Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

(Karl Freller (CSU): Um die geht es doch, nicht um die Leute von damals!)

muss man die Fähigkeit zur Differenzierung zuschreiben, die Sie nicht haben und die Sie nicht haben wollen, weil Sie sich hier in Vereinfachung üben.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist eine Unverschämtheit! - Karl Freller (CSU): War es jetzt ein Unrechtsstaat oder nicht?)

Ansonsten müssten Sie natürlich einräumen, dass Frau Schwan und Herr Sellering die Wahrheit gesagt haben.

(Karl Freller (CSU): Sie haben sich den Linken angebiedert!)

Sie haben die Wahrheit gesagt, als sie ausgeführt haben, dass die DDR natürlich nie ein Rechtsstaat gewesen ist. Es war ein Unrechtsregime.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das haben Sie aber so nicht gesagt!)

- Ich kann es Ihnen vorlesen.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist doch gelogen!)

- Ich kann es Ihnen vorlesen, Herr Weidenbusch. Regen Sie sich doch nicht so auf!

(Ernst Weidenbusch (CSU): Dann lesen Sie es doch vor!)

Im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben, haben sie hinzugefügt, dass es auch in der DDR anständige Männer und Frauen gegeben hat.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das hat sie doch nicht gesagt! Was erzählen Sie da? )

Sie hat Lehrerinnen und Lehrer, Pastoren und viele andere erwähnt, die versucht haben, unter diesem Regime das Beste daraus zu machen.

(Karl Freller (CSU): Sie hat sich geweigert, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen! - Weitere Zurufe von der CSU - Glocke des Präsidenten)

Ich weiß schon, was ich sage. Sie hat ausgeführt, dass auch in einem Unrechtsstaat nicht jeder einzelne Rechtsakt automatisch unrechtmäßig und rechtswidrig ist. Das hat sie gesagt. Das ist korrekt. Das werden Sie nicht bestreiten können. Herr Kollege, ich lese Ihnen das Interview von Gesine Schwan mit dem "Tagesspiegel" vor. Dort hat sie wörtlich Folgendes gesagt:

Die DDR war kein Rechtsstaat. Es gab keine Gewaltenteilung …

Dem stimmen Sie doch zu. Ich stimme dem auch zu. Damit hat Frau Schwan doch recht.

Die Justiz war ausdrücklich ein Instrument der SED und damit nicht unabhängig.

Das stimmt doch. Stimmen Sie doch zu. Ich stimme auch zu. Jeder stimmt dem zu.

Das hat zu einer allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung geführt. Das heißt aber doch nicht,

- auch das sagt sie, und auch das ist wahr, auch wenn es Ihnen nicht ins Konzept passt

dass jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war. Es heißt ja auch nicht, dass in unserem Rechtsstaat jede einzelne Handlung dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht …

(Ernst Weidenbusch (CSU): Lesen Sie doch auch den Rest vor!)

- Ich habe es Ihnen vorgelesen, jetzt brauchen Sie sich nicht mehr aufzuregen.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Lesen Sie doch den Rest vor!)

Der Begriff Unrechtsstaat ist ein politischer Kampfbegriff, und er ist diffus. Es ist kein juristischer Fachbegriff. Das werden Sie mir zugestehen, Herr Dr. Fischer. Im Gegensatz zu dem, was wir als Rechtsstaat empfinden,

findet sich in der juristischen Fachliteratur keine Ausarbeitung über den Unrechtsstaat. Unrechtsstaat ist ein politischer Kampfbegriff, und deswegen ist es schade, dass sich die FDP dazu hergibt.

Noch eine Anmerkung, meine Damen und Herren. Herrn Freller und der CSU steht es nicht zu, mit Fingern auf Sozialdemokraten zu zeigen. Mitnichten steht Ihnen das zu.

(Beifall bei der SPD - Karl Freller (CSU): Wo sind wir denn? Ich darf doch wohl noch die Frau Schwan kritisieren! Als Demokrat steht es mir doch noch zu, Kritik zu üben! Wo sind wir denn?)

- Das dürfen Sie schon machen, aber wir dürfen das auch entsprechend kritisieren.

Ich will daran erinnern, dass die Geschichte 1989 nicht geendet hat. Ab 1989 hat sich die Frage gestellt, wie die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland mit den Parteien und den Organisationen der früheren DDR umgehen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Blockparteien!)

Für uns Sozialdemokraten war es selbstverständlich, dass wir nicht mit einer der Organisationen aus dem SED-Machtapparat zusammengearbeitet haben. Kein einziger von denen ist in der SPD aufgenommen worden. Kein einziger!

(Beifall bei der SPD - Thomas Kreuzer (CSU): Jetzt machen Sie mit denen aber Koalitionen!)

Aus der Betrachtung nach 20 Jahren war dies möglicherweise ein Fehler. So ist es aber gemacht worden. Kein einziger ist bei uns aufgenommen worden. So viel Skrupel und moralische Integrität hatten die CDU und die FDP nicht. Im Gegenteil, sie haben nicht nur die Personen aufgenommen und ihnen hohe Ämter in Gemeindeverwaltungen, in den Ländern und sogar im Bund übertragen, sondern sie haben auch das Vermögen der jeweiligen Organisationen gerne mitgenommen und sich damit gegenüber der SPD einen Startvorteil verschafft.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD musste 1989 nach der Wiedervereinigung mit einer Hand voll Pastoren, die in die SPD eingetreten sind, bei null beginnen. Sie hatten dagegen einen Parteiapparat und haben ihn zusammen mit der CDU auch genutzt. Deswegen steht Ihnen diese moralische Empörung mitnichten zu.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren. Die Zusammenarbeit zwischen der CDU und der Nachfolgerorganisation der SED, also der PDS, in den Gemeindeverwaltungen und bis in die Ebene der neuen Länder hinein, ist Tatsache. Das, was Sie hier zur Schau stellen, findet man in der Realität nicht wieder.

(Karl Freller (CSU): "Tagesspiegel" vom Sonntag! Frau Schwan hat es abgelehnt, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es bereits gesagt: Die CSU und auch die FDP haben kein Recht, einen Antrag zu stellen, den sie mit der Sorge um die Geschichtskenntnisse unserer Schülerinnen und Schüler begründen, und damit eine Auseinandersetzung zu beginnen, die sie bei genauer Betrachtung der geschichtlichen Ereignisse in unserem Land - nicht erst seit 1946, sondern seit 1930 bis heute - nicht gewinnen können. Deswegen fehlt Ihnen jegliches moralisches Recht, Vorwürfe bei uns abzuladen.

An die FDP gerichtet möchte ich auch noch sagen: Ich habe die FDP bislang immer dafür geschätzt, dass sie sich liberal gibt und den Rechtsstaat verteidigt. Dass sie sich aber zu einem solchen Unterfangen hergibt, wie es bei diesem Antrag deutlich geworden ist, enttäuscht mich doch sehr.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

Herr Schindler, einen kleinen Moment bitte, es gibt noch eine Zwischenbemerkung. Meine Damen und Herren, vielleicht könnten wir angesichts der fortschreitenden Zeit jetzt auch zu der Zwischenbemerkung kommen.

(Widerspruch bei der SPD - Franz Maget (SPD): Entschuldigung, aber wenn die so einen Scheiß erzählen! Das ist eine Unverschämtheit, das steht ihnen nicht zu, Herr Präsident! - Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten - Ludwig Wörner (SPD): Das müssen Sie schon uns überlassen, wie lange wir klatschen! - Erneut anhaltender Beifall bei der SPD)

Wir befassen uns hier mit einem hoch sensiblen Thema. Das ist uns allen klar. Deswegen möchte ich bei diesem hoch sensiblen Thema darum bitten, dass wir alle gemeinsam versuchen, die Emotionen ein bisschen zu dämpfen.

(Franz Maget (SPD): Aber nicht, wenn die SPD klatscht. Das steht Ihnen nicht zu!)

- Ich habe Ihnen das Klatschen nicht verboten, Herr Maget.

(Franz Maget (SPD): Aber Sie haben darum gebeten, es abzukürzen!)

Vielleicht könnten wir jetzt zur Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Klein kommen.