrunden Geburtstag feiert heute Frau Kollegin Petra Dettenhöfer. Weiterhin haben heute Frau Kollegin Kathrin Sonnenholzner und die Herren Kollegen Hans Herold und Volkmar Halbleib Geburtstag.
Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.
Wenn er nun hier wäre, hätte ich noch einen weiteren Glückwunsch ausgesprochen; den kann ich nachholen. Ich will nur ankündigen, dass der Herr Ministerpräsident, der diesem Hause nicht angehört, heute auch Geburtstag hat.
Wir treten jetzt in die Tagesordnung ein und können das nachholen, wenn er uns die Ehre seiner Anwesenheit gibt.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes und der Bayerischen Kommunikationshilfenverordnung (Drs. 16/13011) - Erste Lesung
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Abbau von Barrieren ist eines der großen Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention. Er war bereits lange davor ein Schwerpunkt bayerischer Politik für Menschen mit Behinderung. Dennoch gibt es immer wieder Lücken, die es zu schließen gilt.
Verbänden die Ungleichbehandlung bei der Erstattung von Kosten für Hilfen für hör- und sprachbehinderte Eltern hörender Kinder zur Kommunikation mit der Schule und mit Kindertageseinrichtungen/Tagespflegestellen beklagt. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir diese Ungleichbehandlung beseitigen.
Wir erreichen damit, dass künftig hör- und sprachbehinderte Eltern hörender Kinder auch Anspruch auf eine Kostenerstattung für eine Kommunikationshilfe bei der Kommunikation mit Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen haben. Gleichzeitig werden die Aufwendungen für eine Kommunikationshilfe mit dem vollen, im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG - geltenden Betrag erstattet. Bisher erfolgte eine Erstattung nur bis zu 75 % der im JVEG geltenden Sätze. Damit werden die Erstattungssätze für Gebärdensprachdolmetscher den Sätzen in den Sozialgesetzbüchern angeglichen und wird ein Gleichklang herbeigeführt.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine konsequente Fortsetzung bayerischer Gehörlosenpolitik, um weiterhin dazu beizutragen, Kommunikationsbarrieren für hörbehinderte Menschen abzubauen.
Ich möchte bei der Gelegenheit darauf hinweisen, dass sich in den letzten Jahren vieles für Menschen mit Hörbehinderung verbessert hat, zum Beispiel die Anerkennung der deutschen Gebärdensprache als eine eigenständige Sprache, die Kostenerstattung für die Kommunikationshilfen in Verwaltungsverfahren, die Gründung des Gehörloseninstituts Bayern in Nürnberg, das sich explizit den Abbau von Kommunikationsbarrieren auf seine Fahne geschrieben hat, und nicht zuletzt die Gründung des Fachdienstes für Integration taubblinder Menschen in München. Bayern geht damit konsequent den Weg weiter, Barrieren auch für hörbehinderte Menschen schrittweise abzubauen.
Mit der Änderung des Artikels 17 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes ermöglichen wir Flexibilität. Die derzeitige Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Frau Badura, übt, wie Sie wissen, ihre Tätigkeit im Ehrenamt aus. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, die oder den Behindertenbeauftragten ab der nächsten Legislaturperiode gegebenenfalls auch im Hauptamt zu bestellen. Der Gesetzestext wird dahin gehend geändert, dass Artikel 17 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes künftig keine Aussage mehr zur Art der Beschäftigung - ob haupt- oder ehrenamtlich - enthalten wird. Damit kann der oder die Behindertenbeauftragte sowohl hauptamtlich als auch ehrenamtlich berufen werden. Diese Flexibilität ist uns deshalb wichtig, da es dann
auch möglich ist, auf den Wunsch der geeigneten Person einzugehen, ob sie sich haupt- oder ehrenamtlich für dieses Amt zur Verfügung stellen möchte.
Der im Laufe der Jahre stark gewachsene Aufgabenbereich, unter anderem auch durch die Begleitung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die erfolgreiche Etablierung der Behindertenbeauftragten, rechtfertigt mittlerweile auch eine Ausübung dieser Tätigkeit im Hauptamt. Eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen ist aber im Hinblick auf den Vertrauensschutz erst, wie erwähnt, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode möglich, aber vor allem auch sinnvoll.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfes werden Ungleichbehandlungen bei der Kostenerstattung für Kommunikationshilfen beseitigt, einheitliche Erstattungssätze für Gebärdensprachdolmetscher im Sozialrecht geschaffen und die Flexibilität vergrößert, was die Stellung der oder des Behindertenbeauftragten angeht. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Danke schön, Frau Staatsministerin. - Als Nächste hat nun Frau Kollegin Steiger von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Steiger.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit an diesem Gesetzentwurf kommt einem schon vor wie das Bohren der berühmten dicken Bretter. Die Änderung - sprich: dieser Gesetzentwurf - ist längst überfällig.
Aber ich beginne zunächst einmal mit dem Artikel 17 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes, der Stellung der oder des Behindertenbeauftragten. Es ist erst ein paar Wochen her, da haben Sie von der CSU und der FDP noch einmal die Hauptamtlichkeit der Behindertenbeauftragten - wir hatten dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt - zum wiederholten Male abgelehnt.
Jetzt kommt der Gesetzentwurf der Staatsregierung zu dieser Thematik, und anscheinend hat der Engel Aloisius doch die göttlichen Eingebungen von oben nach unten transportiert, möchte man meinen. Im Ernst: Sie tun endlich das, was die SPD-Fraktion seit Langem fordert, und dafür müsste ich Sie loben.
Nun kommt jedoch das große Aber: Durch die Streichung der Sätze 3 und 4 ist die Hauptamtlichkeit noch
nicht gewährleistet. Sie streichen die Ehrenamtlichkeit und schreiben die Hauptamtlichkeit nicht in das Gesetz hinein, obwohl überall verkündet wird: Ja, dieser Aufgabenbereich ist so dringend notwendig, dass es einer Hauptamtlichkeit bedarf. Das ist für uns keine Flexibilität, wie Sie, Frau Ministerin, es ansprechen. Es ist ganz einfach nicht Fisch und nicht Fleisch und eröffnet jedes Mal, wenn es um die Besetzung der Funktion der Behindertenbeauftragten geht, eine neue Debatte um Hauptamtlichkeit und Ehrenamtlichkeit. Das können wir nicht wollen, Kolleginnen und Kollegen!
Sie haben sich bei unserem Gesetzentwurf zur Hauptamtlichkeit leider der ernsthaften Diskussion im Ausschuss nicht gestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP. Aber jetzt geht es, wie es immer geht, wir kennen es ja: Die guten Initiativen der Opposition werden erst einmal abgelehnt, dann werden sie aufgegriffen - von der Staatsregierung oder den Koalitionsfraktionen - und werden als eigene Initiative dann beschlossen - noch nicht einmal klar und deutlich. Ich verweise darauf, was die Landtagspräsidentin beim Tag der behinderten Menschen hier im Landtag angesprochen hat, dass jetzt die Hauptamtlichkeit ins Gesetz hineingeschrieben würde - leider eben noch nicht. Das werden wir im Ausschuss diskutieren müssen, und ich kann Ihnen sagen: Es wird ein Änderungsantrag von uns kommen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich sehr herzlich bei Frau Badura für die anstrengende und vielfach fordernde Tätigkeit als Behindertenbeauftragte, die sie bisher ehrenamtlich und ganz hervorragend ausgeführt hat, bedanken.
Nun kommen wir zur Änderung des Artikels 11 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes. Hier gilt Ähnliches. In zahlreichen Debatten um das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes und des BayBGG, die geführt worden sind, in Anhörungen und Petitionen wurde sowohl von den Betroffenen und den Experten als auch von uns darauf hingewiesen, dass die Kommunikation hör- und sprachbehinderter Eltern bereits in den Kindertagesstätten wichtig ist und damit auch die Aufwendungen für die Dolmetscher finanziert werden müssen.
Endlich ist dieses Anliegen hier angekommen. Eine Lösung ist in dem Gesetzentwurf in Sicht. Ob der angenommene Bedarf von zwei Stunden ausreicht, wage ich zu bezweifeln, aber das wird die Erfahrung und die Zeit zeigen. Aber wenn das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz schon geändert wird,
dann gleich richtig, würde ich meinen, und dann auch gleich inklusiv. Deshalb wäre folgende Formulierung im Artikel 11 richtig: "Hör- und sprachbehinderte Eltern … haben einen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen für die Kommunikation … mit den Kindertagesstätten, der Tagespflege und mit der Schule ihrer Kinder." Also sollte hier kein Hinweis auf hörende Kinder stehen; denn damit hätten wir schon wieder eine Ausgrenzung, sondern es sollte ganz einfach "ihrer Kinder" heißen, ganz egal, ob sie hörbehindert sind oder nicht.
Wenn wir mit dieser Formulierung zur Klarstellung und zur Umsetzung auch zur Inklusion kämen, dann wäre das ein guter Weg. Aber ich gehe davon aus, dass wir das noch vertieft im Ausschuss diskutieren werden.
Danke schön, Frau Kollegin. - Als Nächster hat Kollege Unterländer von der Christlich-Sozialen Union das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Lieber Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz ist im Kontext mit der Bekämpfung der Barrieren für Menschen mit Behinderung in der öffentlichen Verwaltung zu sehen.
Dieses Gesetz regelt darüber hinaus den Status des bzw. der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Ich sage das deshalb ausdrücklich vorab, weil häufig Leistungsansprüche im Zusammenhang mit diesem Behindertengleichstellungsgesetz diskutiert werden und diese Vermischung immer wieder Missverständnisse erzeugt. Deswegen ist es auch richtig, dieses Gesetz im Kontext mit einer Anhörung zu sehen, die der sozialpolitische Ausschuss zur Auswertung des Behindertengleichstellungsgesetzes durchgeführt hat, und auch im Kontext mit der Arbeit des Runden Tisches zum Aktionsplan und zu den diesbezüglichen Aktivitäten der Bayerischen Staatsregierung.
Die fundamentale Neuerung, die in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, ist sicherlich die Statusänderung für den Behindertenbeauftragten/die Behindertenbeauftragte. Wir haben darüber in der Tat in den vergangenen Monaten einige Male diskutiert. Wir haben darauf hingewiesen, dass wir eine Änderung der Situation aufgrund der rechtlichen Entscheidung in der jetzigen Amtsperiode immer nur für die künftige Amtsperiode als möglich ansehen. Dies ist auch entsprechend berücksichtigt worden.
Ich persönlich und meine Fraktion sind der Meinung, dass das am sinnvollsten ist, um für die Zukunft eine solche Möglichkeit zu schaffen - wenn ich mich richtig erinnern kann, gab es dazu einen Gesetzentwurf der GRÜNEN -, damit eine maßgeschneiderte Lösung für den Status der Behindertenbeauftragten getroffen werden kann. Wir wissen, dass es Vorgängerinnen gab, die sich in einer bestimmten beruflichen Situation befanden und das miteinander vereinbaren wollten. Es ist deshalb besser, wenn hier nicht ein bestimmter Status vorgeschrieben ist. Wir erachten die vorgeschlagene Neuregelung als günstiger.
Ich darf hier namens der CSU-Fraktion ein herzliches Vergelt’s Gott an Frau Badura und ihr Team sagen. Sie macht einen ganz hervorragenden Job und vertritt die Interessen der Menschen mit Behinderungen in hervorragender Weise.
Wir, also Frau Kollegin Brigitte Meyer als Ausschussvorsitzende und ich, haben uns gemeinsam auch an den Ministerpräsidenten gewandt, um die Diskussion in eine Richtung zu lenken, die künftig Hauptamtlichkeit wie Ehrenamtlichkeit ermöglicht. Auch dies ist in diesem Gesetzentwurf enthalten.
Die zweite Thematik, die schon bei den Anhörungen immer wieder eine Rolle gespielt hat: Es ist in der Tat richtig - und dem wird nachgekommen -, dass es bei den schulischen Veranstaltungen, bei den schulischen Aktivitäten eine Gleichstellung von hörbehinderten bzw. gehörlosen Eltern, deren Kinder hören, mit sehbehinderten und blinden Eltern sehender Kinder geben muss. Diese Gleichstellung ist dringend geboten. Es hat überhaupt keinen zwingenden sachlichen Grund gegeben, das nicht auf gleiche Art und Weise zu regeln. Deswegen bietet der Regierungsentwurf eine willkommene Gelegenheit zur Gleichstellung.
Schließlich war es auch nicht nachvollziehbar, dass die Kosten der diesbezüglichen Dolmetschereinsätze nur zu 75 % ersetzt worden sind. Dies wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein.
Der Gesetzentwurf ist deshalb der richtige Weg zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes und der Behindertenpolitik.