Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Es ist hochinteressant, was Sie, Frau Müller, zur Milchpolitik gesagt haben. Sie haben sich als Anhängerin der FDP-Linie geoutet. Ihr Kollege Aiwanger dagegen befürchtet geradezu Kolchosen in Bayern.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

Herr Dr. Herz hat eine flexible Mengensteuerung eingefordert. Ja, Sie verwirren jetzt unsere Bäuerinnen und Bauern. Es ist hochinteressant, was Sie zur Milchpolitik sagen. Herr Aiwanger, wollen Sie wirklich, dass wir die Investitionsförderung einstellen? Wollen Sie wirklich, dass unsere Betriebe mit den Produktionsgrößen, mit denen sie jetzt wirtschaften, auch noch in zehn, 15 oder 20 Jahren wirtschaften, und glauben Sie, dass diese Betriebe dann wettbewerbsfähig sind? Umge

kehrt gesagt: Hätten sich unsere Betriebe in den letzten 20 und 30 Jahren nicht weiterentwickelt, hätten wir nicht mehr 46.000 Milchbauern, sondern vielleicht noch 10.000.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Gesundes Wachstum ist besser als Verschuldung!)

Herr Dr. Herz, es ist nicht richtig, von Kolchosen zu sprechen. Wenn unsere fachkompetenten Berater auf den Ämtern unseren investitionswilligen Bauern zur Seite stehen und sie fragen, ob sie die Zahl der Kühe in ihren Betrieben von 30 auf 50 oder von 60 auf 80 oder 100 Kühe erhöhen wollen, sprechen Sie von Größenordnungen, die in Richtung Agrarfabriken gehen. Genau das aber ist eben nicht unsere Politik. Da müssen Sie Richtung Osten schauen. Dort hat man solche Vorstellungen, und dort hat man diese Strukturen.

(Hubert Aiwanger (FW): Das ist die EU-Politik, die Sie begleiten!)

- Herr Aiwanger, es ehrt mich, wenn Sie mir unterstellen, ich als bayerischer Landwirtschaftsminister könnte die Agrarpolitik in Brüssel bei 27 Ländern entscheidend beeinflussen.

(Hubert Aiwanger (FW): Die CSU! - Zurufe von der CSU)

- Ach, mein Gott, ich bin nicht so überheblich, hier zu sagen, die Vorstellungen der CSU sind eins zu eins umzusetzen.

(Hubert Aiwanger (FW): Sagen Sie doch, Sie haben keinen Einfluss! )

Das müssten Sie auch wissen, und deswegen ist es nicht nachvollziehbar, wenn Sie diese 60 Millionen Euro einzelbetriebliche Förderung infrage stellen.

Nein, meine Damen und Herren, wir wollen eben nicht eine Käseglocke über die Landwirtschaft, wie wir sie heute haben, stülpen, sondern wir wollen vernünftige Entwicklungsmöglichkeiten fördern und unterstützen. Das ist unsere Marschroute.

Deswegen kann ich auch den Kollegen Sprinkart nicht verstehen, wenn er die einzelbetriebliche Förderung in Bausch und Bogen verurteilt. Wie lange wird es dauern, meine Damen und Herren, bis gerade die GRÜNEN einen Antrag stellen, dass Anbindehaltung bei Milchkühen nicht mehr erlaubt sein soll? Bei anderen Tierarten haben wir das doch schon erlebt. Und wenn jetzt noch 50 % unserer Milchkühe in Anbindehaltung gehalten werden, wollen Sie dann verhindern, dass unsere Bauern in tiergerechte Laufställe investieren?

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Das ist doch die Aufstockungspraxis!)

- Aber, Herr Daxenberger, nicht jeder hat so lukrative Nebeneinnahmen wie wir beide.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es gibt auch Landwirte, die ausschließlich von den Erlösen der Landwirtschaft leben müssen, und es darf nicht so weit kommen, dass man einen tollen Job außerhalb der Landwirtschaft haben muss, um sich eine Landwirtschaft leisten zu können.

(Beifall bei der CSU)

Nein, ich möchte mit meinen Vorstellungen - und wenn Sie ein Stück weit ehrlich, korrekt und objektiv sind, werden Sie mir das zugestehen -, mit diesem Bündel an Maßnahmen, mit dieser Vielfalt an Programmen, mit diesem bunten Strauß an Ansätzen zur Qualifizierung der Betriebsleiter und gleichzeitig zur Minimierung der Kosten und zur Optimierung der Betriebsabläufe unsere Strukturen sinnvoll weiterentwickeln und unsere Landwirte in die Lage versetzen, dass sie eben auch morgen und übermorgen noch konkurrenzfähig sein können.

Wir sollten unseren Landwirten nicht vormachen, dass der Staat in der Lage ist, den Verfall von Preisen postwendend und in vollem Umfang auszugleichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das ist ein Trugschluss. Dazu sind wir nicht in der Lage. Deswegen müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, unter denen wir auf der einen Seite die Produktionsunterschiede aufgrund der verschiedenen Voraussetzungen ausgleichen, die es auf der anderen Seite den Bäuerinnen und Bauern aber auch ermöglichen, über das Produkt vernünftige Erlöse zu erzielen.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich überzeugt, dass es richtig ist, genau diesen bayerischen Weg, der sich seit über 40 Jahren bewährt hat als die Lösung, die unseren Strukturen am ehesten gerecht wird, weiter zu beschreiten. Wir sind weder für den freien Markt, den auch einige predigen, noch für die Käseglocke: Es darf sich nichts verändern. - Das ist unlogisch, das glaubt Ihnen niemand.

Und, Frau Karl, wenn Sie fragen, wie es mit dem Quotenausstieg aussieht, haben Sie etwas verwechselt. Das ist kein Ausstieg, sondern das ist im laufenden Wirtschaftsjahr eine freiwillige Begrenzung. Niemandem wurde ein Kilogramm an Quote weggenommen. Vielmehr würden aufgrund der Marktentwicklung im laufenden Wirtschaftsjahr europaweit fünf Prozent aus

gesetzt. Vielleicht wollte genau das auch Herr Dr. Herz ansprechen. Das ist aber das Gegenteil dessen, was Frau Müller will. Ich meine, dass schon heute ersichtlich ist, dass Intervention und Exporterstattung nicht ausreichen, um mittelfristig einen vernünftigen Preis zu erzielen. Wir müssen etwas an der Menge ändern. Ich kritisiere Brüssel, weil trotz der absehbaren Entwicklung die Menge kontraproduktiv erweitert wurde. Das ist meine Meinung, das ist die Meinung der CSU. Die FDP hat zu diesem Punkt, wie von Kollegen Dechant ausgedrückt, eine andere Meinung. Ich habe das bei der Agrarministerkonferenz deutlich eingefordert.

(Harald Güller (SPD): Was ist jetzt die Meinung des Kabinetts?)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kämpfe ich nach wie vor

(Harald Güller (SPD): Sie oder das Kabinett?)

für diese Position, weil ich überzeugt bin. - Lassen Sie doch Ihre ständigen Zwischenrufe.

(Harald Güller (SPD): Beantworten Sie doch die Frage der Kollegin! Kabinettsmeinung?)

- Ich habe Ihnen das jetzt gesagt, Herr Güller; ich habe Ihnen jetzt haargenau erklärt, wie es ist. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Harald Güller (SPD): Wie ist die Meinung des Kabinetts?)

- Ich habe heute eine Regierungserklärung abgegeben, habe vorhin deutlich formuliert, dass das meine Überzeugung ist, und jetzt habe ich es noch einmal dargelegt. Wenn Sie das nicht verstehen wollen, ist das Ihr Problem.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich vertrete die bayerischen Bauern. Ich vertrete nicht die holländischen Bauern, die eine 15-prozentige Quotenerhöhung gefordert haben. Sie sollten der Bundesministerin fairerweise keinen Vorwurf machen, dass sie der einprozentigen Erhöhung zugestimmt hat. Was wäre die Alternative gewesen? - Vielleicht hätten sich die Meinungen der Italiener, der Holländer, der Dänen und der Engländer durchgesetzt. Auch Sie müssen doch wissen, dass sich Politik in der Demokratie oftmals in Kompromissen ausdrückt. Deswegen war für unsere Bauern, sowohl was Modulation als auch was die Milchmenge anbelangt, leider Gottes kein besseres Ergebnis möglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch auf das eingehen, was vorhin von mehreren Rednern

angesprochen worden ist. Mir scheint nämlich ein Missverständnis bei den Freien Wählern, bei den GRÜNEN und bei der SPD vorzuliegen, was den von mir vorhin angesprochene Quotennachweis betrifft. Wir haben erreicht, dass dieser Quotennachweis bei Neubauten nicht mehr so wie bisher umgesetzt werden muss. Das heißt aber nicht, dass Betriebe, die zum Beispiel von 30 auf 60 Kühe aufstocken, die Quote nicht erfüllen müssen. Wenn jemand mit 30 Kühen vielleicht ein Kontingent von 200.000 Litern gehabt hat und er die Zahl der Kühe verdoppelt, dann musste er bisher, bevor er seinen Zuschussantrag einreichen konnte, bereits die Quote für 400.000 Liter vorweisen. Meiner Meinung nach ist das Unsinn, weil die Betriebe oftmals noch gar nicht die Kühe gehabt haben. Sie mussten somit sofort Geld in die Hand nehmen und Quote kaufen und provozierten damit einen Anstieg des Quotenpreises.

Wir wollten jetzt einen langsamen Produktionsanstieg ermöglichen. Der Landwirt bekommt nun sofort seinen Zuschuss, er muss die Quote aber nach und nach nachweisen. Er wird nicht befreit, sondern muss die Quote nachweisen. Ich bitte, dass das im Nachgang dessen, was Kollege Füracker schon deutlich ausgesagt hat, endlich verstanden wird. Sie sind nicht freigestellt, müssen die Quote aber nicht postwendend erfüllen. Für Betriebe, die in den letzten zwei Jahren investiert haben, ihre Investition aber noch nicht abgeschlossen haben, konnten wir bereits von Brüssel ein Zugeständnis erreichen.

Frau Kollegin Noichl, Sie haben mit Ihren Aussagen wiederum den Vogel abgeschossen. - Es tut mir leid, dass ich das so klar sagen muss. Sie behaupten wider besseres Wissen Dinge, die nicht zutreffen; Zahlen, die Sie nennen, stimmen nicht. Sie sagen, in den letzten zehn Jahren wäre der Agraretat um ein Drittel gekürzt worden. Woher Sie diese Zahlen haben, ist wohl Ihr Geheimnis. Fakt ist: 1997 hatten wir 880 Millionen Euro; 2009 haben wir 943 Millionen Euro im Haushalt. Ich habe das im Haus definitiv nachprüfen lassen, da ich über Ihre Behauptungen, die nicht zutreffen, auch erschrocken war.

Sie behauten auch, dass zum Beispiel in Weihenstephan die Studentenzahlen ständig zurückgingen. Fakt ist: Die Studienanfängerzahl in Weihenstephan ist gegenüber dem letzten Jahr um 50 % angestiegen. Das ist auch eine Folge dessen, dass wir uns nachhaltig für eine Neuausrichtung der Landwirtschaft und für neue Lehrstühle ausgesprochen haben. Das fand in Zusammenarbeit mit Kollegen Dr. Spaenle und dem Kollegen und damaligen Minister Dr. Goppel statt und war von Erfolg gekrönt. Sie behaupten Dinge, die nicht zutreffen. Das ärgert mich schon, da Sie Botschaften in die Welt setzen, die nicht richtig sind.

Sie kritisieren unsere Politik, obwohl Sie wissen, dass wir in Bayern die meisten bäuerlichen Existenzen haben. Wir haben 118.000 Betriebe. Wir haben 46.000 Milcherzeuger. Gehen Sie zu dem Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, der Ihrer Partei angehört, zu Dr. Backhaus. Wenn er von Milchproduktion spricht, meint er 900 Betriebe mit einer Betriebsgröße von 400, 600, 800, 1.000 oder 1.200 Milchkühen. Genau diese Entwicklung wollen wir nicht haben.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie ehrlich sind, müssten Sie eigentlich sagen, dass wir in Bayern in den letzten 30 Jahren eine vernünftige und richtige Politik betrieben haben. Diesen bayerischen Weg gilt es weiterhin zu unterstützen.

Sie und übrigens auch Kollege Sprinkart sprechen von der Umschichtung, von der ersten in die zweite Säule. Sie dürfen unseren Bäuerinnen und Bauern nichts vormachen. Wenn Sie das Geld der ersten Säule wegnehmen, nehmen Sie den Bauern direkte Prämien weg, um sie insgesamt für den ländlichen Raum einzusetzen. Das ist ein Wechsel von der linken Tasche in die rechte Tasche, wie ich immer sage, und dazwischen rinnt viel Sand durch die Finger. Die Mittel für unsere Bäuerinnen und Bauern in Bayern würden erheblich weniger werden. Deswegen wollen wir auch nach 2013 eine starke erste Säule haben. Die Bauern haben das auch begriffen, wie unsere Strategietagungen bewiesen haben.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben auch davon gesprochen, dass der Strukturwandel zu beklagen ist. Ja, Strukturwandel hat es immer gegeben; Strukturwandel wird es auch in Zukunft geben. Unser Ansinnen ist aber, diesen Strukturwandel zu begleiten, sozial abzufedern und zu gestalten. Unter der rot-grünen Bundesregierung, die Sie sieben Jahre geführt haben, unter der Führung des Landwirtschaftsministeriums durch Frau Künast haben wir überdurchschnittlich viele Aufgaben von Höfen gehabt. Der Strukturwandel war noch nie so stark wie ausgerechnet in der Zeit von Künast, weil unsere Bäuerinnen und Bauern keine Zukunft für deren Existenz mehr sahen, weil sie resigniert haben.

(Beifall bei der CSU - Georg Schmid (CSU): Jawohl, so ist es!)

Sie sprechen auch noch die Förderung an - das ist wieder ein Eigentor. Sie sprechen von degressiver Förderung und Förderhöchstgrenzen. Ich bin dem gegenüber sehr aufgeschlossen. Im Jahr 2003 hatten wir die Zwischenbewertung der Agrarpolitik. Frau Künast hat sich geweigert, Förderhöchstgrenzen von 300.000 Euro einzuführen. Sie stellen sich aber hier hin und behaupten

das Gegenteil. Das ist schon schizophren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)