Protokoll der Sitzung vom 27.09.2011

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, weil ich darauf brenne, dass wir unsere Arbeit in der Vollversammlung nach der Sommerpause wieder aufnehmen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie nach der Sommerpause hier im Plenarsaal sehr herzlich begrüßen. Ich will nicht behaupten, dass Sie alle erst aus den Ferien gekommen sind; denn es haben schon Klausurtagungen und viele Arbeitssitzungen stattgefunden. Natürlich gab es auch in den Sommerwochen zu Hause in den Stimmkreisen einiges zu tun. Wir gehen nun die letzten Monate dieses Jahres gemeinsam an. Deshalb darf ich die 83. Vollsitzung des Bayerischen Landtags eröffnen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich zweier ehemaliger Kollegen zu erinnern.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 11. August dieses Jahres verstarb Otto Lerchenmüller im Alter von 68 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1990 bis 1994 an und vertrat den Stimmkreis München-Schwabing für die Fraktion der CSU. Otto Lerchenmüller war unter anderem Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik sowie im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen. Insbesondere den Themen des letztgenannten Ausschusses widmete er sich auch während seiner langjährigen kommunalpolitischen Tätigkeit in München.

Am 30. August verstarb unsere ehemalige Kollegin Anne Voget im Alter von 60 Jahren. Sie gehörte dem Bayerischen Landtag von 1990 bis 2003 an und vertrat für die SPD-Fraktion den Wahlkreis Mittelfranken. Anne Voget war im Bayerischen Landtag unter anderem Mitglied im Ausschuss für kulturpolitische Fragen und im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen. Ihr Einsatz galt besonders der Förderung kultureller Einrichtungen, aber auch frauen- und jugendpolitischen Themen. Vor ihrer Zeit im Bayerischen Landtag engagierte sich Anne Voget insbesondere für diese Themen auch als Stadträtin in Nürnberg.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren. - Ich danke Ihnen, dass Sie sich von Ihren Plätzen erhoben haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nun gilt es, einige Glückwünsche auszusprechen.

Am 1. August feierte Herr Kollege Andreas Lorenz einen runden Geburtstag. Ebenso einen runden Geburtstag hatten am 11. September Herr Kollege Robert Kiesel und am 22. September Frau Kollegin Julika Sandt. Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten Herr Kollege Walter Nadler am 17. Juli, Herr Kollege Erwin Huber am 26. Juli, am 9. September Herr Kollege Dr. Thomas Zimmermann und am 21. September Herr Kollege Staatsminister Joachim Herrmann.

Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen im Namen des Hohen Hauses alles, alles Gute, Gesundheit, viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben und weiterhin ein gutes Miteinander.

(Allgemeiner Beifall)

Wenn ich gerade bei den Glückwünschen bin, darf ich auch unserem Kollegen Meißner zur Wahl zum Landrat in Lichtenfels sehr herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Nachsicht: Wir hatten uns eigentlich vorgestellt, dass wir die gröbsten Bauarbeiten hinter uns haben, wenn Sie nach der Sommerpause ins Haus kommen und wir mit der parlamentarischen Arbeit beginnen. Es ist im August immer etwas schwierig. Wir haben es leider nicht geschafft, aber wir versprechen, dass es schon in der nächsten Woche etwas besser wird, vor allem, was die Toilettenanlagen im ersten Stock anbelangt. Wir wollen sie barrierefrei haben, und ich denke, dass das ein guter Fortschritt für das Haus ist. Die Großbildschirme im Plenarsaal sind angebracht. In einer der nächsten Plenarsitzungen werden sie auch technisch einsatzbereit sein. Haben Sie also bitte Verständnis; wir haben versucht, die Maßnahmen bis nach der Sommerpause abzuschließen, aber es war nicht ganz möglich.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich die große Freude, auf der Ehrentribüne die Präsidentin der bulgarischen Volksversammlung, Frau Tsacheva, mit ihrer Delegation sehr herzlich zu begrüßen. Liebe Frau Präsidentin, herzlich willkommen!

(Allgemeiner lebhafter Beifall)

Sie haben heute schon viele Gespräche im Haus geführt. Wir wünschen Ihnen weiterhin einen guten Aufenthalt hier in der Vollversammlung. Heute Morgen waren Sie mit Kolleginnen und Kollegen des Wirtschaftsausschusses und des Landwirtschaftsaus

schusses in vertieften Gesprächen und haben viele gemeinsame Dinge mit ihnen angesprochen. Sie werden im Anschluss an diese Plenarsitzung noch Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen des Europaausschusses führen. Dann werden Ihnen Mitglieder der Staatsregierung - Herr Staatsminister des Inneren, Kollege Herrmann, und auch Frau Staatsministerin Müller - noch für Gespräche zur Verfügung stehen. Sie haben ein reichhaltiges Programm. Wir haben Ihnen natürlich auch die Schönheiten Münchens gezeigt. Dazu gehört derzeit auch das Oktoberfest. Herzlich willkommen und alles Gute für Sie! Kommen Sie wieder gut nach Hause. Wir freuen uns auf weitere gute parlamentarische Zusammenarbeit.

Wir freuen uns selbstverständlich immer, wenn Kolleginnen oder Kollegen, die länger erkrankt waren, wieder unter uns sind. Wir freuen uns, dass Frau Kollegin Matschl wieder da ist, und wir freuen uns auch, dass Kollegin Sem wieder unter uns ist.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Rinderspacher, ich würde Sie für die SPD-Fraktion bitten, Frau Kollegin Biedefeld unsere guten Wünsche zur Genesung zu übermitteln.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Übergriffe durch Polizisten in Rosenheim aufklären - polizeilichem Fehlverhalten wirksam vorbeugen"

Zur Geschäftsordnung brauche nichts zu sagen. Wir kennen die Reihenfolge der Redner und die Redezeiten. Als erste Rednerin darf ich Frau Kollegin Tausendfreund für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN aufrufen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe mir sehr gerne die "Rosenheim-Cops" im Fernsehen an. Mit Esprit, Witz und Charme lösen sie ihre Fälle völlig gewaltfrei. Die Realität bei der Rosenheimer Polizei hat offensichtlich nichts mit dem positiven Bild zu tun, das uns mit den sympathischen Fernseh-Cops präsentiert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass ich nichts von markigen Worten und Übertreibungen halte, aber ich muss doch sagen: Was sich nach den bisherigen Erkenntnissen am 3. September am Rande des Rosenheimer Volksfestes abgespielt haben muss, ist ein handfester Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein fünfzehnjähriger, eher schmächtiger Bursche wird als Zeuge einer Rauferei auf die Wache gebracht. Er geht unversehrt hinein und verlässt die Wache mit eingeschlagenen Zähnen und blutüberströmtem Gesicht. Wir alle haben das Bild des Jungen vor Augen; es war in den Zeitungen abgebildet. Besondere Brisanz erhält der Fall, weil der Leiter der Polizeiinspektion selbst brutal Hand angelegt haben soll und nun scheibchenweise herauskommt, dass er schon früher mehrfach negativ aufgefallen ist. Erst heute wurde berichtet, dass er im März 2010 einen Vierzehnjährigen verletzt hatte.

Auch der andere Fall vom November 2010 klingt, als wäre er aus einem schlechten Film. Eine völlig unbeteiligte Familie wird von Polizisten in Zivil, verstärkt durch Beamte in Uniform, in ihrer Wohnung regelrecht niedergestreckt und erheblich verletzt. Die Liste der Verletzungen ist lang und reicht von Knieprellungen über schwere Bauch- und Handverletzungen bis hin zu Schürfwunden und Schädelprellungen. Einer der Betroffenen - auch wieder brisant: ein pensionierter Polizist - berichtete, er sei durch die Schläge zeitweise bewusstlos gewesen.

Wie konnte es zu einer solchen Eskalation kommen? Schließlich wurde nur eine Person gesucht, die zu einer psychiatrischen Untersuchung vorgeführt werden sollte. Dafür prügelt man doch nicht eine ganze Familie nieder, und ein kleines Kind muss den ganzen Vorgang auch noch mit ansehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Selbst wenn nach einem Straftäter gesucht worden wäre, dürfte so etwas nicht passieren.

Wie kann es sein, dass die Staatsanwaltschaft nun den Spieß umdreht und die Opfer zu Tätern macht? Das muss alles noch geklärt werden. Es handelt sich um gravierende Fälle, um die sich der Landtag kümmern muss. Innenminister Herrmann muss hier Rede und Antwort stehen. Er wird auch im Innenausschuss noch Gelegenheit haben, alle Fragen zu klären.

Im Falle des verletzten Jugendlichen wird die Sache wenigstens einigermaßen ernst genommen. Was aber wäre gewesen, wenn die Medien den Fall nicht aufgegriffen hätten und wenn es keinen politischen Aufklärungsdruck gegeben hätte? Wie kann es sein, dass niemand auf der Dienststelle eingeschritten ist? Wie konnte der jetzt beurlaubte Leiter der Polizeiinspektion Rosenheim überhaupt in diese Führungsfunktion aufrücken, obwohl er sich nach den bisherigen Erkenntnissen schon indiskutable Dinge geleistet hat?

Bereits nach dem Pfeffersprayeinsatz gegen einen Journalisten am Rande der Sicherheitskonferenz 2004 hätten alle Alarmsignale läuten müssen. So wie sich die Situation darstellt, hätte diese Person schon damals als nicht geeignet für Führungspositionen eingeschätzt werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Journalist war erkennbar als Berichterstatter mit einer Kamera unterwegs. Ohne Anlass muss der ehemalige Leiter der PI Rosenheim den Journalisten aus nächster Nähe aus dem Auto heraus mit einer Ladung Pfefferspray attackiert haben. In dieser Sache wird übrigens heute ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt.

Wir GRÜNE fordern lückenlose Aufklärung und ernsthafte Konsequenzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rambos haben bei der Polizei nichts verloren, und sie bringen die ganze Polizei in Verruf.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der an sich gute Ruf der Polizei wieder hergestellt wird. Wir fordern außerdem Strategien, mit denen derartigen Vorfällen wirksam vorgebeugt werden kann.

Mit dem Gewaltmonopol des Staates muss sehr sorgsam und sensibel umgegangen werden. Es muss sichergestellt sein, dass mit dem Gegenüber der Polizei ordentlich umgegangen wird und in polizeilicher Obhut keine Gefahr droht. Überzogene Einsätze müssen der Vergangenheit angehören.

Ich erinnere an den Einsatz eines ganzen USK-Kommandos gegen einen Griller am Feringasee. Der Einsatz hat deshalb stattgefunden, weil dort das Grillen nicht gestattet war. Dieser Mensch - er war zugegebenermaßen etwas angetrunken - wurde niedergerungen und mit dem Kopf auf die Bordsteinkante geschlagen. Er hat dabei erhebliche Verletzungen davongetragen. Solche überzogenen Einsätze darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Wir fordern eine andere Polizeikultur.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen W. Heike (CSU))

Fehler müssen eingestanden werden. Es sind Maßnahmen nötig, mit denen die Position der Opfer von Polizeigewalt gestärkt wird. Vorschläge hierfür haben wir immer wieder gemacht.

Wir fordern eine unabhängige Beschwerdestelle nach dem Vorbild der englischen Independent Police Complaints Commission - IPCC. Diese Stelle führt alle Ermittlungen bei möglichem Fehlverhalten der Polizei durch und ist personell völlig abgegrenzt von der Polizei. Das läuft dort recht gut.

Es darf gar nicht erst der Verdacht aufkommen, dass bei internen Ermittlungen durch die Polizei gemauschelt werden könnte. Das ist sozusagen eine Vorsorgemaßnahme. Opfer polizeilichen Fehlverhaltens müssen Vertrauen haben können, dass ihr Fall von einer unabhängigen Stelle ernsthaft überprüft wird. Jetzt ist es in der Regel so, dass von vornherein der Darstellung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geglaubt wird und dieser Ansicht dann auch die Staatsanwaltschaft folgt.

Die zwei vorweg beschriebenen Fälle, die heute Thema sind, haben eine Welle von Fällen ausgelöst, die telefonisch und brieflich an uns herangetragen wurden. Ich weiß natürlich, dass manche Fälle anders einzuschätzen sind, dass es auch ein gewisses Racheverhalten geben kann. Aber die Fülle, die jetzt auf uns einprasselt, muss schon zu denken geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)