Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

diskutieren müssen und vor allem dann gemeinsam ein LEP verabschieden sollen, das die Frage beantwortet, wie wir unsere Vorstellung von Bayern und der Entwicklung in Bayern in den nächsten 15 Jahren verwirklichen. Stattdessen besteht der heutige Anlass der Beratung in einem Durchpeitschen vor einem Wahltermin. Eine solche Verpflichtung gibt es nicht, noch nicht einmal im Koalitionsvertrag. Ihnen geht der Zeitdruck vor Qualität.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass Sie im Verfahren nicht mehr Herr des Zeitablaufs sind. Ich will Sie nur daran erinnern, dass es im Jahr 2010 eine Interpellation zum Landesentwicklungsprogramm gab. Darin haben wir unter anderem die Frage gestellt, bis wann mit dem Vorliegen der für die Landesentwicklung in Bayern relevanten Ergebnisse des bundesweiten Zensus 2011 zu rechnen ist und ob diese Ergebnisse für die Gesamtfortschreibung des LEP abgewartet werden sollen. Sie haben darauf – ich kürze etwas ab – geantwortet, dass der Zensus 2011 durchgeführt werden und erst am 9. Mai 2013 verwertbar vorliegen wird und aus diesem Grunde eine Verwendung der Ergebnisse im Rahmen der laufenden Gesamtfortschreibung des LEP nicht mehr möglich ist. Aktualisieren Sie es eben! Wir haben diesbezüglich einen Antrag gestellt. Auch das gehört dazu, dass man zumindest in diesem langen Verfahren die zusätzlich dazukommenden aktuellen Strukturdaten wie insbesondere die Ergebnisse des Zensus mit nutzt und nicht einfach ignoriert. Das ist doch auch eine Arbeitsgrundlage für die nächsten Jahre.

Als Nächstes gehe ich auf das Verfahren ein. In der Gesamtbewertung wird man sich doch schon fragen dürfen, warum Sie eigentlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt haben. So, wie Sie die Öffentlichkeit beteiligt haben, entsteht der Eindruck: Das ist Ihnen eigentlich nur lästig gewesen.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Das ist eine Unterstellung!)

Letztes Jahr war die Beteiligung in den Sommerferien möglich, die nächste Beteiligung in den Winterferien, und jetzt legen wir es so an, dass die mutmaßlich noch einmal notwendig werdende Beteiligung wieder in den Sommerferien stattfindet.

Auch inhaltlich - die Kollegin Karl hat darauf hingewiesen – sind letzten Endes wirkliche Mitgestaltungsmöglichkeiten nicht spürbar geworden. Die Debatte, wie man die Öffentlichkeit beteiligt, ist im Kern vor allen Dingen nur dann zu rechtfertigen und positiv zu gestalten, wenn man die Bereitschaft mitbringt, Anregungen erstens umfassend aufzunehmen und sich zweitens mit diesen Anregungen ernsthaft auseinan

derzusetzen, da und dort zu reagieren und gute Vorschläge einfließen zu lassen. Das ist bei den Vorschlägen der Opposition nicht erfolgt, aber auch nicht bei den vielen durchaus konstruktiven Vorschlägen der Verbände.

(Zuruf des Abgeordneten Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP))

Lieber Kollege Gumppenberg, auch wir haben Vorschläge gemacht, und Sie hätten gut daran getan, den einen oder anderen dieser Vorschläge aufzunehmen, um insbesondere das Thema "gleichwertige Lebensbedingungen" besser voranzubringen, als man es von diesem schwach formulierten LEP erwarten kann.

Dieses LEP bringt keinerlei positive Entwicklungen in diese Richtung mit sich. Es fehlt an wirklich guten Mitgestaltungsmöglichkeiten. Eine Anhörung als Feigenblatt, als Formsache und leider auch nur pflichtgemäß – so stellen wir uns ein öffentliches Beteiligungsverfahren nicht vor. So können Sie auch nicht mit der notwendigen Akzeptanz und Umsetzungsbereitschaft der von Ihnen Beteiligten rechnen. Denn Sie nehmen sie nicht wirklich mit, sehen diese nur formal weitreichende Beteiligung auch nur als Formalie an.

Ich komme jetzt zur Behandlung des Plenums. Auch dazu muss ich noch einen Satz sagen. Nachdem das Initiativrecht bei der Staatsregierung liegt, haben wir uns als Parlament natürlich mit Dringlichkeitsanträgen bzw. Änderungsanträgen vor Vorlage des LEP in diesem Hohen Hause zu Recht zurückgehalten. Seit der LEP-Entwurf der Staatsregierung dem Plenum vorliegt, ist es Sache des Plenums und der Ausschüsse, das Programm zu beraten und die Zustimmung zu erteilen. Da wäre es nun wirklich angebracht gewesen, wenn die Staatsregierung ihrerseits den Abschluss der Beratungen abgewartet hätte, bevor dann diese noch notwendige Anhörung stattfindet. Was Sie mit Ihrem Schreiben vom 4. Juni dieses Jahres gemacht haben, ist eine ausdrückliche Missachtung des Parlaments und völlig unangemessen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Zuruf von der CSU: Peinlich!)

Lassen Sie mich jetzt ein paar zusammenfassende Sätze zum Inhalt sagen. Das LEP ist ein Programm der vertanen Chancen. Mit Kürzen und Streichen allein kann man Bayern nicht planen und nicht vernünftig in die Zukunft führen. Sie begnügen sich weitestgehend mit unvollständigen und hohlen Phrasen. Antworten auf die Fragen, die die Menschen bei uns in Bayern haben, fehlen. Solche Fragen sind: Wo werden künftig unsere Schulen sein, werden sie in erreichbarer Nähe sein? Wo werden künftig unsere Kin

derbetreuungseinrichtungen zu finden sein, wo unsere Krankenhäuser und wo unsere Behörden? All diese Fragen, die die Menschen in Bayern interessieren, lassen Sie unbeantwortet. Sie hätten sie im Landesentwicklungsprogramm beantworten können, ja, Sie hätten sie dort sogar beantworten müssen. Die Behauptung, dass es nicht geht, stimmt nicht. Das beweisen Sie selbst. Ich nenne als Beispiel die Festlegung auf die dritte Startbahn im LEP. Nach unserer Überzeugung ist das falsch, aber hier ausgerechnet werden Sie konkret. Konkret wird das LEP auch ein zweites Mal, nämlich da, wo geregelt ist, dass jede Region einen Luftverkehrsanschluss für die allgemeine Luftfahrt braucht. Das lässt das Netz der angedachten Flughäfen deutlich werden.

Ein weiteres Beispiel - nach meiner Ansicht ausgesprochen wichtig für die Gesamtentwicklung des Landes – ist eine Regelung im Rettungsdienstgesetz bezüglich der Hilfsfristen. Betragen die Hilfsfristen 12 oder 5 Minuten? Damit wissen dann alle Menschen im Lande, dass in Notfällen der Rettungsdienst innerhalb von 12 bis 15 Minuten vor Ort ist. Solche Regelungen vergleichbarer Art hätten wir uns auch im Bereich der Bildungseinrichtungen gewünscht. Ich denke zum Beispiel an eine Busfahrt von 15 Minuten oder auch 30 Minuten zur nächsten Grundschule. All diese Fragen wären im LEP zu regeln gewesen. Ein solches Netz an sozialen und Bildungseinrichtungen, auch der medizinischen Versorgung, all das hätte man sehr wohl im LEP regeln können, lieber Kollege Gumppenberg. Die Menschen haben darauf gewartet. Aber Sie haben sich an dieser Stelle verweigert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das nächste Dilemma, das damit im Zusammenhang steht, ist auch schon angesprochen worden. Ich meine die zentralen Orte. Ein Gesamtkonzept für Bayern lässt sich ohne die Festlegung, wo zentrale Orte sind und welche Versorgungsaufgaben sie konkret haben, nicht machen. Auch da haben Sie gegenüber dem alten LEP einen Rückschritt gemacht. Denn auch beim Zentrale-Orte-System bekommen wir jetzt nicht mehr konkret gesagt, welche Versorgungseinrichtungen der jeweilige zentrale Ort in der jeweiligen Stufe zu erbringen hat. Das ist alles ungenau und unverbindlich und damit nicht geeignet, den Aufgaben des Landesentwicklungsprogramms wirklich nachzukommen.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Sie wissen das sicherlich besser!)

Genauso steht es um die Aussagen zum Breitband. Auch da kommt das LEP nicht über Unverbindliches hinaus. Beim Verkehr fehlen mit Ausnahme der Aus

sage zur dritten Startbahn jegliche Priorisierungsmomente.

Auch bei den vielfach im Ausschuss schon diskutierten Fragen zum Anbindungsgebot und zum Einzelhandel kommen wir mit diesem LEP zu keinen guten Entscheidungen. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gestern am Tag der Selbstständigen unter anderem gesagt: Mit mir sind seelenlose Discounter auf der grünen Wiese nicht zu machen. Dafür haben Sie Beifall erhalten. Fahren Sie nicht gelegentlich durchs Land und sehen, wohin sich die Dinge entwickeln? Wir haben Lösungen vorgeschlagen und haben dabei auch mehr kommunale Verantwortung in dieser Frage eingefordert.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Die wolltet ihr doch gerade abschaffen!)

- Lesen Sie doch unsere Anträge. Sie singen das Hohe Lied der kommunalen Verantwortung, setzen es aber nicht wirklich um. Wären Sie unseren Anträgen gefolgt, wären wir auch an dieser Stelle ein gutes Stück weiter.

Über die 40 Änderungsanträge, die wir gestellt haben, ist jetzt aus Zeitmangel nicht mehr zu reden. Dieses LEP sollte nicht verabschiedet werden. Wir können es selbstverständlich nicht mittragen und schlagen vor, so einzupacken, wie es ist, und in der neuen Legislaturperiode ein verbindliches, gutes, neues LEP zu machen. Bayern hätte das verdient.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Muthmann. Nächster Redner ist Kollege Mütze. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum eigentlich noch reden zu diesem LEP - der Kollege Muthmann hat es eben gesagt -, wenn alle Hinweise, alle Anmerkungen, alle inhaltlichen Änderungswünsche und sogar alle Bitten, dieses LEP auf die richtigen Füße zu stellen, so ganz und gar ungehört bleiben. Da könnten wir uns das doch heute eigentlich auch schenken. Aber das ist nicht angebracht. Wir müssen heute – und das haben die Kolleginnen und Kollegen auch schon getan – deutlich machen, wo es hängt bei diesem LEP, damit die Menschen draußen verstehen, was zukünftig in Bayern geregelt werden soll oder nicht mehr geregelt wird.

Die Vorgeschichte ist klar: 2006 gab es einen Beschluss hier im Haus zur Teilfortschreibung, einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben das

noch mitbeschlossen. Wirtschaftsminister Huber hat sich gedacht: Mir bleiben noch zwei Jahre, das mache ich lieber nicht mehr, damit mache ich mir die Finger nicht mehr schmutzig. Er hat es seinem Nachfolger Herrn Zeil überlassen. Der hat erst einmal nichts gemacht außer zwei Dingen: Zum einen hat er die Verkaufsfläche auf 1.200 Quadratmeter erhöht, zum anderen hat er dafür gesorgt, dass Oberpfaffenhofen weiterhin ein Sonderflughafen bleibt, weil – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – er dort wohnt. Man will das in Oberpfaffenhofen auch nicht ausgeweitet wissen. Persönliche Betroffenheit, das kann man nachvollziehen.

Jetzt drängt auf einmal die Zeit. Anhörungen werden in den Ferien abgehalten. Allen Verbänden und Kommunen, die dagegen Sturm laufen, wird gesagt: Es geht nicht anders. Auch diesmal ist es so: Wir debattieren hier noch, und schon läuft die Anhörung zum endgültigen LEP.

Die Reaktionen, sehr geehrter Herr Minister, die es auf diesen LEP-Entwurf gab, und die Vehemenz der Ablehnung haben mich schon überrascht. Ich glaube, Sie haben vorhin gesagt: Das war eine nervige Dauernörgelei. Ich lasse es noch gelten, wenn Sie uns damit meinen.

(Staatsminister Martin Zeil: Habe ich auch!)

Also, wir haben Sie genervt mit unserer Nörgelei. Das mag so sein. Aber von der Fachlichkeit ist Ihnen doch die geballte Ablehnung entgegengeprallt. Ich will einige Beispiele nennen.

Ein Neustart wurde empfohlen, raumordnerische Ziele sind nicht erreicht; es ist ungeeignet; es gibt keine tragfähige Konzeption; schwere inhaltliche Defizite; wird den hohen Anforderungen nicht annähernd gerecht, keine Vision und so weiter und so fort. Schon an diesem Punkt, Herr Minister, hätte Ihnen klar werden müssen, dass das, was Sie vorhaben, nicht richtig sein kann. Hier hätten Sie aufhören und sagen müssen: Okay, das war ein Versuch. Sie hatten da gerade erst angefangen. Das hätte jeder nachvollziehen können, wenn Sie gesagt hätten: Ich wollte es halt anders machen als meine Vorgängerinnen und Vorgänger. Lassen wir das. – Aber Sie haben es nicht getan. Sie haben weitergemacht, und das, was wir jetzt vorliegen haben, ist in seiner unglaublichen und nicht nachvollziehbaren Naivität, wie Bayern sich entwickeln soll, unvergleichlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zum Leitbild. Im Leitbild ist alles noch wunderbar. Bayern 2025, große Worte, Bayern, wohin sollst du dich entwickeln? Alles kommt vor: demografi

scher Wandel, Klimawandel, die Zukunft des ländlichen Raums, die Herausforderungen der Zukunft sind genannt.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Sie haben es wenigstens gelesen!)

In der Begründung zur Verordnung steht sogar:

Die Gesamtfortschreibung des LEP ist auch fachlich geboten. Die aktuellen räumlichen Herausforderungen

- demographischer Wandel,

- Klimawandel, einschließlich des Umbaus der Energieversorgung, und

- Wettbewerbsfähigkeit

sind von der Landesplanung verstärkt aufzugreifen.

Wenn man das gelesen hat, denk man sich: Sehr gut, und jetzt geht’s los, jetzt wird etwas geändert. So, dann schauen wir einmal hin. Energie: sechs Grundsätze. Wer sich mit Landesplanung auskennt, der weiß: Grundsätze sind immer abwägbar. Zwei Ziele im Energiebereich. Da heißt es, erneuerbare Energien sollen die Grundlage der neuen Energieherstellung darstellen. Ach so? So allgemein ist das gehalten.

Das andere Ziel ist die Windkraft. Bei diesem Ziel hat der Ministerpräsident sozusagen von hinten ins Knie geschossen. Dieses Ziel hat sich dann auch schon erledigt. Mit der heutigen Verabschiedung des LEP hat sich das Thema Energie erledigt.

Beim Klimawandel sind drei Grundsätze abwägbar. Kein Ziel gibt es zum Hochwasserschutz; Hochwasserschutz kommt in der Begründung vor.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Es gibt ein eigenes Gesetz dafür! - Ulrike Gote (GRÜNE): Es gibt zu allem eigene Gesetze!)

Hochwasserschutz ist scheinbar nicht wichtig. – Ich komme nachher noch darauf, was in diesem LEP stehen müsste und was nicht. In diesem LEP findet er sich jedenfalls nur in der Begründung.

Herr Minister Zeil, Sie haben vorhin von klimaschonendem Tourismus gesprochen. Wunderbar, wo ist er denn, der Satz zum Tourismus? Ein Antrag von uns, dass Tourismus sich klimaschonend entwickeln muss, dass man dafür sorgen muss, dass der Tourismus sich so entwickelt, dass die Menschen nicht unbedingt mit dem Auto in die Ferien fahren müssen, wurde ab

gelehnt. Das wäre ein Hinweis auf den klimaschonenden Tourismus gewesen.