muss man die Fähigkeit zur Differenzierung zuschreiben, die Sie nicht haben und die Sie nicht haben wollen, weil Sie sich hier in Vereinfachung üben.
(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist eine Unverschämtheit! - Karl Freller (CSU): War es jetzt ein Unrechtsstaat oder nicht?)
Ansonsten müssten Sie natürlich einräumen, dass Frau Schwan und Herr Sellering die Wahrheit gesagt haben.
Sie haben die Wahrheit gesagt, als sie ausgeführt haben, dass die DDR natürlich nie ein Rechtsstaat gewesen ist. Es war ein Unrechtsregime.
Im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben, haben sie hinzugefügt, dass es auch in der DDR anständige Männer und Frauen gegeben hat.
Sie hat Lehrerinnen und Lehrer, Pastoren und viele andere erwähnt, die versucht haben, unter diesem Regime das Beste daraus zu machen.
(Karl Freller (CSU): Sie hat sich geweigert, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen! - Weitere Zurufe von der CSU - Glocke des Präsidenten)
Ich weiß schon, was ich sage. Sie hat ausgeführt, dass auch in einem Unrechtsstaat nicht jeder einzelne Rechtsakt automatisch unrechtmäßig und rechtswidrig ist. Das hat sie gesagt. Das ist korrekt. Das werden Sie nicht bestreiten können. Herr Kollege, ich lese Ihnen das Interview von Gesine Schwan mit dem "Tagesspiegel" vor. Dort hat sie wörtlich Folgendes gesagt:
dass jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war. Es heißt ja auch nicht, dass in unserem Rechtsstaat jede einzelne Handlung dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht …
Der Begriff Unrechtsstaat ist ein politischer Kampfbegriff, und er ist diffus. Es ist kein juristischer Fachbegriff. Das werden Sie mir zugestehen, Herr Dr. Fischer. Im Gegensatz zu dem, was wir als Rechtsstaat empfinden,
findet sich in der juristischen Fachliteratur keine Ausarbeitung über den Unrechtsstaat. Unrechtsstaat ist ein politischer Kampfbegriff, und deswegen ist es schade, dass sich die FDP dazu hergibt.
Noch eine Anmerkung, meine Damen und Herren. Herrn Freller und der CSU steht es nicht zu, mit Fingern auf Sozialdemokraten zu zeigen. Mitnichten steht Ihnen das zu.
(Beifall bei der SPD - Karl Freller (CSU): Wo sind wir denn? Ich darf doch wohl noch die Frau Schwan kritisieren! Als Demokrat steht es mir doch noch zu, Kritik zu üben! Wo sind wir denn?)
Ich will daran erinnern, dass die Geschichte 1989 nicht geendet hat. Ab 1989 hat sich die Frage gestellt, wie die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland mit den Parteien und den Organisationen der früheren DDR umgehen.
Für uns Sozialdemokraten war es selbstverständlich, dass wir nicht mit einer der Organisationen aus dem SED-Machtapparat zusammengearbeitet haben. Kein einziger von denen ist in der SPD aufgenommen worden. Kein einziger!
Aus der Betrachtung nach 20 Jahren war dies möglicherweise ein Fehler. So ist es aber gemacht worden. Kein einziger ist bei uns aufgenommen worden. So viel Skrupel und moralische Integrität hatten die CDU und die FDP nicht. Im Gegenteil, sie haben nicht nur die Personen aufgenommen und ihnen hohe Ämter in Gemeindeverwaltungen, in den Ländern und sogar im Bund übertragen, sondern sie haben auch das Vermögen der jeweiligen Organisationen gerne mitgenommen und sich damit gegenüber der SPD einen Startvorteil verschafft.
Die SPD musste 1989 nach der Wiedervereinigung mit einer Hand voll Pastoren, die in die SPD eingetreten sind, bei null beginnen. Sie hatten dagegen einen Parteiapparat und haben ihn zusammen mit der CDU auch genutzt. Deswegen steht Ihnen diese moralische Empörung mitnichten zu.
Noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren. Die Zusammenarbeit zwischen der CDU und der Nachfolgerorganisation der SED, also der PDS, in den Gemeindeverwaltungen und bis in die Ebene der neuen Länder hinein, ist Tatsache. Das, was Sie hier zur Schau stellen, findet man in der Realität nicht wieder.
(Karl Freller (CSU): "Tagesspiegel" vom Sonntag! Frau Schwan hat es abgelehnt, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es bereits gesagt: Die CSU und auch die FDP haben kein Recht, einen Antrag zu stellen, den sie mit der Sorge um die Geschichtskenntnisse unserer Schülerinnen und Schüler begründen, und damit eine Auseinandersetzung zu beginnen, die sie bei genauer Betrachtung der geschichtlichen Ereignisse in unserem Land - nicht erst seit 1946, sondern seit 1930 bis heute - nicht gewinnen können. Deswegen fehlt Ihnen jegliches moralisches Recht, Vorwürfe bei uns abzuladen.
An die FDP gerichtet möchte ich auch noch sagen: Ich habe die FDP bislang immer dafür geschätzt, dass sie sich liberal gibt und den Rechtsstaat verteidigt. Dass sie sich aber zu einem solchen Unterfangen hergibt, wie es bei diesem Antrag deutlich geworden ist, enttäuscht mich doch sehr.
Herr Schindler, einen kleinen Moment bitte, es gibt noch eine Zwischenbemerkung. Meine Damen und Herren, vielleicht könnten wir angesichts der fortschreitenden Zeit jetzt auch zu der Zwischenbemerkung kommen.
(Widerspruch bei der SPD - Franz Maget (SPD): Entschuldigung, aber wenn die so einen Scheiß erzählen! Das ist eine Unverschämtheit, das steht ihnen nicht zu, Herr Präsident! - Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten - Ludwig Wörner (SPD): Das müssen Sie schon uns überlassen, wie lange wir klatschen! - Erneut anhaltender Beifall bei der SPD)
Wir befassen uns hier mit einem hoch sensiblen Thema. Das ist uns allen klar. Deswegen möchte ich bei diesem hoch sensiblen Thema darum bitten, dass wir alle gemeinsam versuchen, die Emotionen ein bisschen zu dämpfen.