Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 112. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde wie immer vorab erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich erst wieder Glückwünsche aussprechen, was man an dieser Stelle immer sehr gerne tut.
Wir gratulieren der stellvertretenden CSU-Fraktionsvorsitzenden Frau Kollegin Renate Dodell ganz, ganz herzlich zu einem runden Geburtstag.
Liebe Frau Kollegin, alles Gute, vor allen Dingen Gesundheit und weiterhin viel fröhliches Schaffen!
Geburtstag hatte auch − sie ist noch nicht da, aber wir dürfen die Glückwünsche schon übermitteln − Frau Staatsministerin Christine Haderthauer am 11. November. Herzlichen Glückwunsch, Frau Staatsministerin! Die guten Wünsche begleiten Sie. Im Protokoll wird das ja festgehalten.
Weiterhin darf ich dem Kollegen Hans Joachim Werner gratulieren. Er hatte am 12. November Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrecht für Tierschutzvereine (Drs. 16/14506) - Erste Lesung
Kollege Magerl steht schon bereit. Ich darf Ihnen das Wort erteilen. Im Grunde genommen eröffnen Sie auch gleich die Aussprache. Zehn Minuten, bitte.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Tierschutz in der Bundesrepublik und in Bayern auf Verfassungsebene verankert. Zum einen ist in Artikel 20 a des Grundgesetzes folgendes Staatsziel formuliert: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung …" Zum anderen ist das in Artikel 141 unserer Bayerischen Verfassung
geregelt. Dort steht der Satz: "Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt."
Wir haben also auf beiden Ebenen, Bund wie Land, den Tierschutz in Verfassungsrang erhoben und sind aufgrund dessen verpflichtet, den Tierschutz in unserem Lande umfassend zu realisieren. Dies geschieht jedoch nicht in dem Umfang, wie es wünschenswert und notwendig wäre, um wirklich Tierschutz zu betreiben; denn es gibt keine Möglichkeit für Verbände oder auch Privatpersonen, das Recht für die Tiere vor Gerichten in Deutschland einzuklagen. Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern.
Wenn auf der anderen Seite eine Behörde eine Anordnung gegen einen Tierhalter erlässt, dann kann dieser Tierhalter, der möglicherweise Verstöße gegen den Tierschutz begeht, durch drei Instanzen Widerspruch einlegen und gegebenenfalls sogar durch drei Instanzen klagen. Auf der Gegenseite kann momentan niemand klagen. Das ist keine Waffengleichheit, sondern auf der einen Seite hat man sehr wohl das Klagerecht, wenn es um Verstöße geht, auf der anderen Seite haben diejenigen, die Verstöße anzeigen, die die Behörden vielleicht nicht sehen, kein Recht, eine Klage einzureichen.
Deshalb sehen wir dringenden Handlungsbedarf und haben diesen Gesetzentwurf eingebracht. Ich sage gleich dazu, weil jemand aus den Regierungsfraktionen das sicherlich vorbringen wird, dass wir uns sehr eng an den Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen angelehnt haben, der dort momentan beraten wird. Es ist sinnvoll, hierbei gemeinsam vorzugehen und ähnliche Formulierungen zu wählen. Wir haben das der bayerischen Ebene angepasst. Es könnte also jemand sagen, wir hätten das von dort übernommen. Deshalb sage ich gleich vorab, dass das bewusst so gemacht worden ist. Das war von unserer Seite aus Absicht.
Der Tierschutz ist auf der Bundesebene in den letzten Tagen wieder einmal gescheitert. Die Politiker kommen da nicht vom Fleck. Sie führen in ihren Sonntagsreden zwar immer auf den Lippen, wie wichtig ihnen der Tierschutz ist. Wenn er aber konkret werden soll, passiert nichts.
Wir wollen mit dem Gesetz eine umfassende Mitwirkung der Tierschutzverbände erreichen. Diese Mitwirkung ist, glaube ich, auch geboten. Wenn wir sagen, wir wollen mehr Transparenz in unserem Land, wir wollen mehr Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung in unserem Land, dann sollte man auch in einem so wichtigen Punkt − und Tierschutz ist ein Anliegen, das Millionen Leute in Deutschland beschäftigt, die auch
in Verbänden engagiert sind − den Leuten Mitwirkungsmöglichkeiten in den Verfahren geben und ihnen auch das Recht zur Klage vor den Verwaltungsgerichten einräumen.
Wir haben dieses Klagerecht in einem anderen Bereich bereits eingeführt, nämlich im Naturschutzrecht. Ich kann mich noch gut an die Diskussionen erinnern, die geführt worden sind, bevor das Verbandsklagerecht in das Naturschutzrecht eingeführt worden ist. Man hat von einer ewigen Blockade geredet. Es würde nichts mehr durchgehen, die Verbände würden gegen jeden Bescheid prozessieren. Das ist mitnichten der Fall. Das wird bei den Tierschutzverbänden genauso sein. Die Verbände werden sehr genau überprüfen, wo eine Chance besteht, wo wirklich ein Verstoß vorliegt und wo Aussichten auf Erfolg bestehen; denn Klagen kostet viel Geld, insbesondere wenn man seinen Prozess verliert.
Im Naturschutzrecht hat das nicht zu einer Klagelawine geführt. Vielmehr suchen die Verbände sehr gut aus, in welchen Fällen sie klagen und in welchen nicht.
Ich bin seit über 30 Jahren Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Freising und kann sagen: Ich habe das Instrument nur einmal verwendet. Das war eine Klage nach dem Verbandsklagerecht im Naturschutzrecht gegen eine Mastanlage mit 40.000 Hähnchen im Ampertal, bei der die Behörde den Stickstoffausstoß dieser Anlage und den Einfluss auf das FFH-Gebiet nicht gewürdigt hat. Wir haben den Prozess gewonnen.
Es geht darum, dass man Fehler, die in Behörden gegebenenfalls vorkommen, vermeidet. Ich sage jetzt nicht, dass unsere Behörden vorsätzlich, grob fahrlässig und immer fehlerhaft arbeiten. Aber gelegentlich passieren auch einmal in einem Landratsamt oder in einer Bezirksegierung Fehler. Auch im Tierschutzbereich sollte man mit einem eigenen Verbandsklagegesetz ermöglichen, dass dies vor Gericht entsprechend kontrolliert und überprüft wird.
Wir werden den Gesetzentwurf in den Ausschüssen ausführlich diskutieren. Für die Erste Lesung, für die Einbringung möchte ich es erst einmal dabei bewenden lassen.
Vielen Dank, Herr Kollege Magerl. − Ich eröffne jetzt die Aussprache und darf Herrn Kollegen Kobler das Wort erteilen.
Liebe Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Magerl, die Forderung nach einem Gesetz zur verwaltungsgerichtlichen Geltendmachung des Rechts für Tiere ist nicht neu. Das Thema der Mitwirkungsrechte der Tierschutzvereine durch Einführung eines Verbandsklagerechtes verfolgt uns in diesem Hohen Hause schon seit Jahren; ich würde sagen, seit den letzten vier, fünf Jahren. Sie erinnern sich sicherlich noch an die Diskussion vom Oktober 2010, als die SPD einen einschlägigen Gesetzentwurf eingebracht hat. Nach rund zwei Jahren kommt nun die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mit einem inhaltlich ziemlich gleichen Vorschlag.
Mit dem von den Antragstellern begehrten Anliegen soll den Tierschutzverbänden in Bayern − Kollege Magerl, Sie haben darauf verwiesen − ein Verbandsklagerecht in Verwaltungsprozessen eingeräumt werden. Aber die Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch immer: Welchen und wie vielen Tierschutzverbänden oder -gruppierungen soll das entsprechende Recht eingeräumt werden? − Für anerkannte Verbände soll − so steht es in Ihrem Gesetzentwurf − ein umfassendes Recht zur Einsichtnahme in die Unterlagen, zur Stellungnahme bei der Vorbereitung von tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften und bei bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken vorgesehen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in den letzten Jahren mit drei verschiedenen Gesetzentwürfen beschäftigt, die in die gleiche Richtung gehen: Das war im Jahr 2007 ein Gesetzentwurf der GRÜNEN, im April 2007 ein Gesetzentwurf der SPD und im Oktober 2010 noch einmal ein Gesetzentwurf der SPD.
Die CSU hat das Gefühl, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Magerl, dass auch beim vierten Anlauf kein allzu großer Durchbruch zum anvisierten Ziel zu schaffen sein wird. Von dieser Vision werde ich mehr oder minder schon jetzt getrieben. Warum? − Ich sage es Ihnen ganz offen: Der Vorschlag hat − wer ihn genau liest, stellt das fest − exakt den gleichen Inhalt wie der Gesetzentwurf der SPD vor zwei Jahren. Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Unserer Auffassung nach besteht kein entsprechender Handlungsbedarf.
Ich erinnere an Folgendes: Die GRÜNEN haben im Jahr 2007 im Grunde genommen einen gleichlautenden Gesetzentwurf eingebracht. Ihr Ansinnen auf ein Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine ist also nicht neu.
Kollege Magerl, Sie haben bei der Einbringung des Gesetzentwurfs die Betonung auf den Begriff "anerkannte Tierschutzverbände" gelegt. Ich frage mich schon: Was ist mit den ganzen anderen Organisationen und Gruppen, die auf Ortsebene eine sehr wichtige Arbeit machen und nicht offiziell anerkannt sind? Wollen Sie denn hier ein Zweiklassentierschutzrecht oder Ähnliches machen? Das kann doch nicht sein! Die CSU ist der Meinung, dass gerade die Verbände und die Gruppen, denen von hier aus Dank und Anerkennung gelten, eine exzellente Arbeit leisten. Dies möchte ich klipp und klar sagen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sie hier Unterschiede machen.
Auch das Folgende war bereits vor zwei Jahren ein Thema in der Diskussion: Sicherlich trifft es zu, dass der Stadtstaat Bremen, wie es bei Ihnen in der Begründung zu dem Gesetzentwurf heißt, ein Verbandsklagerecht eingeführt hat. Aber ich muss schon sagen: Der Stadtstaat Bremen hat in erster Linie Tiere, die in Wohnungen gehalten werden und die nicht für wirtschaftliche Nutzung usw. vorgesehen sind, im Auge gehabt. Wir müssen das schon auseinanderhalten.
Sie haben bei Ihrer Einbringung auch die Bundesratsinitiative von Schleswig-Holstein wohlweislich verschwiegen, die abgelehnt wurde. Inwieweit das Saarland und Nordrhein-Westfalen in der Zukunft beim Verbandsklagerecht Erfolg haben werden, bleibt jetzt einmal dahingestellt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf verweisen, dass die bestehenden Gesetze bereits bisher darauf abstellen, Tieren einen angemessenen Schutz zu gewähren. Dazu gibt es bereits vielfältige Schutzbestimmungen, beginnend bei der Haltung über den Transport, die Tierversuche bis hin zu den Schlachtformen. Alle diese Dinge sind geregelt. Sie haben darauf verwiesen. Da der Tierschutz bei uns einen großen Stellenwert hat, haben wir diesen Punkt vor einigen Jahren in die Verfassung aufgenommen.
Ich sage den Antragstellern nochmals: Wir haben einen geordneten Tierschutz. Ein Verbandsklagerecht ist nicht unproblematisch. Wir haben bestens arbeitende Tierschutzorganisationen, wodurch bereits die institutionelle Möglichkeit gegeben ist, im Tierschutzbeirat des Umwelt- und Gesundheitsministeriums entsprechende Vorstellungen einzubringen.
In weiser Voraussicht, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich, dass es unserer Auffassung nach keines Verbandsklagerechtes bedarf. Wir werden uns in der Einzelbe
Danke schön. − Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Biedefeld. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe gleich auf die Ausführungen des Kollegen Kobler ein. Ich sage: Wir haben in Bayern nicht zu viel Tierschutz, eher zu wenig. Sie haben auf die vielfältigen Schutzbestimmungen verwiesen. Das ist richtig, die haben wir. Aber wir haben eine große Lücke, und das ist das fehlende Verbandsklagerecht.
Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt den erneuten Vorstoß des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Sie haben dies bereits aufgeführt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD wechseln sich sozusagen ab, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Wir begrüßen den Vorstoß, dieses Klagerecht und auch das Mitwirkungsrecht für anerkannte Tierschutzvereine und verbände herbeizuführen, um damit vielen Millionen von Heimtieren bzw. Nutztieren notfalls auch vor Gericht eine Stimme zu verleihen; denn das ist bislang einfach nicht möglich. Wir sehen hier nach wie vor eine ganz große Lücke.
Ich möchte einen kurzen Blick auf die Historie werfen - Sie haben dies bereits ausgeführt -: Schon 2007 wurden von beiden Fraktionen Gesetzentwürfe eingebracht. Die haben Sie abgelehnt. Die SPD-Fraktion hat vor zwei Jahren erneut Anlauf genommen, was von CSU und FDP wiederum abgelehnt wurde. Sie haben gesagt, der Tierschutz sei in Artikel 141 Absatz 1 und 2 der Bayerischen Verfassung verankert. Aber das wissen wir; es ist Staatsziel. Trotzdem fordern wir das Verbandsklagerecht ein. Ich bin aktive Tierschützerin. Ich war viele Jahre Vizepräsidentin des Bayerischen Tierschutzbundes. Ich weiß, was vor Ort läuft. Die Tierschutzverbandsklage brauchen wir nach wie vor. Dieses Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen ist notwendig.
Wir müssen uns die Verhältnisse einmal in der Realität und vor Ort anschauen. Sie können mit mir gerne einmal eine Tour zu Tierheimen und durch die verschiedenen zuständigen Behörden machen. Viele Tiere werden immer noch für die Forschung, die Agrarindustrie, Zirkusse und die Heimtierzucht verwendet. Sie leiden. Das ist zwar nicht überall so, aber es gibt schwarze Schafe, es gibt Defizite und Schwierigkeiten. Damit muss es ein Ende haben. Dafür wäre das Verbandsklagerecht ein wichtiges Instrument.
Sie haben die Frage aufgeworfen, welchen und wie vielen Tierschutzverbänden man das Verbandsklagerecht einräumen sollte. Wir haben dazu in einem Gesetzentwurf etwas vorgeschlagen. Schon damals haben wir gesagt, dass die Entwicklung an dieser Frage nicht scheitern darf. Die Tierschutzorganisationen setzen sich gerne an einen Tisch. Sie sollen mit uns im Vollzug eines solchen Gesetzes darüber entscheiden, wer die Klageberechtigung bekommt.
Es gibt eine Analogie zum Naturschutzbereich. Wir haben nicht allen Naturschutzorganisationen in Bayern bis hinunter zum kleinsten Ortsverein das Klagerecht eingeräumt. Dies haben wir nur gegenüber anerkannten Naturschutzverbänden getan. Im Vollzug des Tierschutzgesetzes wäre es ein Leichtes, die Tierschutzorganisationen, egal, unter welchem Namen sie ihre hervorragende Arbeit leisten, einzubeziehen. Sie alle wären zur Übernahme des Klagerechts bereit. Und dies wäre, wie gesagt, analog zum Naturschutz zu sehen.
Sie haben gesagt, es komme nichts Neues, das sei alter Wein in neuen Schläuchen. Dazu kann ich nur sagen, Herr Kollege Kobler: Die Zielsetzung wird bleiben. Wenn Sie wieder ablehnen, werden wir trotzdem unseren Weg gehen. Wir werden im Interesse des Tierschutzes hartnäckig dranbleiben,