Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen in dieser frühen Morgenstunde. Es sind erstaunlich viele hier.
Ich eröffne die 38. Vollsitzung des Bayerischen Land tags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bayerische Klimaschutzziele verschärfen - Klimaschutzprogramm fortschreiben (Drs. 16/2956)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Natascha Kohnen, Ludwig Wörner u. a. und Fraktion (SPD) Klimakonferenz in Kopenhagen: Bayern braucht eigene Ziele und Beiträge im Kampf gegen den Klimawandel (Drs. 16/2959)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Alexander König, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Tobias Thalhammer, Dr. Otto Bertermann u. a. und Fraktion (FDP) Bayern zum Vorreiter für Klimaschutz in Europa machen: Klimaprogramm Bayern 2020 fortschreiben (Drs. 16/2977)
- Nachdem Ruhe eingetreten ist, können wir jetzt anfangen. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Hartmann. Herr Kollege Hartmann, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal schönen guten Morgen. Ich freue mich, dass doch einige zu dieser Zeit schon hier sind. Ein Teil
Bei den GRÜNEN sieht es leider auch nicht besser aus, zugegeben. Aber ich freue mich, Herr Söder, dass Sie noch pünktlich zur Debatte gekommen sind.
"Wäre die Welt eine Bank, Ihr hättet sie längst gerettet." Dieser Text stand am 6. März dieses Jahres in ganz großen Lettern auf einem Transparent an der Hypo Real Estate in der Nähe der Bayerischen Staatskanzlei. Für viele Bürgerinnen und Bürger sind die Milliardensummen, die damals an Steuergeldern in die Hypo Real Estate gepumpt worden sind, längst Geschichte.
Diese Woche haben wir in diesem Parlament heftig über die Milliarden debattiert, die der bayerische Steuerzahler in die Bankenwelt gepumpt hat - ein bitteres Zeichen einer Kontinuität, die immense staatliche Verschuldung nach sich zieht und immer wieder immense Summen in ein fehlgeleitetes Finanzsystem pumpt.
Die andere Seite: Für die Eindämmung des Klimawandels fehlt es an Geld, obwohl die Schuldfrage eigentlich längst geklärt ist: Die Verursacherländer und die Opferländer stehen fest. Es liegt auf der Hand, wer hier zu zahlen hat.
Trotzdem: Erst vorgestern hat die Kanzlerin Merkel den dreisten Versuch gestartet - das fand ich sehr erstaunlich -, die Transferleistungen, die für die Entwicklungsländer als Entwicklungshilfe bereits zugesagt worden sind, in die neuen Gelder einzurechnen. Also, wie man auf die Idee kommen kann, ist mir schleierhaft.
Viele Menschen blicken gespannt nach Kopenhagen, und es ist in der Tat durchaus eine bedeutende Verhandlungsrunde. Es ist dringend notwendig und auch wünschenswert, ein internationales Abkommen zu bekommen. Das steht außer Frage. Aber eines muss uns allen doch bewusst sein: Es wird ein Konsens, ein Kompromiss sein zwischen Vorreitern und den Bremsern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren in diesem Hohen Haus, ich hoffe, dass wir uns alle einig sind, dass dieser Kompromiss, der in Kopenhagen erzielt wird, sicher nicht die Messlatte und nicht das Ziel der bayerischen Klimapolitik sein kann. Wir haben den Anspruch, nicht Mittelmaß zu sein, sondern wir müssen Vorreiter sein.
Schauen wir uns doch einmal die Bilanz der bayerischen Klimapolitik der letzten Jahre an. Nach der offiziellen Darstellung der Staatsregierung ist alles ganz hervorragend. Die Pro-Kopf-Emission an CO2 ist in Bayern weit unter dem Bundesdurchschnitt. Was wollen wir eigentlich mehr?
Wenn man sich diese angebliche Spitzenposition Bayerns genauer betrachtet, kommt man schnell auf mehrere Punkte.
Erstens. Die historisch geschaffene Wasserkraft, die vor über 90 Jahren mit Oskar von Miller ihren Anfang nahm, trägt immer noch zu 15 % bis 20 % zur Strom versorgung bei. Das ist auch gut so.
Im Weiteren kommt der hohe Atomstromanteil in Bayern von fast 60 % hinzu. Er wurde damals durch den Wirtschaftsminister und vor allem durch Franz Josef Strauß vorangetrieben und hat uns in den Siebziger- und Achtzigerjahren in die Abhängigkeit von dieser gefährlichen Technik gebracht.
Eine ernsthafte Klimapolitik der Bayerischen Staatsregierungen der letzten 20 Jahre ist nicht zu erkennen.
Zum einen: Die energiebedingte CO2-Emission ist in Bayern von 1990 bis 2006 um 2,1 % gefallen. Der Bun desschnitt liegt bei 17,3 %. Mir ist klar, jetzt kommt gleich der Einwand: Die DDR ist zusammengebrochen und alles liegt daran. Aber Bayern liegt im Bundesvergleich bei der Reduzierung der CO2-Emission auf Platz 13, während nur fünf neue Bundesländer beige treten sind. Daran sieht man: Wir sind wirklich im hinteren Mittelfeld.
Ein zweiter Punkt. Von der CSU wurde in den letzten Tagen immer wieder die Pro-Kopf-Emission an CO2 in die Debatte geworfen. Auch hier ist etwas erstaunlich: Bundesweit sind die Pro-Kopf-Emissionen in dem genannten Zeitraum um 2,4 Tonnen zurückgegangen das sind über 20 % -, in Bayern um 0,8 Tonnen, das sind knappe 10 %. Das heißt, wir sind im bundesweiten Vergleich wieder nur auf Platz 11, also auch nicht in der Spitzenposition.
Am drastischsten wird es deutlich beim Thema erneuerbare Energien im Stromnetz. Vor zehn Jahren war Bayern Spitzenreiter, ganz vorn in Deutschland. In den letzten Jahren wurden wir von anderen Ländern überholt und sind im Bundesvergleich auf Platz 6 abge rutscht, und die Tendenz ist sogar weiter fallend. Da
Aber abgesehen von der realen Klimapolitik in Bayern ist auch erstaunlich: Selbst bei der Datenlage und beim Datenerheben im Bereich Klimaschutz hinkt Bayern wirklich richtig hinterher. Zum Beispiel ist Bayern im Länderarbeitskreis Energiebilanzen eines von drei Bundesländern, die bis zum heutigen Tage die Zahlen für 2006 noch nicht gemeldet haben. Zur Erinnerung: Wir haben jetzt bald 2010. Des Weiteren: Zum Beispiel beim Thema CO2-Verursacherbilanz, vom gleichen Länderarbeitskreis Energiebilanzen erhoben, weigert sich Bayern als einziges Bundesland, die Zahlen zu melden. Warum eigentlich?
Das noch Erstaunlichere - es wurde lange vor meiner Zeit hier im Plenum immer wieder heftig diskutiert - ist das Klimaprogramm der Bayerischen Staatsregierung, 350 Millionen Euro schwer. Das klingt erst einmal gut, ist es aber nicht. Es ist eine Mogelpackung.
Nur zwei Drittel dieser Gelder überhaupt fließen in die Minimierung von Treibhausgasen, und von diesen zwei Dritteln wiederum werden 80 % zur energetischen Sa nierung staatlicher Gebäude hergenommen, was durchaus richtig und wünschenswert ist, aber eine große CO2-Einsparung erreichen wir damit nicht; sie wird nur im Promille-Bereich liegen.
Ein weiterer Punkt: Ein Thema, das ganz aktuell durch die Medien ging, ist, dass unser Umweltminister, zurzeit ja auch schon "Lebensminister" genannt, Markus Söder, in Sachen Klimaschutz eigentlich so gut wie gar nichts getan hat. Das Einzige, was ihm gerade eingefallen ist, besteht darin, der internationalen Climate Group beizutreten - eine Aktion, die nicht viel kostet und genauso viel bringt. Zudem ist die Climate Group gar nicht ganz unumstritten. Dort sind eine ganze Reihe von Unternehmen dabei, die auf den Ausbau der Atomkraft und beim Klimaschutz massiv auf die CCS-Technik setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben in der letzten Woche den Medien, auch der "Süddeutschen Zeitung", entnommen: Der renommierte Klimaforscher Hartmut Graßl, von Herrn Stoiber damals in den Bayerischen Klimarat berufen, hat harte Klimaziele gefordert. Als Zwischenziel bis 2020 sollten fünf Tonnen CO2-Ausstoß pro bayerischem Bürger zugelassen sein. Was fällt unserem Umweltminister ein? Ihm fällt eigentlich nur ein, das Ziel auf 2030 zu verschieben und
Wie wir alle wissen - das ist unumstritten -, heißt das Ziel: zwei Tonnen pro Kopf CO2-Ausstoß bis 2050. Dieses Ziel möchte eigentlich jeder erreichen.
Aber ich frage die Staatsregierung und den Minister Söder: Wie soll das eigentlich funktionieren? Sollen wir in den nächsten 20 Jahren den Ausstoß um 1,7 Tonnen pro Kopf reduzieren? Und wollen wir in den 20 Jahren danach drei Tonnen schaffen?
Wir alle wissen: Je näher wir an das Ziel von zwei Tonnen kommen, desto klarer wird, dass die letzten Tonnen die schwierigsten sein werden, während die ersten am einfachsten zu erreichen sind. Es kann nicht funktionieren, wenn wir mit wenig Reduktion anfangen und uns nachher steigern wollen.
Die Bayerische Staatsregierung muss ihre Haltung zur Klimaschutzpolitik endlich überdenken und die Fehler korrigieren. Die Verstricktheit mit der Atomlobby und der Autoindustrie ist mit der Klimadebatte nicht vereinbar. Wir haben in Bayern viele Möglichkeiten, aktiven Klimaschutz zu betreiben. Es geht nicht nur darum, die staatlichen Gebäude zu sanieren.
Sie wissen genauso gut wie ich: Die Energieeinsparverordnung wird in vielen Fällen nicht eingehalten. Sie haben es in der Hand, die Kontrollen zu verschärfen. Die Vorgaben müssen eingehalten werden, damit später nicht nachsaniert werden muss.