Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Die fünf Minuten sind um. Wir schließen die Abstimmung. Wir zählen das Ergebnis außerhalb des Saales aus und geben es Ihnen so schnell wie möglich bekannt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Ulrike Müller u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Kürzungen bei Agrarmitteln in der zweiten Säule vollständig kompensieren (Drs. 16/17328)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Maria Noichl, Annette Karl u. a. und Fraktion (SPD) Bäuerliche Landwirtschaft stärken - Sicherung der zweiten Säule (Drs. 16/17348)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Ulrike Müller für die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor vier Wochen haben wir hier eine intensive Diskussion über die gemeinsame Agrarpolitik ab 2014 bzw. 2015 geführt. Der damalige Antrag von CSU und FDP hat die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz bzw. deren Willensbekundungen beinhaltet. Damals, vor vier Wochen, warf ich der Regierungskoalition im Plenum vor, dass dies Zeitvergeudung ist. Wir wollten dieses Mal keine Zeit vergeuden und haben daher diesen Antrag in der vorliegenden Form gestellt; denn im Protokoll der Agrarministerkonferenz steht nur – ich zitiere -: Die Länder bitten den Bund um einen angemessenen Finanzausgleich im Rahmen der GAK aus Bundesmitteln. Das ist eine Bitte. Dies ist uns nachdrücklich zu wenig.

Heute wollen wir mit unserem Antrag eine klare Positionierung zur vollen Kompensation der Mittel in der zweiten Säule aus Bundesmitteln. Sie alle wissen, aus der zweiten Säule werden Dorferneuerungen, Vertragsnaturschutzprogramme, LEADER-Programme, die Ausgleichszulage, das Kulturlandschaftsprogramm, das einzelbetriebliche Förderprogramm und zukünftig auch die Handwerker gefördert, um ihnen eine Starthilfe zu geben. Wir FREIE WÄHLER wollen keine Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule; denn aus unserer Sicht ist eine Umschichtung von 15 % eine Umschichtung von der rechten Hosentasche in die linke Hosentasche mit Loch. Bei den Landwirten, die die direkte Betriebsprämie bekommen, ist das 100-prozentig einkommenswirksam. Bei Umschichtung der Mittel hat nur noch

ein Teil der Landwirte die Möglichkeit, zusätzliche Gelder zu generieren.

In der aktuellen Situation müssen wir an die Verantwortlichen von der CSU appellieren. Im Bund steht eine CSU-Politikerin an der Spitze des Landwirtschaftsministeriums, und hier im Land sitzt ein CSUPolitiker an der Schaltstelle. Wir fordern diese Mittel und Gelder ein, um das festzuzurren, bevor die Wahl stattfindet. Ich glaube, heute ist die letzte Möglichkeit, das einzubringen und darzustellen.

(Thomas Hacker (FDP): Ob man den Bundeshaushalt bis dahin noch einmal aufmachen kann?)

Die Vorgaben des EU-Rates für 2014 erfordern eine Kürzung der Mittel für 2013. Ich glaube, das ist bei den Landwirten überhaupt noch nicht richtig angekommen. Auch die Übergangsregelungen für 2014 sind noch mehr als vage. Selbst die Agrarministerkonferenz hat gefordert, nicht nur eine einjährige Vertragsverlängerung vorzunehmen, sondern zusätzlich neue fünfjährige Verträge zu ermöglichen. In diesem Rahmen ist es dringend notwendig, dass die Landwirte Planungssicherheit haben. Ich fordere die Bundesministerin und den Landesminister auf, sich massiv einzubringen und diese Mittel voll zu kompensieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich gebe zunächst das Ergebnis der soeben durchgeführten namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Wörner, Pfaffmann und Fraktion (SPD) betreffend "Preisexplosion beim Mieterwechsel verhindern – Mietpreisbremse jetzt!", Drucksache 16/17327, bekannt: Mit Ja haben 44 Abgeordnete gestimmt. Es gab 80 Nein-Stimmen und 18 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 17)

Wir fahren in der Debatte fort. Nächste Rednerin ist Kollegin Maria Noichl für die SPD-Fraktion. – Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gedacht, dieser Dringlichkeitsantrag ist ein Wunschzettel. Wir werden diesen Wunschzettel gerne unterstützen. Wir können ihn heute Nachmittag oder heute Abend ans Fenster legen. So habe ich es mit meinen Kindern immer gemacht. Wir haben das Fenster einen Spaltbreit aufgemacht und haben darauf gewartet, dass das Christkind kommt und den Wunschzettel holt. Damit die Kinder am nächsten Tag einen Spaß

hatten, habe ich ein paar Schokoladenstücke ans Fensterbrett gelegt. Dann hat es geheißen: Mama, das Christkind war da!

Sehr geehrte FREIE WÄHLER, dieser Antrag mit der Aufforderung, die Bundesregierung möge doch die drohenden Kürzungen in der zweiten Säule der EUAgrarpolitik voll und ganz aus Bundesmitteln kompensieren, ist ein Wunschzettel. Wir unterstützen ihn voll und ganz. Bitte, Herr Minister Brunner, setzen Sie sich dafür ein! Sehr geehrte Kollegen von der CDU/CSU und der FDP, setzen Sie sich bitte dafür ein! Es ist ein wunderbarer Antrag. So wird es aber wohl nicht kommen.

Der Deutsche Bauernverband zum Beispiel spricht schon gar nicht mehr von einer vollen Kompensation; er bittet um eine teilweise Kompensation. Die Länder bitten um eine angemessene Kompensation. All das passiert nur deswegen, weil bald Wahlen stattfinden, weil man jetzt das Schauspiel aufführen muss, man würde sich einsetzen. Uns fehlt der Glaube daran, dass das passiert.

Die FREIEN WÄHLER haben mit diesem Antrag noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig die zweite Säule ist. Dort liegt eigentlich der Hund begraben. Wenn die zweite Säule so wichtig ist, dass man einen solchen Antrag schreibt, dann muss man wenigstens auf bayerischer Ebene alles dafür tun, um die zweite Säule zu stärken. Es ist nicht richtig, nur auf Berlin zu verweisen und sich auf bayerischer Ebene zurückzulehnen mit dem Hinweis, die Berliner waren es.

Ich möchte darstellen, warum die zweite Säule so wichtig ist, darin sind wir uns hier alle einig: Wir brauchen die zweite Säule zur Erhaltung der Biodiversität und für den Öko-Landbau. Sie ist ein wichtiger Pfeiler der bayerischen Agrarpolitik in diesen beiden Bereichen. Agrarumweltmaßnahmen, ländliche Entwicklung, Vertragsnaturschutz, Kulap-Programme usw. laufen über die zweite Säule. Wenn die zweite Säule nicht ausreichend ausgestattet ist, dann schaut es in Bayern nicht mehr so gut aus.

Schicken wir diesen Wunschzettel an Frau Merkel. Die Staatsregierung soll sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen. Haben die FREIEN WÄHLER denn vergessen, dass es Frau Merkel war, die mit ihrer Regierung eine Begrenzung der Mittel auf 1 % der Wirtschaftsleistung herbeigeführt hat? Es wird doch wohl nicht passieren, dass ausgerechnet die Bundesregierung, die eine Begrenzung der EU-Mittel auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union beantragt und durchsetzt, zu unserem Schaden, sagt: Jetzt kommt ein Wunschzettel aus Bayern, wir machen den Geldbeutel auf und nehmen die Kürzung

wieder zurück. Dafür hat Frau Merkel viel Kritik einstecken müssen.

Uns ist es zu wenig, nach Berlin zu schauen. Wir werden Ihren Antrag dennoch unterstützen. Vielleicht legen ein paar Kollegen ihren Wunschzettel noch dazu. Das kann nicht verkehrt sein. Es hilft aber nichts.

Wir bitten Sie, unseren Antrag, der die Umschichtung von der ersten in die zweite Säule in Bayern fordert, zu unterstützen. Damit würden Sie zeigen, dass Sie es mit der Stärkung der zweiten Säule ernst meinen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Kollege Albert Füracker für die CSU-Fraktion. – Bitte schön.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bauern in Bayern! Die angedachte Dreierkoalition streitet wieder einmal über die Agrarpolitik. Wir von der CSU haben wie immer einen klaren Kurs.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP – Heiterkeit bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Schönen guten Morgen, liebe FREIE WÄHLER! Noch vor vier Wochen hat uns Frau Kollegin Müller gescholten, wir würden überflüssige Dinge diskutieren. Heute den Minister aufzufordern, die Dinge zu fordern, die im Antrag stehen, ist tatsächlich Zeitvergeudung; denn der Erste, der in Deutschland die Forderung überhaupt erhoben hat, dass aus den Bundesmitteln, die nicht in der Höhe nach Brüssel gezahlt werden müssen wie zunächst befürchtet, Mittel in die zweite Säule umgeschichtet werden können, war Staatsminister Brunner von der CSU. Zu der Zeit waren sich die FREIEN WÄHLER noch nicht sicher, ob die Umschichtung von der ersten in die zweite Säule denn gut wäre.

Der Antrag ist ein Schaufensterantrag. Liebe FREIE WÄHLER, wir brauchen diese Tipps nicht. Weil es aber richtig ist und der Landtag schon vor vier Wochen beschlossen hat, was Sie hier fordern, stimmen wir Ihrem Antrag zu.

Wir haben Staatsminister Brunner längst beauftragt, das zu tun, was Sie fordern. Staatsminister Brunner wird das am Ende erfolgreich fordern. Das hat auch nichts mit Wunschzetteln zu tun. Die Wunschzettel von Frau Noichl mit ihrer hellseherischen Gabe sind in dieser sommerlichen Zeit ohne Relevanz. In ganz Deutschland hat niemand die zweite Säule so gut auf

gebaut wie Bayern. Wir brauchen keinerlei Belehrungen von einer Frau Noichl über die Wichtigkeit der zweiten Säule in Bayern. Wir wissen, dass die zweite Säule in Bayern allen rot-grünen Bundesländern um ein Vielfaches überlegen ist. Das wird auch in Zukunft so bleiben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eines, was die SPD und die GRÜNEN fordern, unterstützen wir nicht: Sie wollen den Bauern 15 % des Geldes wegnehmen, damit sich diese über die zweite Säule möglicherweise in Konkurrenz mit den Kommunen das Geld, wie auch immer, erstreiten können. Nein, wir lassen die 15 % zunächst bei den Bauern und schichten nicht um. Die zweite Säule stärken wir mit Mitteln, die nicht, wie zuerst befürchtet, an Brüssel bezahlt werden müssen. Deswegen können sie zu Recht vom Bund gefordert werden. Aus diesem Grund lehnen wir den SPD-Antrag ab.

Frau Noichl schreibt in den Antrag, dass der Landkreistag die Forderung der SPD teile und die schwarzgelbe Strategie vehement kritisiere. Leider ist Frau Noichl damit nicht auf der Höhe der Zeit; denn am 15. Juni hat der Landkreistag gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband und dem Gemeindetag erklärt, dass sie die Forderung, den Bauern das Geld wegzunehmen, längst nicht mehr aufrechterhielten. Frau Noichl, wenn man mit Ihnen spricht, dann telefonieren Sie. Das ist ein wirklich toller Stil in diesem Haus.

(Beifall bei der CSU)

Insofern ist Ihr Antrag falsch.

Tatsache ist, dass wir den Bauern die 15 % belassen und die zweite Säule in jedem Fall stärken. Der Antrag der FREIEN WÄHLER kommt viel zu spät. Staatsminister Brunner tut das längst. Gott sei Dank hat er das damals schon gefordert, als die FREIEN WÄHLER noch gar nicht daran gedacht haben, sonst wären wir mit dieser Forderung wirklich zu spät gekommen. Wir bedanken uns bei der Staatsregierung, die diesen Kurs gemeinsam mit der CSU eingeschlagen hat.

(Beifall bei der CSU - Tobias Thalhammer (FDP): Und der FDP!)

Die nächste Rednerin in dieser Debatte ist Frau Kollegin Schopper für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hat gemerkt, dass sich die unterschiedli

chen Fraktionen beim Thema Landwirtschaft nicht ganz grün sind, wenn man das einmal so diplomatisch beschreiben darf. Eines ist klar: Im Rahmen der GAP führen wir die Debatte darüber, inwieweit die Kürzungen für die ländliche Entwicklung, die beschlossene Sache sind, entsprechend ausgeglichen werden können. Aktuell wird noch darüber gestritten, wie hoch die Mittelkürzungen sind. Das sei dahingestellt. Wir in Bayern – da gebe ich Herrn Füracker durchaus recht – sind von den Kürzungen noch mehr betroffen, weil wir in der zweiten Säule wesentlich mehr Geld drin haben. Das macht es nicht besser, sondern noch schlimmer. Die Kürzungen sind höher, wenn sie prozentual greifen, zumindest nach meiner Rechenkunst. Die waren damals nicht ganz so schlecht. Das lässt sich so herleiten. Für uns GRÜNE ist es Fakt, dass wir das Geld aus der zweiten Säule weiter erhalten wollen. Der Antrag der FREIEN WÄHLER, mit einem Wunsch nach Berlin zu gehen und zu hoffen, dass sich dieser erfüllt, ist schön. Maria Noichl hat gesagt, das sei ein Wunschzettel. Ich sage: Das ist Weihnachten zur Sonnenwende.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zwar ist die Forderung schön, aber der Gang wird nicht wie der Gang nach Canossa belohnt. Stattdessen kriegen wir nichts von der Bundesregierung. Wir müssen die Fakten und die Konsequenzen betrachten. Als GRÜNE sehen wir, dass die geplanten Mittelkürzungen für die ökologische Landwirtschaft eine erhebliche Beeinträchtigung wären. Projekte für den Umwelt- und Naturschutz könnten nicht weitergeplant und umgesetzt werden. Aus diesem Grund führen die Bio-Landwirte, die Naturschutzverbände und die Vertreter der Landschaftspflege riesige Debatten. Deswegen werden wir im Landwirtschaftsausschuss ein Fachgespräch durchführen, um das Ganze noch einmal zu hinterfragen.

Die Debatte am 16. Mai im Plenum hat gezeigt, welche Landkreise massiv betroffen wären, wenn die zweite Säule nicht mehr entsprechend ausgestattet wird. Für uns ist klar: Im Falle prozentualer Einbußen werden wir eine Mittelumschichtung brauchen. Den FREIEN WÄHLERN und Herrn Kollegen Füracker sage ich: Wir müssen die Prioritäten anders setzen. Wir sagen, die zweite Säule ist uns wichtiger. Das hat nichts damit zu tun, dass wir den Bauern Geld wegnehmen wollen. Stattdessen müssen wir im Rahmen begrenzter Mittel schauen, wie wir die Prioritäten setzen. Wir sagen: Diese zweite Säule ist wichtig für uns, um die Nachhaltigkeits- und die Klimaschutzstrategie erfolgreich umzusetzen. Das ist der Punkt.

Daher werden wir den Antrag der FREIEN WÄHLER selbstverständlich unterstützen. Wenn sich doch noch

ein Füllhorn aus Berlin über uns ergießt, sagen wir: Hurra und prima. Sollte das nicht der Fall sein – Stichwort: Weihnachten zur Sonnenwende – haben wir nur über eine Umschichtung von der ersten in die zweite Säule die Chance, die ökologische Landwirtschaft, die Naturschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Landschaftspflege mit Mitteln auszustatten, um sie voranzutreiben. Deswegen stimmen wir dem Antrag der SPD zu und hoffen auf ein gutes Ende für die gesamte Bauernschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegt eine Zwischenbemerkung vor, zu der ich Herrn Kollegen Füracker von der CSU das Wort erteile.