Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

- Ja, natürlich, Herr Huber. Doch zumindest kann ich mich noch im Spiegel anschauen, aber Sie nimmer; denn das, was Sie in Bayern angerichtet haben, habe ich noch nicht geschafft.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Bravo!)

- Herr Huber, wir sind uns einig, wir sind zwei Niederbayern, da ist man manchmal ein bisschen heftiger und härter. Aber für das, was Sie hier so bieten, schämt sich ganz Niederbayern. Das habe ich Ihnen schon mal gesagt.

(Zurufe von der CSU)

Da muss man sich schämen, dass man ein Niederbayer ist.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

- Entschuldigung, wenn Sie mir sagen, wie ich ausschaue. Ich sage Ihnen ja auch nicht, wie Sie ausschauen. Das überlasse ich Ihnen selber. Das ist Ihr Problem, das andere meines. Das ist im Übrigen auch

nicht der Stil parlamentarischer Auseinandersetzungen, den Sie da pflegen.

(Erwin Huber (CSU): Sie gehen zum Lachen in den Keller!)

Sie sollten unserem Antrag zustimmen, um sicherzustellen, dass § 18 Absatz 3 des Atomgesetzes in Bayern nicht zur Wirkung kommt; denn wenn er zur Wirkung kommt - und das ist in dem Moment der Fall, wo wir verpflichten nachzurüsten; Herr Söder hat ja gesagt, es müsse nachgerüstet werden -, werden wir ersatzpflichtig. Wenn dem so ist, und davon sind wir überzeugt, dann ist es notwendig, da Schaden abzuwenden, weil gerade Minister per Eid zugesagt haben, dass sie vom Freistaat Bayern Schaden abwenden. Deswegen ist unsere dringende Aufforderung: Gehen Sie mit diesem Gesetz in den Vermittlungsausschuss! Dort können Sie es noch stoppen, wie es der größte Teil der deutschen Justizminister vorhat.

Noch etwas zu diesem unsäglichen Verfahren, mit dem diese Gesetzesänderung durchgepeitscht wurde: Selbst der Bundespräsident und der Bundestagspräsident monieren dieses Verfahren als grenzwertig.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Ich sage: Das war undemokratisch und eines Staates nicht würdig. Da muss man sich nicht wundern, wenn Menschen auf die Straße gehen, dagegen protestieren und dieses verurteilen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die CSUFraktion darf ich den Kollegen Tobias Reiß ans Mikrofon bitten. Ich erinnere nur kurz daran, dass die Redezeiten nicht ausgeschöpft werden müssen; es sind gerade so viele.

(Ludwig Wörner (SPD): Ich habe Sie nicht ausgeschöpft!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hartmann, zunächst zu Ihnen: Sie fordern mit Ihrem Dringlichkeitsantrag insbesondere die Staatsregierung auf, sie solle sich dafür einsetzen, dass sich der Bundesrat in der Frage der Laufzeitverlängerung für zustimmungspflichtig erklärt, und verweisen dabei auch darauf, dass dies der Rechtsausschuss beschlossen hat, also dass sich praktisch ein Gremium per Beschluss selbst als zustimmungspflichtig betrachtet. Ich glaube, wir sind uns zumindest in der Frage einig, dass über die Zustimmungspflicht nicht der Bundesrat selbst, sondern das Grundgesetz ent

scheidet. Das wäre in etwa so, als würde hier die Landtagsfraktion der GRÜNEN beschließen, dass alle Gesetze des Bayerischen Landtags künftig der Zustimmung der GRÜNEN bedürfen.

(Hubert Aiwanger (FW): Das traue ich eher der CSU zu!)

Mit der Änderung des Atomgesetzes werden die Laufzeiten der Kraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre verlängert, um in einem Übergangszeitraum, nämlich bis die Kernenergie durch erneuerbare Energie ersetzt werden kann, die drei energiepolitischen Ziele Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit - zu erreichen. Wir wissen, die bayerischen Kernkraftwerke liefern aktuell rund 60 % des gesamten Strombedarfs in Bayern. Das kann man bedauern, aber auch begrüßen. Es ist jedenfalls aktuell so. Nach dem von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Atomgesetz müsste das letzte bayerische Kernkraftwerk im Jahr 2020 vom Netz genommen werden. Ich glaube, auch da sind wir uns einig: Auch wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien noch so vorantreiben, werden wir den Anteil der Kernenergie an der bayerischen Stromversorgung bis zum Jahr 2020, also in weniger als zehn Jahren, nicht durch erneuerbare Energien ersetzen können.

Es ist doch unrealistisch und klimapolitisch verfehlt, die dann bestehende Versorgungslücke gerade in der Grundlast über neue Investitionen in fossile Kraftwerke schließen zu wollen. Stromlieferungen aus dem Ausland, vielleicht aus Temelin, sind auch keine Lösung, zumal wir nicht einmal über das Netz zur Übertragung dieser Stromkapazitäten verfügen.

Unser zentrales Anliegen ist eine zuverlässige, klimagerechte und bezahlbare Energieversorgung. Wir wollen auf die erneuerbaren Energien umsteigen. Dieser Übergang muss jedoch verlässlich und so organisiert sein, dass die Versorgungssicherheit des Produktionsstandortes Bayern nicht gefährdet wird. Sie haben immer wieder behauptet, die Verlängerung der Laufzeiten würde den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern oder gar verhindern. Es bleibt beim Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien. Wenn Strom aus erneuerbarer Energie eingespeist wird, haben alle anderen Erzeugungsformen zurückzustehen.

(Ludwig Wörner (SPD): Wie war das bei den Kernkraftwerken?)

- Das Grundprinzip des EEG ist und bleibt, dass Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen ist. Damit hat Strom aus erneuerbarer Energie im Netz immer Vor

fahrt, auch wenn Sie noch so oft das Gegenteil behaupten.

Herr Kollege Wörner, mit Ihrem Dringlichkeitsantrag den Sie offensichtlich aus einer Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe abgeschrieben haben

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das haben wir nicht nötig!)

behaupten Sie, dass den Bundesländern mit Kernkraftwerken bei behördlichen Nachrüstungsforderungen erhebliche nicht kalkulierbare Kosten drohen. Sie begründen dies mit § 18 Absatz 3 des Atomgesetzes, wonach bei nachträglichen behördlichen Auflagen den Betreibern unter bestimmten Voraussetzungen eine staatliche Entschädigung zu leisten ist. Diese Entschädigungspflicht der Länder gilt allein für nachträgliche Auflagen. Hätten Sie im neuen Gesetz etwas intensiver nachgelesen, wären Sie sicherlich auf die neue Regelung in § 7 d des Atomgesetzes gestoßen, wo geregelt wird, dass für die Betreiber eine sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Nachrüstpflicht besteht. Das bedeutet: Zur Umsetzung dieser gesetzlich vorgeschriebenen Nachrüstpflicht bedarf es keiner Auflagen. Deswegen greift § 18 Absatz 3 des Atomgesetzes nicht.

Die Aufsichtsbehörde verfügt durch ihre Anordnungsbefugnis über ausreichende Instrumente, um die Nachrüstpflicht der Betreiber durchzusetzen. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass wir die rechtlich nicht haltbare Auffassung der SPD-Landtagsfraktion nicht teilen und den Dringlichkeitsantrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Erwin Huber (CSU): Mit Freude!)

Herr Kollege Reiß, bleiben Sie bitte noch einen Moment am Pult. Herr Kollege Wörner hat um das Wort für eine Zwischenbemerkung gebeten, das ich ihm hiermit erteile.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass Atomstrom die regenerativen Energien ausbremst? Das hat einen einfachen Grund: Erstens. Man kann Atomkraftwerke nicht beliebig innerhalb kurzer Zeit rauf- und runterfahren. Zweitens. Als energiepolitischer Sprecher müssten Sie eigentlich wissen, dass zum Beispiel Windkraftwerke abgeschaltet werden, wenn zuviel Strom da ist. Sie erhalten dann dafür 25 % Vergütung. Im Übrigen haben die Betreiber der Kernkraftwerke 25 Millionen Euro bezahlen müssen, weil sie in Zeiten, als zuviel Strom da war, ihren Strom trotzdem eingespeist haben. Diese 25 Millionen Euro nehmen die Betreiber der Kernkraftwerke aber locker in Kauf, weil sie genug verdienen.

Deshalb können Sie nicht behaupten, dass regenerativen Energien der Vorrang gegeben wird. Das ist technisch nicht möglich und somit auch nicht der Fall.

Im Übrigen gilt die Vergütungsregelung nur für die genannten 25 %. Man beruhigt die Erzeuger von Strom aus regenerativen Energien etwas, sie genießen aber deshalb noch lange keinen Vorrang. Das ist das übliche Täuschungsmanöver, um darzustellen, wie gut man mit den Regenerativen umgehe. Das ist aber nicht der Fall.

Herr Kollege Wörner, inzwischen ist nachgewiesen, dass die Regelbarkeit der Kernkraftwerke gegeben ist.

(Ludwig Wörner (SPD): Über Stunden!)

Es ist bis zu 50 % des Angebots gegeben. Im Gesetz steht der Einspeise-Vorrang.

(Ludwig Wörner (SPD): Nein!)

Sicherlich ist es richtig, dass es zu bestimmten Starkwindzeiten und bei erheblicher Sonneneinstrahlung zu Stromexporten und zu negativen Preisen an der Leipziger Strombörse kommt. Was sollen wir aber an den 100 Tagen im Jahr tun, an denen kein Wind weht und keine Sonne scheint? An diesen Tagen müssen wir ebenfalls Strom für die Grundlast zur Verfügung stellen.

(Ludwig Wörner (SPD): Da geht es nicht um die Einspeisung!)

Ich habe ausgeführt, dass dies mit der Regelbarkeit der Kernenergie nichts zu tun hat. Wir sehen keine direkte Konkurrenz zwischen der Kernkraft und den erneuerbaren Energien. Wir brauchen eine Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Ludwig Wör- ner (SPD): Sie dürfen sie nicht sehen!)

Für die Fraktion der Freien Wähler darf ich Herrn Kollegen Alexander Muthmann das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle nicht mehr versuchen, die Koalitionsfraktionen beim Thema Restlaufzeiten sachlich-inhaltlich zu überzeugen. Das Für und Wider dazu wurde in diesem Hause ausreichend ausgetauscht. Lieber Herr Kollege Reiß, ich wundere mich aber schon, dass Sie hier die Auffassung äußern und begründen, die Vertreter der Länder sollten an einer weitreichenden zentralen Entscheidung nicht beteiligt werden. Die Beteili

gung des Bundesrats an wesentlichen Entscheidungen, die uns alle betreffen, ist ein Ausfluss des Föderalismus und des föderalen Systems. Diese Regelung wurde bewusst festgeschrieben, um den Ländern in zentralen Fragen, die sie hinsichtlich des Vollzugs oder des Inhalts unmittelbar angehen, ein Mitspracherecht einzuräumen.

An anderen Stellen werden der Föderalismus und die eigenständige Geltendmachung von inhaltlichen Positionen Bayerns durch die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion immer hochgehalten, gepflegt und gehegt. Auch bei diesem Thema gibt es beste Gründe dafür, es im Bundesrat zu behandeln. Es ist doch evident, dass es sich bei diesem Thema um eine schwerwiegende und zentrale Umgestaltung einer bisherigen rechtlichen Position handelt. Die Entscheidungen, die dazu fallen, bewegen nicht nur die Politik, sondern wirken sich auch auf die Menschen aus.

Im Kernenergierecht wird es auch eine wesentliche Umgestaltung der Verwaltungsaufgaben für die Länder geben. Diese Aufgaben, zum Beispiel die Verlängerung der Bundesauftragsverwaltung, betreffen die Länder unmittelbar. Im Grundgesetz ist geregelt, dass der Bundesrat in solchen Fällen beteiligt werden muss. Bei so weitreichenden, schwierigen und leidenschaftlich diskutierten Fragestellungen gehört es zur politischen Integrität, nicht leichtfertig über Beteiligungsrechte hinwegzugehen.

Die Gutachten haben den Beleg geliefert. Deswegen werden wir den Anträgen der SPD und der GRÜNEN unsere Zustimmung erteilen; denn auch hier gilt: Demokratie funktioniert nur dann gut, wenn die Betroffenen auch zu Beteiligten gemacht werden. Dies gilt auch im Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Deswegen fordern wir die Bundesratsbeteiligung und stimmen den Anträgen zu.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Für die FDPFraktion darf ich Herrn Kollegen Tobias Thalhammer das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir dieses Thema in leicht abgeänderter Form immer wieder und wieder im Plenum behandeln, ist es heute ganz besonders schwer, zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Anscheinend langweilt es auch Ihre eigenen Kollegen, da Ihre Reihen nur halb belegt sind. Ich habe mich immer um eine sachliche Diskussion in der Energiefrage bemüht. Über dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN steht das Schlagwort "Basta", es wird also eine Basta-Entscheidung und eine Basta-Politik gefordert; wenn man sich Ihren Antrag genauer an