wirklich einen vernünftigen Haushalt zu vertreten und uns in der Zukunft vorwärtszubringen. Ich bin ganz sicher, dass er auch weiß, dass in ihm die Zukunft liegt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Erklärung des Kollegen Lerchenfeld ist es schon interessant, dass die erste Bemerkung des CSU-Redners an diesem Morgen dazu dient, den Finanzminister dieses Freistaats gegen den Ministerpräsidenten dieses Freistaats in Schutz zu nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ab- geordneten Florian Streibl (FREIE WÄHLER) − Heiterkeit des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))
Dies ist ein bemerkenswerter Vorgang, meine Kolleginnen und Kollegen. Ich finde das eigentlich gar nicht humorig, sondern es ist schon ein ziemlich ernster Vorgang. Wir bewegen uns in einer Woche, in der in drei Tagen die zentrale Grundlage der Politik im Freistaat Bayern verhandelt wird, nämlich der Haushalt, den der Finanzminister diesem Parlament vorlegt. Wenn der Ministerpräsident dieses Freistaats gerade in dieser Woche nichts anderes macht, als den Finanzminister in dieser Art und Weise zu bewerten: "vom Ehrgeiz zerfressen", wenn er von "pathologischem Ehrgeiz" spricht, von charakterlichen Schwä
dann ist das doch ein besonderer Vorgang in diesem Freistaat Bayern. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Ministerpräsident mit einem Minister seines Kabinetts so umgegangen ist.
Wenn man den Ministerpräsidenten ernst nimmt, dann verhandeln wir jetzt im Einzelplan 06 den Einzelplan eines Ministers auf Abruf. Der Finanzminister muss sich selber fragen, ob er seine Aufgabe als Staatsminister der Finanzen noch ordnungsgemäß erfüllen kann, wenn ihm das Vertrauen und der Respekt des Ministerpräsidenten, der ihn berufen hat, fehlen.
Nach objektiven Kriterien der Politik und, Herr Finanzminister, wenn Sie fränkischen Stolz hätten, dann würden Sie nach diesen massiven Angriffen des Ministerpräsidenten auf Ihre Person konsequenterweise wie seinerzeit der unterfränkische Kollege Bernd Weiß heute noch Ihren Rücktritt erklären. Ich denke, das wäre die richtige Reaktion gegenüber dem Ministerpräsidenten, der seinen Minister in dieser Art und Weise angreift.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FREI- EN WÄHLER - Zurufe der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU) und Dr. Manfred Weiß (CSU))
- Die Unruhe in Ihren Reihen kann ich entweder als Unmut über den Ministerpräsidenten oder als Unmut über den Finanzminister empfinden.
Schauen wir uns die Arbeitsbilanz des Finanzministers gerade beim Einzelplan 06 an. Zunächst lasse ich die Lobeshymnen des Kollegen Lerchenfeld unbeantwortet, weil ich sie heute Nachmittag noch beantworten werde. Mein Urteil über die Arbeitsbilanz gerade beim Einzelplan 06 ist leider, das muss ich sagen, nicht viel besser als das Urteil des Ministerpräsidenten über die charakterlichen Eigenschaften des Finanzministers, vor allem wenn ich die Steuerverwal
tung anschaue. Bayern ist auch unter diesem Finanzminister Markus Söder nach wie vor im Vergleich der Bundesländer auf dem 16. und damit letzten Platz, was die Ausstattung mit Betriebsprüfern, mit Umsatzsteuerprüfern und mit Steuerfahndern angeht. Der Oberste Rechnungshof hat massive Kritik daran geübt, und diese Kritik ist auch berechtigt. Im Bereich der Steuerverwaltung praktizieren Sie ein fortgesetztes milliardenschweres Staatsversagen. Anders kann man es leider nicht bezeichnen.
Es ist einzuräumen, dass das nicht allein in der Verantwortung von Finanzminister Söder liegt, sondern dass dafür eine ganze Reihe von CSU-Finanzministern verantwortlich ist. Wir haben die 200 zusätzlichen Stellen im Doppelhaushalt zur Kenntnis genommen, aber sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, Herr Kollege Lerchenfeld, ebenso wie die 500 neuen Stellen im Doppelhaushalt 2009/2010. Sie schaffen keine Veränderung an der dramatischen Unterausstattung der bayerischen Finanzämter, weil sie allein dazu dienen, die Rückführung der 42-StundenWoche auf die 40-Stunden-Woche umzusetzen. Damit wird kein einziger Finanzbeamter mehr bei der Steuerfahndung, bei der Betriebsprüfung oder bei der Umsatzsteuersonderprüfung eingesetzt.
In diesem Freistaat sind 1.903 Stellen, die im Haushalt sind, nicht besetzt. Es ist ein Skandal, dass der Freistaat Bayern in diesem zentralen Bereich der Steuergerechtigkeit und Einnahmensicherung unter Verantwortung der CSU in dieser Art und Weise agiert. Wir haben nach Berichten, die durch den Obersten Rechnungshof bestätigt wurden, tatsächlich eine Lücke von 3.000 Stellen in der Steuerverwaltung. Dies führt dazu, dass wir einen massiven Entgang von Steuereinnahmen haben und dass die Steuergerechtigkeit auf der Strecke bleibt, weil die Bekämpfung von Steuerhinterziehung massiv geschwächt wird, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegen der Unterbesetzung der Finanzämter, auch dadurch, dass sie länger auf die Rückerstattung der Steuer warten, das Ganze bezahlen müssen. Das ist zusammengenommen wirklich ein milliardenschweres Staatsversagen.
Wir fordern Sie auf, das endlich zu korrigieren. Diesen Doppelhaushalt haben Sie dazu jedenfalls leider nicht genutzt. Das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik.
Kleinen, im Detail. Herr Finanzminister, Sie haben keine glückliche Hand. Ich nenne nur ein Beispiel, die räumliche Unterbringung der Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten. In Sachen Standortentscheidung für München, Deroystraße, musste der Haushaltsausschuss gegen Ihren Vorschlag eine kostengünstige Lösung durchsetzen. Im Vergleich ist glasklar, dass Ihr Vorschlag den Freistaat Bayern und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Millionen mehr gekostet hätte als die Lösung, die der Haushaltsausschuss gegen Ihren ausdrücklichen Wunsch und Ihre Empfehlung auf den Weg gebracht hat. Das Thema Höchstädt an der Donau, das wir gestern im Ausschuss ausgiebig behandelt haben, will ich nur streifen. Auch Ihr persönlicher Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lotterieverwaltung am Karolinenplatz ist mehr als fragwürdig und menschlich unanständig. Das muss ich Ihnen deutlich sagen.
Es wurde schon angesprochen: Das hängt nicht nur mit der Unterbesetzung der Finanzverwaltung, die von Ihnen zu verantworten ist, zusammen, sondern auch mit Ihrer grundsätzlichen ideologischen Haltung, in diesem Fall zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung in diesem Freistaat. Der Ankauf von Steuerdaten durch die Steuerverwaltungen dieser Republik, insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen, aber auch anderer, hat dazu geführt, dass wir seit Oktober 2010 über 5.000 Selbstanzeigen in Bayern mit Bezug zur Schweiz verzeichnen. Das waren zusätzliche Einnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen − da sind wir bei den Haushaltsberatungen gerade richtig, um das festzustellen −, von 550 Millionen Euro, die aufgrund der Selbstanzeigen und des vorausgehenden Ankaufs von Steuerdaten in die Kassen des Freistaats Bayern gekommen sind, 26 Millionen direkt durch die Auswertung von Daten-CDs. Ohne sie wäre der Haushalt, den der Finanzminister vorgelegt hat und der heute verabschiedet werden soll, nicht möglich gewesen, selbst wenn Sie die 200 Millionen aus dem Schweizer Steuerabkommen abziehen.
Diese zusätzlichen Einnahmen über 350 Millionen Euro haben Sie letztendlich der Hartnäckigkeit der SPD-Finanzminister in dieser Republik zu verdanken, da Ihre Regierungskoalition aus CSU und FDP beim Thema Steuerdaten nicht handlungsfähig war, sondern sich die FDP als Schutzmacht der Steuerhinterzieher aufgespielt hat.
(Thomas Hacker (FDP): Mir kommen die Tränen! - Harald Güller (SPD): Das sind aber eher Krokodilstränen, oder?)
Bayern hat unter anderem deshalb neben vielleicht einigen technischen Auswertungen keinen einzigen Ankauf getätigt und war immer der Nutznießer der konsequenten Entscheidungen anderer Finanzminister. Wir bekennen uns ganz klar dazu, Steuerhinterziehung mit allen legalen Mitteln zu bekämpfen.
350 Millionen Euro können wir auf unsere Habenseite schreiben. Wenn Sie, insbesondere die FDP, entscheiden müssten und dürften, wären diese 350 Millionen Euro Mehreinnahmen in diesem Haushalt nicht zu verzeichnen; das hätte Ihre Politik nicht zustande gebracht, weil Sie die legale Steuerhinterziehungsbekämpfung durch Ankauf von Daten-CDs ablehnen. Diese 350 Millionen Euro können wir auf die Habenseite der SPD schreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD - Dr. Otto Bertermann (FDP): Und wie sieht es mit der kalten Progression aus? Die habt ihr abgelehnt!)
Ich betrachte den aktuellen Fall der UBS. Schon jetzt wurde eine Steuerhinterziehung in Höhe von 200 Millionen Euro in 1.300 Fällen mit einem Anlagevolumen von etwa 3 Milliarden Euro aufgedeckt; 750 Fälle in Liechtenstein wurden aufgedeckt.
Das Stichwort Steuerabkommen mit der Schweiz ist genannt worden. Ich sage Ihnen eines: Ich bin froh und dankbar, dass der Vermittlungsausschuss dieses Steuerabkommen gestern endgültig ad acta gelegt hat. Das war ein Anschlag auf die Steuergerechtigkeit.
Die Besteuerung nur des Kapitalertrags der Vergangenheit würde wesentlich geringer ausfallen als die ordnungsgemäße Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland; die Besteuerung in der Zukunft wäre bei Wahrung vollständiger Anonymität von Steuerhinterziehung nicht anders. Amnestie und gleichzeitiger Schutz der Steuerhinterzieher hinter dem Schutzwall der vollen Anonymität! Das ist das, was ausverhandelt wurde. Das ist ein Verrat an den europäischen Standards für den Datenaustausch zwischen den Steuerverwaltungen europäischer Staaten und auch ein Verrat an dem, was Steuerhinterziehungsbekämpfung legitimerweise braucht, nämlich Anfragen an die Finanzverwaltung des benachbarten Staates. Auch
diese haben Sie in diesem Abkommen illegitimerweise begrenzt. Deswegen ist es gut, dass dieses Steuerabkommen gescheitert ist. Kein Abkommen zu haben ist besser als dieses. Sie haben sich nicht als Schutzmacht der Steuergerechtigkeit aufgeführt, sondern als Schutzmacht der Steuerhinterzieher, und das bedauern wir sehr.
Gut. Graf Lerchenfeld, dann sind Sie zu einer Zwischenbemerkung am Schluss der Rede von Herrn Kollegen Halbleib aufgerufen.
Auch zur Steuerpolitik kann man einiges sagen. Der Grundfreibetrag war immer unstrittig. Sie machen es aber so: In Bayern verkünden Sie die reine Lehre, während Sie auf Bundesebene Steuersenkungen auf Pump mit der Konsequenz beschließen, dass die Nettoneuverschuldung entsprechend höher ausfällt. Diese zwei Seiten passen nicht zusammen; das wissen Sie selbst ganz genau. Das wären Steuersenkungen auf Pump gewesen. Der Bundeshaushalt sieht nach wie vor eine Nettoneuverschuldung vor. Die Mindereinnahmen von Bundesländern und Kommunen wären problematisch gewesen, und es wären eben nicht vor allem die unteren und mittleren Einkommen spürbar entlastet worden, sondern ganz stark die oberen Einkommen. Das ist bekannt. Herr Kollege Lerchenfeld, ideologisch ist es, woran es gescheitert ist: Die SPD hat zu Recht gesagt: Wenn wir bei der kalten Progression etwas machen, dann müssen wir auch an den Spitzensteuersatz ran; es kann nicht sein, dass wir insgesamt Steuersenkungen auf Pump finanzieren. Das müsste auch Ihrer Ideologie widersprechen. So kann es nicht gehen. Deswegen ist das, was der Bundesrat mit Mehrheit gemacht hat, glasklar. Mehr Steuergerechtigkeit können wir uns nur dann leisten, wenn wir auch beim Spitzensteuersatz etwas machen. Dazu bekennen wir uns auch klar. Das war auf dem Tisch gelegen − Sie haben dieses Angebot gestern abgelehnt.