Protocol of the Session on October 27, 2009

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können. Ich eröffne die 32. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, wollte ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Heute hat Frau Kollegin Natascha Kohnen Geburtstag. Sie ist noch nicht anwesend. - Sie ist krank. Wir schicken ihr ganz herzliche Glückwünsche und wünschen ihr, dass sie bald wieder gesund ist.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Gote, ist es richtig, dass Sie gestern Geburtstag hatten?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ja, aber das zählt ja nicht.)

Ihr Geburtstag ist zwar nicht vermerkt, ich gratuliere Ihnen trotzdem ganz herzlich nachträglich.

(Allgemeiner Beifall)

Die Frau Vizepräsidentin Stahl hat mich auf Ihren Geburtstag aufmerksam gemacht. Alles Gute für Sie.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf.

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der Fraktion der Freien Wähler "Jugendliche und Alkohol - was können wir tun? Was müssen wir tun?"

Herr Dr. Fahn steht schon bereit. Zuständig für die Beantwortung ist das Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit. Die Frau Staatssekretärin ist ebenfalls am Redepult eingetroffen. Bitte schön, Herr Dr. Fahn.

Frau Präsidentin, Frau Staatssekretärin! Die Freien Wähler haben am 13.10.2009 mit 120 Personen eine Anhörung im Bayerischen Landtag durchgeführt. Dabei wurde von allen Experten übereinstimmend festgestellt, dass nicht die eingenommene Gesamtmenge des Alkohols, sondern das exzessive Rauschtrinken oder das Komasaufen in Deutschland zugenommen habe. Das Einstiegsalter ist ebenfalls stark gesunken. Kinder ab 11 Jahren - auch Mädchen - sind zunehmend betroffen. Das Saufen bis zur Besinnungslosigkeit hat auch in Bayern eine neue Dimension angenommen.

Wir haben einige Fragen an Sie. Was sind nach Auffassung der Staatsregierung die Ursachen für das ver

änderte Trinkverhalten der Jugendlichen? Wie sieht das Konzept der Staatsregierung zur Eindämmung des exzessiven Alkoholkonsums von Jugendlichen aus? Ich weiß, dass viele Projekte wie Disco-Fieber, Mindzone und HaLT existieren. Wir wünschen uns jedoch ein bayernweites Gesamtkonzept. Im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP wird dieses Problem ausdrücklich thematisiert. Die Bundesregierung will alle bestehenden Präventionsprogramme überprüfen. Wird die Staatsregierung ebenfalls so vorgehen oder wird sie so weiter handeln wie bisher? Wie informiert sich die Staatsregierung über kommunale und regionale Projekte zur Suchtprävention? In Bayern gibt es bereits viele dieser Projekte. Kennt die Staatsregierung diese Projekte? Das Einstiegsalter in Bezug auf das Rauschtrinken sinkt stetig, sodass die Suchtberatungsstellen für Kinder und Jugendliche ausgebaut werden müssen. Wie sieht das Konzept der Staatsregierung aus? Mir genügt es nicht, wenn Sie ein hervorragendes Konzept für die Suchtberatungsstellen vorweisen und gleichzeitig immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen sind. Wir sind der Meinung, dass mehr getan werden muss.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege, ich darf mit Ihrer ersten Frage beginnen. Sie haben sich nach den Ursachen erkundigt. Die Ursachen sind sehr vielfältig. Wir haben festgestellt, dass sich die Probleme im Umgang mit Alkohol nicht auf eine spezifische Gruppe von Jugendlichen festlegen lassen. Diejenigen, die mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen, stammen aus allen Gesellschaftsschichten. Dabei handelt es sich um Mädchen und Jungen, die jünger oder älter sind. Aus diesem Grund sind die Konzepte sehr vielfältig aufgestellt. Deshalb ist es wichtig, dass wir unterschiedliche Angebote für verschiedene Regionen anbieten. Innerhalb Bayerns sind die Probleme unterschiedlich konzentriert. Wir haben kein übergreifendes Konzept, das die kleinen Projekte vor Ort ersetzt. Selbstverständlich haben wir auch Projekte, die bayernweit vertreten sind. Im Kindergarten wird bereits unspezifisch auf einen gesunden Lebensstil hingewirkt. In den Schulen sind spezifische Projekte wie die Ausstellung "Na toll" vertreten. Die Projekte Mindzone und Disco-Fieber haben Sie bereits genannt. Das Projekt HaLT, das seit diesem Jahr an 21 Standorten zu finden ist, finde ich besonders gut. Das Projekt hat zwei Ansätze:

Es hat zum einen den Ansatz, dass es proaktiv ist - das heißt, es wirkt vor Ort auch präventiv -, zum anderen den Ansatz, dass es reaktiv ist. Das ist für mich wichtig.

Wenn nämlich ein Jugendlicher nach einem Komatrinken mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gelandet ist, kommt jemand von der Beratung am nächsten Morgen zu ihm, und zwar zusammen mit den Eltern. Natürlich muss er vorher danach gefragt werden. Aber es ist jedenfalls wichtig, dass jemand nicht erst nach zwei, drei Wochen, sondern am nächsten Tag zu ihm kommt. Dann sind die Eltern noch erschrocken. Vielleicht ist auch der Jugendliche darüber erschrocken, dass er im Krankenhaus gelandet ist. In dieser sensiblen Phase muss man und müssen wir, die Eltern den Jugendlichen erwischen.

Das finde ich bei dem Projekt HaLT - Hart am Limit - so gut. Dieses gibt es an 21 Standorten. Wir können uns vorstellen, das Projekt weiter und auch bayernweit auszudehnen. Denn es ist der richtige Ansatz, denjenigen Jugendlichen, bei denen so etwas zum ersten Mal vorkommt, frühzeitig Hilfe an dem Punkt anzubieten, wo sie dafür sensibel sind.

Es ist also nicht so, dass es ein "weiter so" gibt. Wir hinterfragen unsere Projekte danach, ob sie erfolgreich sind. Die Projekte werden entsprechend evaluiert.

Sie haben gefragt, ob wir die kommunalen Projekte alle kennen. Natürlich gibt es bei den Jugendämtern vor Ort verschiedene Projekte. Aber wenn man sich zum Beispiel über die Internetseite des LGZ informiert, stellt man fest, dass es da sehr viele und unterschiedliche Projekte gibt, die auch bayernweit aufgezählt sind. Über die Landeszentrale für Gesundheit wissen wir also sehr wohl bayernweit, wo welche Maßnahmen stattfinden.

Wenn jemand vor Ort in ein derartiges Projekt investieren möchte, kann er sich bei der Landeszentrale informieren und danach seine Entscheidung treffen.

Sie haben davon gesprochen, dass das Einstiegsalter weiter sinkt. Wir stellen aber fest, dass das Alter für den ersten Rausch im Moment etwas steigt.

Wenn man die Jugendlichen fragt, wer im letzten Monat keinen Alkohol getrunken hat, wer also einen Monat lang alkoholabstinent gewesen ist, so ergibt sich eine Zahl, die zurzeit im Steigen begriffen ist. Das bedeutet, dass wir mit unseren Präventionsangeboten vom Grundsatz her durchaus auf dem richtigen Weg sind.

Aber die Herausforderung durch diejenigen, die sich ins Koma trinken, besteht nach wie vor. Davor verschließen wir unsere Augen nicht.

Nun möchte ich aber noch eine Lanze für die Jugendlichen brechen. Wir dürfen sie nicht nur unter dem Gesichtspunkt sehen, ob und dass sie sich ins Koma trinken, sondern müssen uns auch vergegenwärtigen,

dass sie sehr viel im ehrenamtlichen Bereich leisten. Dies dürfen wir nicht vergessen.

Eine erste Nachfrage stellt Kollege Glauber.

Frau Staatssekretärin, ich gebe Ihnen absolut recht, dass wir hier eigentlich über wenige Fälle sprechen. Aber es sind Fälle, bei denen Jugendliche leider sehr extrem trinken.

Ich komme zu meiner ersten Frage. Flatrate-Partys sind ein gezielter Versuch, das Gaststättengesetz und den bei uns guten Jugendschutz zu umgehen. Wie sieht es mit einem gesetzlichen Verbot von Flatrate-Partys aus?

Meine zweite Frage: Wie stehen Sie zu einer regelmäßigen Thematisierung der Suchtprävention an Schulen? Wie stehen Sie zur Einführung eines Faches wie Lebenskunde an Schulen?

Meine dritte Frage: Wie stehen Sie zu der gesetzlichen Initiative in Baden-Württemberg, den Alkoholverkauf in nächtlichen Stunden an Tankstellen zu untersagen?

Frau Staatssekretärin.

Mit Flatrate-Partys sprechen Sie etwas an, was auch uns allen ein Dorn im Auge ist. Wir haben bereits eine gesetzliche Maßnahme auf den Weg gebracht. In meinen Augen haben Sie es richtig angesprochen: Jugendliche werden ein Stück weit wegen der günstigen Kosten zu übermäßigem Alkoholkonsum verführt. Aber vielen Gastwirten geht es nicht darum, Betrunkene in ihrem Gastraum zu haben. Gastwirte verhalten sich da sehr verantwortungsvoll. Sie achten darauf, dass solches nicht vorkommt.

Das Komatrinken gibt es aber auch oft im privaten Bereich. Das muss man an dieser Stelle ausdrücklich mit erwähnen.

Sie haben die Schulen angesprochen. In manchen Schulfächern spielt die Suchtprävention durchaus eine Rolle. Ich denke zum Beispiel an Biologie und Theologie. Das zieht sich im Lehrplan durch die Unterrichtsfächer hindurch.

An vielen Schulen werden entsprechende Aktionstage gestartet. Man kann sich auch kostenlos die Ausstellung "Na toll!" an die Schulen holen. Auf solche Weise kann man Jugendliche jugendgerecht zum Beispiel darauf hinweisen, wie sie sich einem Gruppendruck entziehen können. Wenn es in einer Jugendgruppe heißt: "jetzt trinken wir alle", dann müssen Jugendliche in der Lage sein, sich mit coolen Worten dagegenzustellen, zum Beispiel so: Diese Runde lasse ich jetzt ausfallen.

Die Ausstellung ist in diesem Sinne aufgezogen. Sie ist für Jugendliche, eben jugendgerecht gestaltet.

Wir hatten auch eine Ausstellung "Be hard, drink soft". Wir werden sie jetzt mit einem deutschen Namen versehen und nächstes Jahr an die Schulen bringen. Da gibt es auch Mitmach-Parcours. Da setzt man sich eine Brille auf, um sehen zu können, wie sehr das eigene Gesichtsfeld eingeschränkt wird, wenn man betrunken ist. So kann man ein Gefühl dafür vermitteln, welche gesundheitlichen Auswirkungen mit dem Trinken verbunden sind.

Wenn Schulen die Schüler nicht nur vormittags, sondern auch nachmittags betreuen, ist es wichtig, dass im Bereich der Lebenskunde verstärkt neben den Pflichtfächern auch Ehrenamtliche herangezogen werden, die das pädagogische Feld mit beackern.

An Schulen - außer an den Grundschulen - haben wir überall Suchtbeauftragte - Fachkräfte für Suchtprävention -. Es sind spezielle Ansprechpartner. Man muss sich über das Suchtalter inzwischen aber auch weitere Gedanken machen und sich fragen, ob man Suchtbeauftragte vielleicht auch schon an Grundschulen braucht.

Sie haben richtig gesagt, dass Baden-Württemberg dabei ist, ein Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke zu nächtlichen Stunden an Tankstellen auszusprechen. Dazu wird es im Jahr 2010 kommen. In meinen Augen ist das eine überlegenswerte Maßnahme. Wir sollten beobachten, wie sie sich in BadenWürttemberg auswirkt. Denn viele Jugendliche sehen eine Möglichkeit, sich an Tankstellen Nachschub zu besorgen. Dort muss also der Riegel vorgeschoben werden.

Viele Jugendliche statten sich schon im Vorfeld gut aus. Daher könnte man fragen, ob das Verbot an Tankstellen viel bringen würde. Da müsste man vielleicht auch durch das Ladenschlussgesetz etwas regeln.

Jetzt darf ich Frau Kollegin Schopper das Wort erteilen.

Frau Staatssekretärin, insgesamt ist der Alkoholkonsum laut Suchtbericht 2009 der Bundesregierung und der Drogenbeauftragten seit dem Jahr 2004 um 18 % zurückgegangen.

Ich finde die Feststellung wichtig, dass jetzt keine Generation von Saufbolden heranwächst, sondern die Jugendlichen im Großen und Ganzen halbwegs verant

wortlich mit dem Problem umgehen. Man sollte also keinen falschen Eindruck erwecken.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Dennoch mussten im Jahr 2007 5.200 Kinder und Jugendliche wegen Alkoholkonsums in die Klinik eingeliefert werden.