Protokoll der Sitzung vom 17.05.2011

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 76. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Herrn Kollegen Günther Felbinger zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte, ihm die guten Wünsche des Hauses zu übermitteln. Ich wünsche ihm, auch im Namen der Kolleginnen hier oben, alles Gute und viel Erfolg für die parlamentarischen Aufgaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landeswahlleiter hat mit Schreiben vom heutigen Tag mitgeteilt, dass Herr Staatsminister a. D. Siegfried Schneider mit Ablauf des 11. Mai 2011 auf sein Landtagsmandat verzichtet hat und damit aus dem Landtag ausgeschieden ist.

Ich danke Herrn Kollegen Schneider für seine intensive parlamentarische Arbeit, die er immerhin 16 Jahre lang hier im Landtag geleistet hat. Vor Eintritt in das Kabinett - wir erinnern uns - war Herr Siegfried Schneider von 2003 bis 2005 Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport. Für seine neuen beruflichen Aufgaben wünsche ich ihm, auch wieder im Namen des gesamten Bayerischen Landtages, viel Erfolg.

Der Landeswahlleiter hat uns gemäß Artikel 58 des Landeswahlgesetzes auch die Nachfolge bekannt gegeben; es handelt sich um Herrn Staatsminister der Finanzen Georg Fahrenschon aus Neuried als Listennachfolger. Ab heute ist Herr Kollege Fahrenschon Mitglied des Bayerischen Landtages.

(Allgemeiner Beifall - Zurufe: Ah!)

In dieser Rolle begrüßen wir ihn natürlich ganz herzlich als unseren Kollegen im Herzen des Parlaments. - Wir wünschen Ihnen ebenfalls recht viel Erfolg und eine glückliche Hand.

(Thomas Mütze (GRÜNE): Jetzt darf er endlich dem Haushalt zustimmen! - Staatsminister Georg Fahrenschon: Das kann nur noch besser werden! - Simone Tolle (GRÜNE): Wir freuen uns auch! Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich bin sicher, Herr Fahrenschon wird sein Mandat nach seinen Vorstellungen ausfüllen.

Außerhalb der Tagesordnung gebe ich gemäß § 14 Absatz 4 der Geschäftsordnung bekannt, dass die FDP-Fraktion folgenden Wechsel im Ältestenrat mitgeteilt hat: Anstelle von Herrn Tobias Thalhammer wurde Herr Kollege Thomas Hacker als neues Mitglied des Ältestenrates benannt. Die Funktion des zweiten Stellvertreters übernimmt dafür Herr Kollege Tobias Thalhammer. - Sie bleiben uns als Stellvertreter insoweit also erhalten.

Außerdem gebe ich bekannt, dass die Mitglieder der Kinderkommission des Bayerischen Landtags in ihrer heutigen Sitzung für den dritten Turnus vom 18. Mai 2011 bis einschließlich 30. Januar 2012 - da gibt es das rollierende System - Frau Kollegin Eva Gottstein zur Vorsitzenden und Frau Kollegin Claudia Stamm zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt haben. Auch Ihnen viel Erfolg. Ich bitte um Kenntnisnahme.

Dann erlaube ich mir noch, Ihnen kurz den Hinweis zu geben: Die beiden Bildschirme im Plenarsaal haben Sie vermutlich schon wahrgenommen. Wie Sie vermutlich wissen, hängen diese erst einmal vorübergehend hier, damit man sich ein Bild davon machen kann, wie es aussehen würde, wenn sie in der Wand versenkt wären. Wir testen die Bildschirme in dieser und in der nächsten Sitzung, um uns vielleicht auch schon etwas daran zu gewöhnen und zu sehen, dass da nichts Schlimmes passiert. Es ist immer besser, Änderungen Schritt für Schritt vorzunehmen, damit uns alle begleiten können. Darüber entscheiden dann aber die Fraktionen eigenständig.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Strukturschwache Räume stärken: Wird die Ankündigung des Innenministers jetzt auch Regierungspolitik?"

Zuständig für die Beantwortung der Fragen ist Herr Staatsminister des Innern, Herr Staatsminister Herrmann. Die erste Frage und die erste Nachfrage stellt Herr Muthmann. Dann geht es in der Reihenfolge weiter: Frau Karl und Herr Mütze. Frau Karl hatte sich als Erste gemeldet. - Herr Muthmann, bitte schön.

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Minister! Das Thema der Ministerbefragung "Strukturschwache Räume stärken", heute mit dem Innenminister, ist von uns gewählt, um auf einen, wie wir beobachten, galoppierenden Kompetenzverlust des Wirtschaftsministeriums in der Staatsregierung hinzuweisen. Wir wollen die daraus resultierenden Fragen stellen. Ich will zuvor nur ein paar Beispiele der letzten Wochen nennen: Staatsminister Dr. Söder stellt das in die Zuständigkeit

des Wirtschaftsministeriums gehörende Energiekonzept vor. Am Wochenende stellt Landwirtschaftsminister Brunner sein regionales Energiekonzept vor und empfiehlt, vor allem auch die regionale Wertschöpfung zu generieren und in diesem Zusammenhang genossenschaftliche Lösungen zu suchen, um die wirtschaftsschwachen Räume in besonderer Weise an der Energiewende teilhaben zu lassen. Letzte Woche lasen wir in der "Süddeutschen Zeitung", dass Innenminister Herrmann verstärkte regionale Wirtschaftsförderung für notwendig hält.

In diesem Zusammenhang ärgert uns, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie noch im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt unsere Forderung nach Erhöhung der regionalen Wirtschaftsfördermittel nicht für richtig hielten. Dort, wo sie wirklich hätte wirksam werden können, beim Haushalt, haben Sie die Umsetzung abgelehnt. Sie platzieren diese öffentlichkeitswirksame Forderung vier Wochen zu spät. Wichtiger wäre es, nicht nur Sprüche zu machen, sondern diese Forderung für die wirtschaftsschwachen Räume in die Tat umzusetzen.

Wir fordern seit Langem die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms als wesentliches und zentrales Steuerungselement für diesen Bereich. Das Thema "Breitband" ist altbekannt. Die Energiewende mit regionalen Wertschöpfungspotenzialen ist ein Thema. Die verstärkte regionale Wirtschaftsförderung ist ebenso seit Langem eine Forderung der FREIEN WÄHLER. Wenn Sie sich dem nun anschließen, sind wir dafür herzlich dankbar. Meine Frage an Sie als den, wie wir glauben, nicht für diese Themenbereiche zuständigen Minister lautet: Übernimmt jetzt ein CSUMinister diese Thematik, weil er sich neuerdings für zuständig hält oder möglicherweise auch deswegen, weil aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium für diese für Bayern so wichtige Frage einfach zu wenig kommt?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Lieber Herr Kollege, vielen Dank für die große Aufmerksamkeit, die Sie diesen Themen und offensichtlich auch meinen Äußerungen zu diesen Themen schenken. Das kann für die weitere Entwicklung nur gut sein.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Stärkung des ländlichen Raumes ausnahmslos allen Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung ein ganz wichtiges Anliegen ist und dass wir da ganz engagiert zusammenarbeiten. Der Ministerrat hat deswegen am 1. Februar

dieses Jahres einen Kabinettsausschuss eingesetzt, dem der Ministerpräsident und seine beiden Stellvertreter, also Kollege Zeil und ich, angehören. Wir arbeiten sehr, sehr intensiv zusammen. Wir tagen fast jede Woche in diesem Kabinettsausschuss und je nach Fachthemen werden die zuständigen Ressortkollegen hinzugezogen. Unser Ziel ist es, bis zum Jahresende einen Aktionsplan vorzulegen, der neben der Gesamtstrategie auch ganz konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die Regionen enthält.

Was meine Pressekonferenz in der vergangenen Woche betrifft, so war Gegenstand dieser Pressekonferenz zunächst der neue, erweiterte Service, den das Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, das nun unzweifelhaft zu meinem Geschäftsbereich gehört, den Kommunen anbietet. Wir stellen die demografischen Vorausberechnungen, also die Zukunftsprognose für die nächsten 20 Jahre, schon seit einer ganzen Weile allen Städten und Landkreisen in Bayern zur Verfügung. Vor einiger Zeit haben wir das auch auf alle kreisangehörigen Gemeinden über 5.000 Einwohner ausgedehnt; und seit letzter Woche steht nun auch die entsprechende Vorausberechnung für die nächsten 12 Jahre für Gemeinden unter 5.000 Einwohner im Netz. Damit hat jede Gemeinde wohlgemerkt nicht nur der Bürgermeister oder der Gemeinderat, sondern jeder interessierte Bürger in Bayern - die Möglichkeit, sich die Daten, die sich bei einer Fortschreibung der Entwicklung der letzten Jahre für die Entwicklung in den nächsten Jahren voraussichtlich für die Gemeinden ergeben, unmittelbar anzuschauen.

Ich glaube, das ist ein sehr guter Bürgerservice. In diesem Zusammenhang bin ich von den Journalisten gefragt worden, wie es aktuell steht, woran wir arbeiten, und was wesentlich sein wird, um die Zukunft in den ländlichen Räumen zu stabilisieren. Dazu habe ich mich bei einer ganzen Reihe von Themen entsprechend geäußert. Ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht erst seit gestern daran arbeiten. Wir haben viele Dinge seit Langem auf den Weg gebracht, um den ländlichen Raum zu stärken. Ich nenne nur die Städtebauförderung, Fragen der Dorfentwicklung oder auch zahlreiche Infrastrukturinvestitionen.

Wir müssen uns - diese beiden Aspekte will ich noch einmal in den Vordergrund rücken - natürlich den zum Teil massiven Veränderungen, die wir in weiten Teilen Bayerns registrieren, stellen. Lassen Sie mich die Eckdaten kurz in den Raum stellen. Die Bevölkerungsprognosen für Bayern in den nächsten 20 Jahren beinhalten, dass die Gesamtbevölkerungszahl in Bayern im Wesentlichen stabil bleiben wird und dass wir in 20 Jahren ungefähr noch genauso viele Einwohner haben werden wie heute. Damit unterschei

den wir uns positiv von den meisten anderen Teilen Deutschlands. Die meisten anderen Bundesländer werden in 20 Jahren deutlich weniger Einwohner als heute haben. Das sind bundesweite Prognosen. Und wir haben bei diesem Vergleich eine positiv zu würdigende stabile Entwicklung.

Aber innerhalb Bayerns gibt es natürlich deutliche Veränderungen. Das heißt, wir werden in den Ballungsräumen nach den gegenwärtigen Prognosen ein weiteres Wachstum haben. Wir werden dort in 20 Jahren mehr Einwohner haben als heute, vor allen Dingen im Großraum München. Anderenorts aber werden die Bevölkerungszahlen zurückgehen. Und wenn es um niedrigere Bevölkerungszahlen geht, haben wir immer zwei Aspekte zu beachten. Darauf möchte ich in diesem Zusammenhang auch kurz hinweisen.

Der erste Aspekt ist die Geburtenrate. Die Geburtenrate ist überall in Deutschland und auch überall in Bayern heute deutlich niedriger, als sie vor 30 oder vor 50 Jahren war. Daraus folgt natürlich auch ein entsprechender Bevölkerungsrückgang. Dafür ist, denke ich, keine politische Partei und keine Regierung in Deutschland in irgendeiner Weise verantwortlich. Daraus folgt zunächst eine veränderte Altersschichtung: Bei uns wird es in den nächsten Jahren weniger junge Menschen und anteilsmäßig mehr alte Menschen geben.

Der zweite Aspekt ist - ich werbe dafür, dies in einer seriösen Diskussion immer strikt auseinanderzuhalten -, dass wir unabhängig von der Geburtenentwicklung auch Wanderungsbewegungen zu verzeichnen haben. Diese Wanderungsbewegungen weg von den ländlichen Räumen hin in die Ballungsräume sind mit entsprechenden politischen Konzepten natürlich ein Stück weit beeinflussbar. Sie sind zwar nicht von heute auf morgen ins Gegenteil verkehrbar, aber immerhin sind sie beeinflussbar. Das hängt ganz wesentlich damit zusammen, welche Zukunftsperspektive gerade die jungen Menschen in den ländlichen Räumen sehen. Hier fühlen wir in der Bayerischen Staatsregierung, wohlgemerkt in allen Ressorts, uns in besonderer Weise verpflichtet; denn es ist eine typische Querschnittsaufgabe, bei der sich jedes Kabinettsmitglied, der Wirtschaftsminister genauso wie der Innenminister oder auch der Kultusminister und der Hochschulminister und alle anderen entsprechend engagiert.

Danke sehr, Herr Staatsminister. Herr Muthmann, Sie haben jetzt noch eine Nachfrage.

Herr Minister, Ihre Pressemitteilung zu der Veröffentlichung der

Zahlen war übertitelt mit dem Satz: "Neue Zahlen lassen die Gemeinden in die Zukunft blicken." Ich bin geneigt zu fragen: In was für eine Zukunft?

Ich möchte an dieser Stelle ganz konkret werden, nachdem Sie sich dezidiert zur regionalen Wirtschaftsförderung geäußert haben. Sie sind der Meinung, dass da noch eine verstärkte Unterstützung notwendig ist. Wenn wir nun im Herbst voraussichtlich den Nachtragshaushalt beraten, sind Sie dann ebenso in der Bütt, um erneut für eine Verstärkung der Mittel hier im Hohen Haus zu werben? Wir haben das bisher leider vergeblich getan. Mit Ihrer Unterstützung an dieser Stelle würde die richtige Entscheidung möglich werden. Werden Sie also bei den Beratungen des Nachtragshaushalts unsere Forderung unterstützen?

Danke schön, Herr Muthmann. Bitte Herr Staatsminister.

Herr Kollege, ich kann Ihnen versichern, dass die Staatsregierung im Herbst dieses Jahres einen beeindruckenden Aktionsplan vorstellen wird. Soweit er finanzwirksame Forderungen enthält, wird er natürlich auch mit den entsprechenden Entscheidungen im Nachtragshaushalt für 2012 unterlegt werden.

Bitte schön, Frau Karl Sie haben die nächste Frage.

Herr Staatsminister, wir freuen uns alle auf diesen sensationellen Aktionsplan.

Diese Freude teile ich.

Noch einmal zum Thema "Verstärkung der Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung". Es ist schön, dass wir uns jetzt alle einig sind, dass es dafür mehr Geld geben muss, um die strukturschwachen Regionen zielgerichtet fördern zu können. Entscheidend wichtig ist aber auch die Frage, wer letztendlich über die Vergabe dieser Mittel vor Ort entscheidet. Wie werden die Kompetenzträger vor Ort in die Mittelvergabe eingebunden? In welcher Konfiguration soll dieser Mitteleinsatz verantwortet werden?

Die SPD-Landtagsfraktion fordert seit langer Zeit das Instrument der Regionalbudgets, um gerade den Bedürfnissen vor Ort besser gerecht werden zu können. Deshalb lautet meine erste Frage: Wie steht die Staatsregierung zum Instrument der Regionalbudgets? Werden diese in Ihrem Aktionsplan enthalten sein?

Meine zweite Frage zielt ganz konkret auf das Thema Infrastruktur. Sie selber haben in Ihrem Interview das Thema Datenautobahn als entscheidenden Punkt angesprochen. Der Anschluss an ein schnelles Internet ist heutzutage nicht nur ein wichtiger Standortfaktor, sondern auch existenziell für die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in ganz Bayern.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert deshalb seit Langem die Aufnahme von Breitbandanschlüssen als Teil der Daseinsvorsorge, sprich als Universaldienst in das Telekommunikationsgesetz.

Das Telekommunikationsgesetz steht auf Bundesebene vor einer Neufassung. Ich habe mit Freude gelesen, dass sich die CDU-Bundestagsfraktion für die Einrichtung eines Universaldienstes in diesem Bereich ausgesprochen hat. Das Gleiche hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner getan. Deshalb meine Frage: Übernimmt die Staatsregierung diese lobenswerte Position? Bekommen wir hier Unterstützung in unseren Bemühungen, einen Universaldienst "Schnelles Internet" einzurichten?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Was die regionale Wirtschaftsförderung betrifft, haben wir heute im Wesentlichen eine Abwicklung über die sieben Regierungen zu verzeichnen, die mit starken Wirtschaftsabteilungen ausgestattet sind und in sehr enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kommunen die Themen der Wirtschaftsförderung bearbeiten. Das hat sich insgesamt bewährt.

Insgesamt können natürlich jeweils nur so viel Mittel bewilligt werden, wie im Haushalt zur Verfügung stehen und soweit sie mit dem EU-Recht vereinbar sind. Wir müssen bedenken, dass sich aus dem EU-Recht in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Restriktionen ergeben hat und wir deshalb nicht beliebig viel Mittel bewilligen können. Man kann nicht jede Firma und jede neue Investition unterstützen.