Der Gesetzentwurf stammt aus der Feder der CDU. Das müsste Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, doch zu denken geben. Uns hat der Gesetzentwurf der CDU Brandenburg jedenfalls überzeugt, weshalb wir ihn praktisch 1 : 1 übernommen und nur an den bayerischen Rechtsrahmen angepasst haben. Damit müsste es Ihnen eigentlich sehr schwer fallen, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Die Identifizierbarkeit der Polizeieinsatzkräfte ist zu wichtig, um dieses Thema einfach vom Tisch zu wischen. Es gibt schließlich gewichtige Argumente dafür. Erstens. Es ist rechtsstaatlich nicht vertretbar,
dass Ermittlungsverfahren gegen Polizeieinsatzkräfte, denen eine Straftat vorgeworfen wird, eingestellt werden, und zwar nicht, weil die Straftat nicht stattgefunden hätte, sondern weil nicht festgestellt werden kann, wer sie begangen hat. So ist das zum Beispiel bei der Aufarbeitung des USK-Einsatzes 2007 beim Fußball-Lokalderby in München geschehen. Hier kam es zu Übergriffen auf Fans. Es konnte aber nicht geklärt werden, welcher Beamte aus der USK-Einheit diese Körperverletzungen tatsächlich begangen hat. Die Ermittlungsverfahren sind deshalb eingestellt worden. Das ist eigentlich unerhört. So etwas darf nicht vorkommen.
Zweitens. Als tragendes Argument setzt sich mittlerweile auch die Steigerung des Vertrauens in die Polizei und das Ansehen der Polizei in der Bevölkerung durch. Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch hat bei der brandenburgischen Anhörung sein Augenmerk insbesondere auf diesen zweiten Punkt gelegt. Ich zitiere ihn aus dem Anhörungsprotokoll:
Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass heute in einer modernen und bürgernahen Polizei das Tragen von Namensschildern zur Dienstkleidung eine selbstverständliche Geste der Bürger- und Kundenorientierung ist, die von den Bürgerinnen und Bürgern auch erwartet werden kann.
Natürlich gibt es auch Befürchtungen und Vorbehalte, so die Angst vor Bedrohungen der Beamten und ihrer Familien durch Rechtsbrecher, die sich rächen wollen, oder vor falschen Beschuldigungen oder davor, dass die Polizei unter Generalverdacht gestellt würde. Diese vermuteten negativen Folgen sind aber dort, wo Namens- oder Dienstnummern eingeführt worden sind, nicht eingetreten. Auch das hat die Anhörung in Brandenburg bestätigt. Nicht einmal aus der Sicht des Datenschutzes bestehen Bedenken. Die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Brandenburg, Frau Dagmar Hartge, äußerte sich bei der Anhörung wie folgt:
Sie sehe eigentlich nur Vorteile bei einer Kennzeichnungspflicht, weil sie denke, dass der Rechtsstaat ein offenes Gesicht haben sollte. Ein transparenter und moderner Rechtsstaat bringe es mit sich, dem anderen grundsätzlich offen gegenüberzutreten, wie es gerade bei hoheitlichem Handeln besonders wichtig sei.
Diese Äußerungen von Herrn Glietsch und Frau Hartge sollten uns zu denken geben. Wir GRÜNE wollen mit dem Thema ernsthaft umgehen, und ich erwarte, dass auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies tun. Wir werden deshalb ebenfalls eine Expertenan
hörung zu unserem Gesetzentwurf vorschlagen, damit wir auch in Bayern die Argumente pro und kontra genau beleuchten können und zu einem guten Ergebnis kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass hier im Hohen Haus über die Frage der Identifizierbarkeit, der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte diskutiert wird. Dieses Thema wird hier immer wieder neu vorgebracht, und es wird immer wieder versucht, argumentativ zu arbeiten. Frau Tausendfreund, Sie sprechen mit Recht davon, dass man sich in einer freiheitlichen Gesellschaft offen gegenübertreten sollte. Wenn ich aber Bilder von Demonstrationen ansehe, wie beispielsweise im vergangenen Mai in Berlin oder von den Demonstrationen in Dresden vor einigen Tagen, wenn ich an Auseinandersetzungen bei und nach Fußballspielen denke, wenn ich gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizeibeamten und Demonstranten sehe, dann frage ich mich, wo das offene Gegenübertreten ist, wenn die Demonstranten vermummt in Aktion treten, nicht zuletzt auch, nachdem die Vermummung eine Ordnungswidrigkeit geworden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Franz Schindler (SPD): Das hat die CDU in Brandenburg aber beschlossen! Können die das denn verstehen?)
- Ich frage hier nur: Kann man hier von einem offenen Gegenübertreten sprechen? Das geht dann, wenn sich zwei gleichberechtigte Partner gegenüberstehen.
Meine Damen und Herren, wir sind aufgerufen, wenn wir den Polizeibeamten oder die Polizeibeamtin sehen, sie an ihrer Aufgabe zu messen. Es ist nicht so, dass die Kolleginnen und Kollegen, wie vor wenigen Tagen in Dresden oder immer dann, wenn in Deutschland Gewalt ausgeübt wird, aus Spaß an der Freude den Sonntagnachmittag oder den Samstagabend im Dienst verbringen. Sie sind vielmehr Vertreter des Staates, sie treten nicht als Müller, Meier oder Huber vor die Demonstranten und in den Dienst, sondern sie vertreten den Rechtsstaat. Ich glaube deshalb, dass wir auf eine Individualisierung durchaus verzichten können.
Wenn es in einem Fall, wie bei dem Lokalderby in München, nicht gelingt, eine Straftat aufzuklären, dann ist das lediglich eine Aufforderung, Aufklärungs
möglichkeiten in der Nachbereitung geschlossener Einsätze zu verbessern. Es ist aber keine Aufforderung dazu, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu kennzeichnen. Denn wenn jemand - das ist selbst bei der Polizei nicht auszuschließen - kriminelle Energie entwickelt und sich im Rahmen einer gewalttätigen Auseinandersetzung nicht mehr so im Griff hat, wie es sein sollte, wäre es doch ein Leichtes, das Namensschild wegzunehmen. Dann wäre die Identifizierung nicht möglich. Daher ist das für mich kein Argument.
Wenn die CDU in Brandenburg einen Weg einschlägt, den wir nicht mitgehen werden, fällt es mir überhaupt nicht schwer, einem solchen Weg zu widersprechen. Ich frage mich: Was soll der Absatz 3 des Artikels 6 in dem Gesetzentwurf? Da heißt es:
Die Kennzeichnungs- und Ausweispflicht gilt nicht, wenn der Zweck der Maßnahme dadurch beeinträchtigt wird.
Was ist damit gemeint? Wer entscheidet das? Der Staatsanwalt, der Richter, der polizeiliche Einsatzleiter, der Beamte vor Ort?
Was ist der Zweck der Maßnahme? Zweck ist Schutz einer Demonstration, Gewalt zu verhindern und Verhinderung von Straftaten. Ich frage mich, was ein Namensschild bei der Verfolgung dieses Zwecks verhindern soll. Doch gar nichts. Der Zweck der Maßnahme wird durch Tragen oder Nichttragen eines Namensschildes in keiner Weise tangiert. Der Absatz 3 ist so vernachlässigbar wie ein Kropf.
Ich frage mich wirklich, warum wir uns im Abstand von wenigen Monaten immer wieder über die Frage der Kennzeichnungspflicht unterhalten müssen. Die Verbände sind dagegen. Wie Sie wissen, legen die Beamtinnen und Beamten mit Recht auf ihre individuelle Persönlichkeit Wert. Es wird nach wie vor so sein, dass CSU und FDP in diesem Hohen Haus dagegen sein werden.
Nach meiner Meinung macht es wenig Sinn, immer wieder neue Varianten alten Weins in neue Schläuche zu gießen und hier mit der Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamtinnen und -beamten parlamentarisch aufzutreten.
Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten stehen für uns nicht unter Generalverdacht. Sie genießen unsere Sympathie. Wir können ihnen nicht sagen: Ihr müsst das Namensschild tragen, weil es sein könnte, dass ihr zu Gewalttätern werdet. So etwas wollen wir nicht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schade, dass Herr Kollege Ländner hier schon das Ergebnis der Beratung in den Ausschüssen vorwegnimmt und sagt: Egal, was da noch geredet wird - wir stimmen sowieso nicht zu. Da stellt sich die Frage, warum wir über diese Problematik diskutieren, und das nicht zum ersten Mal.
Erstens, Herr Kollege Ländner, haben Sie eine völlig falsche Sicht der Dinge. Es geht nicht darum, dass gleichberechtigte Partner aufeinandertreffen und mit offenem Visier ritterlich miteinander kämpfen. Dieses Bild ist völlig falsch. Es geht darum, dass Polizeibeamte in einem demokratischen Rechtsstaat legitimiert sind, staatliche Gewalt auszuüben. Die dürfen also Gewalt ausüben. Ich bin froh, dass sie es dürfen und nicht irgendwelche marodierenden Horden es tun. Deswegen sind sie auch nicht mit dem polizeilichen Gegenüber zu vergleichen.
Zweitens: Die Diskussion über die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte wird in der Tat seit Jahrzehnten geführt, im Bayerischen Landtag zuletzt aufgrund eines SPD-Antrags vom letzten Jahr. Interessanterweise haben Münchener Stadträte der CSU und der FDP schon im Jahr 1998 vor dem Hintergrund der sogenannten Schwabinger Krawalle beantragt, eine namentliche Kennzeichnung von Polizeibeamten einzuführen, und zwar mit der Begründung die kann man nachlesen -, dass die Kennzeichnung eine psychologische Bremse für Übergriffe und Willkürakte der staatlichen Gewalt darstelle und ein Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft und zum Abbau falscher Animositäten sei.
Genauso ist es! Polizeibeamte haben bei uns nichts zu verbergen, wenn sie ihre Arbeit tun. Sie haben nichts zu verdecken.
Im Kern geht es nicht um den normalen Polizeibeamten, der in der Inspektion oder auf Streife seinen Dienst tut. Er wird sich sowieso regelmäßig ausweisen. Dazu ist er schon jetzt verpflichtet. Es geht auch nicht um den verdeckten Ermittler. Da wäre es unsinnig, sich auszuweisen. Es geht vielmehr ausschließlich und regelmäßig um Polizeibeamte bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten, typischerweise also um die Bereitschaftspolizei und ihre Unterstützungskommandos.
Diese Beamten sind häufig - leider war es auch wieder am letzten Sonntag in Dresden so - ganz besonders schwierigen Situationen und oft Angriffen aus Menschenmengen heraus ausgesetzt. Sie verdienen deshalb unsere Unterstützung. Da haben Sie völlig recht.
Aber leider kommt es ab und zu vor - Gott sei Dank nicht häufig; aber ich habe es am Bauzaun von Wackersdorf miterlebt -, dass bei Großeinsätzen Personen von Polizeibeamten verletzt werden und anschließend keine Chance haben, die Identität der verantwortlichen Beamten zu erfahren. Die Kollegin Tausendfreund hat bereits das Beispiel München genannt, als Polizeibeamte angeblich auf Fans des TSV 1860 eingeprügelt haben. Seit Jahren wird ergebnislos ermittelt, weil Beamte nicht identifiziert werden können.
Ein Skandal ist aber die Begründung, mit der die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren ein- oder sogar zweimal eingestellt hat, dass nämlich die Beamten zwar zugeschlagen hätten - das sieht man auf Videos -, aber nicht zu identifizieren gewesen seien. Schon dieses Beispiel zeigt, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.
Eines der tragenden Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats ist die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht. Selbstverständlich muss sich auch die Polizei mit ihren weitreichenden Befugnissen zur Anwendung von Zwang dieser Kontrolle stellen.
Es ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig, wenn gesagt wird, die Macht müsse anonym und ohne Chance, eine handelnde Person zu identifizieren, ausgeübt werden können.
Frau Kollegin Tausendfreund hat bereits auf den europäischen Kodex für Polizeiethik des Europarats verwiesen, dem sich auch die Bundesrepublik verpflichtet hat. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern die namentliche Kennzeichnung von Polizeibeamten überhaupt kein Problem darstelle.
Die Forderung nach namentlicher oder sonstiger Kennzeichnung - es ist auch an Nummern zu denken - hat überhaupt nichts mit einem Generalverdacht oder mit Misstrauen gegenüber der Polizei zu tun. Ganz im Gegenteil, es geht gerade darum, zu verhindern, dass die staatliche Machtausübung hinter einem Visier versteckt und unkontrollierbar ist. Das hat die Polizei in Deutschland nämlich nicht nötig. Wir sind nicht in Libyen, Tunesien oder sonstwo. Hier muss
Es gibt also kein Argument gegen die Kennzeichnung, insbesondere keinen Beweis für die Behauptung, Polizeibeamte würden durch Kennzeichnungspflicht gefährdet bzw. irgendwelchen Angriffen ausgesetzt. Dafür gibt es überhaupt keinen Beleg.
Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur bitten, noch einmal darüber nachzudenken, ob Ihre Position, mit der Sie mittlerweile fast allein dastehen, die richtige ist. Es wäre im Interesse auch der Polizei, sich endlich einen Ruck zu geben und diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns über das Thema sowohl hier im Plenum als auch in den Ausschüssen unterhalten. Die Freien Wähler sind bisher der Auffassung gewesen und werden auch dabei bleiben, dass die Kennzeichnungspflicht bei Polizeibeamten nicht sinnvoll ist.
Während der Polizeibeamte seine Pflicht tut und den Staat verteidigt, tritt der Demonstrant in Fußballstadien oder bei Demonstrationen freiwillig auf. Der Polizeibeamte hat die Staatsinteressen zu vertreten. Er verfügt über ein Gewaltpotenzial.
Wir befürchten, dass Demonstranten den Polizisten etwas anhängen wollen. Wir befürchten eine Klagewelle. Diese hätte erhebliche Folgen für die Einsatzbereitschaft der Polizei.