Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Überprüfung der Gültigkeit der Wahl zum Bayerischen Landtag am 28. September 2008 nach Art. 33 Satz 1 der Bayerischen Verfassung und Art. 51 Landeswahlgesetz

Dieser Tagesordnungspunkt wird vorgezogen, denn eine Aussprache findet dazu nicht statt. Wir können deswegen sofort abstimmen. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/604 folgende Beschlussfassung: "Die Gültigkeit der Wahl zum Bayerischen Landtag am 28. September 2008 wird festgestellt." Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 4 c und 4 d auf:

Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Franz Schindler, Stefan Schuster u. a. und Fraktion (SPD) zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Freistaates Bayern und zur Änderung weiterer Vorschriften (Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz - BayIFG) (Drs. 16/589) - Erste Lesung

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Gewährleistung des freien Zugangs zu amtlichen Informationen im Freistaat Bayern (Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz - BayIFG) (Drs. 16/660)

- Erste Lesung

Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion wird von Herrn Kollegen Horst Arnold begründet. Bitte schön, Herr Kollege. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz: Da könnte die Mehrheit in diesem Haus sagen: Wieder einmal ein solcher Antrag der Opposition, der dazu dient, uns die Zeit zu stehlen oder sich zu profilieren. In dieser Legislaturperiode ist das aber etwas anderes. Wir haben nämlich eine neue Regierung und in dieser Regierung einen neuen Partner, nämlich die FDP. Ich möchte bei Ihnen dafür werben, dass Sie bei unserem Vorschlag für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes mitziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich habe in Ihrem Landeswahlprogramm 2008 unter der Ziffer 8 "Stärkung der Bürgerbeteiligung, Transparenz" Folgendes entdeckt: Die bayerische FDP will, dass die Behörden in ihrer Arbeit transparenter werden und ein umfassendes Akten- und Dateneinsichtsrecht für Bürger nach dem Muster des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes und anderer Bundesländer eingeführt wird.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Hört, hört!)

Ausnahmen vom Akteneinsichtsrecht dürfen demnach nur zum Schutz der Rechte anderer Bürger oder bei der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zugelassen werden. Die Verweigerung der Akteneinsicht muss gerichtlich überprüft sein. Herr Kollege Dr. Fischer, stimmt das? Das ist doch so?

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Es ist schön, wenn Sie unser Programm lesen!)

- Da sehen Sie einmal, welche Mühe ich mir mache.

Aber, man höre und staune: Von diesem Wahlversprechen ist in der Koalitionsvereinbarung null Komma null zu lesen, Herr Dr. Fischer. Es gibt keine einzige Passage dazu.

(Tobias Thalhammer (FDP): Von Ihren Wahlversprechen auch nicht!)

Wenn Sie schon für entsprechende Rechte eintreten, würde ich mir erwarten, dass Sie dies in Ihrer Koalitionsvereinbarung durchsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Oder sind diese Rechte wieder einer Machtpartizipation geopfert worden, um entsprechende Ministerposten oder Sonstiges zu besetzen?

Nun zu den Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Im Koalitionsvertrag stehen in den Leitlinien wunderbare Sätze, die ich zitieren möchte: In einer zunehmend globalen Welt wachsen Wettbewerb und Veränderungsdruck. Je mehr sich verändert und wandelt, desto mehr brauchen die Menschen Geborgenheit und Sicherheit. Werte, Kultur und Tradition sind das Fundament eines selbstsicheren und weltoffenen Bürgers. Unsere Politik wird dieses Fundament für Geborgenheit und Sicherheit pflegen und Bürger in Freiheit zur Annahme der Herausforderungen einer weltoffenen Gesellschaft ermutigen. Weltoffen muss demnach auch die Verwaltung sein.

(Beifall bei der SPD)

Denn die Gesellschaft besteht aus der Verwaltung. Sicherheit und Geborgenheit empfindet der Bürger nicht zuletzt dann, wenn der Staat gewährleistet, dass die Daten und die Informationen, die der Bürger gern haben möchte, angemessen preisgegeben werden. Insofern schafft eine Blockade Misstrauen und wird genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist, bewirken.

Weiterhin steht im Koalitionsvertrag: Wir werden die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unter den Gesichtspunkten der Subsidiarität, Bürgerorientierung und der Transparenz einer kritischen Überprüfung unterziehen. Genau das wäre bei unserem Gesetzentwurf der Fall. Sie sollten sich das einmal anschauen und vielleicht doch den Schutz der Informationen als Rechtfertigung anerkennen.

Der vormalige Staatssekretär Heike hat in einer Stellungnahme zu einer Petition auf die Frage, wann der Bürger das Recht hat, entsprechende Informationen zu bekommen, eine Auskunft gegeben, die dankenswerterweise sehr umfänglich ist. Diese Stellungnahme zeigt aber auch, dass die Verschlankung des Staates und die Reduzierung der Gesetze notwendig ist. Informationsvorschriften gibt es nach dem Rechtsstaatsgebot, der Justizgewährungspflicht und dem Demokratiegebot. Herr Kollege Heike hat die §§ 299 und 760 ZPO, den § 100 der Verwaltungsgerichtsordnung, den § 147 der Strafprozessordnung, den § 29 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, den § 3 des Umweltinformationsgesetzes des Bundes, Artikel 3 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes, das Verbraucherinformationsgesetz, den Artikel 54 Absatz 3 Satz 2 der Gemeindeordnung, die Dateiauskunft nach Artikel 10 des Bayerischen Datenschutzgesetzes und so weiter genannt.

Das ist ein Zeichen dafür, dass es zu viele Vorschriften gibt, die sich um ein und dasselbe Thema kümmern, nämlich Information zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Zielrichtung unseres Antrags: Wir wollen dem Bürger eine rechtliche Möglichkeit schaffen, rechtssicher mit diesem Thema umzugehen.

Den Sitzungsprotokollen der letzten Legislaturperiode habe ich entnommen, dass Herr Kollege König von der CSU meinte, für dieses neue Gesetz bestünde kein Bedürfnis. Ich gehe davon aus, dass die Petitionen, die uns mittlerweile beschäftigen von Ihnen als Grundrecht anerkannt und nicht als Versammlungs- und Versinterungsbecken bürgerlich geneigter Querulanten verstanden werden. Ich glaube, das ist Konsens.

Wenn Sie die Verschlankung des Staates fordern, fordern wir eine Reduzierung der Regelungsdichte. Dafür ist das Bayerische Informationsschutzgesetz genau richtig. Auch Sie in der CSU haben sicherlich Ansprüche auf Informationen. Wenn man sieht, welche Entscheidungen Ihr Parteivorsitzender gelegentlich trifft, würden Sie wahrscheinlich gern wissen, was dahintersteckt.

(Beifall bei der SPD)

Spaß beiseite. Das Thema ist zu ernst. Transparenz, Offenheit, Verständlichkeit und Kontrolle im wohlverstandenen rechtsstaatlichen Sinn sind Werte, denen auch Sie Bedeutung beimessen. Im Übrigen ist dies bereits in neun Bundesländern dieser Bundesrepublik Deutschland Gesetz. In Bayern müssen die Uhren nicht immer anders gehen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eines klarstellen: Dieser Gesetzentwurf ist keine Misstrauenserklärung gegenüber der bayerischen Verwaltung. Er ist das Gegenteil. Es muss eine einheitliche Klarheit herrschen, wer etwas wissen darf, wann, wo und wie. Das ist Effizienz und Zuverlässigkeit. Die umfangreichen Normen, die ich dargestellt habe und die dankenswerterweise Herr Heike zusammengestellt hat, sind ein Hindernis für die Transparenz in unserem Rechtsstaat. Die Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst könnten ihre amtsbekannte Arbeitsüberlastung überwinden, wenn sie wüssten, nach welchen Vorschriften sie eine Akteneinsicht oder eine Einsicht in Daten gewähren könnten.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein Zitat aus Ihrer Koalitionsvereinbarung vorlesen: Die Menschen in Bayern wollen ihre Traditionen und Werte bewahren. Sie sind aber offen für Neues. Leben und leben lassen - das steht für Lebensfreude und Toleranz, aber auch für Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft. Dem fühlen wir uns aus Liebe zu Bayern verpflichtet. Wir Sozialdemokraten lieben Bayern ebenfalls, wollen aber wissen, was in den Verwaltungen und Behörden vorgeht. Deshalb wäre es schön, wenn wir uns alle auf dieses Gesetz verständigen könnten.

(Beifall bei der SPD)

Ewiges Zögern lässt nie etwas zustande kommen. Unterstützen Sie uns bitte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, vielen Dank. Der Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wird von Frau Kollegin Tausendfreund begründet. Die Aussprache wird gleichzeitig durchgeführt, so dass auch Sie zehn Minuten Redezeit haben.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte noch ein paar Sätze sagen, warum ein Informationsfreiheitsgesetz nötig ist. Das Recht auf freien Informationszugang ist ein elementares Bürgerrecht in einer Demokratie. Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, sich selbst ein Bild über die Vorgänge in den Verwaltungen zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, politische Entscheidungsvorgänge wirklich nachzuvollziehen. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht in der Position von Bittstellern sein. Das ist jedoch die bisherige Situation. Sie dürfen nicht auf Informationen nach Goodwill vertröstet werden. Sie kennen sicherlich die unterschiedlichen Verwaltungen und wissen, wie unterschiedlich die Regelungen gehandhabt werden. In einer Behörde bekommt man sehr freimütig die Informationen, in anderen Verwaltungen werden sie jedoch abgeblockt. Ich kenne Fälle, in denen nicht einmal der kommunale Haushalt herausgegeben, sondern sozusagen zum Geheimdokument deklariert wird. So etwas kann es wohl nicht geben. Es gibt auch Situationen, in denen man ein berechtigtes Interesse nachweisen muss. Beim Umweltinformationsgesetz sind wir schon ein Stückchen weiter. Da haben wir schon Erfahrungen gemacht.

Zu einer lebendigen Demokratie gehört zwingend Transparenz staatlichen und kommunalen Handelns. Wir wollen, dass sich die Menschen aktiv beteiligen. Wir wollen die Rahmenbedingungen für eine Mitmachdemokratie schaffen, und wir wollen, dass die Menschen ernst genommen werden. Ernst genommen werden sie, wenn sie Informationen bekommen, ohne dass es irgendwelche Einschränkungen gibt und solange keine geheimhaltungsbedürftigen Belange oder überwiegende Interessen Dritter entgegenstehen. In unserem Gesetzentwurf ist dafür entsprechend vorgesorgt. Für Geheimniskrämerei ist in einer funktionierenden Demokratie kein Platz. Geheimniskrämerei ist ein obrig

keitsstaatliches Relikt, das endlich aus den Amtsstuben verschwinden muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie der Parteien-, Politik- und Staatsverdrossenheit entgegenwirken wollen, müssen Sie der Bevölkerung zwingend ein ernst gemeintes Signal geben. Das Recht auf Information ist ein solches Signal. Es ist mehr als ein Symbol. Manchen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause reicht ein Symbol. Ich erinnere an die letzte Debatte im Verfassungsausschuss über die Besetzung der Datenschutzkommission. Uns reicht die Symbolpolitik nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Informationsfreiheitsgesetz ist die Aufforderung und der Anreiz, sich für das Gemeinwohl zu interessieren und über das jeweilige Individualinteresse hinaus zu engagieren. Das Recht auf freien Informationszugang hat aber auch noch andere Funktionen. Es hat eine ganz wichtige Kontrollfunktion. Wer als Mitarbeiter einer Behörde oder als Entscheidungsträger die Entscheidungswege offenlegen muss, gibt sich natürlich sehr viel Mühe und macht auch weniger Fehler. Wer seine Arbeit auf den Prüfstand stellen muss, bedenkt die Konsequenzen seines Handelns etwas genauer und natürlich auch die Folgekosten und die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Informationsfreiheit ist außerdem ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Missmanagement und Korruption.

(Unruhe)

- Ich würde doch um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten.

Die Transparenz des Verwaltungshandelns fördert die Effektivität, weil schon im Vorfeld der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht wird und die Entscheidungen öffentlich erläutert werden.

Wo gibt es bereits Informationsfreiheitsgesetze? Wir hinken hier ziemlich hinterher. Es gibt solche Gesetze weltweit in ungefähr 70 Ländern. In Schweden gibt es das Akteneinsichtsrecht bereits seit dem 18. Jahrhundert, nämlich seit 1766. In den USA trat 1967 der Freedom of Information Act in Kraft. Selbst einige Länder, die sich nicht gerade als ausgeprägte Demokratien hervortun, haben solche Informationsfreiheitsgesetze. In der Europäischen Union wurde der Grundsatz der Transparenz bereits im Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1991 festgeschrieben. Die meisten europäischen Länder haben inzwischen Informationsfreiheitsgesetze.

Auf der EU-Ebene gilt die Informationsfreiheit bei europäischen Behörden seit 2001. Nachzulesen ist dies in der EU-Verordnung 1049/2001. Im Bund gibt es ein In

formationsfreiheitsgesetz seit 1. Januar 2006. Herr Arnold, nicht in neun, sondern in elf der sechzehn Länder gibt es inzwischen Informationsfreiheitsgesetze, nur nicht in Bayern. Nachdem es in Bayern kein Informationsfreiheitsgesetz gibt, haben sich einige Gemeinden bereits mit entsprechenden Satzungen beholfen. In Passau, in Prien und in meiner Gemeinde, der Gemeinde Pullach, ist das der Fall. Interessanterweise kam dort der Vorschlag für eine Informationsfreiheitssatzung von der FDP-Fraktion. Die Satzung ist dort einstimmig verabschiedet worden.