Horst Arnold
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorgestern vor fünf Jahren wurde in diesem Haus Verfassungsbruch gelebt. Damals wurde das Versammlungsgesetz mit der damaligen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Aufgrund einer Verfassungsbeschwerde wurde das Bundesverfassungsgericht am 17. Februar 2009tätig und hat im Rahmen einer Einstweiligen Anordnung – was selten genug geschieht, Teile dieses Versammlungsgesetzes für verfassungswidrig und unwirksam erklärt.
Im Vorfeld hat die FDP aufgrund der neuen Regierungskonstellation Schlimmeres verhindert und einige Stellen, die bereits verfassungswidrig waren, im Koalitionsvertrag einverhandelt hat, so dass das Versammlungsgesetz geändert wurde.
Gleichwohl steht seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes fest, dass die Versammlungsfreiheit ein essenzielles Rechtsgut, ein Grundrecht auf Ausübung der Demokratie ist. Wir sind der Ansicht, dass die neue Formulierung des Bayerischen Versammlungsgesetzes dieses Erfordernis nicht in Gänze erfüllt, weil immer noch eine gewisse Polizeilastigkeit festzustellen ist. Es ist nicht so, dass wir etwas gegen die Polizei hätten, aber die diesbezüglichen Verpflichtungen dazu gehen uns zu weit.
Wenn eine Versammlung mit mindestens zwei Leuten anzumelden ist, wird man sich die Frage stellen: Welche politische Meinung ist kundzutun, wenn ein Ordnungsgeld droht? Es verunsichert die Menschen, und genau das ist der entscheidende Punkt. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich dargelegt, dass keine Verunsicherung stattfinden soll.
In unserem Fall handelt es sich um eine Arbeitskampfmaßnahme. Eine Demonstration fand nach einem Arbeitskampf statt. Ein Gewerkschaftssekretär ist aufgrund des derzeit gültigen Versammlungsrechts mit einem Ordnungsgeld belegt worden, und die Staatsregierung meint, dass Arbeitskampfmaßnahmen vom Versammlungsgesetz überhaupt nicht berührt sind, weil maßgeblich sei, ob sich eine Veranstaltung an die Öffentlichkeit richtet bzw. eine Teilhabe am öffentlichen Meinungsbild errichtet werden soll.
Versammlungscharakter hätte dann möglicherweise eine Grundlage.
Ja, Kollege Pohl, wir haben einen Ausschuss für öffentlichen Dienst, und wir haben Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Wenn diese streiken, wohin richten sie sich denn da? Sie sprechen die ganze Zeit darüber, dass Steuergelder ordentlich zu handhaben sind. Welche Chance hat denn der öffentliche Dienst, in der Öffentlichkeit bewusst wahrgenommen zu werden?
Es ist klar, dass solche Arbeitskampfmaßnahmen nicht nur eine Sache zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind, sondern auch die Öffentlichkeit angehen. Deshalb ist es grundsätzlich wichtig, dass die Befreiung auf dieser Ebene stattfindet.
Diese Anzeigepflicht ist auch nicht sonderlich hilfreich, weil sie abschreckt. Wenn Sie Transparente aufgehängt hätten – zum Beispiel "Aufbruch Bayern ins nächste Jahr" -, als Sie gestern Ihre Fraktionsfahrt gemacht haben, wäre das auch ein Sich-Wenden an die Öffentlichkeit mit einer politischen Kundgabe gewesen. Hätten Sie daran gedacht, Ihre Fraktionsfahrt als Demonstration anzumelden? – Das ist doch skurril.
Wir dürfen nicht anfangen, mit Grundrechten kleinteilig herumzuschustern, sondern wir müssen uns dazu bekennen, dass die Demonstrationsfreiheit zu gewährleisten ist.
Natürlich ist kein Raum, Missbrauch zu statuieren. Rechten und Ultrarechten, die die Versammlungsfreiheit nutzen, um unser System zu konterkarieren, ist mit den derzeitigen Mitteln schon zu begegnen. Damit ist auch die Forderung in unserem Gesetzentwurf richtig, dass man deutlich zu machen hat, wenn Aufzeichnungen erfolgen. Was sind denn das für Arbeitskampfmaßnahmen, an denen sich Arbeitnehmer möglicherweise nicht teilzunehmen trauen, weil vielleicht Aufzeichnungen von der Polizei gefertigt werden? Auch das ist nicht zielführend.
Deswegen sind wir der Meinung: Man sollte nicht nur offen darlegen, dass man aufzeichnet, sondern es auch kundtun. Das ist im Übrigen auch im privaten Datenschutzrecht eine ganz normale Geschichte. Warum soll das hier, Herr Pohl, nur weil es Ordnungsrecht ist, anders gehandhabt werden? Es geht hierbei um ein Grundrecht der Bürger, das elementar statuiert ist, und es geht nicht um Einschränkungen.
Sie müssen immer hergehen und repressiv tätig werden, Sie sagen, ja aber, ja aber, ja aber. Bei Ihnen steht nicht das Grundrecht im Vordergrund, sondern schon der vermutete Missbrauch. Das ist pervers.
Es gibt so viele Leute, die einfach ihre Meinung kundtun wollen. Sie aber kommen daher und sagen: Ist das denn angemeldet? Wenn nicht, musst du mit einem Ordnungsgeld rechnen usw. usf. Wenn Sie zukünftig auf dieser Ebene wirklich ernsthaft Politik betreiben wollen, dann sage ich Ihnen: Vorsicht!
- Aber ohne Ordnungsgeld! Was das Ordnungsgeld anbetrifft, da haben Sie sicherlich auch Erfahrungen. Aber in dem Bereich geht es um Grundrechte, nicht um Privatrechte.
Wir sind also der Ansicht, dass die Änderung des Versammlungsgesetzes nach der Maßgabe des Vorschlags stattzufinden hat. Das ist nicht sinnlos, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Wir müssen klarmachen, dass dieser Bereich wahrgenommen wird. Das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit wollen wir weitgehend ausüben.
Die Abschaffung der Bannmeile, die wir vorschlagen, ist aus unserer Sicht eine Sache der Souveränität unseres Parlaments. Wir sind Manns genug, auch vor unseren Mauern politische Meinungskundgaben von Bürgern tagtäglich aufzunehmen. Wir können das, glaube ich, ganz gut in den Griff bekommen und müssen uns das Volk nicht durch eine Bannmeile vom Leib halten.
Herr Kollege Hanisch, ich sage nur zur Klarstellung: Die unterlassene Anmeldung ist kein Grund, eine Versammlung nicht durchzuführen.
Die Polizei ist nach unserer Rechtsordnung befugt – Gott sei Dank; dazu stehen wir, weil das wichtig ist –, dann tätig zu werden, wenn aus der Versammlung heraus Straftaten begangen werden bzw. die öffentliche Ordnung massiv und intensiv beeinträchtigt wird. Wenn Sie sagen, eine Versammlung müsse angemeldet werden, damit sie genehmigt werde, dann zeigt das, welch obrigkeitsstaatliche Einstellung Sie in Bezug auf Gesetze haben. Ich bitte Sie dringend, die Sommerferien dafür zu nutzen, Hausaufgaben zu machen und das Gesetz zu lesen.
Herr Kollege Dr. Fischer, das, was Sie eben genannt haben – der Missbrauch durch Nichtanmelden bzw. Nichtanzeigen –, betrifft die klassische Spontanversammlung. Dies ist in der Tat ein Fall aus der Praxis, der uns bekümmert. Wir haben so etwas in Fürth erlebt. Angeblich fand eine Spontanversammlung statt, weil in Dresden so ein großes Polizeiaufgebot war. Binnen weniger Stunden wurde von Neonazis eine Demonstration durchgeführt. Recht und Ordnung waren eingehalten, aber im öffentlichen Bereich gab es massenhaft Kritik. Wenn ich Ihre Ausführungen und Ihre Analyse, wie man dem beikommen kann, ernst nehme, müssten Ihre Ausführungen eigentlich dahingehend zu interpretieren sein, dass Sie die Spontanversammlung als solche unterbinden wollen. Das kann es unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts doch wohl nicht sein.
Eine weitere Anmerkung zu Ihrer Gartenzwergmentalität, was den öffentlichen Raum angeht. Ich halte es schon für leicht untertrieben, das wichtige Thema des öffentlichen und des privaten Raumes auf den Vorgarten zu reduzieren. Sie machen sich eine Kleinteiligkeit zu eigen, die Ihnen eigentlich nicht zusteht. Es ist doch so, dass Flughäfen, dass Bäder, dass immer mehr Betriebe privatisiert werden und dass dadurch weite und breite Räume, in denen sich die Bevölkerung aufhält und wo man auch Interessen bekunden kann und soll, ausgenommen sind. Darum geht es, nicht aber um den Vorgarten. Kein Mensch wird das Eigentum beeinträchtigen. Im Übrigen ist das Eigentum immer noch sozialpflichtig. Sozial heißt auch, dass man miteinander lebt und auch Politik betreibt. Von daher teile ich Ihre Bedenken nicht.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mir ist kein Fall bekannt. - So lautet ein Satz der Frau Ministerin Haderthauer, den sie heute Morgen in der Asyldebatte gesagt hat. Ich denke, dass Kompetenz, insbesondere Sozialkompetenz, zur Ausübung der Fachaufsicht in dem wichtigen Bereich der Forensik erforderlich ist. Die Kompetenz erstreckt sich nicht nur auf die rechtlichen Aspekte, sondern auch auf die der Zweckmäßigkeit des Handelns und umfasst die Erteilung von Weisungen ebenso wie die Anordnung von Verwaltungsvorschriften.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, zu wissen, welche Fälle der Fachministerin im Bereich des Maßregelvollzugs bekannt sind. Ist ihr nicht bekannt, dass der hochgefährliche Dreifachmörder Zugang zu der Werkstatt und zu den Schlüsseln hatte, er nahezu unbegrenzten Ausgang – mitunter reiste er auch ins Ausland - hatte, dass seine Abwesenheiten im Bezirkskrankenhaus Ansbach als Flucht gewertet wurden, dass bei ihm ausdrücklich keine Postkontrolle stattfand und dass der Bezirkstag in Ansbach wegen dieser Causa drei geheime Sitzungen abgehalten hat? Wenn es ihr bekannt ist, dann wollen wir es wissen.
Warum sind im Maßregelvollzug Automodelle hergestellt worden, und zwar für 5.000 Euro das Stück? Ist bekannt, dass diese Automodelle noch im November letzten Jahres weiterveräußert wurden? Mit Therapieprodukten, wie Sie sagen, im Wert von 130.000 Dollar ist ein Gewinn von 500 bis 1.000 % erwirtschaftet worden. Der Lohn betrug allerdings nur 200 Euro. Die Geschäfte waren lukrativ für die Firma Sapor Modelltechnik, vielleicht auch für den Bezirk, für die Patienten aber wohl kaum.
Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Fachaufsicht bei ähnlichen Vorkommnissen nicht eingeschritten ist. Das betrifft die Sicherheit und die Rechtsgrundlagen, aber auch die wirtschaftlichen Ergebnisse für die öffentliche Hand. Frau Kollegin Haderthauer hat als Gesellschafterin und als Geschäftsführerin Erfahrungen bei der Firma Sapor Modelltechnik gemacht. Ihre Tätigkeit – das war zu diesem Zeitpunkt legitim – diente dem wirtschaftlichen Gewinnstreben. Es ist bekannt, dass 50.000 DM Familienvermögen in diese Firma geflossen sind.
Solch eine Situation birgt die Gefahr, dass die Fachaufsicht nicht wahrgenommen wird. Wer die Fachaufsicht nicht wahrnimmt, begeht eine Pflichtverletzung durch Unterlassen. Ob das geschehen ist, ist in diesem Fall zu prüfen.
Es geht uns nicht vornehmlich um die Person, sondern es geht um die Sache. Es geht um den Maßregelvollzug. Es wurden unermessliche Gewinne zulasten der Untergebrachten erzielt. Diese Gewinne hat man sich privat angeeignet, während die Bezirkskrankenhäuser darben.
Sie geben an, die Vorgänge lägen in einer Zeit, bevor Frau Haderthauer Ministerin geworden sei bzw. noch vor ihrer Zeit im Landtag. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, gibt man denn bei Ihnen mit dem Eintritt in das Ministeramt die vorher erworbene Kompetenz an der Garderobe der Zirbelstube des Minis
terpräsidenten ab? Natürlich nicht. Man muss wissen, mit wem man es zu tun hat.
In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass über Jahre hinweg Gewinne mit psychisch kranken Straftätern gemacht wurden. Mir sind allerdings viele Fälle bekannt, in denen es ein Kartell des Schweigens gegeben hat. Ich frage mich ernsthaft: Wenn Sie unseren Antrag ablehnen, soll das heißen, dass im Bayerischen Landtag das Gesetz der Omertà herrscht? Sie verweigern sich. Sie wollen die Wahrheit nicht kennen, oder Sie kennen sie, und dann ist es umso schlimmer. Sie reden von Transparenz, aber Sie liefern den Beweis dafür, dass Sie die Transparenz nicht ernst nehmen, wenn Sie unseren Antrag ablehnen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf das Bewusstsein dafür schärfen, dass in die Betrachtung der Wahlrechtsausschlussgründe Tiefenschärfe ein zieht. Alles pauschal über einen Kamm zu scheren, ist nicht möglich. Ein Betreuungsgericht muss alles un tersuchen und Gutachten darüber einholen, ob je mand seine Geschäfte besorgen und für seine Ge sundheit sorgen kann. Alles das muss geregelt werden. Wenn dagegen jemand untergebracht ist, ge nügt dieser Stempel, um ihn ein für allemal von der Wahrnehmung demokratischer Rechte auszuschlie ßen.
Ich finde es richtig, dass solche Leute nicht nur Abge ordnete für sich sprechen lassen, wie es Frau Kollegin Dr. Pauli heute getan hat, sondern es ist auch wichtig, dass sich solche Leute im politischen Prozess über Wahlen äußern können. Das hat die Staatsregierung im Bundesrat bereits erkannt. Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat auch mit Stimmen Bayerns beschlossen worden. Deswegen sehen wir keinen Grund, die Be handlung dieses Gesetzentwurfs abzuwarten. Sie brauchen nicht abzuwarten. Mit der Politik, die Sie hier betreiben, würden Sie Ihren Parteifreunden in Berlin ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Folgen Sie Ihren Leuten in Berlin, und damit folgen Sie letztlich auch uns. Damit hätten wir wieder eine Gemeinsam keit, die uns hoffen lässt, dass wir uns demnächst fröhlich alle wiedersehen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei den Sachverhalten, die der Debatte zugrunde liegen, Herr Weiß, kommt es mir fast so vor, als wenn man das alte Wort bemüht: Die normative Kraft des Faktischen ist hinzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn dies dazu führt, dass permanente Eingriffe in Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis, die informationelle Selbstbestimmung stattfinden, wenn der Kernbereich der Privatsphäre und der Datenschutz abgeschafft, ausradiert werden und wenn die Perpetuierung dieser Praxis diese Grundrechte nahezu verhöhnt, dann kann das für uns nur heißen: Alle normative Kraft, alle politische Kraft, alle bürgerliche Kraft und alle Anstrengungen aufbringen gegen dieses Faktische und nicht gesundbeten, sondern wirklich dagegen aufbegehren!
Es ist natürlich menschlich und nachvollziehbar, wenn man sich empört. Sie sagen, das gehe zu weit. Herr Weiß, es geht bei uns zu weit. Wir haben unseren eigenen staatlichen Hoheitsrahmen, und in unsere Rechte wird eingegriffen. Deswegen sind wir aufgefordert, tätig zu werden, und nicht zuletzt auch deswegen, weil die Regierung sowohl im Land als auch im Bund einen Amtseid geschworen hat, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Ein Schaden ist tatsächlich vorhanden. Die Regierung ist ein Beschützergarant. Sie hat in dem Zusammenhang zu handeln. Wie kommt sie dieser Handlungspflicht derzeit nach?
Frau Bundeskanzlerin fordert ein internationales Datenschutzabkommen. Sie fordert Aufklärung. Am Sonntag war vor diesem Hintergrund – da frage ich mich schon, inwiefern diese Kommunikation in der Regierung vorhanden ist – nichts zu hören, es gab keinen Hinweis auf Rechtsbruch.
Offensichtlich hat auch Herr Weiß diese Sendung gesehen. In diesem Zusammenhang glaube ich nicht, dass diese Aussage ehrlich und offen war, auch vor dem Hintergrund, dass die Freundschaft mit den USA – aus der Vergangenheit begründet, aber auch aus den Werten der USA – ein hohes Gut ist; denn Freiheit der Bürgerinnen und Bürger wird auch dort als Hohes Lied gesungen.
Wir sind stolz darauf, seitdem Deutschland wiedervereinigt ist, allenthalben auf Augenhöhe mit den Leuten sprechen zu dürfen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund habe ich meine Zweifel, was das Abhören anbetrifft. Freundschaft muss
bedeuten, dass man auf Ohrenhöhe ist, und was die technischen Möglichkeiten betrifft, wäre eine Freundschaft auf Datenhöhe vonnöten.
Bei dem, was Sie bislang kundgetan haben, ist weder eine Freundschaft auf Ohrenhöhe noch auf Datenhöhe erkennbar. Vor dem Hintergrund unserer intensiven Diskussionen genau um diese Gleichberechtigung wird das konterkariert. Deswegen wollen wir tatsächlich eine Freundschaft auf Datenhöhe, das heißt, die Karten müssen auf den Tisch – nicht durch Anfragen, sondern durch eine verbindliche Auskunft.
Wir diskutieren sowohl in Bayern als auch im Bund intensiv über die Bedeutung von Grundrechten. Zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben wir angeregt, und wir werden sie in unsere Entscheidungen einbauen. Gefestigte Ansichten zum Datenschutz liegen weitgehend vor. Es kommt mir so vor, als ob uns diese Ansichten im Dialog mit den Amerikanern mehr oder weniger nach unten ziehen. Wenn wir uns darum kümmern, diese Dinge wahrzumachen, schert sich der Partner nicht darum, auf gut Deutsch gesagt. Mit Verlaub, das ist keine Art und Weise des demokratischen Umgangs miteinander.
Aber die Frau Bundeskanzlerin fordert – ich denke, da ist sie aufgrund ihrer Richtlinienkompetenz für ihren Bundesinnenminister zuständig –, deutsches Recht zu achten. Das kommt mir so vor, als ob sie zusammen mit Herrn Friedrich auf einer Eisscholle auf dem Äquator treibt und in ihrer Not nach dem Klimawandel ruft. Das ist aber zu wenig angesichts dessen, was geschehen ist. Deswegen genügt das, was sie gesagt hat, nicht. Es ist reine Makulatur.
Die Praxis, die uns vor Augen geführt wird, muss uns aber auch für die Vorgänge innerhalb des Freistaats Bayern und innerhalb des Bundes wachsam machen. Es ist nämlich sehr leicht, im Windschatten der Empörung Entscheidungen zu treffen und Gesetze durchzuboxen, die auch die Grundrechte antasten, die wir allgemein als verletzt ansehen. Die Grundrechte werden nicht in dem gebotenen Maß geachtet.
Wir haben auch eigene Versäumnisse zu beklagen. Gerade vor zwei Wochen wurde hier das Gesetz für die Stammdaten verabschiedet. Wir haben gesagt: Es ist absurd, wenn eine Ordnungswidrigkeit wie das "sinnlose Umherfahren im Straßenverkehr" die Ordnungsbehörden dazu befugt, flächendeckend Stammdaten zu erheben, Pins und Codes zu knacken. Das darf in diesem Zusammenhang einfach nicht sein.
Meine Damen und Herren, wo ist die Verhältnismäßigkeit? Wenn wir es wirklich ernst meinen, müssen wir es noch einmal hinterfragen.
Wir haben die Staatstrojaner bekämpft – Gott sei Dank mit mancherlei Hilfe, nicht zuletzt auch durch eine Verfassungsklage, bei der die FDP mit im Boot war – und als Mittel zur Ausspähung des Bürgers durch den Staat verhindern können. Trotzdem bin ich in Sorge, dass einige es immer noch installieren wollen.
Die Vorratsdatenspeicherung, die angesprochen worden ist, ist vor diesem Hintergrund extrem kritisch zu sehen.
Dann komme ich zu der großen Gefahr des Totschlagsarguments der Pharisäer: Wer das nicht will, will möglicherweise Terrorismus, der will, dass Kinder irgendwo in Einöden verkommen, weil man sie nicht orten kann. Wer so auftritt, trampelt im Prinzip auf unserem Allgemeinverständnis der Grundrechte herum, der spricht uns letztendlich auch die Seriosität ab, über solche Dinge auf dem Boden der Verfassung zu sprechen. Diese billige Rhetorik verfängt bei der Ernsthaftigkeit der Problematik und angesichts der bislang angerichteten Schäden einfach nicht.
Es ist nämlich genau umgekehrt: Die Grundrechte sind Rechte des Bürgers zur Abwehr gegenüber dem Staat. Man darf nicht nach dem Motto verfahren: Wer nichts angestellt hat, hat auch nichts zu verbergen. Dies ist genau die Lesart dessen, Herr Weiß, was da herauskommt: Wenn alles rechtmäßig vonstatten geht, dann ist auch nichts Schlimmes passiert. So geht es nicht. Wer so argumentiert, kennt offensichtlich nicht das Lied: "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder." Aber offensichtlich hat unser Geheimdienst Kontakte mit dieser Praxis des NSA, nämlich dahin, dass sich der Bundesinnenminister nunmehr rühmt, dass möglicherweise vier bis fünf Terroranschläge verhindert worden sind. Das heißt mit anderen Worten: Wir haben bereits selbst Kenntnis davon, dass unser Fernmeldeverkehr und unser Datenverkehr illegal angezapft worden sind.
Der Fortschritt der Technik ist angesprochen worden. Aber es darf nicht sein, dass ein demokratisch gewähltes Parlament ein Bautrupp ist, der der Technik hinterhereilt in dem Bemühen, die Schneisen der Verwüstungen in den Grundrechten zu begradigen und zu beschönigen. Nein, das Parlament ist ein Abwehrtrupp, der rechtswidrige Angriffe von vornherein abzuwehren hat und deswegen auch in diesem Zusammenhang gesetzgeberisch handeln muss. Da genügt es nicht, nur nach Informationen zu fragen, sondern es ist zwingend erforderlich, zu handeln, auch wenn
es wehtut. Das Einbestellen des amerikanischen Botschafters ist wohl die geringfügigste Maßnahme, die denkbar ist, um sich Aufschluss über dieses Gebaren zu verschaffen.
Es gilt mehr denn je das Wort: Vertrauen ist gut – wenn es denn Freundschaft ist; jedoch bei Vertrauen gibt es Schmerzgrenzen -, aber Kontrolle ist besser. Und es gilt auch mehr denn je das Wort, dass bei jeder Kontrolle Transparenz herzustellen, zu wahren und zu achten ist. An dieser Transparenz fehlt es.
Es ist ein schlechtes Bild, wenn sowohl der Freistaat als auch der Bund vor diesem Hintergrund immer noch im Dunkeln tappen und gegenüber den Bürgern auf der einen Seite äußern müssen, davon nichts gewusst zu haben, während sie auf der anderen Seite sagen: Wir haben damit möglicherweise Anschläge abgewehrt.
Dies darf nicht heißen, dass für alle Zeit, auch nach dieser Legislaturperiode, allein der Zweck die Mittel heiligt. Dazu sind die Grundrechte in unserem Staat viel zu wertvoll, dazu ist unser Zusammenleben durch die Grundrechte viel zu sehr geprägt. Wenn es, um diese Grundrechte abzuschaffen, heißt, der Zweck heiligt die Mittel, und dann vielleicht Verhältnismäßigkeitsabwägungen bemüht werden, dann müssen diese tatsächlich in dem Bewusstsein angestellt werden, dass nicht jedes Mittel den Zweck heiligt. Deswegen besteht hier dringender Handlungsbedarf.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Transparenz ist das Stichwort. Auch hier im Haus ist Transparenz eingefordert. Wir diskutieren beispielsweise, inwiefern unsere Diäten, unsere Zuschläge oder auch Zuwendungen transparent gemacht werden können. Man überbietet sich, man überschlägt sich geradezu in Vorschlägen der Transparenz. Frau Guttenberger aber stellt sich hier her und sagt: Es ist alles bestens geregelt. Da muss ich schon fragen: Sind wir womöglich im falschen Parlament?
Der Steuerzahler finanziert doch die öffentliche Verwaltung. Damit hat er auch Anspruch darauf, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht. Wenn sich das in Leistung und in Ergebnissen widerspiegelt, dann soll er das doch auch sehen. Das nennt man dann den bedingungslosen Zugang zu dem, wozu er Anspruch hat. Er zahlt ein und darf wissen, was die Verwaltung macht. Das ist wie bei einer Genossenschaft. Die Genossenschaftsmitglieder sind diejenigen, die über ihr Eigentum mitbestimmen. Die Daten, die in unserem Land mittlerweile immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind nicht nur Daten, eine Art Sonderwissen der Verwaltung mit Abstufungsmöglichkeiten, sondern sie sind tatsächlich Allgemeingut.
Die Sonderrechte, die Sie ansprechen, die Rechte Dritter, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sind in diesem Gesetz doch tatsächlich in Anlehnung an unseren Gesetzentwurf ausformuliert.
So weiß man überhaupt erst einmal, welche Rechte eingestellt werden. Hier werden Sachverhalte, Tatbestände normiert, die bislang nicht normiert sind.
Frau Kollegin Guttenberger, Sie sprechen von Transparenz und nennen im selben Atemzug mindestens 14 verwaltungsrechtliche Vorschriften. Was ist das denn für eine Transparenz für einen Bürger, der kein Jurastudium hat, der keine Rechtsberatung genießt, der einfach nur wissen will, was in der Verwaltung geschieht? – Das darf er doch in der Tat wissen, zumal wenn man bedenkt, welche Verträge in der letzten Zeit im öffentlichen Bereich geschlossen werden.
Auch für die Verwaltung ist es wichtig, dass ihr Sicherheit an die Hand gegeben wird. Der Gesetzentwurf bedeutet nicht eine Bürokratisierung, sondern ein einheitliches Transparenzgesetz führt zu einer Entbürokratisierung. Dann weiß nämlich jeder, woran er ist, sowohl die Verwaltung als auch diejenigen, die Auskunft begehren.
Wir bilden runde Tische, um entsprechende Probleme zu bewältigen. Diese runden Tische arten inzwischen immer mehr in sogenannte organisierte Infostände der Verwaltung aus. Dort fragen die Bürger nämlich erstmals nach, was überhaupt Sache ist. Mit der vorgesehenen proaktiven Informationspflicht, die wir auch in unserem Gesetzentwurf statuiert haben, die vernünftig ist und die sich bewährt hat, können wir diese runden Tische endlich zu einer demokratischen Diskussion führen und glaubwürdig darstellen, dass uns die Belange der Bürgerinnen und Bürger ernst sind. Wir stellen es nicht als Gnadenakt dar, wenn Informationen preisgegeben werden.
Es gibt bundesweite Regelungen, es gibt weltweite Regelungen. Die Kollegen von der FDP helfen in Bangladesh, das habe ich schon einmal ausgeführt. Es gibt gemeindeweite Regelungen. Das Argument, dass der Städtetag und der Gemeindetag den Gesetzentwurf ablehnen, ist nicht zielführend, wenn sich über 51 Städte und Gemeinden diese Satzungen selbst geben. Dann muss man sich doch die Frage stellen: Wer ist der Verband, und wer ist an der Front? – Letzteres sind die Kommunen, die Stadt- und die Gemeinderäte. Die wissen selbst am besten, was für sie richtig ist.
Im Übrigen, Frau Kollegin Guttenberger, haben Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CSU in vielen Stadtparlamenten, beispielsweise in Schwandorf, um eine oberpfälzische Metropole zu nennen, das einstimmig mitbeschlossen. Wie möchten Sie diesen Kommunalpolitikern Ihre Haltung erklären, wonach diese sich eigentlich auf dem falschen politischen Pfad befänden? Wie sollen sie die Diskussion im Bayerischen Landtag nachvollziehen? - Ich glaube vielmehr, Sie haben Erklärungsbedarf, die eigene Politik in Ihrer Partei transparent darzustellen. Das brauchen Sie allerdings nicht, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dem Grunde nach sind wir uns einig. Ein Gesetz muss so modifiziert werden, dass es einsatzfähig und verwendbar ist. Wir stehen jedoch unter Zeitdruck. Wir sind der Ansicht, dass wichtige Grundrechte nicht auf dem Altar des Zeitdrucks und einer vermeintlichen Effizienz geopfert werden dürfen; denn schnell gestrickte Regelungen fallen sehr schnell wieder auf uns zurück. Allenthalben wird über PRISM diskutiert. Hier sind Eingriffe von erheblicher Tragweite auf zweifelhafter Basis vorgesehen. Sogar bei Ordnungswidrigkeiten soll die Befugnis erteilt werden, flächendeckend Daten mit einer erheblichen Eingriffsintensität abzurufen. Hier geht es um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei den mobilen Daten ist sogar das Fernmeldegeheimnis betroffen.
Hier muss ein enger Maßstab angelegt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, dieser enge verfassungsrechtliche Maßstab wurde aus unserer Sicht nicht eingehalten. Nachdem Sie festgestellt haben, dass die Nennung von Journalisten unter den Berufsgeheimnisträgern notwendig ist, haben Sie diesen Gesetzentwurf ergänzt. Wir wollen hingegen Berufsgeheimnisträger in toto einführen. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich komme darauf nur kurz zu sprechen.
Die Eingriffsvoraussetzungen sind erheblich. Es gibt zum Beispiel Ordnungswidrigkeitentatbestände wie das sinnlose Umherfahren im Straßenverkehr. Möglicherweise kann man daraus etwas stricken, wenn es zum Beispiel darum geht, Bewegungen festzustellen. Wollen Sie auf diese Ordnungswidrigkeit einen flächendeckenden Abruf von IP- und ID-Adressen gründen? Wer entscheidet denn, welche Daten von den Privatanbietern vorzulegen sind? In diesem Gesetz wird für die Bürgerinnen und Bürger nicht klar, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff stattfindet.
Zum Abruf und zur Erhebung von Daten haben wir keinen Richtervorbehalt gefunden, also nicht gefunden, dass der Abruf von Daten gerichtlich geprüft wird. Die Behörden entscheiden selbst. Nur das Ergebnis der Auswertung soll möglicherweise von einem Richter genehmigt werden. Das ist zu kurz gesprungen; denn die Eingriffsintensität ist zu gefährlich. Zudem handelt es sich hier um heimliche Eingriffe. Hier ist es notwendig, später Informationspflichten gegenüber den Betroffenen zu statuieren. Es muss eine Rechtswegegarantie bestehen, damit überprüft werden kann, ob die Verhältnismäßigkeit dieser Anordnung gewahrt ist. Wir brauchen eine Transparenz, damit diese Regelung bei der Bevölkerung Akzeptanz findet. Wir dürfen damit nicht Heimlichkeit und Schnüffelei legitimieren.
Zum privaten Kernbereich findet sich in dem Gesetzentwurf nichts. Jede Telefonüberwachungsmaßnahme muss abgeschaltet werden, wenn in den Gesprächen der private Kernbereich thematisiert wird. Sie ermöglichen mit Ihrem Entwurf automatische Aufzeichnungen, sodass niemand mehr abschalten kann, wenn es zu einer solchen Situation kommt. Das ist ein gravierender Mangel. Sie sagten, Sie hätten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingehalten. In diesem Bereich haben Sie die Vorgaben nicht eingehalten.
Wir sehen daher keine Möglichkeit, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie behaupten, in der Kürze der Zeit könnten all diese Belange nicht zur Geltung kommen. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben mit unserem umfangreichen Änderungsantrag die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geprüft und eingehalten. Herr Ländner, das gilt nicht nur für das PAG, sondern insgesamt für diese Details. Das ist nicht das Nähen auf Kante, sondern das ist tatsächlich auch die Aufgabe. Die SPD-Landtagsfraktion ist für die Sicherheit, ist für den angemessenen Schutz der Bevölkerung, aber sie ist auch dafür, diesen Schutz einheitlich und ganzheitlich zu gestalten. Wir als Gesetzgeber sind dazu aufgerufen, Bürger davor zu schützen, dass ihre Grundrechte durch staatliche Eingriffe unangemessen beeinträchtigt werden. Wir als Wächter sind
geradezu dazu aufgefordert, solche Eingriffe zu verhindern. In diesem Zusammenhang können wir dem so vorgelegten Entwurf nicht zustimmen; es sei denn, Sie würden unserem Änderungsantrag zustimmen.
Der FDP sei zugestanden, dass mit dem Schutz der Journalisten ein kleiner Schritt in die richtige Richtung unternommen worden ist, aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, genügt uns nicht; denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein wichtiges Recht. In der heutigen Zeit müssen wir über Datenschutz intensiver als je zuvor reden. Ich verweise auf die Diskussionen, die in Bezug auf die Vorhaben Amerikas stattfinden.
Herr Kollege Fischer, ich weise für meine Fraktion ausdrücklich zurück, wir würden einen kurzfristig eingebrachten, auch von Ihnen nachgebesserten Gesetzentwurf ablehnen mit dem Argument, dass wir Gefahren nicht abwehren wollten. Es geht in dem Bereich darum, diese Gefahren auf dem Boden der Verfassung abzuwenden. Sie selber haben diesen Punkt teilweise angesprochen. Wie sieht es denn mit der Rechtsmittelkontrolle aus? Haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf tatsächlich verankert, was im Rahmen einer Gewaltenteilung notwendig ist, dass diese Eingriffe gerichtlich überprüft werden können? Wie sieht es mit der Benachrichtigungspflicht aus? Wenn der Staat solche Maßnahmen ergreift, muss er dann nicht auch die Karten auf den Tisch legen? Wo ist die Freizügigkeit des Umgangs mit diesen Daten? Können Sie mir das einmal erklären?
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der unbegrenzten Freiheiten ist offensichtlich alles möglich. Das geht uns entschieden zu weit.
Wir haben in Europa und Deutschland Bürgerrechte schmerzlich und langwierig erkämpft und bilden eine Wertegemeinschaft, was wir auch nach außen transportieren. Diese Werte sollen die Sicherheit und die Freiheit des Einzelnen absichern. Was geschieht in diesem Fall? Unsere politische Kultur wird nicht nur durch einen Skandal und durch Veröffentlichungen in Zeitschriften gravierend gefährdet und beeinträchtigt, sondern offensichtlich seit einiger Zeit Tag für Tag im Geheimen erschüttert. Das Wort "Datenschutz" gibt es eigentlich unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr. Diese Festung ist nicht geschliffen, sondern unter diesem Gesichtspunkt atomisiert worden.
Wir haben festzustellen, dass E-Mails, Chatverkehr, Videos, Fotos, Files und Logins grenzenlos, bedenkenlos, anlassunabhängig, verdachtslos und ohne Beschränkung auf den Einzelfall und ohne Information der Betroffenen ewig gespeichert werden können. Das geschieht alles nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit. Das ist eine Sicherheit, die wir nicht wollen. Für uns ist das unerträglich im Hinblick darauf, dass sich ein Mensch in einer Gesellschaft auch entfalten können muss.
Wir werden morgen im Rechts- und Verfassungsausschuss darüber diskutieren, wie es mit dem Kernbereich der informationellen Selbstbestimmung und der Privatsphäre bestellt ist. Alles das gibt es offensichtlich nicht mehr.
Deswegen, Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN und von der FDP, sind wir dankbar dafür, dass Sie diese Berichtsanträge stellen. Wir können nicht verstehen, dass angesichts dieser ernsthaften Bedrohung, die von allen übereinstimmend als Skandal bezeichnet wird, noch fein ziselierte Unterschiede gemacht werden, ob dieser Berichtsantrag korrekt ist und der andere nicht. Das ist ein Spiel gegen den Datenschutz. Deshalb akzeptieren wir das nicht.
Es geht hier um eine Bedrohung durch eine digitale Totalüberwachung. Dieser Bedrohung gilt es entgegenzuwirken. Da ist mir jede Frage von jedem hier in diesem Haus, von jeder Fraktion recht. Man sollte das nicht zu einem kleinkarierten Spiel parteipolitischen Kalküls machen.
Wenn nicht einmal mehr der Schein einer Grundrechtsgüterabwägung gewahrt wird, wenn keine Rechtswegsgarantie geschaffen und vorhanden ist und alles dem Begriff "Sicherheit" geopfert wird, dann bin ich froh, dass wir hier in diesem Zusammenhang, Herr Innenminister, inhaltlich zwar stark über die Voraussetzungen des Datenschutzes diskutieren, aber immer noch einen Konsens in dieser Gesellschaft und in diesem Land haben, dass der Datenschutz im Grunde nicht preiszugeben ist.
Deswegen fordern wir dazu auf, dass uns die Bundesregierung und auch die Staatsregierung nicht nur informieren, sondern wir müssen auch ganz genau wissen, wer davon betroffen ist, welche Grundrechtsträger, was man dagegen zu unternehmen gedenkt. Es genügt nicht, am Rande eines Cocktail-Empfangs über die internationale Datensituation zu sprechen. Es ist nahezu lächerlich, wenn man dann hört, dass genau solche Länder dazu auffordern, die Demonstrationsfreiheit zu wahren, wenn anderswo demonstriert wird, und auf der anderen Seite Daten in hemmungsloser Art und Weise ausgespäht werden.
Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Bei allem Respekt, der den USA und der Bevölkerung dort zu zollen ist, ist festzustellen, dass man auch dort offensichtlich über das Ziel hinausschießt. Wir sind der Ansicht, dass man dort massiv über das Ziel hinausgeschossen ist. Es ist eine Frage des guten Tons und der Freundschaft, darauf hinzuweisen, dass es so nicht geht. Deswegen müssen die Bundesregierung und die Staatsregierung handeln.
Wir stimmen den Anträgen zu, und zwar nicht nur aus Besorgnis, sondern auch aus Bestürzung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherungsverwahrung ist ein ganz wichtiger Punkt, weil hier Grundrechte von höchster Relevanz berührt werden. Menschen, die gesündigt bzw. schwerste Verbrechen begangen haben, haben ihre Strafe abgesessen. Gleichwohl werden sie weiterhin nicht in die Freiheit entlassen. Das ist gravierend. Wir müssen uns deutlich machen, dass der Strafanspruch des Staates abgegolten ist und es einzig und allein – das ist ganz wichtig – der Gefährlichkeit dieser Straftäter geschuldet ist, wenn sie sich weiterhin nicht in Freiheit bewegen können.
Da ist natürlich der Gedanke groß – so wie es früher einige gesagt haben "nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen" -, dass diese Sicherungsverwahrung eine Art Rucksack ist, eine Art Draufgabe, die zur Strafe hinzukommt. Die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Menschengerichtshof hat uns belehrt, dass es das nicht geben darf. Diese Menschen sind zwar hochgefährlich, sie dürfen aber nicht in ihrer Existenz und Menschenwürde abgeschrieben werden. Es muss die Möglichkeit der Resozialisierung geben.
Einzig und allein die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann der Grund dafür sein, sie weiterhin nicht in die Öffentlichkeit zu entlassen. Das verpflichtet den Staat dazu, einiges zu unternehmen, um diese Gefährlichkeit zu reduzieren. Wenn man sagt, man dürfe jemanden nicht abschreiben, dann muss man auch etwas dafür tun. Ich denke da unter anderem an entsprechende Therapieangebote. Man muss den Betroffenen so setzen, als ob er letztendlich in Freiheit wäre, hinzugedacht diese besondere Gefährlichkeit. Das haben sich viele Länder zu eigen gemacht und einen Musterentwurf geschaffen, in dem die Regeln
dieses Sicherungsvollzuges dargestellt sind. Es kommt dabei nicht darauf an, einen Vollzug light zu gestalten, sondern es geht darum, das Trennungsgebot zwischen Haft und dieser Gefährlichkeit zu handhaben. Es ist nicht nur eine Aufgabe des Gesetzgebers, das umzusetzen, sondern es ist auch eine Aufgabe der Öffentlichkeit und der Politik, dieses Trennungsgebot nach außen hin so zu transportieren, dass in der Bevölkerung Verständnis für solche Maßnahmen entwickelt wird. Es reicht nicht, zu sagen, dass jemand in Sicherungsverwahrung einen Anspruch auf 15 Quadratmeter hat, während andere in Haft diesen Anspruch nicht haben. Das wäre ein Ausspielen von mit solchen Lebensschicksalen behafteten Menschen, die eine solche gravierende Situation nicht verdient haben.
Wir haben im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags eine intensive Anhörung zu dieser Thematik durchgeführt und sind zu der Meinung gelangt, dass der vorliegende Gesetzentwurf dem von der Rechtsprechung geforderten Trennungsgebot entspricht. Der Entwurf ist angemessen und tauglich. Das ist aber auch alles.
Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass wir das Trennungsgebot anders und freizügiger interpretieren müssen. Sie, meine Damen und Herren, haben immer noch diesen Rucksackgedanken: Derjenige, der jetzt in Sicherungsverwahrung ist, braucht noch einen drauf. Kollege Rieger, Sie sagen, Sie seien strenger. Warum sind Sie strenger? Sind die Bedürfnisse eines Menschen, der seine Strafe abgesessen hat, in Bayern strenger zu sehen? Sind diese Menschen hier im Lande gefährlicher? Nein! Umgangsformen, Besuchsregelungen, Freiheit der Telekommunikation sind durchaus allgemein gültige Belange. Warum muss das in Bayern strenger gehandhabt werden als anderswo?
Das Argument, eine schwerwiegende Störung der Ordnung müsse als eines der obersten Rechtsgüter verhindert werden, ist zwar richtig, aber mit den Sanktionsmaßnahmen in diesem Gesetzentwurf verbieten Sie dann schon Verhaltensweisen, wenn nur eine einfache Gefahr der Störung der Anstaltsordnung vorhanden ist. Sie tun dies mit dem Hinweis, dass sich möglicherweise Subkulturen bilden. Das heißt, Sie haben sich innerlich von diesem Rucksackgedanken, nämlich einem etwas leichteren Strafvollzug, noch gar nicht so richtig gelöst. Resozialisation und Reintegration erfordern einiges an finanzieller und emotionaler Zumutung und Bereitschaft für diejenigen, die diese Dinge betreiben. Es gilt festzustellen, dass die Gefährlichkeit dieser Leute zu reduzieren ist, und das muss mit entsprechenden Therapien versucht werden.
Vor diesem Hintergrund sind wir mit dem Umstand zufrieden, dass in Straubing die notwendigen Maßnahmen mit den dort eingeführten ambitionierten Plänen umgesetzt werden. All das ist in unseren Augen der richtige Weg.
Indes geht für uns die große Herausforderung der Trennung zwischen Freiheit und Gefährlichkeit sowie des Schutzes der Allgemeinheit und der Würde des Menschen in diesem Bereich nicht so weit, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen könnten. Wir können ihn aber auch nicht ablehnen, weil er den Vorgaben entspricht. Wir hätten uns in diesem Zusammenhang gewünscht, dass die gemeinsamen Positionen im Musterentwurf der Regierung dargestellt und übernommen worden wären. Herr Dr. Rieger, die Beispiele, die Sie nennen, zeigen, welche Sichtweise dahintersteht, wenn Sie sagen, in einer sogenannten Liebeszelle sei ein Mord geschehen. Das geschah erstens im Strafvollzug und hat mit Sicherungsverwahrung nach der derzeitigen Lesart nichts zu tun. Zweitens haben wir bedauerlicherweise im Strafvollzug eine erhebliche Zahl von Selbstmorden. Das ist dann auch kein Argument dafür, den Strafvollzug abzuschaffen.
Wir sind der Ansicht, dass ein Mensch, der den Strafanspruch abgegolten hat, das Recht haben muss, sich so weit zu entfalten, dass er sich bei seiner Freilassung im Rahmen einer gesellschaftlichen Betätigung bewähren kann. Dazu gehört der Kontakt mit der Außenwelt, dazu gehört die freie sexuelle Selbstbestimmung, und dazu gehört die Ermöglichung von Kontakten auch gesellschaftlicher Art. Es darf keinen Dirigismus geben, bei dem die Anstaltsordnung und Belange der Anstalt im Vordergrund stehen und erst in zweiter Linie der Gedanke der Resozialisation folgt.
Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht entgegenstehen, werden aber weiterhin nach unserer Ansicht wichtige Anmerkungen zu einer freieren Handhabung dieses Entwurfs machen und werden uns deshalb der Stimme enthalten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr denn je kämpfen wir, um dem Anspruch auf Transparenz und Information der Bürgerinnen und Bürger, der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerecht zu werden. Die spätere Debatte um Abgeordnetenbeschäftigungsverhältnisse wird das noch deutlicher machen. Lippenbekenntnisse gibt es dazu wie Sand am Meer; sie taugen aber wenig zur Stärkung der Glaubwürdigkeit der Demokratie und auch der Glaubwürdigkeit unseres Parlaments, wenn nicht in irgendeiner Art und Weise die Umsetzung derselben erfolgt.
Dort, wo bereits voraussetzungsloser Informationszugang - zum Beispiel nach dem Umweltinformationsgesetz - gewährt wird, funktioniert es reibungslos. Ein Zusammenbruch der Verwaltung, eine Atomisierung der dortigen Möglichkeiten, die befürchtet werden, sind nicht gegeben. Alle Beteiligten sind handlungsfähig. Diejenigen, die etwas wissen wollen, werden hinreichend und zuverlässig bedient.
Meine Damen und Herren von der CSU, Sie nehmen immer Bezug auf die geltende Rechtslage. Diese geltende Rechtslage verweist eigentlich auf dunkle Pfade der Wirrnis und der Finsternis, weil es ein bunter
Strauß, ein Dickicht entsprechender Vorschriften ermöglicht, bei gewissen Voraussetzungen Akteneinsicht zu nehmen. Um das umsetzen zu können, braucht man einen rechtskundigen Scout. Sie verweisen auf den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung, quasi als ein Jedermannsrecht. Ich frage Sie: Glauben Sie denn wirklich, dass Sie mit dieser Argumentation in der heutigen Zeit, in der Informationsgesellschaft mit Internet und mit den Erfahrungen, die bislang gemacht worden sind, durchkommen? Das sind genau die Lippenbekenntnisse, die wir nicht wollen.
Sie propagieren einen "Aufbruch Bayern", und in Bezug auf Daten und auf Informationsfreiheit und Transparenz meinen Sie eigentlich den Pfad in den Dschungel der Unübersichtlichkeit und frönen weiterhin dem Bild eines Bürger-Staat-Verhältnisses aus dem 20. oder 19. Jahrhundert, bei dem der Bürger Bittsteller ist, und schmücken das noch mit juristischen Girlanden aus.
Wir präsentieren mit diesem unseren Gesetz eine klar konzipierte Informations- und Datenbahn, bei der der Grundsatz gilt: Der Bürger und die Verwaltung sind auf Augenhöhe. Wir haben auch gute Gründe, das so darzustellen. Der Bürger als Steuerzahler finanziert die öffentliche Verwaltung. Da braucht man nicht zu fragen, warum er wissen will, wie die Verwaltung agiert. Das ergibt sich aus diesem Sachverhalt. Ein rechtliches und persönliches Interesse sind im Einzelfall mit Sicherheit zu berücksichtigen. Aber wir machen zur Grundlage, dass der Bürger Anspruch auf Auskunft über Verwaltungshandeln hat, und das muss auch transparent gestaltet sein.
Die Verwaltung als solche ist nach unserer Ansicht nicht Empfängerin von Bitten, sondern Dienstleisterin für die Bürgerinnen und Bürger. Wir trauen unserer Verwaltung, unseren Beamtinnen und Beamten, zu, diese Dienstleistungen zu erbringen, und zwar nicht nur auf Nachfrage. Wir wollen das auch proaktiv gestalten. Das heißt, Satzungen und sonstige Daten, die mit öffentlichen Geldern erhoben werden, sollen in ein Register eingestellt werden und für jedermann ersichtlich abfragbar sein. Das ist natürlich eine Herausforderung für die Verwaltung, aber auch eine Herausforderung für die Bürgerinnen und Bürger.
Wie gesagt: Die Beamtinnen und Beamten sind dafür geeignet, auch wenn der Städte- und Gemeindetag dies möglicherweise etwas anders sieht. Natürlich haben sie in dem Dschungel, in den sie von Ihnen hineingezwungen worden sind, derzeit nicht den Blick dafür frei.
Diese proaktive Veröffentlichung ist auch notwendig, weil es nicht angeht, dass runde Tische zu Fragestunden von Bürgerinnen und Bürgern werden. Dort sollen vielmehr die Belange diskutiert werden. Wenn ich diese Informationen habe, kann ich besser diskutieren und muss nicht erst lange Fragen stellen, und die Politik kann sich nicht damit brüsten, einen runden Tisch gebildet zu haben, um Informationen preiszugeben.
Dieses Gesetz ist auch klar und deutlich ausgeleuchtet. Mit ihm ist man auf Eventualitäten vorbereitet. Es definiert klar und deutlich die Voraussetzungen, aber auch die Grenzen. Selbst eine Überlastung der Verwaltung ist darin berücksichtigt. Wenn eine Verwaltung aufgrund ihrer Personalpolitik unterbesetzt ist, dann geht das selbstverständlich nicht so schnell. Dann kann das begründet werden; aber es muss dezidiert begründet werden - Bürger und Verwaltung auf Augenhöhe.
Datenschutz ist ein wichtiger Punkt, ebenso die öffentlichen Belange und Rechtsstreitigkeiten. Verfassungsschutz und Polizeiangelegenheiten sind auch zu berücksichtigen. Behördliche Entscheidungsprozesse, die intern stattfinden, müssen nicht veröffentlicht werden, aber Statistiken, mit öffentlichen Geldern finanziert, und Gutachten sollen eingestellt werden. Ganz wichtig ist auch das geistige Eigentum, das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis. Für uns heißt das aber nicht, dass man sich dahinter zurückzieht wie weiland andere auf ein Steuergeheimnis, um damit ihre Untaten, ihre Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu legitimieren. Wenn das der Fall ist, ist vielmehr auch das zu offenbaren.
Wir haben diese Datenbahn auch mit einem Beauftragten versehen, nämlich dem Beauftragten für Informationsfreiheit und Transparenz. Er ist wie der Datenschutzbeauftragte hier im Landtag angesiedelt. Als unabhängige Institution soll er beraten, Unstimmigkeiten ausräumen. Er soll beanstanden und natürlich auch unserem Landtag berichten können, was schiefläuft; denn selbstverständlich evaluieren wir unser Gesetz. Wir wollen sehen, was daraus wird, und sind selbstverständlich zu Nachbesserungen bereit. Wir haben für uns nicht den Stein der Weisen gebucht. Wir wissen das, weil wir uns permanent in einem modernen Prozess befinden, in dem Sie sich leider noch nicht eingefunden haben. Eingefunden haben sich allerdings die Kolleginnen und Kollegen der FDP, zumindest was ihre Tätigkeiten in Bangladesch und im Bund anbetrifft. Deshalb sind wir guter Hoffnung, dass sie endlich befreit und dahin gehend informationsfrei werden, dass sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Ich komme zum Schluss. Elf Bundesländer haben ein entsprechendes Gesetz. 51 bayerische Gemeinden haben sich, teils einstimmig, also auch mit den Stimmen der CSU, eine Informationsfreiheits-Satzung gegeben. Voraussetzungsloser Zugang zur öffentlichen Information und zu Daten führt zur Entkrampfung, zur Entspannung, zu Gelassenheit und zu einer Diskussions- und nicht zu einer Fragekultur. – Danke schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das NSU-Gerichtsverfahren ist ein epochales Verfahren und von seiner Bedeutung her epochenprägend. Daher ist es nicht erstaunlich, ja sogar logisch und vor diesem Hintergrund verständlich, dass viele unterschiedliche Meinungen zu unterschiedlichen Positionierungen formuliert werden. Allerdings – und das muss uns hier das Gebot sein – dürfen nicht nur Leitplanken, sondern muss auch das Grundbekenntnis zur Gewaltenteilung in diesen Äußerungen immer mitschwingen. Das Gericht hat 85 Sitzungstage eingeplant und hat bei 71 Nebenklägern mit 49 Nebenklägeranwälten mit Sicherheit viel zu tun, um das, was man von einem Gericht zu erwarten hat, nämlich ein geordnetes Verfahren, mit der peniblen Strafprozessordnung und mit Einhaltung der dortigen Vorschriften durchzuführen. Das ist die Kernaufgabe:
eine ordentliche, angemessene und transparente Verurteilung dieser Übeltäter. In diesem Zusammenhang allen Respekt und toi, toi, toi, dass diese Aufgabe bewältigt wird.
Ein geordnetes Verfahren bedeutet aber auch, dass alle Angeklagten gleich behandelt werden müssen, dass Tat und Täterpersönlichkeit erforscht werden sowie Zeugen und Angeklagte befragt werden müssen. Dabei ist ein Bestandteil unserer Gewaltenteilung das Öffentlichkeitsprinzip als Grundpfeiler, als Sicherung der Transparenz und der Manifestation dieser souveränen Gewalt, der Justiz.
Aus den von mir genannten Gründen ergibt sich ein Spannungsverhältnis: auf der einen Seite das Öffentlichkeitsprinzip und die größtmögliche Öffentlichkeit und auf der anderen Seite die Durchführung eines geordneten Verfahrens gerade vor dem politisch brisanten Hintergrund. Störungspotenzial, bei intimen Situationen gegebenenfalls Ausschluss der Öffentlichkeit, Aufrechterhaltung der Ordnung, das sind alles Aufgaben der Justiz, des Vorsitzenden Richters. Auch die Zuteilung von entsprechenden Besucherplätzen ist per legem und qua Gewaltenteilung sachleitend für die Justiz, Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit. Wer es nicht glaubt: Artikel 97 des Grundgesetzes schützt dies insoweit.
Soweit hier Irritationen aufgetreten sind, weil sich Journalistinnen und Journalisten unangemessen behandelt fühlen, ist dies nachvollziehbar, wie bereits erwähnt. Aber ich und meine Fraktion verweisen darauf, dass hierzu beim Bundesverfassungsgericht ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Mutmaßlich wird am Montag entschieden werden. Für den Fall, dass den Beschwerden stattgegeben wird, statuiert meine Fraktion den Antrag, alles Erdenkliche an Finanzen und sonstigen Leistungen zu erbringen, um die Hinweisgebung des Gerichtes, eine Öffentlichkeit möglicherweise auch durch Übertragung herzustellen, tatsächlich effizient zu gewährleisten.
Gewaltenteilung heißt für uns aber auch, dass wir als gesetzgebendes Organ weiterdenken müssen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Auslegung des § 169 GVG. Die Kollegin Tausendfreund hat darauf hingewiesen. Es gibt auch die Auslegung, die Sie, Frau Kollegin Tausendfreund, akzeptieren. Wir müssen es akzeptieren, aber wir als Gesetzgeber, als Landesparlament können in diesem Bereich auch darauf hinwirken, dass der Bundesgesetzgeber gerade aufgrund des Impulses aus Bayern und der bayerischen Erfahrungen entsprechende Schlüsse zieht und den § 169 dahin gehend ändert, dass eine Übertragung in Echtzeit in einen Nebenraum mit begrenzter Teilnehmerzahl ohne dauerhafte Aufzeichnung ge
stattet werden kann, soweit schutzwürdige Interessen Verfahrensbeteiligter nicht entgegenstehen.
§ 169 ist erst 1964 in das GVG aufgenommen worden. Der Gedanke des Gesetzgebers war es, die Unvoreingenommenheit der Prozessbeteiligten in diesem Bereich zu schützen, Schutz vor Befangenheit, was Zeuginnen, Zeugen und Sachverständige anbetrifft, zu gewähren und insbesondere die Wahrheitsfindung dadurch zu erleichtern, dass der unmittelbare Druck einer Übertragung nicht stattfindet.
1964 war das digitale Zeitalter mitnichten vorhanden. Die technischen Möglichkeiten waren noch nicht gegeben. Vor dem Hintergrund der Ausführungen von Rechtswissenschaftlern, Professoren, aber auch Gerichtspräsidenten müssen wir unsere Aufgabe ernst nehmen, weiter an der Gesetzgebungsmaterie arbeiten und für die Zukunft klarmachen, dass solche Übertragungen möglich sein müssen, auch ohne dass wir über die Auslegung derartiger Gesetze streiten.
Deswegen werden wir den Antrag der GRÜNEN selbstverständlich befürworten. Wir werden in keiner Weise von diesen Vorschlägen Abstand nehmen. Wir selber – ich habe es eben gesagt – haben schon einen Vorschlag gemacht, dass die schutzwürdigen Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht beeinträchtigt werden dürfen und dass die Aufzeichnung nicht dauerhaft erfolgen darf. Damit wäre auch die Verfahrensleitung durch den Vorsitzenden oder die Vorsitzende gewährleistet.
Beim Antrag der FDP empfehle ich den Kolleginnen und Kollegen, sich zu enthalten, wie wir es auch tun werden. Wenn ich mich jeglicher Einflussnahme enthalten muss, ist das praktisch ein Maulkorb oder sogar ein Denkverbot. Vernünftige Personen können durchaus Diskussionen im öffentlichen Raum führen, und aus diesen Diskussionen können wertvolle Impulse kommen, die auch Einfluss auf eine Entscheidung haben können. Sie fordern, dass wir uns jeglicher Einflussnahme enthalten sollen. Sich jeglicher Einflussnahme zu enthalten, ist gerade angesichts der Bedeutung dieses Prozesses nicht dienlich. Kritik muss erlaubt sein, allerdings muss sie mit dem Bekenntnis zur Gewaltenteilung verbunden sein. Herr Kollege Fischer, Sie sollten sich bei dem Antrag vor allem deswegen enthalten, weil damit Ihr Bundesaußenminister Westerwelle vor Ihrem Groll geschützt wird; denn dieser hat sich neulich geäußert, wir würden möglicherweise die Würde der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Das ist bei der souveränen bayerischen Justiz mitnichten der Fall.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine starke Justiz war Gegenstand der Regierungserklärung der Frau Justizministerin vor einigen Monaten. Eine starke Justiz ist nach unserem Verständnis auch eine unabhängige Justiz im Rahmen unserer Gesetzesordnung. Wir sind der Ansicht, dass dazu Lippenbekenntnisse alleine nicht taugen, sondern hier müssen Taten folgen.
Eine starke Justiz bedeutet auch ein geordnetes Personalwesen, ein Personalwesen, das dem Verfassungsrang der Justiz als dritte Gewalt entspricht. Wie sieht es in diesem Bereich aus? Es werden freie Beförderungsstellen ausgeschrieben. Diese Ausschreibung ist ein wichtiges Instrument, um Chancengleichheit bei den Kolleginnen und Kollegen in der Justiz obwalten zu lassen. Sie stellt eine Plattform dar, um zu präsentieren, wie breit die Leistungs- und die Personalpalette an möglichen Bewerberinnen und Bewerbern für die bestmögliche Ausübung dieses Amtes insgesamt ist. Sie ermöglicht eine Entscheidung nach diesen Auswahlkriterien unter Beteiligung der demokratisch gewählten Vertretungsgremien der Richter und Staatsanwälte.
Darüber hinaus ist es auch möglich, diese Entscheidungen gerichtlich zu überprüfen. Dazu gibt es Konkurrentenklagen und damit ein Stück weit Herstellung der Transparenz unseres Systems, was notwendig ist, um den Herausforderungen unseres modernen Rechtsstaates gerecht zu werden.
Diese Regierung möchte nichts unter den Tisch kehren und nichts vertuschen; so hat es der Ministerpräsident anlässlich des Falles Mollath hier dargestellt. Es steht die Frage im Mittelpunkt, wie man mit den
höchsten Richterämtern und den höchsten Ämtern bei der Staatsanwaltschaft in diesem Lande umgeht. Was ich im Hinblick auf die Ausschreibung, die Beteiligung und die Chancengleichheit geschildert habe, ist hier nicht gegeben. Die Personen für diese Posten werden stattdessen von der Staatsregierung ernannt. In Zeiten der absoluten Mehrheit wurden diese Stellen sozusagen vom Ministerrat absolut besetzt. Die absolute Mehrheit ist aber 2008 verloren gegangen. Spitzenämter in verfassungsrechtlich garantierten Institutionen werden mittlerweile von den Regierungsfraktionen dieses Hauses − man höre und staune − im Koalitionsvertrag geregelt. Dort ist nachzulesen, dass derartige Stellen nur im Einvernehmen besetzt werden. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg bestand eine Vakanz seit neun Monaten, ebenso derzeit beim Landesarbeitsgericht in München. Andernorts wird über Wiederbesetzungssperren gesprochen, hier aber scheint es dem Ministerrat nicht darum zu gehen, Kosten zu sparen. Hier geht es vielmehr um parteipolitische, kleinkarierte Fechtereien, und die werden in diese wichtigen Gremien und Institute hineingetragen. Das ist aber der Justiz, ihrer Funktion und dieser Ämter nicht würdig.
Deshalb legen wir unseren Gesetzentwurf vor, wonach diese Posten künftig einer geregelten Ausschreibung unterliegen.
Ich brauche mich da auch nicht auf parteipolitische Formulierungen zu konzentrieren. Ich darf vielmehr Herrn Walter Groß, den Vorsitzenden des Bayerischen Richtervereins, zitieren, der justament seinerseits und das muss gerade unserer Justizministerin im Ohr klingen - den preußischen Justizminister Adolph Leonhardt zitierte. Der sagte im Jahr 1867: "Solange ich über Beförderungen bestimme, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren." Offensichtlich sieht es hier im Jahr 2012 genauso aus. Ein Koalitionsausschuss, der über die Besetzung der vakanten Stellen berät, bindet die Ministerin, den Minister an die Entscheidung. Demokratisch ist das in gar keiner Weise, das ist nur ein Geklüngel, ein Postengeschachere. Das ist peinlich für diejenigen, die für sich reklamieren, Freiheit und Gerechtigkeit in diesem Land als allererstes auf dem Panier zu führen.
Der Richterverein geht aber noch weiter und sagt, es darf kein Konstrukt sein, das parteipolitisch motivierte Einflussnahme nicht ausschließbar entfaltet. Was haben wir in diesem Bereich festzustellen? − Ich sage
es noch einmal: Vakanzen von über neun Monaten. Einmal ist es jemand, der nicht von der FDP befürwortet wird, einmal wird er von der CSU nicht befürwortet. Herr Kollege Fischer, Sie wissen ganz genau, dass das so ist. Wenn Sie es aber persönlich nicht wissen, dann fragen Sie doch die Kolleginnen und Kollegen in der Justiz, die tagtäglich persönlich davon betroffen sind. Die können Ihnen das dann sagen.
Die Enttäuschung über die Vorgehensweise der Bayerischen Staatsregierung ist in diesen Kreisen riesengroß. Nicht einmal für die Leute innerhalb der Justiz ist transparent, nach welchen Gesichtspunkten vorgegangen wird. Das kann nur dadurch geändert werden, dass man jetzt den letzten Schritt geht und das, was man sonst immer als Lippenbekenntnis vor sich herträgt, nämlich Transparenz zu schaffen, in die Tat umsetzt, und zwar in Form einer klaren Ausschreibung.
Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sind nur dann wirklich unabhängig, wenn sie aus der Verwaltung durch die Exekutive in eine nur der parlamentarischen Kontrolle unterliegende Selbstverwaltung entlassen werden. So sagte das der Vorsitzende Groß in der Vertreterversammlung des Richtervereins am 17.04.2012. Er geißelte das bisherige Verfahren als ein intransparentes Ausguckverfahren. Ich muss Ihnen sagen, da hat er mit Häme noch sehr gespart angesichts der Enttäuschung, die im Kreise der Kolleginnen und Kollegen vorherrscht. In diesem Bereich ist nämlich null Komma null an dem vorhanden, was man an Vertrauen gewinnen kann. Doch dieses Vertrauen ist bitter notwendig. Natürlich wollen wir Vertrauen schaffen. Wenn heutzutage Ministerpräsidenten froh darüber sind, dass Wiederaufnahmeverfahren wieder in Gang gesetzt werden und das möglicherweise auf die Bevölkerung missverständlich zurückwirkt, dann ist doch klar: Wir dürfen uns hier noch nicht einmal den Anschein eines Verdachts geben, dass diese hohen und wichtigen Ämter nur mit denen besetzt würden, die den politisch Verantwortlichen kommod sind.
Um Missverständnisse von vornherein auszuräumen: Hier geht es nicht um die derzeitigen Besetzungen. Das ist nicht das Thema. Das Thema ist vielmehr eine unappetitliche Diskussion über die Beförderungen in einem verfassungsrechtlich hoch geschützten Bereich. Das Thema ist auch, inwieweit Parteien unmittelbar in diese höchsten Richterämter hineinbestimmen. Das Thema ist also Transparenz und das Schaffen von Vertrauen in die Gerichtsbarkeit in unserem Lande. Die Stellensituation muss deshalb so be
wältigt werden, wie wir das in unserem Gesetz vorschlagen. Wir fordern, für die Präsidentinnen und Präsidenten, für die Generalstaatsanwälte in diesem Land eine Ausschreibung durchzuführen, sodass sich jeder und jede bewerben kann auch zur Präsentation der breiten Fähigkeiten, die wir in unserer hochgeschätzten Justiz haben. So kann es dann zu keiner Bevorzugung kommen, weil irgendwo ein politisches Wort gefallen ist, das nicht gefällt. So gäbe es auch keine Taktiken im Hinblick auf irgendeine Wahl, sondern eine Ewigkeitsgarantie der richterlichen Unabhängigkeit und damit der dritten Säule der Verfassung in diesem Staat.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! "Verbraucherschutz - einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen." So das Verbraucherschutzministerium! "Fragen zum konkreten Sachverhalt bitte an die Verbraucherzentrale Bayern oder an den Verbraucherservice Bayern." − Das ist richtig so, weil der konkrete Sachverhalt eben nicht vom Ministerium geregelt wird. Deswegen werden auch erhebliche Mittel der Verbraucherzentrale und dem Verbraucherservice zugewiesen. Dort geschieht die eigentliche Arbeit, was den Verbraucherschutz betrifft.
Was läuft im Ministerium für Verbraucherschutz tatsächlich? Information ist wichtig, aber, meine Damen und Herren, Sie betreiben mit Ihrer Information ein Hase-und-Igel-Spiel. Eigeninitiative ist nicht zu erwarten. Sie ernähren sich von den Brosamen der Kompetenz dieser Verbraucherorganisationen und nennen das dann auch noch Zusammenarbeit. Das ist uns zu wenig.
Was dürfen Sie denn? - Aufklären, mahnen, fordern, warnen? Ordnungspolitisch eingreifen dürfen Sie nicht. Aber darum geht es oftmals, wenn der Verbraucher konkrete Lösungen zum Verbraucherschutz will.
Sie zeigen einen Reflex auf Zeitgeist, prägende Strömungen und Probleme. "Reflex" heißt: zurückbeugen, sich krümmen, sich biegen, eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen Reiz.
Initiativen, vom Willen getragene Veränderungen werden zwar gelegentlich formuliert: Graumarkt, Buttonlösung. Das sind in der Tat fremde Federn. Ich bin froh darüber, dass die Bundestagsfraktion der SPD diese Thematik bereits im Jahre 2010 direkt und unmittelbar auf den Tisch des Bundestages gelegt hat und es keiner Initiative aus dem Bundesland Bayern bedurfte. Neben der Buttonlösung gilt das auch für den Datenschutz. Die anderen Dinge verpuffen, zerstäuben im Wind, weil Ihre Verbraucherschutzbundesministerin alle diese Bestrebungen konterkariert, da sie anderen Interessen ausgesetzt ist.
Auf Krisen im Verbraucherschutz kann dieses Ministerium nicht reagieren, weil das Ministerium das nicht darf. Es gibt keine lebensmittelrechtliche Kompetenz, keine futtermittelrechtliche Kompetenz und auch kein
Weisungsrecht − Letzteres allenfalls innerhalb des eigenen Hauses dahin gehend, welche Pressemeldung als erste zu lancieren ist.
Für den konkreten Verbraucherschutz ist da im Prinzip nichts drin. Sie, meine Damen und Herren, möchte ich, was den Verbraucherschutz anbetrifft, als politische Flautenproduzenten bezeichnen. Zwar sind allenthalben in der Gesellschaft die Segel gesetzt, brauchbarer Wind kommt aus diesem Ministerium aber nicht. Allenfalls mit einem lauen Lüftchen beglücken Sie die in schwelender Hitze Darbenden kurzzeitig, aber das gelingt nicht nachhaltig.
Deswegen ist es heute das letzte Mal, dass wir im Rahmen des Justizhaushalts über den Verbraucherschutz diskutieren. Unserer Ansicht nach gehört er nicht hierhin. Wenn Sie Berlin und Rheinland-Pfalz zitieren, dann zitieren Sie bitte diese Länder in jedem Bereich der Politik. Da gibt es genügend positive Dinge, die man sich ansehen kann.
Wir sind gegen diese Ressortierung, werden sie ändern und lehnen diesen Haushalt ab, auch wenn er für die Verbraucherschutzverbände viel Positives bringt. Mit dem Dank an die Verbraucherschutzverbände bedanke ich mich auch bei den Zuhörern.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Um es kurz zu machen: Auch wir stimmen dem Antrag zu. Ich möchte nur ein paar Bemerkungen machen, die sich aus dem vorher Gesagten
ableiten. Natürlich ist der § 98 des Telekommunikationsgesetzes bereits jetzt eine stringente Regelung, mit der derart kommerzielle Entwicklungen, wie sie in Spanien angedacht sind, grundsätzlich vermieden werden können. Das ist gut so, und daran sieht man, dass hier mit Bedacht operiert worden ist. Es ist aber auch klar, dass hier nicht losgelassen werden darf, weil die Kommerzialisierung von Daten ein großes Problem darstellt. Liebe Kollegen von der FDP, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass gerade Sie erkennen, dass Kommerzialisierung nicht um jeden Preis erzwungen werden muss. Wir werden Sie an anderer Stelle daran erinnern, dass Kommerzialisierung in diesem Staat nicht um jeden Preis zu erzwingen ist. Deshalb bin ich froh, dieses Beispiel zukünftig immer erwähnen zu können.
Darüber hinaus können sich Grauzonen ergeben. Kollegin Guttenberger hat es angedeutet. Herr Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, hat darauf hingewiesen, dass diese konkrete Entwicklung in Deutschland nicht möglich ist. Dabei bleibt es.
Wir haben nichts dagegen, wenn versucht wird, Gefahren einzudämmen. Da sind wir mit Ihnen im Boot. Wir wundern uns aber sehr, dass die FDP über die Bande spielt. Justizministerin in der Bundesregierung ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ihre Landesvorsitzende. Sie ist federführend für dieses Thema zuständig. Sie muss doch nicht auf Impulse aus Bayern warten, um ihr eigenes Haus dazu zu bringen, entsprechende Gesetzentwürfe zu erarbeiten.
Die Vorschläge, die Sie machen, soll sie beachten. Sie kann sie beachten, denn noch ist sie an der Regierung. Wenn in Berlin von Ihrer Warte aus vernünftige Arbeit betrieben wird, müsste jetzt schon eine Antwort vorliegen. Wenn das nicht der Fall ist, ist der Umkehrschluss erlaubt, dass die Bundesjustizministerin offensichtlich die Landtagsfraktion aus München braucht, um in Berlin eine vernünftige Politik zu machen. Das ist auch ein Grund dafür, dass wir das im Jahr 2013 abstellen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Der Begriff "Freiheit’" oszilliert. 80 % unserer Anfragen im Hause betreffen Verwaltungshandlungen: Behörden arbeiten, Akten wandern, Institutionen prüfen. Wir finden im Verwaltungsrecht die Einstellung, dass der Bürger gegenüber der Verwaltung in einem Subordinationsverhältnis ist, dass also ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Gleichwohl stellen wir fest, dass in der Praxis immer mehr Bürgerbeteiligung, Kommunikation, Runde Tische und Partizipation befürwortet werden.
Meine Kolleginnen und Kollegen, öffentliche Stellen operieren mit öffentlichem Geld. Die Arbeitsergebnisse per se sind daher grundsätzlich ebenfalls öffentlich. Daraus ergibt sich auch der Anspruch der Allgemeinheit, insbesondere der steuerzahlenden Allgemeinheit, auf verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldmitteln. Dazu muss aber der Bürger oder die Bürgerin über die Arbeitsergebnisse Bescheid wissen. Man muss sich darüber informieren können, was in Behörden geschieht. Bislang bekannte Akteneinsichtsrechte bedürfen der Formulierung
und der Begründung eines rechtlichen Interesses. Die gesetzlichen Vorschriften hierzu sind breit gefächert in unterschiedlichen Fachgesetzen versteckt. Eine Ausnahme macht das Umweltinformationsgesetz, und hier sind die Erfahrungen positiv.
Um die gewünschte Information zu erhalten, bedarf es also juristischer Kenntnisse. Stellen wir uns - das ist auch an die Adresse der FDP gerichtet - den mündigen Bürger so vor, dass seine Mündigkeit erst durch die Erlangung juristischer Grundkenntnisse begründet oder gar definiert wird? Schaffen diese Akteneinsichtsrechte denn nicht vielmehr Barrieren und entmutigen Informationswillige und Informationsinteressierte? Muss man denn ein Anwalt oder ein Mitglied des Bayerischen Landtags sein oder sich an Insider wenden? Entsteht da nicht schon im Ansatz der Verdacht des Verweilens von Sonderwissen bei "denen da droben"?
Kolleginnen und Kollegen, fehlende Transparenz führt in unserem System zu einem Demokratiedefizit und, daraus abgeleitet, nicht nur zu Behördendemokratie, sondern auch zu Politikverdrossenheit. Darunter haben wir alle zu leiden. Amtsverschwiegenheit und Amtsgeheimnis werden zunehmend als Bastion der Macht und deren Handhabung zuweilen als staatliche Willkür empfunden. Unser Entwurf eines Bayerischen Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzes schafft eine verbindliche Grundlage, um für alle nachvollziehbar behördliches Handeln darzustellen. Es dient auch - und vornehmlich - zum Schutz der Behörden und von deren Beschäftigten. Zum einen wollen wir mit unserem Gesetzentwurf langfristig Bürokratie abbauen. Zum anderen würden dadurch keine Verdachtsgrundlagen mehr für Mutmaßungen geschaffen, dass irgendwo irgendetwas nicht stimmt. Daseinsvorsorgeverträge müssen auf den Tisch. Eventuelle Verdachtsmomente für Korruption und Sonstiges kommen dann schon gleich gar nicht auf. Darüber hinaus hat die Verwaltung die Chance, öffentliche Kompetenz im Umgang mit diesen Themen zu dokumentieren.
Insgesamt dient unser Gesetzentwurf der Bildung des Bewusstseins, dass die öffentliche Verwaltung Dienstleister für die Öffentlichkeit ist. Unser Gesetzentwurf ist auch eine Herausforderung für interessierte Bürger und Bürgerinnen, die zukünftig ohne Weiteres selbstständig Informationen erheben und so die Verwaltung entlasten könnten. Durch die von uns statuierte proaktive Veröffentlichungspflicht, das heißt eine Verpflichtung der Behörden zur Einstellung von Entscheidungen, Statistiken und sonstigem Material in ein allgemein zugängliches Informationsregister, wird klar, dass die öffentliche Verwaltung tatsächlich Dienstleister für die Öffentlichkeit ist.
Des Weiteren sehen wir einen individuellen Auskunftsanspruch vor, regelmäßig kostenfrei und allenfalls begrenzt durch Gebühren am Maßstab der tatsächlich angefallenen Kosten vor. Dieser Auskunftsanspruch ist zu gewähren. Nun könnte mit der Formulierung der Eindruck erweckt werden, als würde es in der öffentlichen Verwaltung wie in Sodom und Gomorra zugehen, und es könnte daher die allgemeine Denkweise formuliert werden: Da könnte ja jeder kommen.
Wir legen Wert darauf, dass personenbezogene Daten nicht veröffentlicht werden. Wir lehnen uns damit an das Datenschutzgesetz an. Sollten Dritte von der Veröffentlichung tangiert sein, ist deren Anhörung dringend und zwingend erforderlich.
Darüber hinaus sind Tatsachen zum Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung nicht zu veröffentlichen. Wenn in einer Sache ein Prozess anhängig ist, ist der Sachverhalt nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmt. Auch Verfassungsschutz und Polizei fallen unter die Einschränkung, sodass hier keine Sorgen bestehen müssen, dass einem Informationswildwuchs Tür und Tor geöffnet werden.
Die Vorgänge des behördlichen Entscheidungsprozesses sind von der Veröffentlichungspflicht ebenso ausgenommen. Darunter fallen Entwürfe, Vermerke oder Protokolle von Besprechungen. Allerdings: Die zugrundeliegenden Daten, die allgemein objektiv feststehen, wie Statistiken, Gutachten und Gesetze, müssen veröffentlicht werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, zu wissen, anhand welchen Datenmaterials Entscheidungen gefällt werden.
Ganz wichtig ist auch die Ausnahme, dass geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht veröffentlicht werden dürfen. Das ist ganz klar. Aber auch hier gibt es wieder Ausnahmen: Sollten geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Grundlagen oder Instrument zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sein, ist dies selbstverständlich veröffentlichungspflichtig. Es geht nicht, wie in der Vergangenheit bei Müller-Brot geschehen, Kolleginnen und Kollegen, dass sich jemand auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis berufen kann, während gleichzeitig die Staatsanwälte ein- und ausgehen und eine Ordnungswidrigkeit nach der anderen feststellen. Das verstehen wir darunter nicht.
Ablehnende Bescheide zu Auskunftsbegehren sind sachgemäß und nicht formblattmäßig zu begründen und mit Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Die Rechtsweggarantie mit Widerspruch und Klagerecht
in Form der Verpflichtungsklage wird in unserem Gesetzentwurf eingeräumt.
Es wird aber auch die Möglichkeit eingeräumt, dass sich Verwaltungen überlastet sehen. Das haben wir erkannt. Es gibt auch den Ablehnungsgrund "übermäßiger Verwaltungsaufwand". Dieser muss aber, bitte schön, ausführlich begründet werden und kann nicht als formblattmäßige Floskel angegeben werden.
Beim Beauftragten für den Datenschutz wollen wir einen Beauftragten für Transparenz- und Informationsfreiheit installieren. Bei Unstimmigkeiten kann er konsultiert werden. Als unabhängige Institution hat er ein Beanstandungsrecht gegenüber behördlichen Entscheidungen. Alle zwei Jahre hat er dem Landtag und der Staatsregierung einen Tätigkeitsbericht vorzulegen und eventuelle Verbesserungsvorschläge vorzubringen, und zwar auch deswegen, weil wir in unserem Gesetzentwurf eine Evaluationspflicht vorsehen, die es dem Parlament gebietet, nachzuschauen, welche Auswirkungen unsere Gesetzgebung hat.
Wir haben die Informationsfreiheit in Europa statuiert. Elf Bundesländer haben in diesem Zusammenhang Gesetze geschaffen. 47 bayerische Kommunen haben sich schon dazu durchgerungen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Rechtsordnung dadurch nicht zusammenbricht, im Gegenteil: Es ist eine Stärkung, es ist ein Bekenntnis dazu, dass wir offen und transparent sind.
Meine Kolleginnen und Kollegen, der voraussetzungslose Zugang zu öffentlichen Informationen und Daten ist für Bayerns Bürgerinnen und Bürger ein elementarer, zukunftsweisender und nachhaltiger Beitrag, ja ein Pflichtbaustein, ein Pfeiler für Bürgerbeteiligung, zur Mitgestaltung und Kontrolle und Gewährleistung und Optimierung unserer Demokratie.
Deswegen wünschen wir uns, dass dieses Gesetz in Gang gesetzt wird.
Ich richte meinen Appell an die FDP, die sich als die Partei der Informationsfreiheit bezeichnet. Sie hat aber unsere früheren Gesetzesinitiativen immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen gestoppt, die weniger nachvollziehbar sind. Auf ihrer Internetseite hat die FDP am 22.08.2012 veröffentlicht:
Informationsfreiheit stärken. Die Kommission für Informationsfreiheit hat mit der Stiftung für die Freiheit in Bangladesch einen Kooperationsvertrag geschlossen. Sinn und Zweck ist, die Zusammenarbeit zu fördern und die Umsetzung
eines 2009 in Bangladesch eingeführten Informationsfreiheitsgesetzes zu verbessern.
Kolleginnen und Kollegen von der FDP, handeln Sie nicht nur in Bangladesch, sondern handeln Sie sinnvoll auch hier in Bayern, dann hat es auch für unsere Bürgerinnen und Bürger einen Sinn!
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelpunkt der Verbraucherpolitik stehen der mündige Verbraucher und seine berechtigten Ansprüche und Erwartungen. - So steht es auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums. Ich frage Sie: Gibt es denn den mündigen Verbraucher? Wie wir von der FDP gehört haben, offensichtlich. Aber ist der Verbraucher in unserem Land tatsächlich immer selbstbestimmt, informiert und rational handelnd? Ist es nicht vielmehr so, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land heterogen sind, die einen hilflos, die anderen vertrauend und wiederum andere gierig, etwas zu wissen - die Gewissenhaften in unterschiedlichen Variationen? Wenn ich in diesem Zusammenhang Verbraucherpolitik betreibe, dann nicht nur für den mündigen, sondern für den realen Verbraucher. Insoweit muss man natürlich die eigene Politik auf dessen Bedürfnisse abstellen und kann es nicht damit tun, dass man in Presseerklärungen ein Problem aufleuchten lässt und Erklärungen dazu abgibt. Bei ernsthaftem Verbraucherschutz muss ich tatsächlich auf die einzelnen Bedürfnisse
unterschiedlichster Art Rücksicht nehmen, ganz gleich, ob es sich um hoch gebildete oder weniger gebildete Menschen handelt. Das ist Transparenz, die bislang aus meiner Sicht bei der Verbraucherschutzpolitik nicht sonderlich gut angekommen ist.
Es geht also um den realen Verbraucher. Wir brauchen Marktforschung, die Evaluation von Gesetzen, die Analyse, wie sich unsere Gesetze auf den Verbraucher auswirken.
Ich verkenne nicht, Frau Ministerin, dass bei der Aufklärung Fortschritte erzielt wurden: Monitoring, Master-Studiengang "Consumer Affairs", Verbundforschungspolitik -, allerdings sind bei den Kollegen trotzdem Studiengebühren fällig -, Verbraucherallianz. Aber genügt das? Aus unserer Sicht nicht. Natürlich ist es löblich, wenn man versucht, Verbraucherschutz in Schulen einzuführen; aber wenn man das richtig macht, muss das nach unserer Auffassung von Erziehung und Bildung schon im Kindergarten beginnen. Darüber haben wir noch gar nichts gehört. Auch im Kindergarten sind Konsumentinnen und Konsumenten, die massiven Druck auf ihre Eltern ausüben. Dort hat das also schon etwas zu suchen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hierbei allerdings noch weit auseinander.
Der mündige Verbraucher und seine Erwartungen sind der nächste Punkt. Wenn der Verbraucher an den Staat Fragen hat, erwartet er Antworten, die nachvollziehbar und aus einem Guss sind.
Hier liegt das Dilemma in Bayern. Für den Verbraucherschutz in gesundheitlicher Hinsicht ist das Umweltministerium zuständig, für den Arbeitsschutz und die Produktsicherheit ist das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen zuständig, für die Ernährung das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, und der rechtliche Verbraucherschutz ressortiert letztlich beim Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Erwarten Sie denn ernsthaft, dass ein mündiger Verbraucher, wenn er Fragen hat, diese Unterschiede verinnerlicht und fachbezogene Fragen an die Ministerien stellt? Es ist eine Katastrophe, will man sich in diesem Wirrwarr zurechtfinden, und das nicht nur für einen, der bildungsfernen Schichten angehört, sondern auch für einen Durchschnittsgebildeten, der kein Jurastudium absolviert hat.
Welches Bild ergibt das von einem Verbraucherschutzministerium? Das ist ein Verbraucherschutzministerium mit beschränkter Zuständigkeit und damit
auch mit beschränkter Haftung. Was wir von solchen juristischen Körperschaften haben, wissen wir ganz genau.
Wir sind damit also nicht zufrieden und machen das an unterschiedlichen Fällen fest.
Bei der Dioxinbelastung von Eiern gab es keine Erklärung aus dem Justiz- bzw. Verbraucherschutzministerium. In der Sache Müller-Brot bin ich kritisiert worden, weil ich gesagt habe, eigentlich müsste doch die Justiz davon wissen, dass etwas schiefläuft, wenn Durchsuchungen stattfinden und Strafen wegen Ordnungswidrigkeiten verhängt worden sind. Sie haben mich in einer Pressemitteilung angegriffen und gesagt, ich hätte keine Ahnung. Natürlich habe ich Ahnung und weiß, dass Sie aus Rechtsgründen nichts weitergeben dürfen. Aber das ist genau der Punkt, an dem wir sagen: Justiz und Verbraucherschutz passen nicht zusammen, weil wichtige Informationen nicht nach außen dringen können. Wenn die Justiz- und Verbraucherschutzministerin gefesselt ist, weil das der rechtliche Tatbestand ist, dann geht das am Thema vorbei.
Wir können das auch belegen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zum Beispiel ein Klimaschutz-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Verbraucherschutzministerium. Dieses macht den Verbraucherschutz in eigener Zuständigkeit und warnt in eigener Zuständigkeit vor belasteten Eiern. Das ist realer Verbraucherschutz: Schutz aus einer Hand. Bezüglich des Bubble-Tees, der auch bei Ihnen im Juli eine Rolle gespielt hat, ordnete die nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerin 84 Probenziehungen an und gab detailliert Auskunft über die Gefahren. Das ist realer Verbraucherschutz. Bei Tätowierungen wird auf Nickel- und Farbrückstände hingewiesen, und zwar detailliert. Das ist realer Verbraucherschutz.
Nun kann es sein, dass Sie mit Nordrhein-Westfalen nicht unbedingt auf freundschaftlichem Fuß stehen. Ich kann Ihnen allerdings auch andere Beispiele nennen. In Niedersachsen gibt es den Bereich der Ernährung und des Verbraucherschutzes. Dort ist das Verbraucherschutzministerium sogar in der Lage, die Ergebnisse der behördlichen Kontrollen des vergangenen Jahres und den Status der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Tierschutzes in einem Verbraucherschutzbericht zu veröffentlichen, und dies in eigener Zuständigkeit. Das ist reeller Verbraucherschutz.
Hessen hat eine entsprechend eigene Institution: Umwelt, Energie und Landwirtschaft, alles aus einer Hand, und auch das Saarland und Sachsen haben
anders ressortiert. Keine einzige Ressortierung im Bund ist so wie die in Bayern - Justiz und Verbraucherschutz -, und das offensichtlich mit gutem Grund.
Wie läuft es denn bei Verbraucherschutzministerkonferenzen ab, wenn über Lebensmittelprobleme, über Futtermittelprobleme diskutiert wird oder wenn, wie dies jetzt die saarländische Ministerin getan hat, eine bundeseinheitliche Regelung zur Transparentmachung der Kontrollergebnisse von Lebensmitteln gefordert wird? Läuft dann die bayerische Verbraucherschutzministerin mit einem Stab aus drei anderen Ministern auf, um sich sach- und fachkundig zu machen und um auf Augenhöhe zu diskutieren? Das kann so nicht sein. Deswegen fordern wir dringend, dass diese unglückliche Ressortierung verändert wird. Das ist auch das Erste, was wir in diesem Bereich machen werden. Wir werden wieder zurückressortieren und den Verbraucherschutz zur Umwelt bringen, so wie es früher war. Der bayerische Weg ist ein Holzweg, der in die Sackgasse führt.
Laut Ihrer Homepage sind Sie auch Anwalt für politische Initiativen. Ja, da gab es einige. Ich erinnere an den Verbraucherlotsen, der von Ihnen in einem 10Punkte-Programm als wichtiges Institut erwähnt worden ist, um die Aufklärung voranzubringen. Ihre eigenen Parteifreunde und Koalitionäre waren es, die das Projekt im Verbraucherausschuss abgebügelt und beerdigt haben. Sie haben in der Prielmayerstraße - ich war selber dabei - bezüglich der Lebensmittelkennzeichnung eine Säulenlösung vorgestellt. Aber diese ist bundes- und europaweit kläglich gescheitert. Die Ampellösung hat Ihnen nicht imponiert. Und jetzt heften Sie sich die Button-Lösung an Ihr Revers. Es kann sein, dass wir das durchgehen lassen. Aber in der Debatte vom 27. Oktober 2010 habe ich Ihnen schon gesagt, dass meine Bundestagsfraktion am 6. Juli 2010 diesbezüglich einen Antrag gestellt hat. Die Dinge sind schon besprochen worden. Der Antrag ist insoweit auch angenommen worden. Somit ist die ButtonLösung auch unser Verdienst; das muss man ehrlich anerkennen.
Die Graumarktregulierung ist eines Ihrer Lieblingsthemen. Ich muss sagen: zu Recht. Ich bin dankbar dafür, dass Sie sich dabei von der Mehrheit von CSU und FDP deutlich abheben. Sie sagen heute, es sei gut, dass die Graumarktregulierung kommt. Aber das genügt Ihnen offensichtlich nicht.
Ich darf aus Ihren entsprechenden Pressemeldungen zitieren. Am 10. Februar 2011 hieß es: Die gesetzliche Regelung klammert den grauen Kapitalmarkt aus und konzentriert sich auf einzelne Verbesserungen in
dem bereits regulierten Bereich. Anlageberater werden nicht verpflichtet. Aber sie werden verpflichtet, ein Produktinformationsblatt auszuhändigen. Klare Vorgaben zum Beipackzettel fehlen. Es gibt für Anlageberater keinen Qualifikationsnachweis, also auch heute nicht. Sie sagen selbst - ich zitiere -: Das Gesetz bleibt hier an vielen Stellen hinter den Bedürfnissen der Anleger zurück.
Weiter geht es darum, die Überwachung sollte nur durch die Länder installiert werden. Sie greifen unsere alte sozialdemokratische Forderung auf, dass eine umfassende Überwachung durch die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, stattzufinden hat. Außerdem sagen Sie: Wir brauchen strengere materielle Anforderungen für geschlossene Fonds, ihre Verwaltungen und ihre Initiatoren, um Anleger besser vor Verlusten durch unsolide wirtschaftliche Geschäftsmodelle zu schützen.
Wenn die Vorlage eines Businessplans dafür hinreicht und Ihnen genügt, so sagen wir: Aus unserer Sicht genügt das nicht. Daher können wir diesen Weg mit Ihnen nicht gehen.
Am 6. April 2011 haben Sie ganz forsch gesagt: Wir brauchen in dem Zusammenhang ein volles Programm statt einen Schonwaschgang. Sie sagen: Der graue Markt gehört weißgewaschen. Das ist genau unsere Ansicht. Allerdings haben wir uns mit unseren Forderungen im Bund nicht durchgesetzt.
Der 27. Mai 2011 gipfelt in der Pressemitteilung des Verbraucherschutzministeriums: Was nützen die besten Regeln, wenn sie nicht durchgesetzt werden? Wörtlich heißt es: Die Überwachung kann nur dann sichergestellt werden, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde konsequent durchgreifen kann. Die dazu passenden Angriffsmöglichkeiten fehlen in dem Gesetzentwurf.
Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass Sie bei bestimmten Verstößen für Gewinnabschöpfungen sind. Dazu fordern Sie für die Verbraucherverbände das Klagerecht. All das bringt uns im Bund aber nicht weiter; denn damit werden Sie sich in Ihren Verbänden nicht durchsetzen können.
Man fragt sich: Wer ist hier denn an der Regierung? Es sind dieselben, die in München mit Recht die eigenen Gesetzentwürfe aus Berlin bemäkeln und zugleich mit der Verbraucherschutzministerin, Frau Aigner, an einem Tisch sitzen. Wohin führt das? Mit der Parteigleichheit soll möglicherweise von etwas abgelenkt werden.
Sportlich gesehen handelt es sich um einen Versuch, die politischen Verbraucher, nämlich die Bürgerinnen
und Bürger, zu täuschen und zu betrügen. Psychologisch gesehen sind all diese Forderungen nichts anderes als schizophren.
Deswegen ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, welche Initiativen Sie nicht ergriffen haben. Das einheitliche Gütesiegel für Lebensmittelbetriebe ist durch ein einziges Bundesland im Bundesrat verhindert worden. Das war der Freistaat Bayern. In dem Zusammenhang gab es keine entsprechende Äußerung. Wir haben auch nichts dazu gehört, dass Sie im Datenschutz Cookies verbieten wollen. Die Umsetzung wäre längst notwendig.
Sie gehen Ihren bayerischen Weg in die Isolation. Sie doktern an Symptomen herum. Den guten Willen haben Sie vielleicht, wählen aber die falsche Lösung.
Verbraucherschutz heißt für uns in der Zukunft: Steigerung der Effektivität, keine Reibungsverluste zwischen den Fachbereichen, keine gespaltene Zunge, Service aus einem Guss, Gewährleistung einer operativen ordnungspolitischen Handhabung.
Deswegen werden wir umressortieren. Verbraucherschutz in Bayern ist, um ein Bild zu gebrauchen, bezüglich Ihrer Bundesinitiativen nicht einmal mit einem zahnlosen Tiger zu vergleichen - dies wäre maßlos überzogen -, allenfalls mit einer Kuschelkatze, die gelegentlich faucht, aber keine Krallen ausfahren kann, weil sie denn keine hat. Von Zuschlagen kann keine Rede sein, eher von Belanglosigkeit.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die SPD stimmt diesem Entwurf zu. Es ist die Spätzeugung eines vor Zeiten angekündigten
Embryos. 2010 haben Sie erklärt, die Opferhilfe in Gang setzen zu wollen. Jetzt, im Jahr 2012, sind wir tatsächlich dabei, das auf den Weg zu bringen. Dieser Embryo ist gezeugt aus dem Gedanken, dass die bundesrechtlichen Regelungen bei Weitem nicht ausreichen, um das Leid und das Elend der Geschädigten adäquat ausgleichen zu können. Der Gedanke, das unbürokratisch zu regeln, und ein Blick auf die Homepage der Bundesbeauftragten zum Opferentschädigungsgesetz zeigen, wie erschreckend die derzeitige Gesetzeslage empfunden wird. Es wird ausgeführt, dass das Opferentschädigungsgesetz doch wohl eher ein Opferbeschädigungsgesetz sei, weil die Prüfverfahren heftig sind und man Täter insoweit befragen muss, ob Beschädigungen tatsächlich adäquat entstanden sind. Wörtlich: Es kann doch nicht sein, dass das Versorgungsamt den Täter als Zeugen dafür lädt, um seine Aussage dazu zu verwenden, finanzielle Ansprüche zurückzuweisen.