Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

So wie sich der griechische Ministerpräsident Samaras bei uns informiert, sollten Sie, Herr Minister, sich öfter in den Nachbarländern umschauen. Reisen bildet bekanntermaßen. Es ist immer gut, wenn man einmal woanders hinfährt, sich Anregungen holt und schaut, was man besser machen könnte. Wie heißt es doch so schön? Das Bessere ist der Feind des Guten.

Ich frage mich immer wieder: Warum muss man in Bayern immer alles beschönigen, und warum ist man nicht bereit, einmal zu sagen: Hier gibt es Mängel; hier müssen wir etwas verbessern?

(Zuruf des Abgeordneten Eduard Nöth (CSU))

- Herr Kollege Nöth, hier geht es schließlich um unsere Kinder.

Die "Frankenpost" hat vor ein paar Tagen über den Bildungsbericht geschrieben, aus dem hervorgeht, dass die Zahl der privaten Schulen in Bayern seit 2002 um 95 auf 585 und deren Zahl der Schülerinnen und Schüler von 134.000 auf 153.000 gestiegen ist. Und Sie, Herr Minister Spaenle, haben von einer wichtigen Ergänzung des qualitätsvollen staatlichen Schulwesens gesprochen und sich darüber gefreut, dass viele Elemente reformpädagogisch beeinflusster Schulen ihren Weg in die staatlichen Schulen gefunden haben. Ich erlaube mir schon zu fragen, warum immer mehr Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Warum ist es nicht umgekehrt?

Der Ausbau von Schulsozialarbeit in staatlicher Verantwortung, den wir schon immer fordern, stagniert auf einem viel zu niedrigen Niveau. Es werden Schulpsychologen gebraucht. Das ist erst jetzt wieder durch ein Vorkommnis bei mir zu Hause deutlich geworden, als zwei Mädchen wegen Mobbings in einer Turnhalle von der Brüstung gesprungen sind. Wenn sich der Philologenverband mehr Zeit für werteorientierte Persönlichkeitserziehung wünscht, dann muss man sich auch darüber unterhalten, dass wir Personal brauchen, das den Kindern hilft.

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Aufgabe aller Schulen. Hier ist ein Sonderinvestitionsprogramm nötig, um die Kommunen zu unterstützen, damit die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf überhaupt an Regelschulen unterrichtet werden können.

Zum Thema Nachhilfe nur ein paar Sätze. Für Nachhilfe geben die Eltern in Bayern rund 155 Millionen Euro aus. 6,6 % aller Primärschüler und 15,9 % aller Schüler der Sekundarstufen I und II erhalten in Bayern Nachhilfe.

Gestern wurde auch die Behauptung aufgestellt, dass es weniger Unterrichtsausfall gebe. Wie schaut nun die Realität aus? Gibt es keinen Unterrichtsausfall? Dazu möchte ich Ihnen etwas vorlesen, was ich letztens gefunden habe. Darin steht, wie das in einer Schule geregelt wird.

Mir ist ein Stundenplan zu Gesicht gekommen, in dem es heißt: Frau XY mit 25 Wochenstunden sei bis zum

Soundsovielten erkrankt. Sie werde durch YX mit soundso viel Wochenstunden ersetzt. Das Schulamt könne das Stundendefizit nicht durch eine weitere mobile Reserve abdecken. Daher müssten einige Stunden ausfallen. − Die einen können die Schule verlassen, und alle anderen gehen in die Wartestunde. Das ist die Realität draußen an den Schulen. Die Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern reicht an vielen Schulen nicht einmal für den Pflichtunterricht aus.

Wir als SPD wollten die demografische Rendite komplett in den Schulen belassen. Wir wollten die 1.082 kw-Vermerke streichen. Das, was jetzt von der Erhöhung der Lehrerzahl übrig geblieben ist, sind gerade einmal 992 echte zusätzliche Stellen, und das bei 5.000 Schulen. Da kommt in den Klassenzimmern wirklich nicht viel an.

Ich kann den Vorsitzenden des BLLV, Herrn Klaus Wenzel, durchaus verstehen, wenn er schreibt, die Unterrichtssituation sei in Teilen Bayerns am Zusammenbrechen; die Situation drohe vielerorts zu eskalieren. Hierzu nennt der BLLV auch viele Beispiele aus Niederbayern, aus Oberbayern, aus der Oberpfalz, aus Nürnberg und so weiter. Die sogenannten mobilen Reserven bzw. integrierten Lehrerreserven sind zu einem erheblichen Teil bereits zu Schuljahresbeginn fest verplant und stehen für ihren eigentlichen Zweck nicht mehr zur Verfügung. Ein Großteil der vorhandenen Stellen wird wegen befristeter Mittel jährlich neu besetzt, und das auch nur für 10,5 Monate. Die Ferien werden nicht bezahlt.

Vorhin wurden bereits die Verwaltungsangestellten angesprochen. Ich war erstaunt über das, was die CSU in ihrem Antrag formuliert hat. Wir fordern seit Jahren, dass etwas für die Verwaltungsangestellten getan wird. Das wurde immer wieder abgelehnt. Jetzt haben Sie anscheinend selber erkannt, dass etwas getan werden muss. Die Formulierung in Ihrem Antrag erinnert mich sehr an Formulierungen aus unseren Anträgen.

Ich möchte aber noch an etwas anderes erinnern. Mir geht es auch um die Bezahlung dieser Verwaltungsangestellten. Da bewegen sich manche hart an der Hartz-IV-Grenze. Leben können sie oft nicht davon, manche sind auf Zuverdienst angewiesen. Ich frage mich auch − es wäre interessant, das einmal zu erforschen -, welche Renten diese Frauen − in der Regel sind es Frauen − später einmal bekommen.

Aber Bildung findet nicht nur in den Schulen statt. Auch Jugendeinrichtungen, Verbände, Vereine usw. sind Bildungsorte. Deswegen steht der Landtag bei den jungen Menschen in Bayern und bei den Jugend

organisationen im Wort. Das muss sich in einer besseren Ausstattung der Jugendarbeit niederschlagen. Eine Erhöhung war notwendig, um die Kürzungen schrittweise rückgängig zu machen.

Wir haben auch viele Anträge zur Jugendarbeit eingereicht. Ich freue mich, dass in verschiedenen Bereichen zumindest ein bisschen reagiert wurde. Bildung, meine Damen und Herren, findet in allen Lebensphasen statt, auch während des Berufslebens und im Alter. Ich frage mich manchmal: Was ist eigentlich in Bayern mit einem Bildungsurlaub?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass die Menschen auch während ihres Berufslebens an Lehrgängen teilnehmen können, ist ein Thema, mit dem wir uns einmal befassen sollten.

(Ingrid Heckner (CSU): Haben wir doch!)

Im Sportbereich haben wir uns für eine zusätzliche Mittel für das Programm "Zusammenarbeit von Schule und Sportverein" eingesetzt. Wir haben Anträge gestellt auf Erhöhung der Zuschüsse für die Sportfachverbände, für die Vereinspauschale, für den Bau und für die Sanierung vereinseigener Sportstätten.

Zum Schluss: Der Bereich Bildung und Jugend eignet sich nicht zum "Sparen". Das setze ich immer in Anführungszeichen, denn das, was da manchmal gemacht wurde, war ein Kaputtsparen. Hier müssen wir Geld in die Hand nehmen. Wir haben unsere Vorschläge eingereicht, wie man das auch alles finanzieren kann.

Wir werden auf jeden Fall den Haushalt nicht mittragen, nicht, weil wir sagen: Es ist alles schlecht. Aber Sie haben unsere guten Anträge abgelehnt, und wir finden uns in diesem Haushalt nicht wieder.

Zum Schluss richte ich noch einmal die Bitte an Sie: Nehmen Sie das, was hier immer wieder an Kritik vorgetragen wird, ernst. Die Kinder würden es ihnen danken.

(Beifall bei der SPD und der GRÜNEN)

Als Nächster hat sich Herr Kollege Reichhart zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man den Wortmeldungen des Kultusministers aus den letzten Wochen und Monaten glauben darf, unternimmt der Freistaat im kommenden Doppelhaushalt Anstrengungen wie noch nie, um Bayern zum Bildungsland Nummer 1 zu machen.

(Zuruf von der CSU: Ist es doch schon!)

Dass Handlungsbedarf besteht, belege ich gleich mit zwei Zitaten. In einer Meldung im "Nordbayerischen Kurier" vom 8. Dezember steht unter der Überschrift "Auf Kosten der Kinder":

Die Klasse 3 a der Grundschule Wintersdorf ist von einer ausreichenden Unterrichtsversorgung weit entfernt. Seit Schuljahresbeginn unterrichtet mittlerweile die dritte Springerin die Klasse. Die Lehrerin, die die Wintersdorfer Klasse 3 a eigentlich unterrichten sollte, ist seit Pfingsten krank. Obwohl nach Meinung der Eltern absehbar war, dass sich ihre Erkrankung hinziehen würde, erhielt die Grundschule im neuen Schuljahr keine Stammlehrkraft, sondern lediglich eine mobile Reserve − und auch die ist seit Anfang November in Krankenstand. Dann erkrankte auch die Vertretung der Vertretung. Mangels personeller Kapazitäten bei den mobilen Reserven für den Landkreis musste das hiesige Schulamt die aktuell in der 3 a eingesetzte Lehrerin vom Nürnberger Reservepool ausleihen.

Noch eine Kostprobe, und zwar vom "Münchner Merkur" vom 21. November. Die Überschrift dort lautete: "Massiver Unterrichtsausfall an den Schulen".

Die Lage an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis ist dramatisch. Lehrer fehlen an allen Ecken und Enden. Teils müssen sich die Schüler still beschäftigen.

Wenn man solche Meldungen liest, trübt sich die Vorweihnachtsfreude doch erheblich ein. Erklärbar sind diese Meldungen dennoch. Als Haushälter stelle ich fest: Nach Abzug von Inflation und Pensionslasten bleiben pro Schüler tatsächlich gerade einmal 6,33 Euro pro Monat Steigerung in dieser Legislaturperiode übrig. Damit mussten die verschiedenen Reformen und Entwicklungen im Bildungsbereich in Bayern finanziert werden. Als größte Posten seien die Einführung der Mittelschule, das G 8 und der Ganztagsausbau erwähnt. Auslaufend war auch noch das R 6 beteiligt − mit deutlicher Mehrarbeit für die Schulverwaltungen und durchaus auch für das Ministerium. Damit relativiert sich der von Ihnen so hoch gelobte Bildungsetat aller Zeiten doch sehr, sehr stark.

Betrachtet man die Bildungsausgaben im Ländervergleich, stellt man fest, dass Bayern im Ranking der Bundesländer mit 3,37 % am Bruttoinlandsprodukt gerade einmal Platz 12 unter den 16 Bundesländern einnimmt. Aus der Sicht von uns FREIEN WÄHLERN unterscheiden sich auch hier Anspruch und Wirklichkeit sehr deutlich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Martin Güll (SPD))

Das zeigt ganz aktuell der Bildungsfinanzbericht 2012, der gerade heute erschienen ist. Daraus geht eindeutig hervor: Vorbilder in der Bildungspolitik bei der Bildungsfinanzierung sind die Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Diese Länder − ich wiederhole: Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt − spielen bei den Bildungsausgaben und bei der Schüler-Lehrer-Relation in der Champions League. Bayern ist in dieser Aufstellung nur im Mittelfeld.

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, ich fürchte, Sie haben die großen Herausforderungen im Bildungsbereich nicht im Griff.

(Widerspruch des Abgeordneten Karl Freller (CSU))

Ich werde Ihnen stichwortartig sagen, wo wir FREIE WÄHLER dringenden Handlungsbedarf sehen, etwa bei Schulschließungen in ländlichen Gebieten. Nach den Mittelschulen werden nun auch die kleinen Grundschulstandorte sterben, wenn Sie nicht genügend Lehrerstellen bereitstellen. Dabei wissen Sie so gut wie ich, dass der Erhalt kleiner Grundschulstandorte eine wichtige und auch notwendige Infrastrukturmaßnahme darstellt. Trotzdem lehnen Sie unseren Antrag auf mehr Lehrerstellen ab. Sie nehmen damit in Kauf, dass die Attraktivität des ländlichen Raums für junge Familien weiter abnimmt und dass damit kleine Kinder zunehmend lange Schulwege auf sich nehmen müssen.

Ein weiteres Stichwort sind die Ganztagsschulen. Sie rühmten sich noch diesen Montag in einer Pressemitteilung, wie gut in Bayern der Ganztagsausbau vorankomme. Aber mit Ihren Zahlen können Sie nicht blenden. Nach wie vor besucht nur ein Bruchteil der Schülerinnen und Schüler, exakt 14,3 %, überhaupt ein Ganztagsangebot, von der qualitativen Ausgestaltung ganz zu schweigen. Auch hier lehnen Sie unseren Antrag auf Mittelerhöhung für die Ganztagsschulen zur qualitativen Verbesserung ab.

Weiteres Stichwort: Schulsozialarbeit. Schulsozialarbeit ist eben kein überflüssiger Luxus, sondern mittlerweile eine Notwendigkeit im Schulalltag.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Was Sie hierfür an Mitteln zur Verfügung stellen, ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr nicht. Wieder einmal laden Sie die Verantwortung bei den Kommunen ab nach dem Motto: Wenn ihr eine vernünftige Ausstattung für eure Schulen wollt, dann

zahlt selbst dafür. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Bildungsvoraussetzungen und damit Bildungsgerechtigkeit dürfen in Bayern nicht von der Finanzkraft der einzelnen Kommune abhängen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Martin Güll (SPD))

Ich sage ganz deutlich: Schulsozialarbeit ist heutzutage eine grundlegende Bildungsaufgabe und damit Aufgabe des Freistaats Bayern.

Weiteres Stichwort: Inklusion. Die Fraktionen haben sich diesbezüglich gemeinsam auf den Weg gemacht, und es wurde bereits einiges erreicht. Aber, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, auch hierfür sind deutlich mehr Mittel erforderlich, wenn die Umsetzung der Inklusion tatsächlich gelingen soll.

Uns FREIEN WÄHLERN liegt dabei besonders die Beratung am Herzen. Wir wollen an den neun staatlichen Schulberatungsstellen in Bayern je eine Expertenstelle zur Beratung zum Thema Inklusion schaffen. Wir haben dafür die entsprechenden Mittel gefordert, leider vergebens. Dabei wäre gerade in diesem Bereich mit verhältnismäßig geringem Aufwand ein überaus positiver Effekt zu erreichen. Aufklärung und Beratung sind Voraussetzung für das Gelingen von Inklusion.

Ein weiteres Stichwort sind die beruflichen Schulen. In unserem Haushaltsplan sind gerade einmal 318.000 Euro für fachliche Fortbildungsmaßnahmen an beruflichen Schulen vorgesehen. Dabei verkennen Sie offensichtlich, dass gerade berufliche Schulen angesichts des rapiden technischen Wandels einen erhöhten Bedarf an Fortbildungen haben. Wir sind zu Recht stolz auf unser duales Ausbildungssystem − dann müssen wir es aber auch entsprechend fördern. Insbesondere in hoch spezialisierten Berufen in Industrie und Handwerk, etwa in den Bereichen Umwelttechnologie, Kfz oder Elektro und Metall, gibt es laufend neue Entwicklungen, in denen auch die Lehrkräfte fortgebildet werden müssen. Nur so kann garantiert werden, dass die Lehrkräfte ihre Auszubildenden tatsächlich immer auf dem neuesten Stand der technischen Entwicklung unterrichten können.

Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Wir haben gerade einmal 50 Euro pro Lehrer pro Jahr für die fachliche Weiterbildung zur Verfügung. Wenn ich das mit der akademischen Bildung vergleiche, muss ich sagen: Es ist oft ein Lippenbekenntnis, wenn von dem hoch gelobten dualen Ausbildungssystem gesprochen wird. Wir müssen es angemessen fördern.