Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 93. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde wie immer vorab erteilt.

Ich darf Sie, Herr Ministerpräsident und Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, nach der Weihnachtspause am Beginn des neuen Jahres sehr herzlich hier begrüßen, wünsche Ihnen und uns vor allem ein gutes Jahr. Es wird ein arbeitsreiches Jahr werden. Vielleicht können wir auch ein Stück weit darauf achten, fair miteinander umzugehen. Wünschen wir uns, dass wir die für dieses Jahr vor uns liegenden Aufgaben engagiert angehen. Also alle guten Wünsche, aber nicht nur für unsere Arbeit, sondern auch für Sie persönlich, vor allen Dingen auch was Ihre Gesundheit anbelangt.

Ich darf Sie bitten, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 28. Dezember 2011 verstarb im Alter von 88 Jahren unser ehemaliger Kollege Alfons Schneider. Er gehörte dem Hohen Haus von 1970 bis 1978 an und vertrat für die SPD-Fraktion den Wahlkreis Oberpfalz. Alfons Schneider war Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden sowie im Ausschuss für Kulturpolitische Fragen. Zudem war er im März 1974 Mitglied der Bundesversammlung. Als ausgebildetem Lehrer lag ihm die Bildungs- und Kulturpolitik besonders am Herzen. Vor allem hat er in allen seinen Ämtern stets die politische Bildung als Grundpfeiler unserer Demokratie unterstützt und gefördert.

Unvergessen bleibt auch sein unermüdlicher Einsatz bis zu seinem Tod für die St. Katharinenspital-Stiftung in Regensburg, die dem gleichnamigen Alten- und Pflegeheim zur Seite steht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Mitgefühl gilt auch der Familie des Münchner Staatsanwalts Tilman Turck, der während der Ausübung seines Dienstes im Amtsgericht Dachau ermordet wurde. Wir sind entsetzt und verurteilen aufs Schärfste diese brutale Gewalttat gegen jemanden, der in unserem Auftrag tätig war und die Grundsätze unseres Rechtsstaates zu vertreten und durchzusetzen hatte. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und der gesamten Familie.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Ich bedanke mich, dass Sie sich von den Plätzen erhoben haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf noch an einen Termin erinnern. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages wird am kommenden Freitag, also in dieser Woche, eine Gedenkveranstaltung des Bayerischen Landtags in Weiden/Oberpfalz im Elly-Heuss-Gymnasium stattfinden. Das Bayerische Fernsehen überträgt die Veranstaltung live. Daran schließt sich eine Kranzniederlegung an der Gedenkstätte Flossenbürg an. Die Einladung dazu ist Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bereits zugegangen.

Ich bitte um rege Teilnahme, weil wir diese Gedenkfeier bewusst in der Region abhalten wollen und die Schülerinnen und Schüler das Programm voller Engagement mitgestaltet haben. Ich denke, schon der Schülerinnen und Schüler wegen, die sich im Vorfeld wirklich intensiv mit der Problematik beschäftigt haben, soll unsere Anwesenheit zeigen, dass wir als Bayerischer Landtag sehr dankbar dafür sind, dass sie sich so aktiv beteiligt haben.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch zwei Glückwünsche aussprechen. Am 5. Januar feierte Herr Staatsminister Dr. Markus Söder einen halbrunden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Staatsminister,

(Allgemeiner Beifall)

viel Kraft, viel Gesundheit.

Ebenfalls einen halbrunden Geburtstag feierte am 9. Januar Frau Kollegin Maria Noichl. Auch Ihnen einen herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Glückauf und Gesundheit.

(Allgemeiner Beifall)

Ich habe noch einen Hinweis zu geben, bevor wir in die Tagesordnung einsteigen. Hörfunk und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks übertragen die Regierungserklärung zum Thema "Aufbruch Bayern" und die anschließende Aussprache. Auch dafür möchte ich mich bedanken, vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Rundfunks.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten "Lebensqualität sichern, Zukunft gewinnen. Gemeinsam für eine starke Heimat - Aufbruch Bayern"

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Überall in Europa kämpfen die Staaten mit den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Viele Bürgerinnen und Bürger sehen mit Sorge, welche enormen politischen und finanziellen Risiken die aktuelle Schuldenkrise mit sich bringen kann.

Bayern liegt nach seiner Bevölkerung und nach seiner Wirtschaftskraft unter den ersten zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als starkes Land und als Exportnation sind wir politisch und wirtschaftlich eng mit den europäischen Mitgliedstaaten verflochten. Es stellt sich also zu Beginn dieses Jahres zu Recht die Frage: Wo steht Bayern? Ist Bayern gut gerüstet für die Zukunft?

Dieses Jahr 2012 beginnt für die Menschen in Bayern mit einer guten Nachricht: "Deutschland geht es gut, Bayern geht’s noch besser",

(Beifall bei der CSU und der FDP)

so schreibt die "Süddeutsche Zeitung" am 3. Januar dieses Jahres.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der CSU: Bravo!)

Wir haben Spitzenzeugnisse für Bayern eingefahren: Wirtschaft, Bildung, Finanzen, Sicherheit und Kultur Bayern rangiert stets auf den vorderen Plätzen, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Der Wirtschaftseinbruch der Jahre 2009 und 2010 ist überwunden. Bayern geht es heute sogar besser als vor der Krise. Mit einer Arbeitslosenquote von 3,4 % im Dezember liegen wir klar unter der Quote von 4,0 % des Boomjahres 2008. Die Arbeitslosenzahlen sind historisch niedrig. Die Erwerbstätigenquote - gemeint ist der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - ist so hoch wie nie zuvor. Das freut mich besonders, weil wir oft mit anderen Argumenten konfrontiert werden. Die Erwerbstätigenquote der Frauen liegt bei uns in Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es gibt also überall im Land gute Chancen. Von 2005 bis 2011 haben sich die Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit zwischen den stärksten und schwächsten Regionen auf nahezu ein Drittel reduziert: von 3,4 Prozentpunkten - das war der ursprüngliche Abstand zwischen der stärksten und der schwächsten Region - auf jetzt 1,2 Prozentpunkte. Diese Angleichung ist ein großartiger Erfolg im Ringen um gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Politik soll die Menschen motivieren, nicht demotivieren. Bayern ist nicht durch Wehklagen stark geworden, sondern durch beherztes Anpacken. Deshalb geht es Bayern heute so gut wie noch nie in seiner Geschichte. Als Bayerischer Ministerpräsident bin ich stolz auf diese Gemeinschaftsleistung. Ich habe vor dieser Leistung der gesamten bayerischen Bevölkerung Respekt und Hochachtung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Erfolg Bayerns ist aber auch der Erfolg einer langfristigen, wertorientierten und kraftvollen Zukunftspolitik der Staatsregierung und der beiden Regierungsfraktionen CSU und FDP. Wir setzen zuallererst auf Eigeninitiative und Verantwortung. Es zeigt sich wieder einmal: Die beste Sozialpolitik sind eine gute Ausbildung und ein sicherer Arbeitsplatz.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auf der anderen Seite helfen wir rasch und entschlossen, wo durch Verwerfungen auf den Weltmärkten Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Dafür gibt es viele hundert Beispiele. Ich nenne 2009 Knaus Tabbert in Niederbayern, Siemens in Bad Neustadt in Unterfranken und aktuell Manroland in Augsburg. Wir und diese Koalition arbeiten nicht für die Schlagzeilen, sondern wir retten Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich möchte hier ganz besonders meinem Stellvertreter als Ministerpräsident, dem Wirtschaftsminister Martin Zeil für seine kluge und umsichtige Arbeit danken. Er hat mit seinem Einsatz Bayern ein ganzes Stück vorangebracht. Danke, lieber Martin!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bayern ist nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, Bayern ist etwas Besonderes. Wirtschaftliche Erfolge und eine gesunde Umwelt gehen in Bayern Hand in Hand. Die Schönheit unserer Landschaften und eine intakte Natur sind fester Bestandteil unserer bayerischen Lebensqualität. Nach einer Emnid-Umfrage sind 96 % der Menschen in Bayern glücklich, hier zu leben. Bayern hat eben Anziehungskraft. Seit 1990 sind per saldo mehr als 1,3 Millionen Menschen zu uns nach Bayern gekommen - das ist zehnmal meine Heimatstadt Ingolstadt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Abstimmung mit dem Umzugswagen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir sind eben das Land mit den besten Chancen. Wir sind das Land mit der höchsten Lebensqualität. Die

neuen Mitbürger sind willkommene Nachbarn und Kollegen in Beruf und Verein. Ich danke diesen Neubürgern ausdrücklich für ihren Beitrag zum Erfolg Bayerns.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ein wesentliches Fundament unserer bayerischen Politik ist die innere Sicherheit. Der brutale Mord an Staatsanwalt Tilman Turck in Dachau hat uns alle fassungslos gemacht, genauso wie der grausame Polizistenmord an Mathias Vieth in Augsburg vor drei Monaten. Unser Mitgefühl gilt ihren Familien, ihren Angehörigen, Freunden und Kollegen.

Mir persönlich ist sehr bewusst, dass viele Staatsdiener ihren Dienst unter dem Einsatz von Leib und Leben tun. Ich denke vor allem an unsere Polizisten, Staatsanwälte und Richter. Wir werden als Koalition alles tun, um diejenigen noch besser zu schützen, die tagtäglich uns schützen. Polizei und Justiz sorgen für unsere Sicherheit. Ihr Einsatz macht Bayern zu einem der sichersten Länder. Dafür gebühren ihnen allen unser Respekt, unser Dank und auch unser besonderer Schutz.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Unsere Lebensphilosophie in Bayern ist: Leben und leben lassen. Jeder soll nach seiner Fasson leben können. Bei uns steht jedem ein Weg zum erfüllten Leben offen. Jedes Talent kann sich entfalten. Jeder ist gleich wertvoll, egal, welcher Herkunft, welcher Religion und welchen Geschlechts. Die soziale Marktwirtschaft steht für ein großes Versprechen: Der Staat sorgt dafür, dass du in Freiheit und Selbstbestimmung das Beste aus deinem Leben machen kannst. Das ist Politik auch im Sinne des christlichen Menschenbildes. Wir in Bayern können mit Stolz sagen: Wir sind diesem Versprechen immer treu geblieben.

Die große Krise von 2009 hat zu einer Renaissance der sozialen Marktwirtschaft geführt. Darüber bin ich sehr froh. Der angelsächsische Spekulationskapitalismus ist gescheitert. Bayern löst das historische Versprechen der sozialen Marktwirtschaft ein: Chancen und Wohlstand für alle!

Die zweite Grundlage der Erfolge Bayerns ist Handeln in Verantwortung für die Zukunft. Jede zukunftsfähige Gesellschaft braucht Werte, die über das Hier und Heute hinausgehen. Diese Verantwortung für die Zukunft wird in Bayern millionenfach vorgelebt: in den Familien und Unternehmen, in Kommunen, Kirchen und sozialen Verbänden.

Bayern ist das Land der Nachhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit. Verantwortung nicht nur für

heute, sondern auch für morgen - das ist der Kern des besonderen bayerischen Lebensgefühls.