Protokoll der Sitzung vom 25.09.2012

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): So ein Blödsinn!)

Sie haben zu Nordrhein-Westfalen, zu einem aufgrund der Strukturkrise schwer gebeutelten Land, kritische Worte gesagt.

(Widerspruch bei der CSU)

- Hören Sie doch einmal in aller Ruhe zu! Ich weiß, dass Ihnen das wehtut. - Jetzt frage ich einmal, warum auch in Bayern die wirtschaftliche Schere zwischen den Regionen und den Regierungsbezirken so weit auseinandergeht, wie dies der Fall ist. Der Unterschied innerhalb der Regierungsbezirke Bayerns bei der wirtschaftlichen Entwicklung ist größer als der Unterschied zwischen Bayern und Berlin.

(Georg Schmid (CSU): In Berlin ist alles schlimmer!)

Das Bruttoinlandsprodukt Oberfrankens liegt nur bei 83 % des Bayerndurchschnitts. Oberbayern liegt bei etwa 120 % des Bayerndurchschnitts. Das heißt, die

CSU hat es innerhalb ihrer langen Regierungszeit, in ihrer Regierungsverantwortung, also seit über 54 Jahren, nicht geschafft, die wirtschaftliche Schere innerhalb Bayerns näher zusammenzubekommen als die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Bayern und Berlin.

(Georg Schmid (CSU): Das lernt ihr nie! Das lernen die Sozis nie!)

Sie kritisieren andere Bundesländer, schaffen es aber nach 50 Jahren Regierungsverantwortung nicht einmal in Ihrem eigenen Bundesland, annähernd gleichwertige Verhältnisse zu schaffen. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht weiter bei der Schere, die Sie völlig außen vor lassen und gegen die Sie kein auch nur irgendwie geartetes Rezept anbieten. In Bayern ist die soziale Herkunft so maßgeblich für den schulischen und beruflichen Erfolg wie in keinem anderen Bundesland. Das wissen Sie. Die bayerische Bildungspolitik zementiert soziale Ungleichheiten, statt sie zu beheben. Die unsozialen, ungerechten Studiengebühren leisten einen weiteren Beitrag dazu. Ich will dies wegen der vorhergehenden bildungspolitischen Debatte nicht weiter ausführen.

Aber zu einem Punkt, bei dem Sie eine maßgebliche Verantwortung haben und bei dem Sie Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, möchte ich schon noch etwas sagen, nämlich zu der Schere bei den Arbeitsverhältnissen. Unsichere, schlecht bezahlte Arbeit nimmt auch in Bayern drastisch und deutlich zu. Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte arbeitet inzwischen im Niedriglohnbereich. Wir brauchen endlich wirksame Maßnahmen, aber Sie verweigern sich diesen. CSU und FDP verweigern sich einem flächendeckenden Mindestlohn, und sie verweigern sich einem bayerischen Vergabegesetz. Damit subventionieren Sie weiter die wirtschaftliche Ungleichheit, und die Schere bei den Arbeitsverhältnissen wird größer. Damit subventionieren Sie weiter Unternehmer, die Dumpinglöhne zahlen, mit öffentlichen Haushaltsmitteln zulasten solider Unternehmer, die normale, vernünftige Löhne zahlen. Das ist Ihre Art und Weise, auf diese wirtschaftliche Schere zu reagieren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir schon bei den Vergleichen sind: Es ist doch eine Tatsache, dass die Altersarmut im Freistaat Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern überproportional hoch ist. Der vom bayerischen Sozialministerium aktuell vorgelegte Bericht zur sozialen Lage in Bayern ist doch alarmierend. Wenn in Bayern jeder

fünfte Mensch über 65 Jahren von Altersarmut bedroht ist und der Anteil bei den alleinstehenden Frauen sogar bei 28,3 % liegt, dann ist rasches politisches Handeln gefordert. Aber dazu sind Sie nicht in der Lage. Seit über einem Jahr liegen Ihnen, Herr Ministerpräsident, die Empfehlungen der von Ihnen selbst eingerichteten sogenannten Schösser-Kommission vor. Obwohl darin zahlreiche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Prävention von Altersarmut aufgezeigt werden, ignorieren Sie und die Staatsregierung diese Vorschläge. Damit tragen Sie zu einer Vergrößerung der wirtschaftlichen Schere innerhalb Bayerns bei. Das ist ein Umstand, den wir nicht akzeptieren können.

Last but not least ist die Schere zwischen Arm und Reich zu nennen. Herr Söder, Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen. Schauen Sie nur einmal, was sich nach dem Entwurf für den Vierten Armutsund Reichtumsbericht entwickelt hat: Zwischen 2007 und 2012, innerhalb von wenigen Jahren, hat sich das private Nettovermögen in Deutschland um 1,4 Billionen Euro auf 10 Billionen Euro erhöht. Hinter dieser Zahl steckt eine gravierend ungleiche Verteilung des Privatvermögens. In der gleichen Zeit mussten 40 % der Vollzeitbeschäftigten Verluste beim Einkommen hinnehmen. Die Entwicklung beim privaten Reichtum das ist vielleicht auch im Zuge der Haushaltsplanberatungen wichtig - steht auch in einem deutlichen Kontrast zur Entwicklung der öffentlichen Haushalte. Während das Nettovermögen des deutschen Staats zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012, also innerhalb von zwanzig Jahren, um 800 Milliarden Euro zurückging, hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte im gleichen Zeitraum von knapp 4,6 Billionen Euro auf 10 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Staatliches öffentliches Vermögen geht also zurück, privates Vermögen wächst. Die Rettungsmaßnahmen im Zuge der Finanzkrise haben diese Entwicklung eher forciert, als sie zu korrigieren.

Und jetzt kommt’s - wenn man dem Finanzminister zuhört, ist es eine Bestätigung -: CSU und FDP haben nicht nur keine Antwort auf diese Frage, sondern sie vergrößern mit ihrer Politik die Kluft zwischen Arm und Reich. Die CSU hat mit ihrer jahrzehntelang praktizierten Unterbesetzung der Finanzämter auch in Bayern die Steuergerechtigkeit zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Füßen getreten. Herr Söder will erklärtermaßen die Erbschaftsteuer für die Reichen noch einmal halbieren, wodurch die soziale Kluft in Deutschland noch größer wird, und die FDP spielt sich lieber beim Ankauf von Steuerdaten als Verteidigerin der Steuerhinterzieher auf, anstatt wenigstens für die ganz Kleinen und für die ganz unten für Mindestlöhne zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Solange die FDP in dieser Form mitregiert und solange die CSU so agiert, bekommen wir keine Politik, die diese Schere zwischen Arm und Reich schließt. Darauf kommt es aber uns, darauf kommt es der SPD an.

Nun ein paar Worte zu Ihrem "wunderbaren" Haushaltsplanentwurf, Herr Finanzminister. Er ist - das wissen Sie selbst am besten - im Prinzip eine etwas dicklich gewordene Wahlkampfbroschüre von CSU und FDP. Das, was die Staatsregierung heute der Öffentlichkeit und dem Bayerischen Landtag vorlegt, ist eigentlich gar kein Doppelhaushalt, sondern es ist nur ein Haushalt für das Jahr 2013. Das wissen Sie auch. Es ist eigentlich ein Haushalt bis zum 15. September 2013. Noch genauer: Das ist - das merkt man an allem - ein Haushalt für den 15. September 2013, den Tag der bayerischen Landtagswahl. Danach wird dieser Haushaltsplanentwurf Makulatur sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CSU - Glocke der Präsidentin)

Das ist ein Wahlkampfhaushalt, mit dem Sie versuchen, die politischen Fehler der letzten vier Jahre auf den letzten Drücker zu korrigieren. Die CSU baut in alter Manier auf die Vergesslichkeit der Wähler; aber das wird Ihnen dieses Mal nichts nützen. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Die Menschen erkennen, dass Sie nur ein kurzes Wahlkampf-Strohfeuer abbrennen.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Bevor Sie sich noch weiter erregen: Ein paar Beispiele gefällig? Im öffentlichen Dienst haben Sie in den vergangenen Jahren eine Grausamkeit nach der anderen begangen. Als es aber auf den Wahltermin zuging, hat der Wolf seinen Schafspelz angezogen. Finanzminister Söder ist zu den Beamten gegangen und hat gesagt: Bisher waren wir brutal; ab jetzt sind wir wieder friedlich.

(Zurufe von der CSU)

Die Kürzungen der Doppelhaushalte 2009/2010 und 2011/2012 - Sie wissen selber aus Ihrer örtlichen Arbeit, was im Detail gekürzt worden ist - versuchen Sie jetzt wieder geradezubiegen.

Bei den Kommunalfinanzen ist es das Gleiche. Diese hinkten den Staatsausgaben hinterher. Jetzt versuchen Sie in der letzten Minute, zumindest die Flanke bei den Kommunen zu schließen. Bei den Staatsstraßen war es ganz klassisch. Da waren die Ansätze viel

zu niedrig. Jetzt sind wir wieder bei Ansätzen, über die man vernünftig sprechen kann.

(Zurufe von der CSU)

Das beste Beispiel ist das Thema DSL, auf das ich später gerne noch näher eingehe. Warum müssen Sie denn in diesem Doppelhaushalt Millionenbeträge einstellen? Doch nur deshalb, weil Sie das Thema DSL in den letzten vier Jahren nicht so vorangebracht haben, wie es die Bürgerinnen und Bürger in Bayern erwarten, weil Sie bei der DSL-Politik versagt haben und jetzt auf den letzten Metern signalisieren wollen: Es geht voran, das Defizit der letzten vier Jahre wird abgebaut. - Das versuchen Sie mit diesem Haushalt.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Den Unterschied zwischen den Übertragungsgeschwindigkeiten kennen Sie nicht, oder?)

- Lieber Herr Kollege, der Haushalt ist von Unwahrhaftigkeit, auch von Verschleierung und Ablenkung geprägt. Das stellt man vor Wahlen immer wieder fest. Der Finanzminister schreckt in seiner Rhetorik sogar vor einer glatten Lüge nicht zurück. Bisher waren es immer Äußerungen, die leicht angreifbar waren; aber hier wird das Haushaltsgesetz mit einer Lüge begonnen. Im Vorblatt zum Gesetzentwurf heißt es - - Herr Finanzminister, Ihr Satz, der Ausgleich des Haushalts erfolge zum achten und neunten Mal ohne Einnahmen aus Krediten, ist Ihr politischer Stil. Sie haben keinen Skrupel, diesen Entwurf mit einer Lüge zu beginnen. Sie wissen genau, dass der Freistaat Bayern zwischen 2006 und 2012 jedes Jahr durchschnittlich 1,42 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung zu verzeichnen hatte. Selbst wenn Sie die Tilgung des Jahres 2012 abziehen, von der wir nicht wissen, ob sie schon getätigt wurde, sind es immer noch 1,3 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung jedes Jahr. Und Sie behaupten, dies sei der achte oder neunte -

(Georg Schmid (CSU): Wo denn? Sie müssen anders rechnen! Sie rechnen falsch!)

- Ja, klar. Wir rechnen falsch. Rechnen Sie einmal nach, Herr Kollege Schmid. Vielleicht kann Ihnen der Finanzminister dabei Hilfestellung leisten.

(Harald Güller (SPD): Wir haben bei der Landesbank gesehen, wohin es führt, wenn die CSU rechnet!)

Das wird bestimmt sehr instruktiv. Sie behaupten, der Haushalt komme zum achten oder zum neunten Mal ohne Nettoneuverschuldung aus. Tatsächlich sind es jedes Jahr durchschnittlich 1,3 Milliarden Euro gewesen.

Sie versuchen in diesem Haushalt auch, die Folgen der Landesbankaffäre zu verschleiern. Es ist ganz klar, dass sie auch weiterhin die Zukunft des Freistaats Bayern belasten werden, und es ist nach diesem Haushaltsplanentwurf und nach den Informationen zum gegenwärtigen Zustand der Landesbank mit seinen vielen offenen Fragen klar: Diese CSU-Staatsregierung hinterlässt der nächsten Staatsregierung und dem nächsten Parlament eine finanzielle Erblast von dramatischer Dimension.

(Zuruf von der CSU: Mein Gott! - Weitere Zurufe von der CSU)

- Das ist nichts als die Wahrheit. Schauen Sie selbst in den Finanzplan des Finanzministers hinein. Darin steht es. Es ist doch ganz klar, dass die Garantie, die in Höhe von 1,6 Milliarden Euro noch fällig werden wird, die Mindestsumme ist, die wir zahlen müssen. Es ist doch ganz klar, dass weitere Risiken bestehen. Befassen Sie sich einmal mit dem Entwurf des Herrn Staatsministers. Dann werden Sie mir nicht mehr widersprechen können.

(Zurufe von der CSU)

Natürlich ist auch Ablenkung mit dabei. Das Thema des Länderfinanzausgleichs ist doch ganz klar ein Ablenkungsthema. Denn dass die Belastung Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zu groß ist, dass dieser Beitrag limitiert werden muss, dass der Finanzausgleich anreizgerechter gestaltet werden muss, ist doch eine Position in der Breite dieses Landtags, ist die Position der SPD-Landtagsfraktion.

(Georg Schmid (CSU): Sie unterstützen doch die Klage nicht!)

Nicht unterstützen können wir eine reine Wahlkampfaktion in Form einer Klage, die nur von der Verantwortung der CSU und der politischen Verantwortung dieses Ministerpräsidenten ablenken soll, der den Länderfinanzausgleich ausgehandelt und auf den Weg gebracht hat. Das wissen Sie doch selbst am besten.

(Georg Schmid (CSU): Das ist doch ein Schmarrn! Die Bedingungen waren ganz anders! Das wissen Sie selbst!)

Das war Ihr Finanzausgleich!

(Georg Schmid (CSU): Ich beantrage eine namentliche Abstimmung darüber, ob Sie für diese Klage sind!)

Die Empörung des Finanzministers Dr. Söder richtet sich doch gegen die Regierungspolitik der CSU. Es ist ihr Länderfinanzausgleich. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Da lachen ja die Hühner!)

Wenn Sie vor dem Wahltag von diesem Länderfinanzausgleich ablenken wollen, brauchen Sie nicht zu glauben, dass wir Ihnen zu diesem Ablenkungsmanöver noch die Hand reichen. Das können Sie von uns wirklich nicht erwarten.

(Thomas Hacker (FDP): Ihr kümmert euch um die Renten und macht da eine Rolle rückwärts! Markus Rinderspacher (SPD): Das werden wir im Wahlkampf verwenden!)

Schauen wir uns einmal den großen Schuldentilgungsplan an, den der Ministerpräsident angekündigt hat. Was ist von dem verbindlichen, durchgerechneten und umfassenden Schuldentilgungsplan, der der präziseste aller Zeiten war, heute übrig geblieben?