Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 39. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Wie immer wurde die Genehmigung erteilt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute vor 65 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat 1996 dieses Ereignis des 27. Januar 1945 zum Anlass genommen, den 27. Januar zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" zu erklären.

Auschwitz ist zum Synonym für die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten und ihre brutale, menschenverachtende Tötungsmaschinerie geworden. Wir gedenken heute all derer, die Opfer jener Tyrannei und Gewaltherrschaft wurden. Wir gedenken der jüdischen Männer, Frauen und Kinder. Wir gedenken der Sinti und der Roma. Wir gedenken der weiblichen und männlichen Homosexuellen. Wir gedenken der Kranken und der Menschen mit Behinderung. Wir gedenken der politisch Andersdenkenden und der Frauen und Männer des Widerstands. Sie alle mussten sterben, weil ihnen die Nationalsozialisten das Recht zu leben absprachen.

Der heutige Gedenktag ist uns eindringliche Mahnung, das Geschehene nicht zu vergessen und aus dieser schmerzlichen und erschütternden Erfahrung heraus größte Wachsamkeit an den Tag zu legen, damit sich derlei grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Würde des Menschen bei uns und anderswo niemals wiederholen.

Ich bitte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sich zu einer Gedenkminute von Ihren Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf darauf hinweisen, das anlässlich des Holocaust-Gedenktages heute Abend um 20 Uhr im Senatssaal eine gemeinsame Veranstaltung des NS-Dokumentationszentrums München und des Bayerischen Landtags stattfindet. Anwesend werden die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Frau Dr. Charlotte Knobloch, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Herr Christian Ude, sowie die Gründungsdirektorin des NS-Dokumentationszentrums München, Frau Dr. Irmtrud Wojak, sein. Zur Erinnerung an den Holocaust werden die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof, Frau Prof. Dr. Monika Harms, und Frau Dr. Wojak sprechen.

Sie alle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind dazu sehr herzlich eingeladen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dieser bewegenden Minute begrüße ich am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus Ehrengäste auf der Besuchertribüne. Es haben Platz genommen Herr Solly Ganor und seine Gattin, die ich beide mit Frau Naor herzlich willkommen heiße.

Herr Ganor hat als Dreizehnjähriger den Einmarsch der Deutschen in seine Heimat Litauen miterlebt. Danach musste er mit seiner Familie zunächst drei Jahre im Getto Kaunas leben, bevor er im Sommer 1944 in das KZ Stutthof deportiert wurde. Anschließend kam er in das KZ-Außenlager Landsberg-Kaufering. Im April 1945 wurde er während eines der berüchtigten Todesmärsche von den Amerikanern befreit. Herr Ganor wanderte anschließend nach Israel aus. Er hat seine Lebensgeschichte in dem Buch "Das andere Leben" beschrieben, das er heute in Dachau vorstellen wird.

Sehr geehrter Herr Ganor, seien Sie uns mit ihrer Gattin ganz herzlich willkommen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt, alles Gute und Gottes Segen.

(Anhaltender Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie nun, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 21. Januar 2010 verstarb der ehemalige Erste Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Herr Dr. Heinz Rosenbauer, im Alter von 71 Jahren. Er gehörte dem Landtag von 1970 bis 1994 an und vertrat zuerst den Stimmkreis "Alzenau - Gemünden am Main - Lohr am Main" und dann 20 Jahre lang den Wahlkreis Unterfranken als Mitglied der Fraktion der CSU.

Dr. Heinz Rosenbauer war in Gemünden im Landkreis Main-Spessart als Notar tätig, bevor er bereits mit 32 Jahren in den Bayerischen Landtag einzog.

Er gehörte zunächst dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen an, dann dem Ausschuss für Sicherheitsfragen und zuletzt den Ausschüssen für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie für Geschäftsordnung und Wahlprüfung, ebenso der Parlamentarischen Kontrollkommission und dem Ausschuss für Eingaben und Beschwerden.

1974 wurde er in das Amt des Ersten Vizepräsidenten gewählt, das er bis 1978 innehatte. In diesem Jahr berief ihn der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß zum Staatssekretär im Bayerischen Staatsmi

nisterium für Arbeit und Sozialordnung. 1984 wechselte er ebenfalls in der Funktion des Staatssekretärs in das Bayerische Staatsministerium des Innern und von 1988 bis 1990 in das Bayerische Staatsministerium der Justiz.

Die Ämter, die Dr. Heinz Rosenbauer anvertraut waren, hat er glaubwürdig und engagiert ausgefüllt. Den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern hat er dabei nie verloren. In seiner Persönlichkeit vereinten sich souveräner Sachverstand, mitfühlende Menschlichkeit und sein rheinischer Humor, den er sich selbst in Zeiten schwerer Krankheit bewahrte. Er war beliebt und geachtet, vor allem in seiner Wahlheimat Unterfranken. Dort hat er sich große Verdienste erworben. Die Stadt Gemünden ernannte ihn 1986 zu ihrem Ehrenbürger.

Der Bayerische Landtag dankt dem Verstorbenen für seinen Einsatz für unser Land und wird ihm ein ehrendes Gedenken bewahren. - Ich danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich einen freudigen Anlass. Es ist immer schön, wenn man zum Geburtstag gratulieren kann.

Jeweils einen runden Geburtstag feierten am 18. Dezember Herr Kollege Christian Meißner, am 13. Januar Frau Kollegin Annette Karl und am 24. Januar der Staatssekretär des Innern, Herr Kollege Gerhard Eck. Herzlichen Glückwunsch, sehr geehrte Frau Kollegin und sehr geehrte Herren Kollegen. Ich gehe davon aus, dass Sie im Kreis der Familien und mit lieben Freunden schön gefeiert haben, vielleicht sogar auch mit dem Herrn Ministerpräsidenten. Alles Gute auch vonseiten des Hohen Hauses. Glück, Erfolg und Gottes Segen! Das brauchen wir immer auch für unsere Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bin 1976 in den Bayerischen Landtag gekommen. Da hatten unsere Offizianten und Offiziantinnen die gleiche Dienstkleidung, wie wir sie auch heute Morgen noch gesehen haben. Sie haben sich selber gewünscht, sich in ein neues Outfit begeben zu können.

(Allgemeiner Beifall)

Diesem Wunsch ist das Präsidium des Bayerischen Landtags natürlich sehr gerne nachgekommen.

Lieber Herr Ministerpräsident, ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass das kein Rot ist. Es ist vielmehr ein Bordeaux.

(Allgemeiner Beifall)

Ich glaube, damit ist das Präsidium der Ausgewogenheit im Hinblick auf das ganze Haus gerecht geworden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Bayerns Zukunft ohne Atomkraft - endlich konsequent auf erneuerbare Energien umsteuern!"

Als Erstem erteile ich Herrn Kollegen Hartmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Von Jahresbeginn an war die CSU, voran die Staatsregierung mit ihrem Minister Söder, wieder einmal auf Werbetour für die Atomkraft in diesem Land. Das geschah völlig unbekümmert von den CSU-internen Diskussionen um das "Leitbild 2010 plus" einschließlich "Zukunftskommission und Innovationsversionen". Da wurden alte Parolen wieder ausgepackt. Es hieß, die Atomkraft sei in diesem Land nicht ersetzbar und müsse weiter betrieben werden.

Ganz egal, ob es einen Parteitagsbeschluss hin oder her gibt - die CSU will bei diesem Thema bleiben. Die letzten Wochen haben wieder gezeigt: Es läuft auf eine Laufzeitverlängerung hinaus.

(Beifall bei der CSU)

Die aktuelle Debatte in Berlin zeigt deutlich: Da sitzt die Regierung schon wieder auf dem Schoß der vier großen Versorger und verspricht Laufzeitverlängerung.

Erstaunlich ist, dass der Umweltminister mit der Forderung nach zehnjähriger Laufzeitverlängerung in die Debatte geht. Warum fordert er nicht gleich 15 oder 20 Jahre? Warum also nur 10 Jahre? Das einzige Argument, das öffentlich vorgetragen wird, ist, angeblich könnten so 1,5 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden. Aber dieser Gedankengang, Herr Minister Söder, ist so falsch wie er alt ist. Kein Mensch möchte doch die Atomkraft durch Braunkohlekraftwerke ersetzen. Sie rechnen Braunkohlestrom dagegen. Aber die Ersetzung durch Kohlekraftwerke will niemand. Deshalb hinkt das Argument.

Man muss auch Folgendes bedenken. Seit der Inkraftsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vor zehn Jahren ist die Stromproduktion aus Sonne, Wind, Biomasse und Geothermie gewaltig gestiegen. Wir produzieren im Vergleich zum Jahr 2000 die zehnfache Strommenge von Isar 1. Trotzdem wollen Sie kein AKW abschalten. Wohin denn mit diesem ganzen Strom?

Erstaunt bin ich auch darüber, dass Sie in der Debatte immer von der Brücke ins Solarzeitalter reden. Sie reden davon, dass die erneuerbaren Energien ihre Leistungsfähigkeit erst beweisen müssten. Was ist

denn bei den erneuerbaren Energien in den letzten Jahren geschehen? Sie beweisen doch täglich ihre Leistungsfähigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Machen Sie einmal die Augen auf und schauen sich die Zahlen an, um zu sehen, was diese Energieträger zur Stromproduktion beitragen! Heute ist im Wirtschaftsteil der SZ wieder einmal zu lesen - ganz aktuell -: Allein die im vergangenen Jahr in Deutschland gebauten Windkraftanlagen liefern so viel Strom wie zwei Atomkraftwerke. Ja, diese Strommenge ist im letzten Jahr hinzugekommen. Aber wir schalten keine Anlagen ab. Da passt doch etwas nicht zusammen. Noch eines muss gesagt werden: Die erneuerbaren Energien haben jedes von der Politik gesteckte Ziel übertroffen. Das Ziel für 2010 wurde im Bereich der erneuerbaren Energien bereits 2007 erreicht. Das verschweigen Sie. Sie verschweigen genauso, dass Deutschland im Stromexport jedes Jahr Steigerungen zu verzeichnen hat. Im Jahr 2008 hatten wir einen neuen Rekord im Stromexport. Die Strompreise an der Strombörse in Leipzig fallen zurzeit. Immer häufiger geht es da in den negativen Bereich.

Sie wissen genauso gut wie ich: An Weihnachten wurden massenweise Windkraftanlagen vom Netz genommen. Man hatte diesen Strom nicht mehr ans Netz gebracht, weil das Netz durch Nuklear- und Kohlekraftstrom verstopft ist. Dann gibt es keinen Platz mehr. Sie wollen jetzt noch einmal zehn Jahre draufpacken. Das erstaunt mich sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotz dieses Überangebots an Strom, das wir zurzeit im Netz haben, wollen und müssen wir die Energieversorgung umbauen. Wir möchten eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. Das hat mehrere Gründe, zum einen den Klimaschutz. Es ist unumstritten, dass wir die Erderwärmung reduzieren müssen. Die Ressourcen sind nun einmal endlich und werden eines Tages zur Neige gehen. Sie sind auch viel zu schade, um verbrannt zu werden.

Ein weiterer Grund ist die Unabhängigkeit von Weltmarktpreisen. Wir möchten erreichen, dass die Wertschöpfung in unserem Land bleibt. Das schafft Ausbildungs- und Arbeitsplätze in unserem Land. Der Umbau der Energieversorgung ist sicherlich eine schwierige Herausforderung, aber mit der Forderung, die bestehenden Laufzeiten um zehn Jahre zur verlängern, machen Sie es nicht leichter, sondern schwieriger. Sie machen vor allen Dingen eines - das ist an die Kollegen der FDP gerichtet, deren Bundeswirtschaftsminister von 15 bis 20 Jahren spricht -; Hiermit zementieren Sie

die alten Strukturen und drücken den neuen Technologien die Luft ab.

Wissen Sie eigentlich, wovon Sie sprechen? Wir haben einen Ausstiegskonsens. Einige AKWs laufen noch bis zum Jahre 2025. Wollen Sie da noch einmal 20 Jahre draufpacken? Wie lang soll diese Brücke, die wir gar nicht benötigen, noch werden?

Es ist auch erstaunlich, wie fahrlässig in Bayern mit diesem Thema umgegangen wird. Wir in Bayern profitieren doch von dieser Energiewende. Fahren Sie durchs Land; überall entstehen Solaranlagen und Biomasseanlagen. Viele bayerische mittelständische Handelsbetriebe haben ihr Produktportfolio erweitert und setzen auf diesen Bereich. Diese Firmen brauchen Planungssicherheit. Sie vertrauen auf die Planungssicherheit, die mit dem Atomausstieg beschlossen worden ist. Sie vertrauen auf den damit verbundenen Einstieg in erneuerbare Energien, und dieses Vertrauen der Mittelständler verspielen Sie mit Ihrer Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was mich auch verwundert: Ich habe mir den Koalitionsvertrag von CSU und FDP angeschaut. Dort heißt es: "Einen funktionierenden Wettbewerb" möchten Sie durchsetzen im Strombereich. "Besonderes Augenmerk legen wir auf die leistungsfähigen kleinen und mittleren Energieversorgungsunternehmen in kommunalem, genossenschaftlichem oder Privateigentum." Wo sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von Ihrer Politik profitieren, wenn Sie die Laufzeiten verlängern? Nennen Sie mir einen kleinen Betreiber, der für eine längere Laufzeit von Kernkraftwerken ist.