Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Das Ehegattensplitting sei eine unverzichtbare Leistung für partnerschaftliche Aufteilung. Ja, im klassischen Sinne. Es ist eindeutig. Jede Studie belegt das. Ich habe gehofft, dass das Thema Betreuungsgeld in den Zeiten der Krise vom Tisch ist. Es war auch eigentlich recht ruhig um das Thema.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und ehrlich gesagt, auch da bin ich es leid, argumentativ gegenzuhalten. Wenn Sie genug Mittel haben, dann fördern Sie mit dem Ehegattensplitting meinetwegen weiterhin und doppelt die klassische Ehe, wo der Mann arbeitet und die Frau zu Hause arbeitet. Wenn Sie aus ideologischen Gründen so sehr daran festhalten, dann bitte schön - aber erst dann und wirklich erst dann, wenn das letzte Kind, das einen Betreuungsplatz benötigt, diesen sowohl in der Krippe als auch im Kindergarten gefunden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist weder in nächster Zeit noch mittelfristig erreichbar. Sie können in Ihren eigenen Sozialbericht schauen, Stand 2. September 2008: Seit dem Jahr 2000 haben die Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren um 1,1 % zugenommen - 1,1 %, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - und liegt damit bei 4,6 %. - Ganz toll. Bayern ist von Platz 13 auf Platz 12 vorgerutscht. Welch ein Erfolg.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn es in diesem Tempo weitergeht, weiß ich aber nicht, wie Sie Ihr eigenes Ziel erreichen wollen. Sie haben sich vorgenommen, bis 2012 - ambitionierter als Frau von der Leyen - für jedes dritte Kind unter drei einen Platz zu haben. Wie soll das gehen?

Sie haben das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz angesprochen und sich selbst gelobt. Ja, ich finde auch, dahinter stand zum Teil eine gute Idee, nämlich flexibler auf die Eltern und ihre Bedürf

nisse zu reagieren. Doch gut gemeint ist nicht gut gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass es großen Nachbesserungsbedarf gibt - das ist schon eine alte Leier -, Stichwort Gastkinderregelung. Ich kann Ihnen viele eigene Geschichten darüber erzählen, aber auch die von Fremden, wenn Sie mal Zeit haben. Die Arbeit der Erzieher und Erzieherinnen schließlich muss mehr wert sein, das ist wirklich absoluter Konsens, überall. Da sage ich immer, auch ein bisschen provokativ, das weiß ich: Nehmen Sie Ihr Betreuungsgeld, topfen Sie es um und sorgen Sie dafür, dass Frauen und die paar Männer, die so wichtige Aufgaben für unsere Kinder übernehmen, endlich angemessen bezahlt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, Abgeordneten der SPD und der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Alte Gegensätze aufzumachen zwischen den Frauen, die sich um ihre Kinder kümmern, und denen, die arbeiten gehen, hilft uns nicht weiter in der Sache zum Wohl der Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN, Abgeordneten der SPD und der Abgeordneten Tanja Schweiger (FW))

Vielen Dank, Frau Kollegin Stamm. Ich darf Ihnen seitens des Präsidiums ganz herzlich zu Ihrer parlamentarischen Jungfernrede gratulieren. Seien Sie versichert, es kommen in jeder Situation mehr kritische Blicke von vorne als von hinten.

(Allgemeine Heiterkeit - Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Zum Abschluss dieser Debatte darf ich Frau Staatsministerin Haderthauer das Wort erteilen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns im Ziel - Lebenschancen für Kinder - einig. Dennoch bin ich von der Debatte enttäuscht.

(Christa Naaß (SPD): Wir waren enttäuscht von Ihnen!)

Ich habe bei der SPD unglaublich viel Vergangenheitsbewältigung alter Frustrationserlebnisse gefunden. Es mag Ihnen psychisch helfen, dass Sie irgendwann auch mal irgendwelche Ideen hatten. Aber die Zeit war dafür halt noch nicht reif.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN - Demon- strativer Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen haben Sie sich nicht durchsetzen können. Die Zeit war dafür noch nicht reif, ich wiederhole das gerne. Aus diesem Grund haben Sie auch weiterhin eine so geringe Wählerzustimmung. Sie wissen nicht, was die Menschen draußen bewegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Christa Naaß (SPD): Aber Sie!)

- Ja, genau.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): 20 Jahre verschlafen!)

Ich möchte auch mein Bedauern darüber ausdrücken, dass es so wenige konkrete Anregungen gab,

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

mit denen wir wirklich gemeinsam auf diesem Weg weiterkommen.

Der Großteil der Debatte war: Mei, wie wir’s gesagt haben, hat noch niemand auf uns gehört. Das ist ja okay. Aber wir sind eine Demokratie. Der zweite Teil der Debatte war, falsche Statistiken zu präsentieren. Ich sage Ihnen gleich, weshalb das so ist.

(Christa Naaß (SPD): Unglaublich!)

Der dritte Teil Ihrer Wortmeldungen schließlich waren Verwechslungen, weil Ihnen weder der Unterschied zwischen Anstellungsschlüssel und Personal-KindVerhältnis geläufig ist noch die Verantwortungsverteilung zwischen Staat und Kommunen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sagen Sie mal, wen Sie da meinen!)

- Ich komme gleich darauf. Ich sage nur, insgesamt war das wirklich schade. Wir hätten die Zeit im Sinne unseres gemeinsamen Ziels "Lebenschancen für Kinder" besser nutzen können.

Ich beginne ganz kurz mit Frau Stamm. Ich finde es schade, weil ich die schriftliche Version meiner Rede extra habe austeilen lassen. Ich habe nicht gesagt: Familien sind der Ort für Kinder, sondern ich habe gesagt: "Familien sind der Ort für Zukunft und Lebenschancen von Kindern." Manchmal hilft nachlesen vielleicht für das Verständnis.

In diesem Sinne sage ich Ihnen auch, dass ich es extrem schade finde, dass bis zum Schluss in diesem Haus berufstätige und kindererziehende Elternteile nicht gegeneinander ausgespielt wurden, aber in Ihrem Redebeitrag dann eben schon.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Den Landessozialbericht zu zitieren mit Zahlen, die bei Weitem nicht mehr der aktuellen Lage entsprechen, verzeihe ich Ihnen, weil Sie zu dem Zeitpunkt, als wir den Landessozialbericht in diesem Haus behandelt haben, noch nicht Mitglied des Landtags waren. Denn sonst wüssten Sie, dass aufgrund der Vorgaben des Landtags wegen der bundesweiten Vergleichbarkeit im Landessozialbericht zum Teil Zahlen verwendet wurden, die der heutigen Situation eben nicht mehr entsprechen. Zu diesem Zweck habe ich übrigens ein blaues Papier verteilt. Man tut sich manchmal einen Gefallen, aktuelle Statistiken zu zitieren, zumal wenn sie jedem Abgeordneten vorliegen und daraus klar zu ersehen ist, dass das, was Sie zitiert haben, Frau Stamm, eben nicht stimmt. Wir sind bei der Dynamik des Ausbaus der Kinderbetreuungsplätze de facto bei 18 %. Was irgendwelche Institute 2005 oder 2006 festgestellt haben, ist damit überholt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Zuruf der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Die Lebenschancen für Kinder, da sind wir uns einig, müssen wir gemeinsam verbessern. Ich habe nie Verantwortungen getrennt und finde es wichtig, darauf zu achten. Wenn wir uns natürlich auf das Niveau begeben, mit Unterstellungen zu arbeiten, dann können wir das auch. Dann entfernen wir uns von der Realität. Ich sprach von "ineinandergreifenden Zuständigkeiten". Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie alle miteinander ständig versucht haben herbeizureden.

(Christa Steiger (SPD): Alle anderen haben es falsch verstanden!)

Wer natürlich eine andere Ansicht hat als ich persönlich, dass die Eltern nicht zu ersetzen sind, der mag die haben. Das wird aber an der Politik nichts ändern, sondern das ist das Verständnis, das man von Familie hat.

(Margarete Bause (GRÜNE): Dafür ist die Zeit noch nicht reif!)

Ihre Sorge um die Armut in diesem Land ist rührend, Frau Stachowitz, aber in dem Moment unglaubhaft, wo Sie nicht mit einbeziehen, dass in den Bundesländern, wo Ihre Partei jahrelang die Weichen gestellt hat, bis heute weit höhere Armutsquoten bestehen. Wir haben, was die Kinder und die Alleinerziehenden angeht genau die Gruppen, die Sie ansprechen -, in Bayern die beste Situation bundesweit.

(Zuruf von der SPD: Aber 23 % sind nicht gut!)

Zeigen Sie doch einmal, wo Sie es in Ländern, in denen Sie das Sagen haben, auch nur andeutungsweise besser gemacht haben. Das können Sie eben nicht, und

deswegen ist das, was sie äußern, nicht ernst zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Diana Sta- chowitz (SPD): Verschlafen, verschlafen!)

- Hören Sie zu, ich habe Ihnen auch zugehört.

Es ist auch nicht ernst zu nehmen, wenn Sie den Erfolg unseres Integrationsfaktors von einem Drittel höherer Förderung für jedes Kind mit Migrationshintergrund daran messen wollen, wie derzeit die Abschlussquoten sind. Hallo, den haben wir erst 2005 eingeführt. Es braucht einige Jahre, bis so etwas wirkt. Wenn Sie ernst genommen werden wollen, dann argumentieren Sie anders, aber glaubhaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dass die Politik bei dieser Argumentation an Glaubwürdigkeit verliert, kann ich gut verstehen. Mir werden Ihre Wahlergebnisse immer klarer, je öfter ich Sie höre.