Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

scheinlichkeit am Ende nicht anerkannt werden. Beispiele sind Serbien und Mazedonien.

Wer es ernst meint mit dem Asylrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, der muss auch dafür sorgen, dass die Verfahren für die Menschen freigehalten werden, die wirklich politisch verfolgt und deshalb an Leib und Leben bedroht sind.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Berichtsantrag, mit dem wir die Staatsregierung auffordern, über den aktuellen Sachstand und über die geplanten Maßnahmen Bericht zu erstatten.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Das steht doch gar nicht im Antrag!)

- Das steht sehr wohl im Antrag.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Den Antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab. Zwar könnten wir sozusagen mit dem Tenor konform gehen, aber die Begründung enthält falsche Unterstellungen, die wir uns nicht zu eigen machen. Den Antrag der GRÜNEN lehnen wir ab, weil er schon von der Sache her in die falsche Richtung geht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Jörg Rohde (FDP))

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Herrmann. Als Nächste bitte ich Frau Ackermann für die GRÜNEN nach vorn. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es bleibt mir völlig verborgen, weshalb die Koalition diesen Antrag gestellt hat. Sie wollen darin Dinge wissen wie beispielsweise - ich zitiere - die Herkunftsländer der Asylbewerber, die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren und die Anerkennungszahlen, insbesondere bei Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien. All das steht in den monatlichen Veröffentlichungen des BAMF. Ich habe sie hier. Ich darf sie nicht hochhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für den Fall, dass Sie das noch nicht wissen sollten, kann ich sie Ihnen anschließend zum Kopieren geben. Sie haben also keinen Wissensbedarf.

(Ludwig Wörner (SPD): Beschäftigungstherapie!)

- Nein, auch nicht. Sie haben vielmehr einen scheinheiligen Antrag gestellt,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

in dem es Ihnen nur darum geht, Roma zu diskriminieren. Das ist die Botschaft Ihres Antrags.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Florian Herrmann (CSU): Unverschämtheit!)

Darüber hinaus ist zu berichten, welche Maßnahmen unternommen werden können, um eine Beschleunigung von Asylverfahren zu erreichen. Herr Kollege Herrmann, Sie haben gesagt, für wen die beschleunigten Asylverfahren gedacht sind, nämlich genau für die Roma. Aber Sie stellen den Antrag ausgerechnet in einer Zeit, wo die Not bei den Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Gemeinschaftsunterkünften am schlimmsten ist. Sie kümmern sich nicht um die menschlichen Nöte dort. Sie kümmern sich nicht um eine Verbesserung. Nein, Sie kümmern sich darum, wie man Flüchtlinge, die zu uns kommen - Sie wissen natürlich auch schon ganz genau, warum sie zu uns kommen -, so schnell wie möglich wieder loswird.

Sie sollten aber einmal hinschauen, was in den Erstaufnahmeeinrichtungen los ist. In Zirndorf sind Zelte aufgestellt worden. Frau Ministerin Haderthauer hat beschönigend gesagt, es handle sich nur um Transiteinrichtungen, in denen die Flüchtlinge nur ganz kurze Zeit blieben. Das stimmt aber nicht, Frau Ministerin. Es liegt in Nürnberg noch nicht einmal ein Bauantrag für die Wohncontainer vor, die Sie aufstellen wollen. In München haben Sie Wohncontainer geschlossen und als menschenunwürdig bezeichnet. Aber jetzt stellen Sie Wohncontainer auf, die Sie für Luxusunterbringungen von Flüchtlingen halten. Aber noch nicht einmal die werden jetzt kommen. Sie werden nach Aussage des Bauamts Nürnberg in vier Monaten kommen. Dann ist der Winter herum.

Sie schaffen keine Erleichterungen für Asylbewerber. Aber Sie nehmen heute etwas in den Fokus.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Seidenath?

Er kann nachher eine Intervention machen. Dabei kann er alles insgesamt betrachten, und so kommen wir besser zusammen.

Der Hintergrund Ihres Antrags ist eine Stimmungsmache gegen Roma. Die Absicht ist, eine nicht rechtsstaatliche Prüfung durchzuführen. Das ist eine Prüfung der Asylberechtigung innerhalb von 48 Stunden. Das streben Sie an. Das hat der Minister bereits angekündigt und sich dabei auf die Schweiz berufen.

Jeder weiß: In 48 Stunden kann niemals geprüft werden, ob ein Mensch tatsächlich einen Asylgrund hat

oder nicht. In dieser kurzen Zeit ist die Prüfung unmöglich.

Die Menschen, die hierher kommen, sind traumatisiert und erschöpft. Aber sie sollen innerhalb von 48 Stunden stichhaltige Beweise für einen Asylgrund liefern. Dass dies unmöglich ist, wissen Sie.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Sie werfen alles durcheinander!)

Aber darum geht es Ihnen nicht, sondern nur darum, Roma so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Die Roma kommen aus Serbien und Mazedonien. Dort werden sie diskriminiert, und zwar ganz massiv. Auch eine Diskriminierung ist eine Verletzung von Menschenrechten und somit auch ein Fluchtgrund.

(Beifall den GRÜNEN)

Bei den Roma handelt es sich zusätzlich um eine rassistische Diskriminierung. Das wiegt natürlich noch viel schwerer.

Nach Aussagen der serbischen Regierung leben ca. 60 % der geschätzten 450.000 Roma in unsicheren und unhygienischen Verhältnissen. 30 % haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 70 % keinen Zugang zu einer Kanalisation. Serbische Studien belegen, dass Romakinder in Sonderschulen mit einem Anteil von mehr als 30 % deutlich überrepräsentiert sind. Umfragen zufolge gelten sie als die am meisten diskriminierte Bevölkerungsgruppe in Serbien.

Genauso sieht es in Mazedonien aus. Roma sind dort einer allumfassenden Diskriminierung ausgesetzt. Sie leben in abgeschiedenen Siedlungen. Ihre Kinder werden überwiegend in Sonderklassen beschult.

Wenn einer ethnischen Gruppe eine solche Diskriminierung widerfährt, kann man sehr gut verstehen, dass diejenigen die solchen Gruppen angehören, in ein Land fliehen, von dem sie glauben, dass sie menschenwürdiger behandelt werden.

Wenn Sie ein Gesetz einfordern - Sie können es Gott sei Dank nicht selber schaffen, aber in Zusammenarbeit mit Ihrem Freund Friedrich werden Sie es sicher irgendwann auf den Weg bringen -, dann stellen Sie die Roma unter einen Generalverdacht. Sie diskriminieren Menschen, die zu uns kommen. Aber zunächst einmal aber hat ja wohl jeder Flüchtling auch in diesem Land das Recht, dass in seinem Asylverfahren der Asylgrund ordentlich geprüft wird, und zwar von einem Gericht. Wenn Sie das in 48 Stunden schaffen, dann sage ich: Herzlichen Glückwunsch!

Sie verschließen sich dieser Einsicht. Mit Ihren Argumenten können Sie den Menschen nicht gerecht werden. Es gibt Untersuchungen, wonach bei den Schnellverfahren mindestens 5 % Fehlentscheidungen fallen. Wenn also im September 1.000 Roma gekommen sind, dann sind nach diesem Verfahren 50 falsch beurteilt worden und werden zu Unrecht zurückgeschickt. Dass diesen Menschen in ihrem Heimatland verstärkt Diskriminierungen drohen, interessiert Sie offensichtlich nicht.

Die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, wird in 14 Tagen in Berlin ein zentrales Mahnmal für in der NS-Zeit ermordete Sinti und Roma eröffnen. Ich halte es für völlig gedächtnislos und realitätsfremd, wenn heute deutsche Politiker für ein Schnellverfahren für Asylbewerber aus dem Balkan oder für die Wiedereinführung der Visumpflicht eintreten, ausschließlich mit dem Ziel, Roma an der Einreise zu hindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie geben serbischen und mazedonischen Politikern, die aus ihrer Abneigung gegenüber Roma kein Hehl machen, einen Blankoschein, Roma weiterhin zu diskriminieren. Dagegen haben auch bereits zahlreiche Romaverbände und Flüchtlingsorganisationen protestiert.

Zusammenfassend sage ich Ihnen: Ihr Antrag ist an Scheinheiligkeit und Verlogenheit durch nichts zu überbieten und erzeugt einen sehr bitteren Vorgeschmack auf den kommenden Wahlkampf. Wir werden den Antrag selbstverständlich ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu seiner Intervention hat Kollege Seidenath das Wort.

Frau Ackermann, ist Ihnen bewusst, dass die Anerkennungsquote derer, die aus dem ehemaligen Jugoslawien als Asylbewerber zu uns kommen, etwa 0,0 % beträgt?

Im Rahmen meiner Intervention weise ich weiter darauf hin, dass keiner von einem Schnellverfahren spricht. Es geht darum, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen. Allerdings sollte das Verfahren beschleunigt werden, damit diejenigen, die in elementarer Not zu uns kommen, geschützt werden und bei uns ein besseres Leben bekommen. Sie sollen bei uns Schutz und Obdach finden.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass sich das System der Gemeinschaftsunterkünfte als unflexibel erweist. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das System der dezentralen Unterbringung erst recht unflexibel sein

muss, wenn der Anteil der Fehlbeleger in Gemeinschaftsunterkünften zurzeit 14 % beträgt. Man kann diese Leute aus den Gemeinschaftsunterkünften noch nicht einmal herausholen, um sie in die dezentralen Unterbringungen, d. h. in die Wohnungen, zu überführen. Deswegen ist das System viel unflexibler als das System der Gemeinschaftsunterkünfte.

Uns geht es darum, die Menschen, die in echter Not zu uns kommen, zu schützen. Das ist unsere humanitäre Verpflichtung. Darauf basiert der Antrag. Das bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege Seidenath, für uns ist jeder Flüchtling, der zu uns kommt, zunächst einmal ein Flüchtling, der alle Rechte dieses Landes hat. Ob er eine Anerkennung bekommt oder nicht, entscheiden weder Sie noch der Innenminister, sondern das entscheiden Gott sei Dank noch immer die Richter.

(Beifall bei den GRÜNEN)